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Biographische Notizen


(Um 1850)

Das Thal von Carriedo in Asturien. Darin das Dorf la Vega, der alte Solar, Lehensitz, der Vorfahren Lope de Vegas. Er erwähnt in mehreren seiner Stücke mit Vorliebe des Thals von Carriedo. Der Vater Lopes, Felix de Vega, vertauschte diesen Wohnsitz mit Madrid, wohin er einer Dame nachgefolgt sein soll, in die, obwohl verheiratet, er sich verliebt hatte. Seine Gattin kam ihm aber dahin nach, und sie versöhnten sich wieder. In Madrid also, nahe bei dem Thore von Guadalajara, am 25. November 1562 wurde Lope geboren. Traditionen über die frühe Reife seiner Fähigkeiten. Uebrigens soll er später sprechen, als denken gelernt, und anfangs seine Lektionen durch Gebärden und Zeichen wiedergegeben haben. Mit fünf Jahren läßt man ihn außer der spanischen auch noch der lateinischen Sprache mächtig sein. Als er noch nicht schreiben konnte, soll er bereits Verse gemacht und seinen Kameraden diktiert haben. Ja, wie Lope von sich selbst sagt, schrieb er bereits Verse, ehe er zu sprechen vermochte, was sich aber leichter erklärt, wenn sich die Sprachorgane bei ihm erst spät entwickelten.

Mit zehn Jahren wurde er nach Alcala de Henares geschickt. Er lernte dort, wie er selbst sagt, das Lateinische vollkommen, vom Griechischen aber nur die Anfangsgründe. Später soll er auch des Italienischen und einigermaßen des Französischen mächtig geworden sein. Portugiesisch konnte er wohl wie alle gebildeten Spanier seiner Zeit.

Als er dreizehn oder vierzehn Jahre alt war, starben ihm schnell hintereinander Vater und Mutter. Um ihren Nachlaß soll ihn und seine beiden altern Geschwister, einen Bruder und eine Schwester, ein Betrüger gebracht haben, der damit nach Amerika entfloh. Sein Bruder diente in der spanischen Armee und war außer stande, ihn zu unterstützen. Von entfernten Verwandten soll er einige Hilfe erhalten haben.

Da kam ihm plötzlich mit seinem Mitschüler Hernando Muñoz die Lust, die Welt zu sehen. Sie nahmen, was sie an Geld und Geschmeide zusammenbringen konnten, und reisten zu Fuße ab. In Segovia kaufen sie einen Gaul, um ihr Gepäcke und sie selbst zu tragen, und kommen bis Astorga. Dort aber schon bemerken sie, daß ihr Geld schneller zu Ende geht, als sie geglaubt hatten, und beschließen daher, umzukehren. Nach Segovia zurückgekommen, werden sie von einem Goldschmied, dem sie eine goldene Kette verkaufen wollen, als verdächtig angehalten. Der Alkalde aber schickt sie ihren Verwandten nach Madrid zu.

Dort findet sich Lope, kaum fünfzehn Jahre alt, der größten Not preisgegeben. Er wird Soldat und dient in Portugal, verläßt den Dienst aber nach einem Jahre wieder.

Bald darauf findet er sich als Sekretär des Bischofs von Avila, Geronimo Manrique de Lara, Generalinquisitor und päpstlicher Legat der Flotte gegen die Türken. Lope spricht von ihm mit der höchsten Verehrung, und seiner Aufmunterung sollen die ersten schriftstellerischen Arbeiten des Jünglings ihre Entstehung zu verdanken haben. Dieses waren einige Eklogen und das Schäferspiel Jacinto, um das Jahr 1578 geschrieben, als Lope nur erst sechzehn Jahre alt war.

Siebzehn Jahre alt, verließ Lope des Bischofs Dienste, ohne daß man weiß, warum, wahrscheinlich aber infolge der erwachenden Leidenschaften, die ihn von nun an durch eine Reihe von Jahren besaßen und umhertrieben.


(1842)

El verdadero amante. In der Zueignung an seinen eigenen Sohn bezeichnet es Lope als das früheste seiner Stücke, das er geschrieben, als er das Alter dieses seines Sohnes hatte. Zugleich wird von diesem gesagt, daß er eben bei den Anfangsgründen der lateinischen Sprache sei; Lope konnte also, da er jenes Stück schrieb, nicht älter als vierzehn oder höchstens fünfzehn Jahre alt gewesen sein. Für das ist es allerdings eine Art Wunderwerk. Es teilt die Vorzüge, aber freilich auch die Fehler seiner späteren Stücke, namentlich den Hauptfehler: die Unwahrscheinlichkeit und Willkürlichkeit der Fabel. Man darf aber nicht vergessen, daß Lopes Zeit durch die Chroniken, Rittergeschichten, Romanzen, Volkstraditionen, ja Novellen an das Wunderliche, Kindisch-Märchenhafte gewohnt war und diese Auswüchse nicht allein duldete, sondern wahrscheinlich sogar forderte. Das pragmatisch Begründete hätte ihm vielleicht langweilig geschienen, und ein Volk, das in Glauben und Wundergeschichten aufgewachsen war, fand sich bereit, auch im Theater zu glauben und sich über nichts zu verwundern.

In derselben Vorrede bekennt sich Lope de Vega auch zu 900 Schauspielen, sowie auch sonst so viel geschrieben zu haben, daß der Druck nie das erreichen werde, was noch zu drucken da wäre, und doch habe er damit kaum den nötigen Unterhalt erworben.

Merkwürdig ist, daß er seinem Sohn von dem Studium der griechischen Sprache abrät. Ein deutlicher Beweis, daß er selbst die Meisterwerke Griechenlands nicht kannte. Seine Vorbilder waren also die Italiener und die römischen Autoren. Ein Umstand, der vieles erklärt, Plautus und Terenz haben reichlich gefruchtet, und Seneca konnte ihm keine Lust zum Trauerspiele geben.


Am öftesten spielt Lope de Vega auf seinen Wunsch an, Chronist von Spanien zu werden. Deutlich wie nirgends im Triunfo de la hulmidad, 10. Bd. seiner Dramen, in der Person des spanischen Bedienten Lope, wo er auf die Frage des Königs, was er zu werden wünsche? antwortet:

Señor ser tu coronista,
para escrivir tus mercedes.
Que si va á decir verdades,
no querria que la muerte
me hallase agradando á muchos,
pues nadie en el mundo puede.
Uno son tristes, señor,
y quieren cosas alegres;
otros alegres tambien
y las tristes apetecen
unos las ciencias ignoran,
otros las ciencias aprenden,
unos miran con pasion,
y otros con pasiones vienen.
Sacame deste trabajo
ansi Dios tu vida aumente,
y haré un libro en tu alabanza
que digo un libro, y aun siete,
que te llame el gran Filipe,
rey de Albanin, y rey de reyes.


(1843)

In Lope de Vegas Chaves de Villalba ein Stück, dessen Hintergrund der Streit Spaniens und Frankreichs um Neapel bildet, kommt aus einer lächerlichen, offenbar von oben gebotenen Courtoisie, Frankreich immer unter dem Namen des Königreiches Albanien vor, Ludwig XII. als Dionys XII., der Herzog von Nemours als Duque de Namurcio u. s. w., indessen der große Kapitan und die übrigen Spanier ihre wahre Namen behalten.


Oft führt sich Lope in seinen Stücken selbst unter dem Namen Belardo auf.


(1867)

Einige Entschuldigung für Lope de Vega ist, daß ihm zu seinen allerunsinnigsten Stücken der Stoff (wie er selbst in den Vorreden sagt) von Damen des Hofes aufgegeben wurde. Er wollte überhaupt in allem dem Hofe gefällig sein, aber es gelang nicht. Calderon war darin glücklicher.


(1842)

Ich erinnere mich nicht, in den Lebensbeschreibungen Lope de Vegas den Umstand erwähnt gefunden zu haben, daß er Philipp III. auf einer Reise nach Frankreich (?) begleitet habe, und doch spricht Lope davon selbst in der Zueignung des Mejor mozo de España an Pedro Vergel (Comedias parte 20), sowie von einem Seesturm, den sie damals zwischen Irun und Fuenterabia ausgestanden, der beinahe allen das Leben gekostet. Ebendaselbst führt er auch den Licentiaten Juan Perez de Montalvan als seinen vertrauten Freund und Landsmann auf. Daß Lope und Montalvan in der Autorschaft mehrerer Stücke verwechselt worden seien, erhellt aus den Anmerkungen, die mehreren Komödien beigesetzt sind, wo ausdrücklich bemerkt wird: dieses Stück ist von Lope de Vega und nicht von Juan Perez de Montalvan.


(1828)

Marino, ein Zeitgenosse Lope de Vegas, und ihm persönlich bekannt, teilt ihm in seiner Lobrede 2000 Komödien zu, die alle aufgeführt worden seien, d. i. über 3 Millionen Verse, wovon auf den Tag bei 180 kommen.


(1812)

Lope de Vega gibt in der Vorrede zum 16. Bande seiner Werke die Anzahl der von ihm verfaßten Stücke, mit Einschluß der Autos, selbst auf 927 an.


(1867)

In der Vorrede zum 20. Bande seiner Komödien bekennt Lope de Vega, 1070 Komödien geschrieben zu haben. (In der Philomena 900.) In der Arte nuevo gibt er nur 483 zu. Das Wahre ist wohl, daß er ihre Zahl selber nicht wußte.


(1867)

In einer der Komödien (El desprecio agradecido), die lange nach Lopes Tode in den Obras sueltas Tom. X gedruckt wurden, kommt folgende Stelle vor. Das Kammermädchen gibt dem Galan, der die Nacht versteckt zubringen soll, ein Buch zur Unterhaltung.

Ines. Pues un libro y esta vela, os será de gran provecho.

Bern. ¿Quién es?

Ines. Parte veinte y seis de Lope.

Bern. Libros supuestos que con su nombre se imprimen.

Das sollte uns fast ein Mißtrauen gegen die 27 Bände von Lopes Komödien einflößen. Wenn es nicht etwa nur sagen soll, daß damals noch nicht 26 Bände rechtmäßig erschienen waren.


(1866)

Folgende zwei Verse könnte man als Motto den sämtlichen Werten Lope de Vegas vorsetzen:

El perro del Hortelano I. acto.

Tristan. Tiras; pero no reparas.

Teodoro. Los diestros lo hazen ansi.

Lyrische und epische Dichtungen

(1820)

Der Anfang dieser Corona tragica von Lope ziemlich kühl, ja mitunter höchst prosaisch. Schöne Stellen aber auch hier:

La muerte que no aguarda a que sazone
el tiempo el trigo que sembró la vida.

Von der Königin Maria von England meint er, daß sie el mundo en gloria baña.

Ein unglückliches Gleichnis, daß er die durch den Tod der letzteren frei gewordene Ketzerei in England mit einem Bache vergleicht, der nach dem Auftauen des Eises sich von Fels zu Fels herabstürzt. Von Darley p. 24:

quatro lustros su edad, quando ya el oro
al labio guarnecer la grana intenta ....
el vulgo ...
inquieto presto y sossegado tarde.

Die Erzählung ihrer ersten Schicksale in Schottland vortrefflich, ohne Schwulst und so, daß es Ariosten Ehre machte.

Von ihrem Sekretär David (Riccio) sagt Lope, er sei de cuerpo deforme und decrepito de edad gewesen.

Schön der Eintritt Darleys und der Seinen.

Riccios Schreck: .... que nunca está la vida mas rebelde al partir, que la partida.

Sie hätten ihren Zweck nicht erreicht,

si Darleo las manos no me asiera,
como estaba enseñado á asir mis manos.

Das zweite Buch fällt gleich beim Anfange so ziemlich in die vorige Absurdität. Schmähungen auf die Königin von England, die spanischen Philippe haben einen Namen:

...... que á los siglos extendido
se olvide de olvidarsele al olvido.

Philipp II. gerühmt, daß er eher die Welt gewagt, als den Flandrern die libertad injusta zugestanden. Ebenso Philipp III. wegen Vertreibung der Mauren despreciando sus barbaros thesoros.

Eine schlechte Manier, die Erzählung von Mariens früheren Schicksalen, die sie im ersten Buche selbst macht, im zweiten Buche als Erzählung des Autors fortzusetzen.

Mitten in der prosaischen Geschichtserzählung ad imitationem Ovidii die Beschreibung des Hauses der Eifersucht, eigentlich ohne Zweck, da die Aufreizung der Gemahlin Bothwells von viel zu geringer Wichtigkeit ist. Die Beschreibung selbst nicht ausgezeichnet.

Auch fällt dieser Bothwell mit seinen Absichten auf die Königin ohne Vorbereitung wie aus den Wolken in die Handlung hinein.

Das Gedicht ist wirklich bei manchen Schönheiten ein unverdautes übereiltes Machwerk. Das Ueberflüssige weitläufig ausgeführt, und das Wichtige mit ein paar Worten abgefertigt, wie die Vergiftung Darleys.

Das ganze zweite Buch läuft bedeutend schwächer als das erste, und überhaupt ziemlich unbedeutend, ja oft unzusammenhängend bis ans Ende.

Drittes Buch. Die Rüstung Philipps gegen England etwas ex abrupto. Uebrigens prächtig, eigentlich spanisch.

Lope befand sich selbst bei dieser Expedition:

Yo entonces con las Musas participo
de la mejor edad adolescente:
dejo los libros y las doctas sumas,
y una pluma troqué por muchas plumas.

Ceñi en servicio de mi Rey la espada,
antes que el labio me ciñesse el bozo,
que para la Catholica jornada
no se excusaba generoso mozo.

Das Gespräch, das Bothwell mit seiner Gattin im Ehebette führt, voll einzelner Schönheiten, aber im ganzen absurd. Den Schluß macht, daß er sie erwürgt.

Herrlich die Beschreibung, wie Morton sich der Aufforderung Bothwells zum Kampfe stellt.

Viertes Buch. Der Meuchelmord von Georg Hamilton, am Regenten von Schottland verübt, wird mit allen Zeichen der Billigung erzählt.


El laurel de Apolo

(1824)

¡O vanidad de los hombres no reconocer al cielo, que pudo hacer mas en otros, de lo que hizo en ellos! (Lope de Vega I, XXVII.)

Wie schön, wie liebenswürdig die Vorrede zum Laurel de Apolo! Erklärter Gegner des selbstsüchtig verkleinernden Grundsatzes: nil admirari der aufgeblasenen Mittelmäßigkeit.

Der I. Gesang voll Farbe; häufig zu prächtig, manchmal an den Bombast streifend und wohl gar ihn erreichend. Am schönsten nebst dem Eingang der Schluß mit dem innig gefühlten Denkmal Espinels. Nicht viel niedriger steht die Erinnerung an Elisio Medinilla, ohne Zweifel ein vertrauter Freund Lopes.

Im II. Gesange verstehe ich die eingewebte Geschichte von Luis Pardo und seiner Geliebten nicht. Daß diese in der Nacht vom St. Johannes des Täufers Tage von Sevilla abreist und indes der Schiffspatron schläft, sich davonmacht; indes jener erwacht und des andern Tages nach Sevilla zurückgekehrt, zu seinem Erstaunen findet, daß Zweige, die er in der vorigen Nacht abgehauen, indianische Hölzer aus der Gegend von Tucuman sind. Der übrige Verlauf der kleinen Episode herrlich.

III. Gesang am Grabe Camoens:

fortuna estraña que al ingenio aplico
la vida pobre, y el sepulcro rico,

und:

¡Qué triste suerte, qué notables penas,
acabada la vida hallar Mecenas!

Ist Lopes Konstruktion wirklich manchmal so verworren, oder scheint es nur meiner mangelhaften Kenntnis der Sprache so?

Das Sonett auf den Rechtsgelehrten und Dichter Francisco de la Cueva doch etwas abgeschmackt, in dem mit den Digesten und Institutionen des H. Paulus als eines höchsten Rechtsgelehrten gespielt, und von seinem Ausspruch das Gesetz, daß jeder Mensch einmal sterben müsse, hergeleitet wird. Wenn gegen eine solche Sentenz eine Replik möglich wäre, müßte die Ausnahme gewiß dem Gefeierten zu gute kommen.

Als Salamanca erwähnt wird, beklagt sich Lope, daß er dort schöne Zeit verloren habe:

estudiante de amor en sus riberas,
más que de sus escuelas celebradas.

Lieblich das Einschiebsel von der schönen Feliciana, die aus Liebe zu den Wissenschaften, als Mann verkleidet, in Salamanca studierte. Sich in einen Don Felix verliebend, verrät Eifersucht ihr Geschlecht:

y con lagrimas, voces y desvelos
dixeron de mil modos
lo que ella á solo amor, zelos á todos.

Da sie in Männertracht ging, verliebten sich viele Mädchen und Frauen in sie, von ihr der Liebe und Eifersucht preisgegeben:

haciendo que muriessen en la fuente
que de Narcisso por su error se nombra
de su mismo accidente,
enamorades de su propria sombra.

IV. Gesang. Die innige Verbindung der Poesie und Liebe weniger lebhaft und nicht so schlagend dargestellt, als von solch einem Dichter sich erwarten ließ. Allen spanischen Dichtern klebt, wenn sie etwas erklären, die Ursache von etwas angeben wollen, viel Scholastisches an, das der Wärme der Darstellung schadet.

Ein ziemlich unglückliches Wortspiel mit dem Namen des Dichters Verdugo, wenn er von ihm sagt, er sei verdugo (Henker) des Neides.

Er gedenkt seines Vaters, Felix de Vega, der auch Verse schrieb, Versos eran á Dios llenos de amores. Sie scheinen aber nicht sonderlich gewesen zu schein, obschon Lope in kindlicher Ehrfurcht von ihnen sagt:

Mejores me parecen, que los mios.

Im weitern Verfolg gleicht er höchst gelehrt und ziemlich trocken den Streit der Neuerer oder der Arte mayor in fünffüßigen Jamben mit den Verfechtern der spanischen copla aus, welch letztere die ottave rime als antinational verwerfen. Er gesteht den coplas den Preis der Lieblichkeit zu, meint aber, daß zu erhabenen Gegenständen die italienische Stanze vor allem geeignet sei.

Ein wenig gar zu arg ist es denn doch, wenn er im VII. Gesang vom Fray Pedro de los Reyes sagt, seine Sandalen seien die Wolken, so daß er auf Stücken des Himmels sich zur Sonne erhebe; auch strahle sein Ordenskleid (sayal) gleich den Himmeln, so daß er diese damit ausbessern könne, wenn sie je etwa ein Loch bekämen.

Im VII. Gesang spricht er mit Lob, obgleich ohne die ihm sonst so geläufigen Hyperbeln, von Calderon, der freilich damals erst im Beginnen gewesen sein muß, und den er ilustre mancebo nennt.

Der VII. Gesang gegen die vorhergehenden ziemlich matt.

Der Anfang des VIII. mit der Betrachtung über das Schicksal der Poeten gemeiner als billig.

Der VIII. Gesang erhebt sich nicht viel, man merkt, daß der Verfasser müde wird, in verschiedenen Wendungen immer das nämliche zu sagen.

Der IX. Gesang bekommt durch das Eintreten einer neuen Handlung etwas Lebhaftigkeit, im ganzen will er aber doch auch nicht viel bedeuten.

Der Anfang des X. Gesanges ist schon wieder des Besten würdig, was die ersten Gesänge enthalten. Der Eingang von einer Verstandesklarheit und Geistesruhe, um deren Ueberlegenheit willen ich den Lope nur mit Goethe vergleichen kann.

Herrlich, vortrefflich! Mich reizt es, den ganzen Eingang abzuschreiben, wo er die Liebe von Autoren für ihre Werke als in der Natur gegründet erklärt und – entschuldigt. Ich liebe diesen Lope wegen seines rein Menschlichen bei aller Ueberlegenheit, und ziehe ihn als Geist, als Individuum dem Calderon unbedenklich vor, obgleich der letztere als dramatischer Dichter und vielleicht sogar als Denker (das Denken in seiner strengen diskursiven Funktion genommen) höher steht, als jener.

Man könnte, wenn einem um Vergleiche zu thun wäre, Lopen mit Goethe und Calderon mit Schiller gewissermaßen in Parallelen bringen. Darin wenigstens sind sie sich gewiß ähnlich, daß, indes die beiden letzten mit ihren Stoffen zusammenfallen und in jedem ihrer Werke immer das Beste liefern, was sie eben haben und sind; die beiden erstem immer ober ihren Stoffen schweben und sich nur mit einem Teile ihres Wesens zu dem Werke herablassen, das sie gerade jetzt geben wollen. Calderonen ist es mehr Ernst mit seinen Stücken, Lope macht sich den Spaß, je und dann ernsthaft zu sein.

Ich wüßte nichts, was mich mehr erquickte, als das Gewahrwerden einer solchen Geistesüberlegenheit. Nur Shakespearen ist es geglückt, diese Ueberlegenheit über das Werk in das Werk selbst hineinzutragen. Wenn andern guten und vortrefflichen Schriftstellern ihr Werk paßt, wie ein gut gemachtes Kleid, so paßt es Shakespearen, wie ein gut organisierter Körper. Ueberall ist bei ihm genug! aber eben weil nie, wo es gilt, zu wenig ist, wird man notwendig auf die Idee eines vorhandenen Überschusses geleitet. Wo die Zahlungen nie stocken, besteht gewiß eine Staatscentral- und Reservekassa.

In Verfolg des X. Gesanges recht schicklich die Fabel von Narcissus eingewebt, der in sich selbst verliebt war, wie ein Autor. Um dieser Beziehung willen muß man es nicht so genau mit dem poetischen Gehalt derselben nehmen, der beträchtlich unter dem der früher vorkommenden Kallisto steht.

(Lope lobt vor allen oft die grünen Augen.)

Der Schluß der Sache nach nicht zu tadeln, denn Lopes Absicht konnte wohl von vornherein nicht gewesen sein, irgend einem aus den aufgeführten Dichtern ausdrücklich den Lorbeer zuzuerkennen: wohl aber steht die Ausführung unter der Würde des Ganzen und ist viel zu nachlässig für ein Werk von so langem Atem wie der Laurel de Apolo. Man merkt, daß ihm anfing, die Zeit dabei lang zu werden, er fällt immer mehr in den spaßhaften Ton und eilt zum Schlusse.


La selva sin amor

Bei Darstellung dieser gesungenen Kantate, der ersten, die man in Spanien gehört hatte, wurden auch theatralische Maschinen und Dekorationen gebraucht, von denen Lope in der Vorrede mit so viel Bewunderung spricht, daß man wohl sieht, wie ungewöhnlich ihr Gebrauch bei Schauspielen war.

Das Ganze ziemlich übereilt und in der Ausführung ohne besondere dichterische Schönheiten.

Die Wirkungen der goldenen und bleiernen Pfeile Amors zu sehr Schlag auf Schlag, und daher nicht jener Vorteil daraus gezogen, den Lope sonst in weit unbedeutenderem Anlaß zu finden weiß. Wahrscheinlich mußte er um des Kompositeurs willen kurz sein.

Das Ende artig, besonders daß die Austrocknung des Manzanares im Sommer als Rache der Venus, mithin als Wirkung der Liebe erklärt wird, damit alles liebe in der vormaligen selva sin amor.

Das Ganze großenteils zu witzig und Bedeutung suchend, um sich sehr zur musikalischen Komposition zu eignen.


Silva é un retrato de Rubens

Obgleich der Hauptgedanke nicht schlagend genug und im ganzen wohl zu gedehnt, besonders der ungeheure periodenartige Eingang, doch in den Einzelheiten schön: besonders das Benehmen der Blumen beim Raub der Pinsel und ihr Verhör. Ein paar falsche Gedanken, besonders:

En un caballo le miró tan vivo,
tan fuerte, tan fogoso, tan altivo,
que al tiempo, que las manos levantaba,
por no romper el lienzo no bufaba.


Epistola á D. M. de Solis

Von wem kann das gelten, wenn Lope schreibt: Aus seinem Geiste gingen hervor:

Maquinas, que despues pule y reforma
mejor pincel de la segunda mano,
cuya alma el cuerpo bosquejado informa.

Etwa Philipp III., von dem man sagt, daß er selbst Stücke schrieb?

Bei dieser Epistel ist der Mangel einer kritischen Ausgabe von Lopes Werken vorzüglich fühlbar. Sie ist eine Antwort auf ein Schreiben des de Solis, an das sie sich von Punkt zu Punkt anschließt und dessen Inhalt man sich erst zusammendenken muß, ehe man einen Zusammenhang in die Antwortsepistel hineinbringt. Sie hat deshalb auch weniger innern Zusammenhang, als man von einer poetischen Epistel zu fordern berechtigt ist oder mit andern Worten: das Ganze ist mehr ein poetischer Brief als eine Epistel. Abgesehen davon ist sie im höchsten Grade elegant und dichterisch. In den Bildern weniger Übertreibung als sonst meistens bei Lope. Vielleicht Horazens nicht unwürdig.

Was ist das für ein jardin, in dem Lope vergessen hat, die Geliebte des Solis und deren Bruder aufzuführen? Etwa der Laurel de Apolo?


Á la nueva lengua

Vortrefflich! Ein Ausfall auf die affektierte Sprache des Gongora und seinesgleichen. (Oder sollte er diesen nicht gemeint haben, sondern vielmehr bloß den Garcilaso? Diesen letzten kenne ich nicht und weiß nicht, ob er gleichfalls so affektiert schreibt. Auf den gezierten Gongora kommt wenigstens in der Folge ein Lobgedicht vor.)

Die Sonettenform kommt hier dem sonst etwas geschwätzigen Lope sehr gut zu statten und gibt dem kleinen Dinge viel Lebhaftigkeit, obgleich es die Verständlichkeit (für einen Nichtspanier) erschwert. Hätte der Herausgeber die redenden Personen durch Anführungszeichen unterschieden, so wäre auch diesem Uebelstande abgeholfen.


Die darauffolgenden Sonette sehr elegant, ohne gerade ausgezeichnet zu sein. Das von der Flamme und dem Schmetterling mit falschen Gedanken spielend. Das vom Blinden und Lahmen zu geschwätzig. Der Hauptgedanke gab eher ein Epigramm, als ein Sonett. Das beste das an Seyano.


Epistola á D. A. de Mendoza

In seinem höheren Alter geschrieben, wo, wie er selbst sagt, er nur die Stunden, die vom Studieren und Beten übrig blieben, der Poesie widmete. Man könnte versucht werden, in dem oftmaligen Einschalten und Abbrechen von vornherein die Eigentümlichkeit des Greisenalters erkennen zu wollen, wenn diese Fehler dem guten Lope nicht auch zum Teile in seiner besten Zeit angeklebt hätten. Das Ganze ist eine Danksagung für die Unterstützung, die ihm der junge Philipp IV. erteilte, nachdem man ihn bis dahin in Not und Arbeit für seine Bedürfnisse sich selbst sorgen ließ.

Er sagt von sich selbst:

Verdad es, que partí de la presencia
de mis padres y patria en tiernos años
á sufrir de la guerra la inclemencia.
Passé por alta mar Reynos estraños,
donde serví primero con la espada,
que con la pluma describiesse engaños.
Rompió mi inclinacion la comenzada
palestra de las armas, y las Musas
me dieron otra vida más templada.
No pude resistir, que eran infusas,
enseñandome versos y deseos
Amor, padre del ocia y las escusas:
Amor en tierna edad, cuyos trofeos
o paran en destierros, o en Tragedias,
con mil memorias para dos Letheos. (?)
Necessidad y yo partiendo a medias
el estado de versos mercantiles,
pusimos en estilo las Comedias.
Yo las saqué des sus principios viles,
engendrando en España mas Poetas,
que hay en los ayres atomos sutiles.
Mis años, que en figura de cometas
volaron por mi edad hasta las canas,
que suelen ser á su pesar discretas.
Passando el tiempo en esperar mañanas
en la region de tantos desvarios,
desvanecieron esperanzas vanas.


Epistola II. á D. Placido de Tosantos

Die Hauptabsicht dieses Briefes scheint gleichfalls die Danksagung für die von Philipp IV. empfangene Pension zu sein. Im ganzen, wie mir vorkommt, weniger Klassicität – als im ersten. Die Darstellung des Gedankens: wie durch Anschauung der körperlichen Schönheit nach und nach der Sinn für das höchste Schöne geöffnet wird, doch ein wenig zu scholastisch, sonst aber recht gut, nur etwa gar aus einem platonisierenden Mystiker geborgt. Am wahrsten die Schlußbemerkung:

Dirán señor, qui si la edad enfria
el juvenil ardor, luego al terreno
el divino Cupido desafia:
Y que enigmas y asphorismos lleno
viene Platon, y Venus se despide,
necio antidoto ya, pues no hai veneno.

Zuletzt bricht er in patriotischem Ingrimm gegen die auswärtigen Geschichtschreiber los, die es wagen, Spanien und seine Könige zu tadeln, die an den Philippen etwas auszusetzen haben und zu behaupten wagen, daß der II. Ursache des Krieges in den Niederlanden gewesen sei. Das ist wohl Verblendung, aber keine Heuchelei. Lopen war es gewiß Ernst mit seinem Lob der Könige.

Aus einer Stelle sollte es fast scheinen, als ob er das Amt eines Chronisten von Spanien gewünscht, aber nicht erhalten hätte.


Á. J. P. Bonet

Was ist das für ein Werk, das Bonet schrieb, die Stummen reden zu lehren? Ist das buchstäblich zu verstehn, oder figürlich? Nur im erstern Fall ist der Spaß ganz das, was er soll: daß es wünschenswerter sei, die Schlechtredenden schweigen, als die Stummen reden zu lehren. Die Geschichte recht hübsch von dem Türken, der, als man ihn zur Taufe bereden wollte, antwortete: Hartos aver Christianos, qué mas quieres. Die Geschichte von der Einquartierung und dem Hahne, den der Bauer samt den Hennen versteckt, der sich aber durch seinen Morgenruf verriet und ans Messer brachte, zu gedehnt. Hübsch die Scene, wo er sich in Gedanken nach Rom versetzt und in den Vorübergehenden die alten Klassiker anzureden glaubt. Den Ausfall auf das spanische Theater am Schlusse verstehe ich nicht ganz. Sollte darin etwa mißbilligend auf die vielleicht damals aufgekommenen Dekorationen und Maschinen angespielt werden:

Ya no hay Chremes, ni Pamphilos, ni Davos:
el theatro de España se ha resuelto
en aros de cedazos (?), lienzo y clavos!
Las Musas, como dicen, á rio vuelto
embolsan quartos de vulgazo rudo,
y anda el theatro en el tejado envuelto.
Cuesta un lugar no menos que un escudo
para ver una nube de agua y lana,
dentro vinagre y por defuera embudo (?).


Epistola IV á D. F. de Herrera

Ist wohl vor dem vorigen geschrieben, da er die königliche Unterstützung noch nicht erhalten, denn er spricht hier von: dem Stroh seines armen Nestes. Zwar scheint dies mehr eine Redensart zu sein, da er in der Folge von kostbarem Schmucke redet, mit dem er die Kirche bei der Vermählung (Einkleidung) Marcelas zieren lasse.

Wer ist diese Marcela, de mi amor primer cuidado?


(1824)

Die Gatomachia, so weit ich sie bis jetzt gelesen habe, wunderschön. In seiner Art einzig. Eine solche Vereinigung des Burlesken mit dem Hochpoetischen hat keine andere Litteratur aufzuweisen. Der Anfang der IV. Silva sinkt, oder vielmehr nicht der Anfang, sondern der Verfolg des Exordiums, der Anmutig-Scherzenden ins Breite und Nachlässige übergeht. Man muß weiter sehen! – Der Schluß des Poems vielmehr wieder vortrefflich!


(1867)

In diesen ziemlich wunderlichen Pastores de Belen pag 46 das wunderschöne Gedicht: Quán bienaventurado geradezu Horazens würdig, obgleich es mehr dem Zustand Lopes selbst entspricht, als es für einen Chor von vier Schäferinnen taugt.

 


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