Franz Grillparzer
Die Jüdin von Toledo
Franz Grillparzer

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Manrique.
Herr –

König.
Was ist's? Wie nur?

Manrique.
Ein Bote kam.

König.
Nun denn!

Manrique (auf die Königin zeigend).
Ein wenig später.

König.
Mein Weib sie ist gewohnt an Rat und Krieg,
Die Königin teilt jedes mit dem König.

Manrique.
Doch dürfte mehr noch als die Botschaft etwa
Der Bote selber –

König.
Und wer ist's?

Manrique.
Mein Sohn.

König.
Ah, Garceran! Laß ihn nur kommen! (Zur Königin.) Bleib!
Der junge Mann hat höchlich wohl gefehlt
Als er verkleidet schlich ins Fraungemach,
Die Holde seines Herzens zu erspähn.
Nu Doña Clara, senk nur nicht das Haupt,
Der Mann ist wacker, obgleich jung und rasch,
Gespiele mir aus meiner Knabenzeit
Und unversöhnlich sein wär' etwa schlimmer
Als leichtgesinnt den Fehler übersehn.
Auch denk ich, hat er reichlich abgebüßt
Seit Monden schon verbannt zur fernen Grenze.
(Auf einen Wink der Königin entfernt sich ein Fräulein ihres Gefolges.)
Nun geht sie doch: O Sittsamkeit
Noch sittlicher als Sitte!

(Garceran kommt.)

König.
Ah, mein Freund!
Wie steht's bei euch? Sind alle dort so bang,
Wie du, und also mädchenhafter Scheu?
Dann steht es schlimm um unsrer Reiche Schutz.

Garceran.
Ein wackrer Mann, Herr, fürchtet keinen Feind,
Doch schwer drückt edler Fraun gerechter Zorn.

König.
Gerechter Zorn, jawohl! Und glaube nicht,
Daß ich mit Brauch und Schick es minder streng
Und minder ernstlich halt als meine Frau.
Doch hat der Zorn und alles seine Grenze.
Drum noch mal Garceran, wie steht's bei euch?
Macht euch der Feind, ob Frieden gleich, zu schaffen?

Garceran.
Wir schlugen uns, als wär's im Scheingefecht
Mit blut'gen Wunden diesseits, Herr, und drüben;
Der Friede glich dem Krieg so auf ein Haar,
Daß nur im Treubruch aller Unterschied.
Seit kurzer Zeit jedoch hielt Ruh' der Gegner.

König.
Ei das ist schlimm!

Garceran.
Wir denken's auch, und glauben
Er rüste sich für einen größern Schlag.
Auch heißt's, daß Schiffe täglich Volk und Vorrat
Aus Afrika nach Cadix überführen
Wo heimlich sich vereint ein stattlich Heer
Zu dem der neue Herrscher von Marokko, Jussuf
Soll stoßen mit dem dort geworbnen Volk;
Dann käme wohl der Schlag der uns bedroht.

König.
Nun, schlagen sie, so schlagen wir denn wieder,
Wie sie ein König, führt der Eure euch,
Und ist ein Gott, wie er denn wirklich ist,
Und Recht der Ausspruch seines Munds, so hoff ich
Zu siegen, weil im Recht, und weil ein Gott.
Mich dauert nur des Landmanns bittre Not,
Ich selbst als Höchster, ich bin da zum Schwersten.
Laßt in den Kirchen sich das Volk versammeln
Und flehen zu dem Herrn der Siege gibt,
Die Heiligtümer seien ausgestellt
Und jeder bete, der da künftig streitet.

Garceran.
Schon ohne Aufruf ward dein Wort erfüllt:
Die Glocken tönen weithin an den Grenzen
Und in den Tempeln sammelt sich das Volk;
Nur daß ihr Eifer, irrend, wie so oft,
Sich gegen jene Andersgläub'gen wendet
Die Handel und Gewinn im Land zerstreut.
Schon ward ein Jude hier und da mißhandelt.

König.
Und ihr, ihr duldet's? Nun, beim großen Gott!
Wer sich mir anvertraut, den will ich schützen,
Ihr Glaube kümmert sie, mich was sie tun.

Garceran.
Man nennt sie Späher in der Mauren Sold.

König.
Niemand verrät zuletzt was er nicht weiß,
Und da ich ihren Mammon stets verachtet
Hab nie auch noch begehrt ich ihren Rat.
Was sein wird, weiß nur ich, nicht Christ noch Jude
Deshalb nun sag ich euch bei eurem Kopf –

Eine Weiberstimme (von außen).
Weh uns!

König.
Was ist?

Garceran.
Dort, Herr, ein alter Mann,
Ein Jude scheint's, verfolgt von Gartenknechten,
Zwei Mädchen neben ihm. Die eine, schau!
Sie flieht hierher.

König.
Ganz recht, denn hier ist Schutz,
Und Gottes Donner, wer ein Haar ihr krümmt,
(In die Szene rufend.)
Hierher, nur hier!

(Rahel kommt fliehend.)

Rahel.
O weh, sie töten mich
Wie dort den Vater! Ist denn nirgends Hilfe?
(Sie erblickt die Königin und kniet vor ihr.)
O hohes Frauenbild, beschirme mich,
Streck aus die Hand und schütze deine Magd,
Ich will dir dienen auch, nicht Jüdin, Sklavin.
(Sie greift nach den Händen der Königin, die sich von ihr abwendet.)

Rahel (aufstehend).
Auch hier nicht Rettung, übrall Angst und Tod.
Wohin nur flieh ich? – Ah, hier steht ein Mann
Mit Mondscheinaugen, strahlend Trost und Kühlung
Und alles um ihn her heißt Majestät.
Du kannst mich schützen, Herr, ach, und du wirst's.
Ich will nicht sterben, will nicht! Nein, nein, nein!
(Sie wirft sich vor dem Könige nieder, seinen rechten Fuß umklammernd, das Haupt zu Boden gesenkt.)

König (zu einigen, die sich nähern).
Laßt sie! Der Schreck beraubt sie fast der Sinne
Und wie sie schaudert schütternd mich mit sich.

Rahel (emporgerichtet).
Und alles, was ich habe, (ihr Armband ablösend) diese Spangen,
Das Halsgeschmeid und dann dies teure Tuch,
(ein Tuch ablösend, das sie shawlartig um den Hals geschlungen trägt)
Der Vater hat's gekauft um vierzig Pfund,
Echt indisches Geweb', ich geb es hin,
Nur laßt mein Leben mir, ich will nicht sterben!
(Sinkt in ihre vorige Stellung zurück.)

(Man hat Isaak und Esther gebracht.)

König.
Was hat der Mann verbrochen?

Manrique (da alle schweigen).
Herr, du weißt,
Verboten ist der Eintritt diesem Volk
In Königs Garten, wenn der Hof zur Stelle.

König.
Nun, wenn's verboten, so erlaub ich's denn.

Esther.
Er ist kein Späher, Herr, ein Handelsmann,
Die Briefe, die er führt, sie sind hebräisch,
Und nicht arabisch, nicht in Maurensprache.

König.
Ich glaub's, ich glaub's! (Auf Rahel zeigend.) Und diese?

Esther.
Meine Schwester!

König.
So nimm sie denn und bring sie fort.

Rahel (da Esther sich ihr nähert).
Nein, nein!
Sie fassen mich, sie führen mich hinaus
Und töten mich!
(Mit den Händen auf den abgelegten Schmuck zeigend.)
Hier ist mein Lösegeld,
Hier will ich bleiben und ein wenig schlafen.
(Die Wange an des Königs Knie gelegt.)
Hier ist die Sicherheit, hier ruht sich's gut.

Königin.
Wollt Ihr nicht gehn?

König.
Ihr seht, ich bin gefangen!

Königin.
Seid Ihr gefangen, bin ich frei. Ich gehe.

(Mit ihren Frauen ab.)

König.
Nun noch auch das! Mit ihrem Züchtigtun
Erschaffen sie, was sie entfernen möchten.
(Zu Rahel streng.) Ich sage dir, steh auf! – Gib ihr ihr Tuch
Und laß sie gehn.

Rahel.
O Herr, nur noch ein Weilchen –
Die Glieder sind gelähmt – ich kann nicht schreiten.
(Den Ellbogen aufs Knie und den Kopf in die Hand gestützt.)

König (zurücktretend).
Und ist sie immer denn so schreckhaft?

Esther.
O nicht doch!
Sie war vor kurzem übermütig noch
Und trotzte, wollte, Herr, dich sehen.

König.
Mich?
Sie hat es schwer bezahlt.

Esther.
Auch sonst zu Hause
Treibt sie nur Possen, spielt mit Mensch und Hund
Und macht uns lachen, wenn wir noch so ernst.

König.
So wollt' ich denn, sie wäre eine Christin
Und hier am Hof, wo Langeweil' genug,
Ein bißchen Scherz käm' etwa uns zustatten.
He, Garceran!

Garceran.
Erlauchter Herr und König.

Esther (mit Rahel beschäftigt.)
Steh auf! steh auf!

Rahel (sich emporhebend und Esther den Halsschmuck abnehmend, den sie zu dem übrigen legt).
Und gib nur, was du hast,
Es ist mein Lösegeld.

Esther.
Es sei denn also.

König.
Was dünkt dir von dem allen?

Garceran.
Mir, o Herr?

König.
Verstell dich nicht! du bist ein feiner Kenner.
Ich selbst hab nie nach Weibern viel gesehn,
Doch diese scheint mir schön.

Garceran.
Sie ist's, o Herr!

König.
So sei denn stark, denn du sollst sie geleiten.

Rahel (die in der Mitte der Bühne mit gebrochenen Knien und gesenktem Haupte steht, den Ärmel aufstreifend).
Leg mir das Armband an. – O weh, du drückst mich.
Den Halsschmuck auch – zwar der hängt ja noch hier.
Das Tuch behalt, mir ist so schwer und schwül.

König.
Bring sie nach Haus!

Garceran.
Doch, Herr, ich fürchte –

König.
Was?

Garceran.
Das Volk ist aufgeregt –

König.
Du hast nicht unrecht.
Obwohl ein Wort des Königs Schutz genug,
Ist's besser doch, zu meiden jeden Anlaß.

Esther (Raheln das Kleid am Halse zurechtrichtend).
Und wie das Kleid verschoben und zerstört.

König.
Bring sie vorerst nach einem der Kioske
Die rings im Garten stehn, und kommt der Abend –

Garceran.
Ich höre, hoher Herr!

König.
Wie nur? Ja so!
Seid ihr nicht fertig noch?

Esther.
Wir sind's, o Herr.

König.
Und ist es Abend und das Volk verlaufen
So führe sie nach Haus, und somit gut.

Garceran.
Komm schöne Heidin!

König.
Heidin? welche Possen!

Esther (zu Rahel, die sich zum Fortgehen anschickt).
Und dankst du nicht dem Herrn für so viel Huld?

Rahel (noch immer erschöpft, sich gegen den König wendend).
Hab Dank, o Herr, für deinen mächt'gen Schutz!
Oh, daß ich nicht ein ärmlich Wesen wäre,
(mit einer Bewegung der Hand über den Hals)
Daß dieser Hals, gekürzt von Henkershand,
Daß diese Brust ein Schild gen deinen Feind –
Zwar das begehrst du nicht.

König.
Ein hübscher Schild!
Somit denn geht mit Gott. Und – Garceran,
(leiser) Ich wünschte nicht, daß diese hier mein Schützling,
Durch irgendwie zudringlich kühne Possen
Beleidigt, je gestört –

Rahel (die Hand an die Stirne gelegt).
Ich kann nicht gehn.

König (da ihr Garceran den Arm bieten will).
Wozu den Arm? Laß sie die Schwester führen.

Du, alter Mann, bewahre deine Tochter,
Die Welt ist arg, so hüte deinen Schatz.

(Rahel und die Ihrigen, von Garceran begleitet, ab.)

König (ihnen nachsehend).
Sie wankt noch immer. All ihr ganzes Wesen
Ein Meer von Angst in stets erneuten Wellen.
(Mit dem Fuß auftretend.)
Hielt sie den Fuß mir doch so eng umklammert
Daß er fast schmerzt. – Im Grunde wunderlich,
Ein feiger Mann er wird mit Recht verachtet
Und dies Geschlecht ist stark erst wenn es schwach.
Ah, Almirante, was sagt Ihr dazu?

Manrique.
Ich denke, hoher Herr, daß meinen Sohn
Ihr eben jetzt so fein als streng bestraft.

König.
Bestraft?

Manrique.
Als Hüter ihn bestellend diesem Pöbel.

König.
Die Strafe, Freund, ist, denk ich, nicht so hart.
Ich selbst hab nie nach Weibern viel gefragt,
(auf das Gefolge zeigend)
Doch diese Herrn sind etwa andrer Meinung.

Nun aber fort mit diesen wirren Bildern!
Laßt uns zur Tafel, mich verlangt nach Stärkung,
Und bei dem ersten Trunk am festlich frohen Tag
Gedenk' ein jeder des – woran er denken mag.

Hier ist kein Rang! Nur zu! Voraus! Voran!

(Indem die Hofleute sich zu beiden Seiten ordnen und der König mitten durch sie abgeht, fällt der Vorhang.)


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