Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Galgen-Männlin
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAPUT III.
Continuation des Simplicissimi Schreibens.

Ein klar Bey-spiel teuff-lischr List! der auch tracht / durch dis Galgn-Mänl in dem Gschlecht / bey dem er einmahl mit disr Diebs-Saich-Wurtzl eingwurtzelt oder gnist / all-zeit und zwar biß an den jüngstn Tag / ein leib-aign zu habn! Was abr das / liebt Sohn / an-langt / so im letzten Haubt-stück des Glück-topffs steht / da laß dich des Autors Ein-fall und Irrung nicht irrn / sondr gtraw mir deim gtrewn Vattr. Und gsetzt / die alte Teut-sche hättn / wie der Autor will / den Judn nach-göhmt / so doch nicht seyn kan / so folgt drumb nicht drauß / daß wir die Sach gut heissn und ihn nach-folgn: sondr viel mehr / daß wirs ver-werffn: und als ein Teuffls-gschäfft fliehn solln / der böß Geist hat in America bey den Mexicanern den gantzn Jsraelitischen Zug aus AEgypten nach-geäfft / sich auch dar-durch und her-nach bey dem selbn Volck untr dem Namn des Vizli Buzli in grossm ansehn / als ein Gott erhaltn / und viel Mord und Unglück / auch sonst groß Wundr gstifft / abr die Hin-kunfft der Christn hat sein Btrug ent-deckt und durch Gotts Gnad sein falschn Götzn-Dienst zer-stört etc. dar-gegn abr das Christn-thumb: den wahrn Gotts-dienst ein-gführt etc. so nun müssn wir auch die Werck des Teuffls / so viel an uns ist / hassn / ver-folgn / sich dern müs-sign / und sie mit alln Kräfftn aus-tilgn zhelffn uns bfleissn.

 
Anmerck- oder Erinnerung.

Es ist mehr als gewiß / daß der böse Geist / wo er einmahl seine Klauen angeschlagen / den unterhabenden Raub schwerlich und ohngern mehr aus den Händen läst; und gleichwie er die unselige Hexen beydes mit liebkosenden Worten und grausamen Betrohungen dahin tringt / daß sie ihre Kinder auch ihrer congregation einverleiben: also lockt er hie / durch das verdammende Geld / deren Erben / die ein Galgen-mänlin gehabt haben; und vermeinen diese letztgemelte elende Leuth nicht daß sie sich an GOTT mit diesem Teuffels-fund so erschrecklich versündigen / sondern gedencken etwan / so ihnen Brod und Geld mit ins Grab gegeben werde / so hätten sie sich schon darmit vom Teuffel abgekaufft; da sie doch meines darvorhaltens / wie oben gemeldet / mit dieser Paßport erst den Sententz ihrer Verdamnus gleichwie mit einem Siegel bekräfftigen.

Ein erschreckliche Sach! daß der böse Geist einige Menschen überreden kan zu ihrem ewigen Verderben / zu glauben / daß gleichsam der Geist eines erhenckten Ertzdiebs mit dessen Samen oder urin vereinbaret / in der Erde ein Männl formire / daß hernach andern Geld stehle / und solches seinem Besitzer zubringe / da doch bey etlichen Menschen so viel Predigten und Unterrichtungen nicht anschlagen / noch so viel ausrichten mögen / daß sie zu ihrem ewigen Heyl die Geheimnussen des Christenthumbs glaubten! Warhafftig / ich halte dis vor eine billiche Straff vor die jenige so Gott und seinem Wort nicht glauben wollen; und trifft hier das Sprichwort recht ein / welches man von den ungerahtenen Kindern sagt die in Krieg lauffen / nemblich was Vatter und Mutter nicht folgen will / das muß endlich dem Kalbfell (wo nicht gar dem Hencker) folgen. Und einmahl ists gewiß / wann einer das Creutz Christi / das ist / sein süsses Joch / wegwirfft / daß hernach der Teuffel demselben viel ein schwerers auffzuladen sich bemühet.

Du Narr! willstu deinem Ertzfeind zu gefallen / und dir selbst zur Verdamnus glauben / die Seele eines erhenckten Diebs stecke in der Wurtzel und stehle auch nach des Diebs tod / dich Reich zu machen; und kanst dem Allmächtigen GOtt und seinem wahren Wort villeicht nicht festiglich glauben / daß Christus dein Liebhaber / Heyland und Seligmacher dir zum besten / im heiligen Sacrament gegenwärtig sey? erwege doch / du elender Mensch / daß dich dis das wahre unfehlbahre Wort Gottes: jenes aber der Vater der Lügen; der leidige Satan zu glauben lehret! Aber gesetzt / doch mit nichten gestanden / es wäre die Seele des erhenckten Erbdiebs warhafftig im Galgen-männlin / und vermöchte biß an Jüngsten Tag oder nur so lang zu stehlen / als lang sie des gehenckten Diebs Leib natürlicher Weiß / das ist / biß er eines natürlichen Tods gestorben wäre / zu bewohnen gehabt? und Krafft solcher Bewandnus trüge sie dir zu / und zwar solches umb so viel desto reichlicher / umb wie viel besser du ihre jetzige Herberg dein Galgen-männl mit baden / Kleidern etc. accommodirest und verpflegest; Siehe! so wärestu kein Haar besser als der Erbdieb selbsten / sintemahl du durch eines und was am schrecklichsten ist / allbereits zum Tod verdammten Ertzdiebs Hände / andern das ihrige stielest / und das villeicht von solchen Orten / wohin nur ein Geist / und sonst kein anderer lebendiger Dieb mit seinem Leib kommen kan; Also versündigst du dich wider das siebend Gebott / und wer eins von den Geboten übertritt / der wird an allen schuldig.

Es ist aber nicht die arme Seel des Diebs wie du vermeinest / dann dieselbe wird nunmehr nach dem gerechten Urthel GOttes / nach dem der Leib die zeitliche Straff ausgestanden / an ihrem Ort seyn / gleich wie Judas an seinen Ort gieng / als er sich erhenckte; sonder es ist der leidige Teuffel / dem du dienest / der dir Geld gibt / der dir auch deinen Lohn geben wird / so fern du ihn nicht alsobald abschaffest / und dich widerumb zu dem wahren GOtt bekehrest.

Damit du mir aber desto sicherer Glauben zustellen / und dem Galgen-männl / oder vielmehr dem bösen Geist selbst desto leichter resigniren mögest / so wisse daß der Satan auch uff andere Gattungen sich befleist / die Menschen zu lehren / wie sie ehrliche Leute durch ihn bestehlen sollen / damit er sie zu sich in die ewige Verdamnus ziehe. Von den Diebs-Daumen als einer bekanten Sach / wolte ich schweigen / wann ich nicht eine gewisse Histori darvon wüste / die sich / als ich noch ein Schul-Knab war / in meiner eigenen Heimat zugetragen: Daselbst wohnete ein verwittibter Haffner / Conrad Wisel genannt / der hatte sich mit des Glöckners eines Buchbinders Tochter ehelich verlobt / und weil am Fortgang der Hochzeit kein Zweiffel war / unterliesse sie nicht / dessen irrdene Wahr auff dem Wochenmarck wie andere Hafners-Weiber zu thun pflegen / zu verkauffen; zu solchem Ende stellte ihr der Hochzeiter etwas in ein Tüchlein gewickeltes zu / mit Anzeigung / wann sie solches bey sich haben würde / daß sie alsdann einen guten Marck und schnellen Abgang der wahren hätte. Die vorwitzige Braut beschauete und zeigte auch andern Hafners Weibern das vermeinte Talisma, fand aber einen Diebsdaumen / daran der Nagel fast lang gewachsen war; da war Fewr im Dach; und weil das Handwerck ohn das einander hasset / wurde der Lermen desto grösser / kurtz gered / der Hochzeiter wurde eingesetzt und examinirt, von ihm aber vorgeben / daß er den Daumen auff seiner Wanderschafft bekommen hätte / welcher durch den Hencker im Gefängnus verbrennet / der Hafner aber vor dißmahl wider loß gelassen ward. Hierauff wolte ihn seine Hochzeiterin nicht behalten / so gieng auch sein Geschirr zwar nicht mehr so schleunig ab wie hiebevor; Gleichwol stund es nicht lang an / daß er wieder gefangen / und als ein Zauberer gericht worden / da er unter andern auch bekant / daß er unter den Hexen ein Corporal gewesen / und einsmahls sehr ausgelacht worden wäre / als er auff der Unholden Sammelplatz / unter der Dannen genannt / nur in seinem kurtzen abgeschabenen alltägs Mäntelein ankommen.

Vor ohngefehr dreyen Jahren ist von der Justitz einer Reichs-Statt ein Dieb in der heiligen Charfreytags-Nacht mit Haut und Haar / Kleidern Ketten und allem hinweg gestohlen: und ohne Zweiffel auch durch lose Leut / so gleichwol keine öffentliche Hexenmeister sein mögen / zu solchen verdammten aberglaubischen Sachen gebraucht worden. Wasgestalten die Unholden aber andern Leuten durch des Teuffels Hülff die Milch stehlen / und ihnen auff viel Meylen weit die Kühe melcken / ist so gewiß und bekant / daß hier ohnnötig viel darvon zu melden. Allein diese Geschicht dunckt mich seltzamb und merckwürdig zu seyn / so sich erst vorm Jahr nicht weit vom Rhein zu Mßhm zugetragen; daselbst kauffte eines Zimmermanns Weib von einer reichgehaltenen Bäurin einen Hafen voller ausgesottenen Butters / so der orten Ancken genannt wird / und da sie solchen heimbrachte / eben als ihr Mann mit seinen Gesellen von der Arbeit heim kam / sagte er zu jhr / Weib weil du so viel Ancken hast / so must du einmal Küchel bachen / die Frau war willig / und griff den Anckenhafen tapffer an / fand jhn aber deß Morgens wieder ebenvoll. Daß sagt sie ihrem Mann mit Verwunderung / der befahl jhr / weil der Hafen so reich und willig wäre / so solt sie noch einmal vor jhn und seine Gesellen küchlein genug bachen. Sie thuts / und findet den Hafen abermal voll / in dessen aber kommt die Bäurin / so ihr den Hafen verkaufft / und klaget daß sie ihr den unrechten gegeben / begehrt ihn derowegen wieder zu rück / mit anerbieten ihr einen grössern darvor zuzustellen: Aber der Zimmermann sagt nein darzu / schlug den Hafen zu stücken / und fande unten am Boden eine abscheuliche grosse Krott sitzen / welche seine Gesellen geschnartzgalt / das ist / auff ein Holtz gesetzt und in die Lufft geschlagen: ihr auch andermehr Schabernack angethan / und sie endlich gar verbrannt haben. Die Sach kam vor den Schultheissen des Dorffs der die Verkäufferin examinirt und einsetzen lassen / aber nach 5. oder 6. Tagen wieder ledig gelassen / nit weiß ich welcher Gestalt sie sich ausgeredet. Allein sagt man / daß sie jetzo nicht mehr so viel Ancken zu verkauffen hab als bevor.

Sonst hab ich auch eine Unholdin verbrennen sehen / welche bekannt / wann sie durch ihre Reben gehend die Rebstöck nur geschüttelt / so seyen die Trauben aus dem benachbarten Stück herüber an ihre Stück kommen. So ist mir auch ein alter Thalbaur bekant gewesen / von dem das Gespräch gangen / er hätte ein Mägdigen aus seinen Enckeln mit einem Stecken geschickt / (dann er selbst wurde lahm in seinem Alter) solchen an einen gewissen Ort in ein stück Korn in die Erd zu stecken das Mägdlein sey aber von einem Regen übereilet worden / so / daß es sich unter einen Eichbaum in die Trückne salvirt, alwo es seinen Stab stehen lassen / und als der Regen vorüber / wieder nach Hauß gangen. Darauff habe sich ein grosser Hauffen Aichen Laub uff des Groß-Vaters Kornboden gefunden. Es ist aber diese Geschicht nicht weit aus noch vor die Obrigkeit zur Examination kommen / villeicht weil das Kind dem Alten so nah verwand: oder weil kein genugsamer Beweißthum da war.

Auff was weiß solche Leute aber auch so gar die Eyer stehlen / davon weiß ich zwo Historien; Die eine / daß vor zwey Jahren ein Ambtmann an einem Ort / den ich zu nennen bedenckens habe / auff dem Land im Wirtshauß eingekehret / dessen Wasserhund den Hünern im Hof über ihr gefräß kommen; Jndessen nun der Ambtmann sein Pferd zu füttern / uff das Essen zu warten und selbst zu speisen / bey zweyen stunden verzog / fing das Essen an bey dem Hund zu würcken / also daß er bey ein paar dutzet Eyer daher legte. Doch ist diese Geschicht vertuscht blieben. Die ander; daß vor einem Jahr ein Bawr / nicht weit aus unserer Nachbarschafft in Abwesenheit seines Weibs vom Feld hungerig heimkommen / und etwas zu essen gesucht / auch ein stück Brod zum Käß gefunden / welches er tapffer auffgerieben / darvon ihm aber bald darauff so übel und weh worden / daß er sich zu Bett legen müssen / auch nicht ehender auffstehen mögen / biß er ein zimliche Anzahl Eyer mit Schmertzen gelegt:

Wie aber etliche Unholden so Wirthin gewesen / ihren Gästen durch des Teuffels Beystand das Geld abgestohlen / wann sie ihnen Ratten vor Krametsvögel: Raupen vor Grundeln / und dergleichen abscheuliche Sachen mehr vor etwas gutes gespeiset / daß ist aus ihren Bekantnussen zu ersehen. Jch weiß noch eine Herberg an einem Paß / sonst aber ein einsamer Ort / wohin noch bey Manns-gedencken einige Schwäbische Fuhrleut kommen und allda gefüttert / vor sich selbst aber / weil es Fast-Tag und die Schwaben Catholisch waren / ein Pfann voll Eyer begehrt / die ihnen auch auffgetragen worden. Als sie nun ihr Gebett gesprochen / und einer aus ihnen nur aus Schertz das Creutz über die Schüssel machte / und darzu sagte / im Namen GOttes des Vatters / Sohns und Heiligen Geists / da haben sich die Eyer in einem Augenblick in Roßfeigen verändert / die an statt des Schmaltzes in ihrer natürlichen grünen Brühe gelegen. Warauff die Würthin gefangen und als eine Hex verbrennt worden. Dergleichen Exempel hätte man noch viel vorzubringen / ich will aber beschliessen / damit dis Capitel nicht zu lang werde; Jndessen mögen solche Leute / die den Teuffel im stehlen zum Cammerahten haben / zusehen / daß das gemeine Sprichwort; mit gestohlen mitgehenckt / an ihnen nicht wahr oder erfüllet werde / das ist / daß sie nicht mit ihme dem ärgsten Dieb / als der die Ehr GOttes zu stehlen und die Seelen zu rauben geschäfftig / in ewiger Qual brennen und braten müssen / darvor die Güte GOttes uns alle behüten wolle.


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