Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Galgen-Männlin
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAPUT V.
Continuatio Simplicissimi Schreibens.

So hab ich auch biß-her noch kein Zau-brer gsehn / noch von eim ghört odr glesn / der Schlössr gbaut / Rentn gstifft / odr ein großn Schatz von solchm Geld hindr-lassn; hats abr jemahls ein gebn / der es gthan / so hat er ohn dis sonst andr Mittl ghabt etc.

 
Erläuterung und Annotation.

Was Simplicissimus damit vermeinet / daß er im vorigen Capitel gesagt / oder vielmehr nur erinnert / wie einem und anderm das durch des Teuffels Hülff an sich gezogene Geld bekomme / ist ohn Zweiffel die ewige Verdammnuß; ohne das man auch genugsam weiß / wie unsanfft etliche Zauberer / wann sie gleich der Obrigkeit und billiger zeitlicher Straff entronnen / in den ewigen Tod eingewiget worden. Hieroben aber will er sagen / daß solch Geld auch hier zeitlich nichts beschliesse oder zu etwas erklecklich sey; Beydes ist mit dem Ertzzauberer Doctore Faustio zu beweisen / dann dieser lebte zwar Tag und Nacht im Luder / hatte aber kein übrig Geld im Leben / und verliesse auch keins nach seinem erschrecklichen und grausamen Tod.

Jch hab einen Corporal einen Mann von ohngefehr sechszig Jahren Steffan genant / gesehen / so in verwichenem Krieg zu Stollhoffen in der Guarnison gelegen (allda alte Leute noch von ihm zu sagen wissen werden) der hatte ein dicks zimlich krauß schwartzgrau Haar und hinden einen langen verworrnen holen Zopff / gleich einem Katzenschwantz über den Rucken hinunter hangen / er redete zimlich unverständlich durch die Naß / und sahe auch sonst so aus / daß man leicht an den Federn abmercken konte / was er vor ein Vogel wäre. Dieser hatte alle Tag vom Satan sieben gulden zu empfangen / zu verzehren / oder sonst zu verschwenden; ich sage billich zu verschwenden / dann er dorffte nicht den geringsten Heller darvon übrig lassen oder zurück legen / ja uffs wenigste nicht über nacht behalten; sondern es muste täglich alles glatt auffgerieben seyn. Uber das durffte er kein Kleid tragen / das durchgehends gantz neu gewesen wäre / sondern wann er ihm ein Stück an Leib schaffte / es sey nun gleich Rock Hosen / Hembd / Koller / Schuh / Strümpff ja auffs äusserst nur der Hut gewesen / so muste ein alter Pletz oder Lappen darauff geflickt seyn. Waraus ohnschwer abzunehmen / wie der Menschenfeind die jenige tractire und reich zu machen begehre / die deßwegen mit ihme contrahirt und sich an ihn umb ihrer vermeindlich zeitlichen Wolfart willen ergeben. Sonst pfleget der böse Geist sehr nah alle Menschen zum Geitz / als der Wurtzel alles Ubels anzureitzen / und dardurch viel Sünd und Unglück zu stifften; aber hier wolte er mit seinem Geld gantz das Wiederspiel gehalten haben. Zwar war der Kerl über sein ander Geld / das ihm sonst anderwerts zukam / überaus karg und zusammen-häbig; villeicht weil sein contract den er mit dem leidigen Teuffel hatte / so beschaffen gewesen / daß er noch Hoffnung haben mögen / sich der mal eins wiederumb von ihm loß zu wircken / umb alsdann solches durch sich selbst errungenes und zusammen gespartes Geld im Vorraht zu haben und zugebrauchen; wie ich mir dann nachgehends erzehlen lassen / daß er seinem Abgott zween Trommelschläger an seine statt gestellt / und sich also dardurch von ihm ledig gemacht / so ich aber schwerlich glauben kan; dann dis wäre ja ein schlimmer Anfang eines Menschen zur rechtschaffenen Bekehrung / wann er zween andere an seine statt dem Teuffel in seine Gewalt liefferte! So ist dieser neidige Geist nicht darum des Menschen Feind / daß er ihm nach seines Hertzens Wunsch sanfft thun und ihn wol accommodirn wolle / sondern daß er ihn so wol hie zeitlich als dort ewig quälen / plagen und martern möge; wo aber dieser Corporal endlich hinkommen / ist mir nicht zu wissen worden.

Sonst ist auch bekand / daß der böse Geist den seinigen nicht allezeit Geld gibt oder villeicht nicht geben kan / wann sie von ihm begehrn. Den Fausten hat einsmals sein Geist mit einem hefftigen Filtz / als er Geld an ihn gefodert / ab- und zu seinen Künsten gewiesen / sein Nohtdurfft dardurch zu wegen zu bringen / da er ihm dann ausdrücklich gesagt und bekennet / daß er ihn mit so vielem Geld als er brauche / nicht versehen könne.

Es ist kurtz vorm Schwedischen Krieg in Teutschland von einer Reichs-Statt / deren Nahme mit einem O anfahet / ein Zauberer verbrand worden / der hatte bekant / nach dem er in einer Meß als ein Handelsmann seinen Credit zu erhalten / ein Stück Gelds zu bezahlen gehabt / solches aber nicht zusammen bringen können / sey er in eine benachbarte Statt gangen / solches auff eine geringe Zeit zu entlehnen / aber daselbst abgewiesen worden / also daß er mit lehrer Hand und zwar gantz kleinmühtig und betrübt wieder zurück gemüst. Unterwegs seye ihm der böse Geist in Gestalt und Kleidung einem ehrbaren und wolhäbigen Mann gleich / auffgestossen / der ihn wegen seiner Betrübtnuß gefragt / und als er sein Anliegen eröffnet / ihm 400. Königs-Thaler auff eine gewisse Zeit vorzulehnen sich anerbotten / hätte ihm auch so gleich angeregte Summa ohne Handschrifft dargezehlt / mit dem Anhang / er trawe ihm als einem ehrlichen Mann / der ihm auch auff die bestimbte Zeit sein Geld wieder ehrlich zustellen würde. Hierauff habe er seine Creditores in der Meß bezahlt und das Geld angelegt / es seyen ihm aber nachgehends so viel Hinderungen auffgestossen / (und ohn Zweiffel durch den bösen Feind) so viel unglückliche Zufäll zugerichtet und untergestreuet worden / daß er das entlehnte Geld auff den angesetzten termin nicht aufftreiben noch zusammen bringen können; gleichwol aber seye der böse Geist nicht ausblieben / sondern hab sein Geld / als die Zeit herbey geflossen / kurtz umb wieder haben wollen / und /nachdem er sich durch Veränderung der Gestalt zu erkennen geben / wer er sey / ihn dermassen ohnablässig geängstigt und tribulirt / daß er GOtt absagen und sich ihm ergeben müssen. Nach diesem hätte er diesem Geist nicht allein das vorgeliehen Capital ein als den andern weg wieder erstatten / sondern ihme auch nach und nach weit mehr Geld lieffern und zustellen müssen / als er jemals von ihm empfangen. Waraus um etwas zu muthmassen / woher der Teuffel das Geld nehme / daß er beydes den seinigen zusteckt / und auch dem Galgenmännlin zulegt. Es ist zwar ausser Zweiffel / daß ihm bekant sey wo alle verborgene Schätze liegen / aber daß er völligen Gewalt darüber habe / sollche nach seinem Gefallen zu erheben / und zu Verführung der Armen nohtleidenden Menschen oder zu contentir- und Sättigung seiner Geitzhälse zu verwenden / ist schwer zu glauben. Vielmehr ist davor zu halten / daß er die seinige in immerwärender Armut zu erhalten sich befleist / damit sie desto mehr / umb Reich zu werden sündigen: und desto ohnaussetzlicher in seinem Dienst verharren müssen; und wann er ihnen gleich / sich ein ansehen zu machen / an einem Ort etwas zukommen läst / so führt ers doch an einem andern wiederum doppelt hinweg; Warzu ihme dann / die seinige in allerhand Unglück zu bringen / keine Mittel ermanglen. Jch hab mir von einem Müller / so an der Schweitzer Gräntzen wohnhafftig gewesen / erzehlen lassen / daß er sich vermittelst eines Galgenmännleins dermassen bereichert / daß er nicht allein eine ansehnliche Mühl stattlich aufferbawen lassen / sondern noch darzu seinen dreyen Söhnen etlich tausend zum Erb hinterlassen / wiewol er anfangs ein armer Tropff gewesen. Demnach ihn aber seine Söhn mit Brod und Geld begraben lassen / sey damit entdeckt worden / wormit er umbgangen / warauff alle seine Baarschafft Obrigkeitlich confiscirt, und das Geldmännlein verbrand worden / diesen hat gleichwohl der Geldgeitz bey seinem grossen Geld / das ihm der Teuffel durch sein Galgendiebchen ohn einige seine Mühe und Arbeit bey der Schwere zugebracht / dergestalt besessen und geritten / daß er sich des lieben trucknen Brods niemals genugsam gesättigt; wiewol er sich mit nietlichern Speisen und gutem Tranck hätt gütlich thun / und ihm wohl seyn lassen können; aber was wolte darvor seyn? es war ein gesuchter und verdienter Lohn! ein Mensch der seinen Schöpffer verläst und dem Plutoni dienet / ist auch seiner Gaben nicht würdig / sondern werth / das man ihm das Maul voller Gold giesse / wie die Parther jenem Römer gethan haben sollen. Wie ich höre / sollen seine Söhne noch zimlich wol mit zeitlichen Gütern bemittelt leben / ob solches aber auch faseln / und an den dritten Erben gelangen wird / stehet dahin.


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