Franz Grillparzer
Die Jüdin von Toledo
Franz Grillparzer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dritter Aufzug

Garten im königlichen Lustschlosse. Im Hintergrunde fließt der Tajo. Nach vorn auf der rechten Seite eine geräumige Laube.

Links in einer Reihe mehrere Bittsteller, Gesuche in der Hand; Isaak steht bei ihnen.

Isaak.
Es ward euch schon gesagt, hier weilt man nicht.
Hier geht demnächst lustwandeln meine Tochter
Und Er mit ihr, Er selbst; ich sag nicht wer.
Erzittert denn und geht! Und eure Schriften
Tragt zu des Königs Räten nach Toledo.
(Er nimmt dem einen seine Schrift ab.)
Laß sehn! – Unstatthaft, fort!

Bittsteller.
Ihr haltet's ja verkehrt.

Isaak.
Weil eben auch verkehrt die ganze Bitte,
Und so auch Ihr. Stört hier nicht länger, fort.

Zweiter Bittsteller.
Herr Isaak, hört, Ihr kennt mich von Toledo.

Isaak.
Ich kenn Euch nicht. In dieser letzten Zeit
Sind fühlbar schwach geworden meine Augen.

Zweiter Bittsteller.
Nun so kenn ich denn Euch, und diesen Beutel,
Den Ihr verlort, ich stell ihn Euch zurück.

Isaak.
Den ich verlor? Oh, ich erkenn ihn wieder,
Von grüner Seide, zehn Piaster drin.

Zweiter Bittsteller.
Herr, zwanzig.

Isaak.
Zwanzig? Nun, mein Aug' ist gut,
Nur mein Gedächtnis wird mitunter schwach.
Und dieses Blatt enthält wohl die Erklärung
Des ganzen Vorfalls, wo du fandst und wie.
Die Meldung an die hohe Obrigkeit
Ist nicht mehr nötig, aber gib nur gib!
Bestellen wollen wir's an seinem Ort,
Daß ruchbar dein Geruch von Ehrlichkeit.

(Die Bittsteller halten ihre Gesuche hin, er ergreift mit jeder Hand eine Schrift und wirft sie zu Boden.)

Was es auch immer sei. Hier Eure Antwort.
(Zu einem dritten.)
Du trägst hier einen Ring an deiner Hand,
Der Stein ist gut, laß sehn!

(Der Bittsteller gibt ihm den Ring.)

Ein Faden zwar
Entstellt den reinen Glanz, da nimm ihn wieder.
(Er steckt ihn an den eignen Finger.)

Dritter Bittsteller.
Ihr steckt ihn ja an Eure Hand.

Isaak.
An meine?
Wahrhaftig ja. Ich dacht' ich gab ihn dir.
Er ist so eng, ich martre mich umsonst.

Dritter Bittsteller.
Behaltet ihn, doch nehmt auch diese Schrift.

Isaak (sich mit dem Ringe beschäftigend).
Ich nehme beides denn dir zum Gedächtnis.
Der König soll den Ring, vielmehr: die Schrift
Erwägen, trotz dem Faden im Gesuch,
Dem Faden in dem Steine – wollt' ich sagen.
Nun aber alle fort! – Ist hier kein Stock?
Muß ich mich mit dem Christenpöbel plagen?

(Garceran ist währenddem eingetreten.)

Garceran.
Glück auf! Ihr sitzt im Rohr und stimmt die Pfeifen,
Die Ihr Euch schneidet, find ich, etwas hoch.

Isaak.
Mir ist des Ortes Heimlichkeit vertraut.
Der König ist nicht hier, er will nicht hier sein
Und wer ihn stört – selbst Ihr, Herr Garceran
Ich muß Euch heißen gehn. Es ist nicht anders.

Garceran.
Ihr suchtet früher nur nach einem Stock.
Wenn Ihr ihn findet bringt ihn mir. Er ziemt,
Scheint's, Eurem Rücken mehr als Eurer Hand.

Isaak.
Nun braust Ihr auf. So seid ihr Christen alle,
Nur immer gradezu. Allein die Klugheit,
Die Vorsicht, das geschmeid'ge Warten fehlt.
Der König unterhält sich gern mit mir.

Garceran.
Langweiligkeit wird selbst zur Unterhaltung
Wenn lange Weile vor sich selber flieht.

Isaak.
Er spricht mit mir von Staat und Geldeswert.

Garceran.
So rührt von Euch vielleicht die neue Ordnung
Nach der ein Dreier nur zwei Groschen gilt?

Isaak.
Geld, Freund, ist aller Dinge Hintergrund.
Es droht der Feind, da kauft Ihr Waffen Euch,
Der Söldner dient für Sold, und Sold ist Geld.
Ihr eßt das Geld, Ihr trinkt's, denn was Ihr eßt
Es ist gekauft und Kauf ist Geld sonst nichts.
Die Zeit wird kommen, Freund, wo jeder Mensch
Ein Wechselbrief, gestellt auf kurze Sicht.
Ich bin des Königs Rat. Wenn Ihr nun selber
Einträchtig wolltet gehn mit Isaaks Glück –

Garceran.
Einträchtig ich mit Euch? Es ist mein Fluch,
Daß mich der Zufall und der leid'ge Anschein
Gemengt in dieser Torheit wüstes Treiben,
Das Pflicht und Eid auf harte Proben stellt.

Isaak.
Mein Rahelchen steigt täglich in der Gunst.

Garceran.
Oh, daß doch dieser König seine Jugend,
Der Knabenjahre hast'gen Ungestüm
In Spiel und Tand, wie mancher sonst, verlebt!
Allein als Kind von Männern nur umgeben,
Von Männern großgezogen und gepflegt,
Genährt vorzeitig mit der Weisheit Früchten,
Selbst seine Ehe treibend als Geschäft,
Kommt ihm zum erstenmal das Weib entgegen,
Das Weib als solches, nichts als ihr Geschlecht
Und rächt die Torheit an der Weisheit Zögling.
Das edle Weib ist halb ein Mann, ja ganz,
Erst ihre Fehler machen sie zu Weibern.
Und nun ist auch der Widerstand besiegt
Den die Erfahrung leiht dem oft Getäuschten,
Zum bittern Ernst wird ihm das lose Spiel.

Doch soll's nicht länger währen, sag ich Euch.
Der Feind steht an den Grenzen und der König
Gehört zu seinem Heer, ich führ ihn hin
Und Euer Blendwerk fällt zurück ins Nichts.

Isaak.
Versucht's ob's Euch gelingt. Wenn nicht mit uns,
So seid Ihr gegen uns. Ihr brecht den Hals
Wenn Ihr den weiten Abgrund überspringt.

(Musik von Flöten ertönt.)

Hört Ihr? Da kommen sie mit Zimbeln und Posaunen
Wie Ahasverus mit dem Weibe Esther,
Die unser Volk zu Glanz und Ruhm erhöht.

Garceran.
Muß ich in dieses Königs üpp'gem Treiben
Mein eignes Bild aus frührer Zeit erspähn
Und mich in ihm, in mir mich seiner schämen?

(Ein Schiff, auf dem der König mit Rahel und Gefolge, erscheint auf dem Flusse und legt an.)

König.
Legt an! Hier ist der Platz und hier die Laube.

Rahel.
Der Nachen schüttert. Haltet ein, ich falle.

(Der König ist ans Land gesprungen.)

Und hier auf diesem Brett das schwank und schwach
Soll ich ans Ufer?

König.
Hier nimm meine Hand.

Rahel.
Nein, nein, mir schwindelt.

Garceran (vor sich).
Schwindelt's dich? Fürwahr.

König (der sie ans Land geleitet).
Nun ist's geschehn das übergroße Werk.

Rahel.
Nein, nie betret ich, nimmermehr ein Schiff
(Des Königs Arm ergreifend.)
Erlaubt, mein hoher Herr! Ich bin so schwach
Und fühlt, mein Herz es schlägt, als wär's im Fieber.

König.
Die Furcht ist Weiberrecht, doch Ihr mißbraucht's.

Rahel.
Und nun entzieht Ihr mir hartherzig Eure Stütze
Auch dieses Gartens Gänge, nicht mit Sand,
Mit scharfen Steinen sind sie roh bestreut,
Für Männertritt und nicht für Frauenschritte.

König.
Legt einen Teppich ihr und macht ein Ende.

Rahel.
Ich fühl es wohl, ich bin Euch nur zur Last.
O wäre meine Schwester nur erst hier
Denn ich bin krank und sterbens-todes-matt.
Nur diese Kissen hier?
(Die Kissen in der Laube heftig untereinanderwerfend.)
Nein, nein, nein, nein!

König (lachend).
Die Mattigkeit, zum Glück, läßt etwas nach.
(Garceran erblickend.)
Ah Garceran! Sieh nur, sie ist ein Kind.

Garceran.
Ein sehr verwöhntes, scheint's.

König.
So sind sie alle.
Es steht ihr wohl.

Garceran.
Nachdem nun der Geschmack.

König.
Sieh Garceran, ich fühle ganz mein Unrecht
Doch weiß ich auch, daß eines Winkes nur,
Es eines Worts bedarf, um dieses Traumspiel
Zu lösen in sein eigentliches Nichts.
Und also duld ich es, weil ich's bedarf
In diesen Wirren, die ich selbst verschuldet.
Wie steht's im Heer?

Garceran.
Wie Ihr seit länger wißt.
Die Feinde rüsten sich.

König.
Wir wollen's auch.
Nur noch ein Tage drei, daß dies Getändel,
Als abgetan, ich aus dem Innern weise,
Und zwar für immer, dann kommt Zeit und Rat.

Garceran.
Der Rat vielleicht, allein die Zeit entflieht.

König.
Wir holen sie mit Taten wohl noch ein.

Rahel.
Nun sprechen sie und ach ich weiß wovon,
Von Blut, von Krieg, von wüster Heidenschlacht
Und jener dort verschwört sich gegen mich,
Lockt seinen Herrn ins Lager, fern von hier,
Daß frei der Weg zu mir für meine Feinde.

Und doch, Herr Garceran, ich hab Euch lieb
Ihr wißt mit zarten Frauen umzugehn,
Man spricht von Eurer Liebe kühnem Werben
Von Euren Taten in der Minne Streit.
Ihr seid nicht wie der König, Euer Herr,
Der rauh selbst in der Zärtlichkeit Begegnung,
Der jedes milde Wort sogleich bereut
Und dessen Neigung ein verstecktes Hassen.
Kommt her, setzt Euch zu mir! Ich möchte sprechen,
Nicht einsam sein in all dem lauten Schwarm.
Allein Ihr kommt nicht. Wohl, man hält Euch ab.
(Weinend.) Man gönnt mir keine Freude, keinen Trost,
Hält mich in abgeschiedner Sklaverei.
Wär' ich erst nur daheim in Vaters Hause,
Wo alles mir zu Willen und zu Dienst
Indes ich hier ein Wegwurf der Verachtung.

König.
Geh hin zu ihr!

Garceran.
So soll ich?

König.
Geh nur, geh!

Rahel.
Setzt Euch zu mir! Nur näher, näher, so!
Noch einmal Garceran, ich hab Euch lieb.
Ihr seid ein echter Ritter in der Tat
Nicht nur dem Namen nach, wie sie's gelernt
Die stolzen eisernen Kastilier
Von ihren Feinden, von der Mauren Volk,
Nur daß was jene zierlich und geschickt
Als Ausdruck üben angebornen Sinns,
Sie rauh und derb nachahmen, weil geborgt.
Gebt mir die Hand: sieh doch, wie ist sie sanft,
Und doch führt Ihr das Schwert wie jene andern.
Nur seid Ihr heimisch auch im Fraungemach
Und wißt was Brauch und heitern Umgangs Sitte.
Hier dieser Ring ist wohl von Doña Clara
Die viel zu bleich für wangenfrische Liebe,
Wär' nicht die Farbe, die dem Antlitz fehlt,
Ersetzt durch stets erneutes Schamerröten.
Doch hier seh ich noch andre Ringe mehr,
Wieviel habt Ihr Geliebte? nun, gesteht.

Garceran.
Wie, wenn ich Euch dieselbe Frage stellte?

Rahel.
Ich habe nie geliebt. Doch könnt' ich lieben
Wenn ich in einer Brust den Wahnsinn träfe
Der mich erfüllte, wär' mein Herz berührt.
Bis dahin mach ich die Gebräuche mit,
Die hergebracht im Götzendienst der Liebe,
Wie man in fremden Tempeln etwa kniet.

König (der während des Vorigen von vorn nach rückwärts auf und nieder gegangen ist, jetzt links im Vorgrunde zu einem der Diener gewendet, halblaut).
Bring meine Waffen, eine volle Rüstung
Abseits zum Gartenhaus und harre mein,
Ich will ins Lager wo man mein bedarf.

(Diener ab.)


 << zurück weiter >>