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2. Calderon

(1820)

Es ist merkwürdig, mit wie viel Galanterie Calderon seine Damen von ihren Rittern behandeln läßt, solange sie ihnen noch als Geliebte gegenüberstehen, und wie er sie wegwirft, wenn's zum Heiraten geht; am Ende müssen sie immer nur froh sein, wenn sie überhaupt einen Mann bekommen, wenn's auch ein vorher verschmähter oder wohl gar sie verschmähender wäre. Das ist aber eben das Wesen der Galanterie; denn sie, die im Altertum beinah ganz unbekannt war, ist wohl nur dadurch entstanden, daß das Christentum die letzte Gunst, wonach denn doch eigentlich die Liebe strebt, so schwer verpönte. Wie weich ein solches Verlangen und Versagen einen kräftigen Ritter, besonders in den heißen Ländern, machen mußte, läßt sich wohl denken. Auch hat sich die Galanterie in Spanien und im südlichen Frankreich am ersten gezeigt. Nach Deutschland kam sie in ihrer vollen Ausdehnung wohl erst mit der provençalischen Poesie, und sie steht daher den Leuten auch nicht recht zu Gesichte. Im Nibelungenliede ist davon noch keine Spur. Überhaupt lassen sich wohl alle Eigenheiten der romantischen Poesie aus der durch das Christentum bewirkten einseitigen Verkehrung des Verhältnisses zwischen Körper und Geist erklären, wodurch der erstere mit seinen Anforderungen als sündlich abgewiesen und, durch den daraus entstehenden ewigen Kampf, der Grund zu all den melancholischen Grübeleien gelegt wurde, an denen die neuere Zeit krank liegt. Wann wird der medius terminus da gefunden werden!


(1822)

Das Gemälde, das Calderon in seiner Hija del aire von der Schönheit der Semiramis macht, ist gewiß Porträt; etwa der Königin oder einer Prinzessin von Spanien. Denn außer den Haaren, die in ihrer sonderbaren Mischung aus Schwarz und Gold, weniger auf braune, als auf gewisse, zwar bei weißer Gesichtsfarbe recht anziehende, aber gewiß nicht eigentlich schöne, rötlich-schwarze Locken hindeuten, und dem großen Munde scheint auch die niedere Stirn am allerwenigsten zum Wesen dieses mutig-stolzen Weibes zu passen. Eine niedere Stirn kann allerdings schön sein, aber einen erhabenen Charakter anzukündigen vermag sie nicht, – Der große Mund wiese sehr natürlich auf eine östreichische Prinzessin.


(1838)

In den Erzählungen beim Calderon kommt das Dialektische der Rede, ja der Predigt, nicht bloß vor, es ist vielmehr als eine besondere Schönheit eigens gesucht und mit Vorliebe nachgeahmt.


(1856)

Merkwürdig, daß in der Sammlung von Lobgedichten auf Lope de Vega, die Montalvan nach dem Tode desselben herausgab, keines von Calderon vorkommt, was auf eine ausgesprochene Gegnerschaft beider hindeutet. Ohnehin hat das übermäßige und ausschließliche Lob des eben Verstorbenen in diesen Gedichten eine feindselige Spitze gegen seinen, wenn auch von der Natur minder begünstigten, doch für jeden Fall reifern Nebenbuhler.


(1857–1858)

Diese Armas de la Hermosura von Calderon sind doch eines der abgeschmacktesten Stücke, die je geschrieben wurden. Die großartige Geschichte des Coriolan in ein galantes Thema umzuwandeln und die Zurücksetzung der Weiber und ihre Wiederberechtigung zum Anlaß und Ausgang der Begebenheit zu machen, ist wohl sonst niemand in der Welt eingefallen. Übrigens war es eine fiesta, die bei Hofe vorgestellt wurde, und alle diese fiestas sind gewöhnlich höchst absurd. Es galt, den Hofdamen ein Kompliment zu machen.


(1860)

Es ist wirklich beinahe gotteslästerlich, wie Calderon in seinen Autos sacramentales die göttlichen Personen und Handlungen mit der Schmeichelei für das regierende Haus zusammenwirft.


(1863–1864)

Dieses Castillo de Lindabrídis von Calderon ist doch das Albernste und Langweiligste, was man sich denken kann. Die vorhergehende Céfalo y Pócris, burlesca, hat doch als solche einige lustige Gedanken, obwohl man einen Teil davon nicht versteht, wenigstens ich nicht. Daß aber in einer solchen Burleske, die vor dem Hofe im königlichen Paläste aufgeführt wurde (wie ausdrücklich bemerkt wird), Späße vorkommen können: wie eine Prinzessin, die sich lausen läßt, und einer, der, da sein Schnupftuch begehrt wird, sagt, er pflege sich so zu schneuzen, wobei er mit zwei Fingern die Art und Weise anzeigt; nichts davon zu sagen, daß die Wirkungen der Furcht auf die hintern Teile ebenso erwähnt, als wahrscheinlich auch pantomimisch ausgedrückt wird – das alles gibt für die seine Lebensart dieses Hofs kein gutes Zeugnis.


(1863–1864)

Niemand hat das ästhetische Bedürfnis und das ästhetische Vollbringen treuer dargestellt, als Calderon in der Estatua de Prometeo in der Stelle, wo Prometheus erzählt, wie er dazu gekommen, seine Bildsäule der Minerva zu bilden. Die Stelle ist zu lang, um sie abzuschreiben, aber sie gibt ein Zeugnis, daß er ein wirklicher Dichter war.


(1868–1864)

Daß die Schauspieler in den alten spanischen Stücken immer in der üblichen Tracht der laufenden Zeit gekleidet gewesen seien, gilt doch nicht unbedingt. So ist z. B. in Calderons Sibila del oriente gleich beim Anfange, wo König Salomon schlafend daliegt, ausdrücklich von ihm bemerkt: vestido á lo Romano.


(1863–1864)

Calderon macht sich selber lustig über die immer wiederkehrenden Auskunftsmittel in seinen Komödien. In: No hay burlas con el amor (so weit ich bis jetzt gelesen habe, leicht eine seiner besten Wird aber gegen das Ende schlechter. (Randbemerkung Grillparzers.) ), sagt der verstellte Liebhaber, als man von ihm verlangt, er solle sich verstecken:

¿Es comedia de Don Pedro

Calderon, donde ha de aver
por fuerza amante escondido,
ó rebozada muger?


(1864)

Es ist wohl noch niemals der pfäffische Aberglaube und die höfische Schmeichelei so miteinander vermischt worden, als in Calderons Indulto general, wo der Sohn Gottes, Christus, und der König Karl II. geradezu verwechselt werden.


(1865)

Los hijos de la fortuna. Wo mag er diese alberne Geschichte hergenommen haben? Denn niemand wird etwas so Verworrenes eigens für das Drama erfinden, wo dem Zuseher mehr Aufmerksamkeit auferlegt wird, als bei der Aufgabe eines Rätsels. Zugleich ist kaum in einer einzigen Scene, nämlich in der von dem ersten Zusammentreffen der beiden Liebenden beim Opfer, eine Spur von Calderonschem Geiste: das Ganze wie ein schlechtes französisches Melodram.

Mit Recht in demselben Bande, in dem En esta vida todo es verdad y todo es mentira, das gleich absurd ist, aber doch einen eigentlich dramatischen Keim enthält, den auch, soviel ich weiß, Corneille benützt hat.

Übrigens verspottet Calderon selbst diese Ungeheuerlichkeiten, indem in den darauffolgenden afectos de odio y amor Turin ausruft:

¡Válgate Dios por novela!
¿En qué ha de parar tu enredo?

Sein Publikum verlangte eben solche Ereignisse.

Argenis y Poliarco. Ich muß noch einmal fragen: woher hat er diesen unsinnigen und verworrenen Stoff hergenommen? Derlei erfindet ein Mann von Geist und Talent wie Calderon nicht eigens zur dramatischen Behandlung. Und gerade die Vorstellungen bei Hof haben einen so unsinnigen Inhalt. Sollte ihm gar vielleicht der König (Philipp IV.), der sich selbst mit Poesie befaßte, die Stoffe gegeben und Calderon sie nur ausgeführt haben?


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