Franz Grillparzer
Die Jüdin von Toledo
Franz Grillparzer

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Zweiter Aufzug

Ein Teil des Gartens. Kurzes Theater. Rechts ein Gartenhaus mit einem Balkon und einer Türe, zu der mehrere Stufen emporführen.

Garceran, zur Türe herauskommend.

Garceran.
So rett ich mich denn etwa vorderhand.
Das Mädchen sie ist schön und eine Närrin,
Und da die Liebe Torheit, ist 'ne Törin
Gefährlicher, als selbst die Schlauste nicht.

Zudem tut's not, daß meinen guten Ruf
Und meine Leidenschaft für Doña Clara –
Die Schweigsamste von allen die je schwiegen, –
Ich neu zu Ehren bringe, da 's noch Zeit;
Entfliehen der Gefahr nennt Sieg der Kluge.

(Ein Knappe des Königs kommt.)

Knappe.
Herr Garceran!

Garceran.
Ah, Robert! und was soll's?

Knappe.
Der König, Herr, befahl mir nachzusehn,
Ob Ihr noch hier mit Eurer Pflegbefohlnen.

Garceran.
Ob wir noch hier? Befahl er doch – Ah, Freund,
Du solltest nachsehn, ob ich etwa oben?
Sag nur, das Mädchen sei im Gartenhaus
Und ich hier außen. Das wird ihm genügen.

Knappe.
Hier sind Sie selbst!

Garceran.
Ah, Majestät!

(Der König kommt im Mantel gehüllt, der Knappe geht.)

König.
Nun, Freund,
Noch immer hier?

Garceran.
Habt Ihr doch selbst befohlen,
Daß erst beim Anbruch von des Abends Dunkel –

König.
Jawohl, jawohl! Doch reifer Überlegung
Scheint besser, daß ihr reist bei Tageslicht –
Du giltst für kühn.

Garceran.
So glaubt Ihr hoher Herr –

König.
Ich glaube, daß du ehrst des Königs Wort,
Der, was er schützte, unbelästigt wünscht.
Allein Gewohnheit ist des Menschen Meister
Und unser Wille will oft, weil er muß.
Drum geht nur jetzt. Was aber treibt dein Schützling?

Garceran.
Zum Anfang war ein Weinen ohne Maß,
Allein die Zeit bringt Trost, pflegt man zu sagen,
So war's auch hier, vorbei der erste Schreck,
Fand Munterkeit, ja Scherz sich wieder ein.
Man sah nun erst das schimmernde Gerät,
Die Seide der Tapeten ward bewundert,
Des Vorhangs Stoff nach Ellen abgeschätzt,
Man hat sich eingerichtet und ist ruhig.

König.
Und scheint sie sich zu sehnen nach der Heimat?

Garceran.
Beinah, und manchmal wieder scheint es, nein.
Doch leichter Sinn grämt sich nicht gern voraus.

König.
Du hast doch nicht versäumt, der Worte Köder
Nach ihr auch auszuwerfen nach Gewohnheit?
Wie nahm sie's auf?

Garceran.
Nu, Herr, nicht eben schlimm.

König.
Du lügst! – Im Grunde bist du glücklich, Mensch!
Schwebst wie ein Vogel durch die heitern Lüfte
Und senkst dich nieder, wo die Beere lockt
Und weißt zu finden dich beim ersten Blick.
Ich bin ein König und mein Wort erschreckt,
Doch wär' ich selbst erschrocken, stünd' ich irgend
Genüber einem Weib zum erstenmal.
Wie fängst du's an? Belehre mich ein wenig
Ich bin ein Neuling in dergleichen Dingen,
Nicht besser als ein großgewachsnes Kind.
Da wird geseufzt?

Garceran.
Pfui, Herr, das wär' veraltet!

König.
Nun denn geblickt? Und Junker Gänsrich schaut
Bis Dame Gänschen wieder schaut. Nicht so?
Dann nimmst du wohl die Laute gar zur Hand
Genüber dem Balkon, wie etwa hier,
Und singst ein krächzend Lied, wozu der Mond,
Ein bleicher Kuppler, durch die Bäume funkelt,
Und Blumenkelche duften süßen Rausch
Bis nun der günst'ge Augenblick erscheint,
Der Vater, Bruder, – oder Gatte gar
Das Haus verläßt, auf etwa gleichen Pfaden
Und nun die Zofe winkt ihr leises: pst!
Da trittst du ein und eine warme Hand
Ergreift die deine, führt dich durch die Gänge
Die dunkel wie das Grab und endlos gleitend
Den Wunsch erhöhn, bis endlich Ambraduft
Und bleicher Schimmer, durch die Ritzen dringend
Bezeichnen, daß erreicht das holde Ziel.
Die Tür geht auf, und hell im Kerzenschimmer,
Auf dunkeln Samt die Glieder hingegossen,
Den weißen Arm umkreist von Perlenschnüren,
Lehnt weichgesenkten Hauptes die Ersehnte,
Die goldnen Locken – nein, ich sage, schwarz! –
Des Hauptes Rabenhaar – und so denn weiter!
Du siehst, ich bin gelehrig, Garceran,
Und da gilt gleich denn: Christin, Maurin – Jüdin.

Garceran.
Auf Maurinnen sind Streiter wir der Grenze
Zu Recht verwiesen, doch die Jüdin, Herr –

König.
Spiel etwa du den Kostverächter doch!
Ich wette, wenn das Mädchen dir dort oben
Nur einen Blick gegönnt, du wärest Flamme.
Ich selber lieb es nicht dies Volk, doch weiß ich,
Was sie verunziert, es ist unser Werk;
Wir lähmen sie und grollen, wenn sie hinken.
Zudem ist etwas Großes Garceran,
In diesem Stamm von unstet flücht'gen Hirten:
Wir andern sind von heut, sie aber reichen
Bis an der Schöpfung Wiege, wo die Gottheit
Noch menschengleich in Paradiesen ging,
Wo Cherubim zu Gast bei Patriarchen
Und Richter war und Recht der ein'ge Gott.
Samt all der Märchenwelt, die Wahrheit auch
Von Kain und Abel, von Rebekkas Klugheit,
Von Jakob, der um Rahel dienend freite –
Wie heißt das Mädchen?

Garceran.
Herr, ich weiß nicht.

König.
Ei!
Von Ahasverus, der den Herrscherstab
Ausstreckte über Esther, die sein Weib
Und selber Jüdin, Schutzgott war den ihren.
So Christ als Muselmann führt seinen Stammbaum
Hinauf zu diesem Volk als ältstem, erstem,
So daß sie uns bezweifeln, wir nicht sie
Und hat es Esau-gleich, sein Recht verscherzt,
Wir kreuz'gen täglich zehenmal den Herrn
Durch unsre Sünden, unsre Missetaten
Und jene haben's einmal nur getan.
Nun aber laß uns gehn! Vielmehr bleib du!
Geleite sie und merke dir ihr Haus.

Vielleicht einmal wenn müde Sorgen drücken,
Besuch ich sie und freu mich ihres Danks.
(Im Begriffe zu gehn hört er Geräusch im Hause und bleibt stehen.)
Was ist?

Garceran.
Geräusch im Haus. Scheint's doch beinah,
Sie strafen Lügen dein gespendet Lob
Und streiten unter sich.

König (auf das Haus zugehend).
Was gibt's zu streiten?

(Isaak kommt aus dem Gartenhause.)

Isaak (zurücksprechend).
Nun denn so bleibt und spielt um euer Haupt!
Schon einmal ging's euch nah. Ich rette mich.

König.
Frag was es gibt!

Garceran.
Was soll es guter Mann?

Isaak (zu Garceran).
Ah Ihr seid's hoher Herr, der uns beschirmt.
Mein Rahelchen sie spricht gar viel von Euch,
Sie hat Euch lieb.

König.
Zur Sache! Was Geschwätz –

Isaak.
Wer ist der Herr?

Garceran.
Gleichviel. Du aber rede.
Was ist der Anlaß des Gelärms dort oben?

Isaak (zum Fenster hinaufsprechend).
Nun ja, es wird euch kommen. Wartet nur.
(Zu Garceran.) Ihr selber habt gesehn mein Rahelchen
Wie sie geweint, gestöhnt, die Brüste schlug,
Halb sinnverwirrt. Ei ja doch, Herr, mein Leben!
Kaum wußte sie vorüber die Gefahr
Da kam zurück der alte Übermut:
Sie lachte, tanzte, sang, halb toll von neuem,
Sie rückte das Gerät, das heilig ist,
Bewacht von Tod und poltert – wie Ihr hört.
Trägt sie am Gürtel nicht ein Schlüsselbund?
Nun, das versucht sie, Herr, an allen Schränken
Die längs den Wänden stehn, und öffnet sie;
Da hängen nun Gewänder aller Art.
Der Bettler bei dem König, Engel, Teufel
In bunter Reih' –

König (halblaut zu Garceran).
Vom letzten Fastnachtspiel.

Isaak.
Da wählt sie eine Krone sich heraus
Mit Federschmuck – nicht Gold, vergüldet Blech,
Man kennt es am Gewicht, gilt zwanzig Heller –
Legt sich ein schleppend Kleid um ihre Schultern
Und sagt, sie sei die Königin. (Zurücksprechend.) Ja, Törin!
Zuletzt – im Nebenzimmer hängt ein Bild
Des Königs unsers Herrn, den Gott erhalte!
Das nimmt sie von der Wand und trägt's herum,
Nennt es Gemahl, spricht's an mit süßen Worten
Und drückt's an ihre Brust.

(Der König geht mit starken Schritten auf das Gartenhaus zu.)

Garceran.
Mein hoher Herr!

Isaak (zu rückweichend).
Weh mir!

König (auf den Stufen stehend, mit ruhiger Stimme).
Den Scherz säh' gern ich in der Nähe.
Zudem rückt eurer Heimkehr Zeit heran,
Ich wünschte nicht versäumt die günst'ge Stunde.
Du Alter aber komm! Denn nicht allein,
Nicht unbewacht will nahn ich deinen Kindern.

(Er geht ins Haus.)

Isaak.
War das der König? Weh!

Garceran.
Geh nur hinein!

Isaak.
Zieht er sein Schwert, sind alle wir gerichtet!

Garceran.
Geh immer nur! Und was die Furcht betrifft,
Nicht deine Tochter ist's, noch du, für die ich fürchte.

(Er stößt den Zögernden zur Tür hinein und folgt. Beide ab.)


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