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Comedias de Lope de Vega


(Um 1850)

Erster Band

Los donayres de Matico. Eines der schwächsten Stücke von Lope de Vega. Nicht, als ob nicht andere eben so abgeschmackt wären, aber kaum ist eines so leer. Außer der Scene, wo Rugero im Lateinischen unterrichtet wird und ihm die Redeteile und Paradigmen Gelegenheit zu einigen Doppelsinnigkeiten und Wortspielen geben, ist kaum eine zweite, die irgend des Beachtens wert wäre. Daß zuletzt Prinz und Prinzessin, die aus Liebe von Hofe entflohen sind und sechs Jahre in der Wildnis gelebt haben, jedes mit einem Fremden sich verheiratet, doch gar zu spanisch.

El perseguido. Das ist nun eines von Lope de Vegas guten Stücken. Die Charaktere bis auf das Ungemessene der Leidenschaften und das Abenteuerliche, das nun einmal in der Nation, dem Geschmacke der Zeit und in Lope de Vega selbst liegt, vortrefflich gehalten. Namentlich dieser Herzog Arnaldo. Auf diese Art die Mitte zwischen Güte, Schwachheit und Ehrenhaftigkeit zu halten, ist nur dem wahren Dichter gegeben. Jede einzelne Aeußerung hängt durch innere Anschauung mit den gegebenen der Figur zusammen. Die Herzogin kann von vornherein mit der Phädra in die Schranken treten, später wird sie uns zum Scheusal; war es aber nicht einer Zeit, wo die Rachsucht noch als in ihrem vollen Rechte galt. Der schwächste Teil, Leonora, da, wo sie von der äußersten Heftigkeit über das verratene Geheimnis ihrer Liebe, so daß sie sogar ihr Kind zu töten droht, um ihrem Gatten wehe zu thun, ein paar Scenen darauf, ohne erklärenden Zwischenfall, ganz gefaßt und manierlich wieder erscheint.

El cerco de santa Fé. Dieses Stück, eine Reihenfolge von Heldenthaten bei der Belagerung von Granada, gewinnt erst gegen das Ende Konsistenz durch die Besiegung Tarfes durch Garcilaso de la Vega. Der frühere Kristallisationspunkt, das Liebesverhältnis des maurischen Vorkämpfers mit der ihn verschmähenden Alisa, sehr gut mit Rücksicht auf Tarfe, verliert aber durch die mattere Haltung des ihm vorgezogenen Celimo. Die eigentliche Einheit lag aber außer dem Stücke, in der vaterländischen Begeisterung der Zuhörer.

Rey Bamba. Großartig der Monolog Ervicios, wo er den Himmel anklagt, daß er ihn als Neidischen schuf, und doch gleich darauf seine habgierigen Pläne ins Werk zu setzen beschließt. (I.) Unmittelbar darauf Wamba mit seiner Gattin, Zufriedenheit und Wohlwollen in jedem Worte. Derlei Gegensätze, ungesucht und aus der Notwendigkeit der Sache fließend, erfrischen das Gemüt und gliedern den Stoff. Die Versammlung der gotischen Großen, wo jeder, nicht um zu fechten, sondern als Sinnbild des Haders, mit gezogenem Schwerte auftritt. Die Scene, wo Wamba die Vorbedeutung der königlichen Würde erhält und wo, eh die Hand mit der goldenen Krone erscheint, ihm vorher einleitend und vorbereitend aus den Zweigen desselben Baumes Blumenkränze zufliegen, das ist alles von einer Schönheit und Einfalt, die nur in jenen Zeiten der reinen Gemütsauffassung möglich war. Zugleich sind er und seine Frau, ohne Schaden ihrer Würde, durch ihre bäuerliche Unschuld, halb und halb, die Lustigmacher des Stückes. Mitten unter diesen phantastischen Vorgängen: die überliefert historischen Umstände, daß Wamba der Erfinder von Maß und Gewicht, wohl auch der früheste war, von dem sich Münzen in späterer Zeit erhalten hatten. Ein wenig Radikalismus, da die gotischen Großen den König wegen seiner niedern Geburt verachten, wogegen er sich durch heroische Thaten rechtfertigt. Schon beginnt das Stück durch den Kronenstreit mit dem Griechen Paulus matter zu werden, als es auf einmal einen unerwarteten Aufschwung erhält. Die Sage, daß der letzte König der Goten, Roderich, als er eine verschlossene Höhle frevelhaft eröffnen ließ, dort auf einem Gemälde, das niemand deuten konnte, den spätem Einfall der Mauren bildlich dargestellt fand, wird hier auf eine wahrhaft virtuose Weise, als aus ihrem Ausgangspunkte, eingewoben. Dem Verräter Ervicio, durch den Wamba am Ende des Stückes stirbt, wird von dem Mauren Mujarabo die Krone, aber auch vorhergesagt, daß der dritte seines Geschlechtes Spanien an die Mauren verlieren werde. Er läßt jenes Bild malen und in jene Höhle einschließen. Das Geschlecht des Verräters sollte jenes Unglück über Spanien herbeiführen. Da die Sage von dem Bilde und der Höhle in jedes Spaniers Munde war, so kann man sich die Großartigkeit der Wirkung denken, die das im Publikum hervorbringen mußte. Lope de Vega erinnert hier an Euripides, der es gleichfalls verstand, durch solche unerwartete Wendungen noch gegen das Ende der Fabel neue Aussichten zu eröffnen und das Gemüt emporzuheben. Dieser König Wamba ist ein vortreffliches Stück.

Es gilt von Lope de Vega etwas, was Goethe in einem etwas barocken Bilde von Euripides sagt, wo er ihn mit einer Stückkugel vergleicht, die auf Quecksilber schwimmt. Die Wunder des Katholizismus und die Großthaten des spanischen Altertums, das Sagenhafte ihrer Geschichte war seinem Publikum so geläufig, daß er anklingen konnte, wo er wollte, und sicher war, in jeder Brust Verständnis und Widerhall zu finden. Er ist die vollkommenste Protestation gegen die Begriffspoesie. Calderon ist es schon nicht mehr,. obschon seine ungeheure belebende Kraft das absichtliche Moment meistens glücklich, ja glorreich überwindet. Darum wäre eine größere Verbreitung Lope de Vegas durch eine neue Auflage ein eigentliches Glück für unsere heutige, in Klügeleien und Abstraktionen versunkene Welt. Aber freilich, unsere Deutschen würden ihn nachahmen, wie die Kinder mit allem zum Maule fahren; und nachzuahmen ist an ihm nichts. Aber sich mit ihm erfüllen, die Phantasie, das Vorhandene und die Anschauung wieder in ihre Rechte einsetzen, es aber der äußern Form, ja dem Inhalte nach ganz anders machen, als Lope de Vega, das wäre die Aufgabe.

La traycion bien acertada. Man begreift kaum, wie derselbe Autor einen König Wamba und dieses Stück schreiben konnte. Dort alles weise angelegt und auf eine bestimmte Absicht bezogen, hier alles willkürlich, lose, unzusammenhängend, kaum eine Komposition zu nennen, selbst über das der Novelle Erlaubte hinausgehend; Fäden angeknüpft, die gleich wieder zerreißen; das scheinbar von vornher Beabsichtigte in den Hintergrund gedrängt und neuen Bezügen Platz machend, die sich ebenso in nichts auflösen. Der erst gegen das Ende sich schürzende Knoten, daß Polyxenas Vater die verloren gegangene Tochter dem zur Ehe verspricht, der sie ihm wieder bringt, steht mit den Begebenheiten der beiden ersten Akte, besonders mit der Feindschaft und den Nachstellungen Gerardos, in gar keinem Zusammenhange. Es scheint fast, als ob Lope de Vega mit seinem großen Natursinne in derlei Stücken das Willkürliche und Zufällige des wirklichen Lebens habe nachbilden wollen. Es sind in Scene gesetzte Novellen. Und da sein Publikum das Drama doch immer wesentlich als Spiel betrachtete – wie denn selbst in planvollen Stücken die an das Publikum gerichteten Schlußworte die Illusion und scheinbare Wahrheit aufheben – so hatte es nichts dagegen, einem solchen poetischen Spaziergange zu folgen, wenn man dabei nur auf Partien und Gegenstände stieß, die die Mühe des Gehens verlohnten. In dem Ganzen ist mir nichts Ingeniöses aufgefallen, als wenn Gerardo, der den Don Antonio herausgefordert und nicht überflüssigen Mut hat, bei seinem Sekundanten, dem spanischen Hauptmann, vorläufig Lektionen im Fechten nimmt. Ein so einfaches und aus der Sache genommenes Mittel, Mannigfaltigkeit in die Ereignisse zu bringen, daß es der Beachtung und Nachahmung zu empfehlen wäre, wenn das Walten des Talentes überhaupt nachzuahmen stünde.

Ein Gedanke kommt vor, der an einen Ausspruch Lessings erinnert, oder vielmehr ganz und gar derselbe ist. Als Polyxena verloren ist, sagt Don Antonio in seinem Schmerz:

no es posible que esté cuerdo,
pues que no me he vuelto loco.

El hijo de Reduan. Das ist nun ein wildes Zeug. Zwei Alte, die sich jugendlich verlieben, ohne, wie es scheint, darum lächerlich zu werden. Ein König, sonst ehrenhaft, der seine Gattin zu ermorden beschließt, um sich anderweits zu verheiraten. Die Königin, die ihm dasselbe zurückgeben will, unmittelbar nachdem er ihr, sie mit seiner Geliebten verwechselnd, körperlich beigewohnt hat. Gomez, der Held des Stückes, gleich bereit, den König zu ermorden, sobald er erfahren, daß dieser ihm nachstellen lasse. Seine Tapferkeit ohnegleichen, die sogar einen wirklichen Löwen zur Anerkennung zwingt, der sich auch leibhaft vor den Augen der Zuseher zu seinen Füßen niederlegt, welches Ereignis das Volk von Granada bewegt, den Mörder seines Vaters zum Könige zu machen. Wenn das Ganze irgend einen Anspruch hatte, zu seiner Zeit zu gefallen, so war es, außer der Lust am Bunten, wohl nur der Gedanke: Das ist nun die gerühmte Tapferkeit der Mauren! Derlei Greuel mischen sich in ihre großartigsten Thaten! Das Beste noch die derben Protestationen des Helden gegen die maurisch-spanische Galanterie von Lopes Zeitalter. Es fehlt übrigens nicht an guten Stellen. Eine davon, wenn der alte Reduan von sich selbst sagt:

Que soy mozo quando viejo,
porque mozo y viejo fui (p. 159).

Urson y Valentin. Wenn man einmal für einen Dichter eine Vorliebe hat, ist man in Gefahr, sich von ihm alles gefallen zu lassen. Ludwig Tieck müßte dieses Stück vortrefflich finden, wenigstens hat er selbst ähnliches gemacht und ich habe auch nichts dagegen einzuwenden. Die Fabel besitzt alle Fehler eines Drama der damaligen Zeit. Vor Erfindung der Wahrscheinlichkeit muß man es mit Unwahrscheinlichkeit nicht genau nehmen. Was aber daran, wie an allen Lopeschen Stücken, bewunderungswürdig erscheint, ist der Reichtum, mit dem er seine Personen, und gerade die Nebenpersonen am meisten, zu individualisieren und den Ausfüllscenen Inhalt zu geben weiß. Diese wiederholten Schäferscenen, wo einmal die Sprödigkeit der Weiber, das andere Mal die Nachteile der Blödigkeit den Stoff des Gespräches hergibt. Der humoristische Belardo mit einem Beischmack von Frondeur. Der Milchbruder Valentins, der, nachdem sie sich im Zank erhitzt, durch brüderliche Nachgiebigkeit rührt und gewinnt. Die bis zum Revoltanten unwahrscheinliche Scene, wo der König auf die bloße Anklage Ubertos sein geliebtes Weib, ohne daß sie eine Einwendung dagegen macht, töten will, durch das Benehmen Isabelas zu einem kleinen Meisterstücke erhoben und so in einen Winkel des Stückes hingeworfen, was ein ärmerer Dichter sich als einen Effektmoment für eine Hauptsituation aufgespart hätte. Ein paar Deutsche von der Leibwache weiß er durch nichts Besseres zu charakterisieren, als durch Trunkenheit, wo denn unter angeblich deutschen Ausdrücken, als nite fiston (nicht verstehn), brindis, auch bon ami mitfiguriert.

El casamiento en la muerte. Der Charakter des Bernardo del Carpio unübertrefflich, ganz in der Haltung jener herben heroischen Zeit. Die Befreiung seines Vaters und die Rehabilitation seiner unehelichen Geburt taucht wie eine fixe Idee aus all seinen Großthaten empor, in denen er für eine Zeit sich selbst über dem Vaterlande vergißt. Sein Auftreten am Hofe Karls des Großen (toma silla con estuendo y sientase. Wie dieses: Sich setzen mit Geräusch durch die Wirkung auf die Sinne den Eindruck verstärkt, den seine trotzigen Worte auf den Verstand machen. Die ganze Poesie ist nichts als eine Verbindung dieser beiden Faktoren): Immer in seinen Hoffnungen durch die Wortbrüchigkeit des Königs getäuscht, kommt er doch immer wieder auf denselben Wunsch zurück. Ja, endlich entsteht sogar der Gedanke in ihm, sich an dem Könige zu rächen, wo er aber nach einer Rede voll Heftigkeit sich selbst zurechte weist:

perdonad Rey y señor
que ladro agora qual perro
que castiga su señor.

Endlich befiehlt der König die Befreiung seines Vaters. Er eilt ins Gefängnis und findet den Gefangenen – tot. Wie nun der Schmerz über den Verlust, die Liebe zu seiner Mutter, letzteres bis zur Härte, alles dem Gedanken Platz macht, die Ehrlichkeit seiner Geburt herzustellen. Wie er Doña Ximena, die Mutter, dem Kloster entreißt, sie dem toten Vater gegenüberstellt und beide vermählt, wo er denn die Einwilligung des Toten dadurch suppliert, daß er dessen Kopf mit der Hand faßt und ihn nicken macht. Das ist von einer Großartigkeit, auf die ein Dichter in unserer Verstandeszeit freilich Verzicht leisten muß.

In seiner Art nicht minder gut der König, der trotz seiner Frömmigkeit immer wieder sein gegebenes Wort bricht.

Die Franzosen kommen, obwohl sie als Feinde auftreten, noch ziemlich glimpflich davon, wahrscheinlich wegen der Ehrfurcht für Karls des Großen zwölf Pairs und ihren Platz in den Romanen und Romanzen der Zeit. Nichtsdestoweniger sind sie, wo sie unter sich auftreten, mit Ausnahme Rolands, ziemlich matt gehalten. Erst im Unglück erheben sie sich durch ihre Frömmigkeit, wo denn dem Dichter wieder echt euripideisch ein Umstand entgegenkommt, der dem Stücke neuen Schwung gibt. Sie verbergen ein Muttergottesbild in der wahrscheinlich noch heute so genannten peña de Francia, und dieses später wieder aufgefundene Muttergottesbild war wahrscheinlich noch zu Lope de Vegas Zeiten ein Gegenstand der Andacht und Wallfahrt zur peña de Francia. So kommt alles dem Genie entgegen, vornehmlich in einer sagenreichen, poetischen Zeit.

Was nun aber das Künstliche des Ausdrucks, die Gleichnisse, die Wortspiele in den leidenschaftlichsten Situationen, überhaupt das Lyrische im Dialog, vornehmlich im Monolog betrifft, so hielt jene Zeit den Begriff der Poesie auch im Drama fest, und aus der Poesie die Poesie wegzulassen, hätte ihnen höchst wunderlich geschienen. Es bietet sich hier der ähnliche Vorgang der italienischen großen Opernkompositeure und Sänger dar, die in den leidenschaftlichsten Situationen Triller und Passagen nicht verschmähen, ohne daß daraus für die Wahrheit des Ausdrucks nur der geringste Nachteil entstünde.

La escolástica celosa. Diese Intriguenstücke sind die schwache Seite Lope de Vegas. An Intriguen fehlt es zwar nicht, sie sind aber so schlecht miteinander verbunden, jeder Akt knüpft eine neue an, so daß man am Ende kaum weiß, wie man den Titel des Stückes rechtfertigen soll. So sind hier zwei eifersüchtige Studentinnen. Der erste Akt scheint Julien als den Mittelpunkt des Stückes anzukündigen, ja im dritten Akt macht sie Miene, sich von neuem dazu zu erheben. Das verschwindet aber wieder, und Celia, durch das größere Maß ihrer Thorheiten und ihr überwiegendes Verhältnis zum Helden des Stückes, gibt den Abschluß und den Namen her. Die Behandlung übrigens mit Lopes gewöhnlichem Leben und Schwung der Rede, warm und überreich, so daß, wie sehr auch seine Vergleiche und Spitzfindigkeiten mitunter hinken mögen, man doch bei der Schnelligkeit, mit der Lope schrieb, kaum begreift, wie ihm das alles im Lauf der Feder einfallen konnte.

La asmistad pagada. Von diesem Stücke ist wenig Gutes zu sagen. Eine bis zur Karikatur getriebene Dankbarkeit, die im Römer Furio selbst die nächsten Pflichten über dem phantastischen Wettstreit der Freundschaftsbeweise vergißt. Dazu die Personen alle in einer neblichten Allgemeinheit gehalten, die außer der augenblicklichen Empfindung nichts Wesenhaftes in ihnen zurückläßt. Ich weiß nicht, ob dieser Leonese Curieno in Geschichte oder Sage als eine wirkliche Person vorkommt. Er kommt vor. (Randbemerkung Grillparzers.) Im Bejahungsfalle wäre manches zu entschuldigen. Das Geschichtliche hat einen geringen Wert für die Poesie: begründet aber doch den Unterschied, daß der Dichter bei historischen Personen es sich mit der Objektivierung etwas leichter machen kann, da die Wirklichkeit für ihn einsteht. Sollten es aber erfundene Personen sein, so muß man denken, daß das Stück etwa für das Theater von Leon geschrieben war, wo ein Lokalinteresse dem allgemein menschlichen zu Hilfe kam. Daß Lope außer dem Helden des Stückes auch die Gefangene Claudia zu einer Leoneserin macht, ist ein Beweis von seinem glücklichen Takt und rundet den Kern der Handlung notdürftig ab.

Die beiden Konsuln mit ihrer knabenhaften Liebe, mitten in den Gefahren und Pflichten des Krieges, eigentlich abgeschmackte Personen, und doch in den Mitteln, die sie anwenden, und in der Art, wie sie sich nach dem Scheitern ihrer Pläne benehmen, einigermaßen individualisiert.

Uebrigens ist das Stück ein Beleg von der Zerstreutheit, in der Lope de Vega schrieb. Er, der in seiner Jugend doch gewiß mit der klassischen Litteratur genug geplagt worden war, mischt die Epochen und die Heldennamen der römischen Welt so wunderlich untereinander, daß kaum das Jahrhundert zu bestimmen wäre, in dem seine Handlung möglicherweise hätte vorgehen können. Ebenso vergißt er, daß Furio sich bei der Flucht Curienos die seine Mitwissenschaft verbergenden Wunden selbst beigebracht hat, und läßt ihn mit dem ganzen Gefühle der Wahrheit dieselben Wunden als einen Beweis seiner Unschuld in Anspruch nehmen.

Ueberhaupt herrscht in allen spanischen Stücken der damaligen Zeit die traurige Ansicht vor, daß das Glänzende der Handlungen und die Stärke der Leidenschaft von allen Ansprüchen der bürgerlichen Moral völlig entschuldigen.

La comedia del molino. Da wären nun wieder Intriguen über Intriguen, aber die Fugen sind locker und es klappt nichts. Der Hauptspaß, wie schon der Titel anzeigt, daß die Verkleidungen in der Mühle vorgehen und die mit Mehl bestaubten Gesichter die Personen unkenntlich machen. Die zweite Attrape, daß man einen als den Liebhaber Verkleideten zum Schein gefangen nimmt, um die Liebhaberin durch die Besorgnis für dessen Schicksal zur Nachgiebigkeit zu bewegen, wogegen sie, von dem wahren Sachverhalt unterrichtet, denselben Umstand benützt, um die Freigebung ihres Geliebten, eine sohin unmögliche Sache, als Preis ihrer Gunstbezeigung von dem verliebten alten Könige zu begehren. – Diese zweite Verwicklung so lose hingestellt, daß daraus keine rechte Wirkung hervorgehen will. Die Personen matt und allgemein gehalten. Daß der alte König sich Knall und Fall verliebt, schadet seiner Würde nichts. Ich bin ein Feind jener weithergeholten deutschen Deutelei, die das Gras wachsen hört, demungeachtet fiel mir aber bei dem Prinzen von vornherein Don Karlos ein, nicht der schillerisch idealisierte, sondern der wirkliche, brutal gewaltthätige, um so mehr, als von einer französischen Heirat die Rede ist. Dem Zuschauer mochte vielleicht ähnliches vorschweben. Selbst das der Anlage nach komische Verhältnis der Müllerstochter, die von Liebhaber an Liebhaber abgetreten wird, nicht bis zum eigentlich Schlagenden ausgebildet. Demungeachtet kommen aber alle Ingredienzien vor, um mit Hilfe guter Darstellung einem Publikum, das die Planmäßigkeit wohl vom Ernste, aber noch nicht vom Spiele verlangte, hinlänglich zu gefallen.

El testimonio vengado. Wenn die Fabel dieses Stückes von Lope erfunden wäre, so ließe sich nicht viel Gutes davon sagen. Es kam ihm aber schon wieder eine Sage oder Romanze entgegen, und er setzte sie in Handlung, ohne viel hinzu oder weg zu thun. Daß die Söhne ihre eigene Mutter des Ehebruchs mit dem Stallmeister anklagen, weil sie dem ältesten von ihnen das weiße Lieblingsroß des Vaters verweigert hatte, ist ein derbes Stück alter Natur, das Lope, als einmal vorhanden, sich gar nicht viel Mühe gibt, weitläuftig psychologisch zu begründen. Nicht allein, daß Lopes Zeit derlei glaubte, derlei geschah wirklich in einer noch ältern Zeit. Herodots Geschichte, die Geschichte der römischen Könige, die skandinavischen und orientalischen Ueberlieferungen sind, das Uebernatürliche abgerechnet, durchaus nicht so fabelhaft, als man glaubt. Uns scheinen sie freilich so unstatthaft, als es uns unbegreiflich ist, wie man je einen Gott verehren konnte, der seine Kinder fressen will und dem man einen Stein unterschob. Die Erfindungen einer Zeit sind nur ein Abbild ihrer Handlungen. Glücklich übrigens der Dichter, der noch so ganze Ereignisse, ohne Zersetzung und Abschwächung, vorführen kann. Die Poesie ist im Bilde und nicht im Raisonnement. Wie poetisch hingegeben mußte ein Publikum sein, das nichts Lächerliches darin fand, wenn eine Frau, wie hier die Königin, ihren mannbaren Stiefsohn, allen ansichtig, unter den Mantel nimmt und die leibliche Geburt nachahmend, ihn als ihren eigenen Sohn anerkennt.

In der Behandlung nichts eigentlich Hervortretendes.

Die dem ersten Bande beigegebenen zwölf Entremeses, mit Ausnahme der langweiligen Melisendra, ergötzlich genug, das Komische aber von einer so derben Art, daß es im schreiendsten Gegensätze mit dem überbildeten Liebesgeschwätze der eigentlichen Lustspiele steht. Ueberhaupt sind sie in dem Tone einer viel frühern Zeit geschrieben und zeigen, daß das Volk an seinen alten Erinnerungen und Genüssen festhielt und die feinere Welt eine wunderliche Mischung von galanter Ueberbildung und unausgetilgter Roheit war.

Die Erfindung dieser Possen scheint wohlfeil; wer aber ähnliches und zwar in solcher Menge versuchen wollte, würde sich leicht von der Schwierigkeit überzeugen. Merkwürdig der Abstich zwischen dem rohen Tone dieser Entremeses und den zu denselben Vorstellungen gehörigen Loas, die vortrefflich versifiziert und mitunter von eigentlich poetischem Werte sind.


Zweiter Band

La fuerza lastimosa. Dieses Stück genoß seiner Zeit des höchsten Ansehens in Spanien, und wenn ich mich recht erinnere, so war es das erste von Lope de Vega, auf welches vor dreißig oder vierzig Jahren die albernen deutschen Romantiker verfielen, wobei es denn hin und her besprochen wurde. Was die Behandlung betrifft, so kann man auch, namentlich von den beiden ersten Akten, nicht zu viel Gutes sagen; der Stoff dagegen, die Handlungen und ihre Motive sind so grell, ja zurückstoßend, daß alles, was man mit Rücksicht auf die Zeit, den Geschmack und den Geist der Nation zur Entschuldigung anführen kann, nicht ausreicht, des Widerwillens Herr zu werden, den diese eigentlich türkischen Vorgänge notwendig erregen. Daß ein Mann sein geliebtes Weib ermordet auf Befehl des Königs, zur Sühne eines Verbrechens, das er gar nicht begangen, ohne auch nur einen Versuch zu machen, die falsche Anschuldigung von sich abzulehnen. Aber all diese Motivierungen hätten Zeit und Raum weggenommen, die der Dichter brauchte für die Ereignisse und Situationen, um die es ihm vor allem zu thun war. Abgesehen von der Geringschätzung des Menschenlebens, der Häufigkeit der Mordthaten in jener Zeit, der übertriebenen Ehrfurcht vor dem Willen der Könige, bleibt hier, wie in allen ähnlichen Stücken Lopes, der Hauptpunkt, daß er das Ereignis in den Romanzen so vorfand, die Zuseher damit bekannt waren und er sich daher keine Mühe gab, erst zu begründen, was man ohne Grund hinnahm. Die Motivierung des Kindermords der Medea wird sehr dadurch abgekürzt, daß der Zuseher bei ihrem Namen schon weiß, daß sie ihre Kinder ermorden wird. Das Grelle, das uns zurückstößt, war eben, was jene Zeit liebte, und selbst Shakespeare häuft gern die Mordthaten nach Möglichkeit.

Den Stoff zugegeben aber, ist die Behandlung der zwei ersten Akte von unschätzbarem Werte. Dieses Durchfühlen der Situation bis in die scheinbaren Zufälligkeiten, diese Belebung selbst der Nebenfiguren, die gesteigertste Lyrik des Ausdrucks Hand in Hand mit der prägnantesten dramatischen Geltung. Es ist, als ob man eine Landschaft im schwarzen Spiegel sähe. Die Färbung bekommt etwas Fremdartiges, aber der Eindruck gewinnt an wohlthuender Harmonie. Wie psychologisch wahr die Scene, wo Enrique sich gedrängt fühlt, sein Glück den beiden Dienern mitzuteilen, und er nun einen um den andern ruft und wegweist, je nachdem er Teilnahme in ihnen voraussetzt. Die schwierige Figur der Prinzessin übervortrefflich, oder vielmehr, es gab keine Schwierigkeit für Lope. Er fühlt sich in die Personen hinein und findet, wo es ihm um Wahrheit zu thun ist, die richtige Haltung immer und unfehlbar. Wo es ihm um Wahrheit zu thun ist! Denn häufig ist ihm seine Schriftstellerei nur ein äußerliches Treiben, für das Publikum bestimmt, ihn selbst nur durch die Buntheit der Bilder und einzelne poetische Stellen interessierend.

Der dritte Akt etwas verschwommen. Der vierjährige D. Juan als General der Armee macht einen recht artigen Eindruck, nebstdem, daß etwas darin liegt, daß, nachdem alle Erwachsenen sich an Schuld und Greueln überboten, ein Kind die Rettung und ein glückliches Ende herbeiführt.

Das Komische, das der Erscheinung dieses kindischen Heerführers anklebt, entwickelt sich gegen das Ende mit steigendem Bewußtsein, Ja, als nach spanischem Komödiengebrauch am Schluß alle Männer mit Weibern und alle Weiber mit Männern versehen werden, wird auch der kleine D. Juan mit der eben gebornen Tochter der Prinzessin verlobt, was denn seine Wirkung auf die allgemeine Heiterkeit nicht verfehlen konnte.

Als vortreffliche Scenen sind noch nachzutragen die beiden, wo die Prinzessin, statt ihrem Vater ihre Entehrung mündlich zu gestehen, fortgeht und unmittelbar darauf in einem Briefe ihre Schuld bekennt, sowie die damit im Zusammenhange stehende, wenn Enrique, nachdem er, über einen erdichteten Fall zu Rate gezogen, sein eigenes Urteil unbewußt ausgesprochen, durch denselben Brief erfährt, daß der gräßliche Spruch ihm selber gelte. Sowie eine frühere andere Scene, in der die Musiker zur Erheiterung der Prinzessin eine Romanze von einer durch Liebe Hintergangenen Herzogin singen und nun jene, sich in die Person des Liedes vermengend, ihre eigene Verzweiflung im Namen der betrogenen Herzogin ausspricht. Man würde nicht fertig, wenn man alle vortrefflichen Einzelheiten aufzählen wollte. Denn das Große in Lope de Vega ist seine bei aller Künstelei der Form tiefe und innige Naturempfindung.

La ocasion perida. Das ist nun einmal ein Stück mit einer vollkommen durchgeführten Intrigue. Für uns dürfte es freilich eine höchst wunderliche sein! die Spanier waren zum Behuf ihres Vergnügens bereit, alles das anzunehmen, was dieses Stück voraussetzt. Wie ja auch heutzutage ein Beiseite der Schauspieler, das man in der vierten Galerie vernimmt, von den Mitspielenden auf dem Theater nicht gehört wird, oder in einer Nachtdekoration die Schauspieler auf dem Theater sich nicht zu sehen angenommen werden, indes man im Parterre jede ihrer Bewegungen wahrnimmt. Man nimmt also bei Lope de Vega einen für den andern, trotz der Verschiedenheit in Gestalt und Stimme, Der körperliche Genuß der verwechselten Liebespaare geht hinter der Scene vor, ohne daß die Sittsamkeit es übel nimmt. Das ärgste dürfte sein, daß die Prinzessin, um ohne Gefahr für ihren Ruf des von ihr geliebten spanischen Flüchtlings »zu genießen«, ihr Fräulein Doriclea vorschiebt, so daß D. Juan sich in letztere verliebt und unwissend so das Verhältnis mit der Prinzessin unterhält. Als endlich der als sein eigner Botschafter verkappte König von Leon, der durch ein Versehen die für D. Juan bestimmte Einladung der Prinzessin erhält, den Vorschmack der Ehe mit ihr genießt und somit denn ihr Gatte ist, lösen sich alle Verwicklungen. Doriclea, die dem Spanier ein gleiches Stelldichein zugedacht, gerät in die Arme ihres verschmähten Liebhabers; es werden nach Gewohnheit noch mehrere Ehen für alle Mitspielenden geschlossen, und jedermann gibt sich mit dem zufrieden, was der Zufall ihm zuführte. Nur der edle D. Juan hat die Gelegenheit versäumt. Es ist etwas sehr Hübsches in dieser Figur, die getauscht wird, ohne lächerlich zu werden. Auch daß die Prinzessin, die bereit war, eine gefährliche Unbesonnenheit zu begehen, durch Verwechslung einem königlichen Freier in die Arme geführt wird, hat etwas Providenziell-Ausgleichendes.

El gallardo Catalan. Da ist denn die Romantik mit ihrem ganzen Rüstzeuge. Eine alles hintansetzende Liebe. Seefahrt, Seeräuber, eine verschmähte Geliebte, die als Mann verkleidet ihren Ungetreuen rettet, aber auch sein neues Verhältnis stört und zerstört. Von vornherein will das Ganze nicht viel sagen, aber mit der Ankunft in England folgt eine Reihe sehr guter Scenen. Die Deutschen, zu denen das Stück sich drauf hinspielt, kommen als Nation nicht sehr gut weg. Gegen das Ende schleicht sich das Absurde wieder ein, und die als Mann verkleidete Clavela besiegt im Gottesgericht-Zweikampfe einen ritterlichen Gegner wofür ihr auch als Lohn der ungetreue Geliebte zu teil wird.

Die Grundlage von Lopes Poesie ist das Märchen und das Vehikel der Glaube. Wo die Handlung Sprünge macht, springt notwendig die Empfindung mit. Aber von einem Haltpunkte bis zum andern entfaltet sich sein großer Natursinn; das Einzelne ist von der größten Wahrheit, das Ganze mag so bunt sein, als es will. Sein Reichtum zeigt sich auch darin, daß er seine Nebenpersonen nicht gerade individualisiert, ihnen aber besondere Interessen und Zwecke gibt, wodurch selbst die Ausfüllscenen Leben und Bewegung bekommen. Lebendigkeit und Fülle ist der Charakter seiner Poesie.

El mayorazgo dudoso. Fängt ganz vortrefflich an. Die Personen und Verhältnisse individualisieren sich. Ein eifersüchtiges Weib in der ersten Scene, die Molière auch nicht besser hätte schreiben können. Die Verlegenheit des geplagten Ehemannes, als ihm das Kind der Prinzessin, die auf offener Straße unter seinem Beistande gebiert, in den Händen bleibt. Von da an aber wird das Ganze allgemein und unbedeutend. Ein König, der, wie Lopes Fabelkönige überhaupt, alles einkerkert und umbringen will. Das im ersten Akte geborne Kind erscheint im zweiten Akte als zwanzigjähriger Jüngling, als Maure Luzman, kommt nach Dalmatien zurück, findet den Vater im Kerker und die Mutter im Kloster. Erwirbt unerkannt die Liebe seines tyrannischen Großvaters, erwirkt die Freiheit seiner Eltern, heiratet die Tochter seines Nährvaters u. s. w. Außer dem erwähnten Eingänge und der unmittelbar darauf folgenden Scene, wo Luzmans Vater, noch jung und als Gärtner verkleidet, die Hoffnungen seiner Liebe in einem hübschen Monologe ausspricht, nur noch eine Scene im zweiten Akt herauszuheben, in der Luzmans Milchschwester und nachmalige Braut Clavela, über ihre erwachende Neigung von der Mutter zur Rede gestellt, den Fragen ausweicht und die Antwort verschiebt. Das wiederholte: mire, se lo dirè macht eine höchst unschuldige Wirkung.

Warum übrigens das Stück El mayorazgo dudoso heißt, begreift man nicht recht. Denn ob Luzman der Enkel des Königs sei, mag allerdings zweifelhaft sein, ob aber, wenn er es ist, ihm das Erbrecht, das mayorazgo gebühre, liegt außer allem Zweifel, da kein anderer Bewerber sich vorfindet. Wahrscheinlich hat Lope von vornherein die Handlung ganz anders führen und das dem Pflegevater Luzmans gleichzeitig geborne Kind, das jetzt ein Mädchen ist, einen Knaben sein lassen wollen, wo denn allerdings Verwechslungen hatten stattfinden können. Die Unbekümmertheit und der Leichtsinn, mit dem Lope schrieb, geben einer solchen Deutung hier und an hundert andern Orten nur zu sehr Raum.

La resistentia honrada. Das ist nun wieder ein so artiges Frag- und Antwortspiel. Der ganze erste Akt mit der tollköpfigen Madame Floris könnte allenfalls wegbleiben, die Handlung fängt erst mit dem zweiten an. Die beiden Weiber sehr gut gehalten, besonders die tugendhafte Mathilde, in welchen Figuren Lope eine besondere Stärke besitzt, Floris scheint von vornherein bestimmt, einen Hauptanteil an der Handlung zu nehmen, verschwindet aber später beinahe gänzlich. Sie überläßt sich dem ganzen Uebermute der Schönheit und des Angebetetseins. Wenn sie als Page verkleidet den Festsaal betritt, meint sie, darüber möge sich niemand wundern:

que por ses maravillosas
se suelen contar las cosas
que siendo faciles no.

Diese Worte könnte man als Motto und Entschuldigung allen Komödien Lopes voransetzen.

Der Prinz eine Mischung von Begehrlichkeit und Heldenmut. Er und seine geliebte Floris, besonders im Lügen stark. Merkwürdig, daß doch eine Nation, bei der das famose: mentis der größte Schimpf war, in Liebe und Eifersucht jede Unwahrheit für erlaubt hielt.

Ich weiß nicht, ist es meine mangelhafte Kenntnis der spanischen Sprache, oder sind es die vielen Druckfehler, oder das Schwankende in der übereilten Ausdrucksweise Lopes, oder schien die Dunkelheit damals eine Schönheit; ich habe Mühe, den genauen Sinn aus manchen dieser Wechselreden herauszufinden.

Aber wie fließend und mit dem vollen Reize der Zufälligkeit die ganze Behandlung! Mich bezaubert dieser Schriftsteller, ohne mich blind gegen das Heer seiner Fehler zu machen.

Los Benavides. Hat von vornherein ganz jene altertümliche Größe, welche Lope de Vega derlei Chronikstoffen zu geben weiß. Das Ganze handelt sich um eine Ohrfeige, welche der alte Mendo von Payo de Vivar erhalten hat und als hochbetagter Mann selbst nicht rächen kann; auch fehlen ihm Söhne, die es an seiner Statt könnten. Höchst wunderlich des Alten Freude, als er erfährt, daß seine Tochter von dem verstorbenen König Bermudo zwei uneheliche Kinder habe. Die königliche Würde des Verführers, und daß sie unter dem Versprechen der Ehe erzeugt wurden, scheint die Bastardschaft von ihnen abzuwälzen. Der Enkel Sancho wird zum Rächer ausersehen, tötet aber aus Mißverständnis einen Unrechten. Durch die Ehrbegriffe der Zeit gerechtfertigt, aber für uns abscheulich ist die Art, wie nun Mendo selbst den Beleidiger im Angesicht des Gottesgerichtes durch einen Dolchstoß meuchelmörderisch aus der Welt schafft. Gut gehalten Payo de Vivar, auf den nicht als bête noire alle Mängel und Schändlichkeiten zusammengehäuft werden, sondern der zwar gewaltthätig und eigennützig, aber tapfer, gerade und in seiner Art ehrenhaft ist.

Ebenso König Alfons als Kind, besonders weil er nicht so altklug ist, als Lopes Kinder zu sein pflegen. Er sagt einmal bei einer Staatshandlung gerade heraus, daß ihm die Zeit lang werde. Als ihn die Mohren gefangen nehmen, wundert er sich, daß sie wie Menschen aussehen und doch nicht an Gott glauben.

Los Comendadores de Córdova. Das Stück ist ganz gut. Der Charakter des Veinticuatro ehrenhaft, verständig, ja in seinen Bemerkungen über die Ehre zeigt der Verfasser ihn und sich über die Vorurteile der Zeit erhaben. Aber Vorurteile, die das Wesen der Zeit ausmachen, müssen geachtet werden, und so rächt denn der beleidigte Gatte, den noch dazu die Schlechtigkeit der beiden Komture und seiner Frau erbittert, die Ehre seines Bettes auf eine um so furchtbarere Art, als derjenige immer das Maß überschreitet, der nicht die volle Ueberzeugung von seinem leitenden Grundsatze hat. Nicht nur die Schuldigen, auch alle Diener, ja die Meerkatze und der Papagei werden getötet. Der Totschlag, scheint es, erzeugt erst die Wut, statt von ihr erzeugt zu werden. Der König billigt am Schlusse das gräßliche Ehrengericht und gibt dem Witwer ein andres Weib, womit dieser sich ganz zufrieden bezeigt.

Die Mordscene, vielleicht nur wegen Undeutlichkeit der scenischen Einrichtung nicht wirksam genug.

Der Verlauf des Stückes untadelhaft bis auf den Umstand, daß die sündhafte Frau den Ring des Königs, den ihr ihr Gatte gab, wieder an Don Jorge verschenkt, was früher oder später notwendig an den Tag kommen mußte. Auch ist es wirklich der König selbst, der auf die Spur des Frevels kommt, da er seinen Ring an der Hand des Komturs erblickt.

Sehr schön die Scene, wo der Veinticuatro, in seine vier Wände zurückgekommen, das Glück der Ehe preist, während der Zuschauer schon weiß, daß der Wackre betrogen ist. Don Jorge einmal ganz roh, dann wieder in seinen Redeblumen und Vergleichungen höchst spitzfindig. Namentlich da, wo er das Wort prima, das sowohl Muhme, als die erste Stufe der Tonleiter in der Musik bedeuten kann, in dieser letzten Bedeutung quetscht und auspreßt. Ich muß hier wieder unentschieden lassen, ob es meine mangelhafte Kenntnis der Sprache ist, die mir das Gleichnis so geschraubt, ja grammatikalisch unzusammenhängend erscheinen läßt, oder begnügte sich Lope und das Publikum, bei der Raschheit des Schreibens und der Deklamation, mit nur allgemeinen Anklängen und Andeutungen des Gedankens, ohne die genaue Ausführung und Durchbildung zu begehren und zu vermissen. Der gerügte Mangel kommt so oft vor, daß die letztere Erklärung wohl die richtige sein dürfte.

In den Ausfüllscenen bilden die Verhandlungen zur Heirat der Infantin Johanna mit dem Erzherzog Philipp ein sehr dankbares Thema.

La bella mal maridada. Das ist nun ein wildes und ziemlich langweiliges Zeug. Von den Charakteren höchstens der italienische Graf gut zu nennen mit seiner romantischen Liebe, worüber ihn seine eigenen Diener auslachen. Die übelverheiratete Schöne hat doch, besonders gegen das Ende zu, etwas von dem Zangenartigen der tugendhaften Weiber, wodurch sie ihren Ehemännern zur Last werden. Als ihr Gatte Hand an sie legt, ruft sie Vater, Vetter und Bruder zu Hilfe. Freilich, als letzterer herbeieilt, gibt sie vor, gestrauchelt zu sein und sich den Fuß verrenkt zu haben. Der Gatte ein gewöhnlicher Lümmel. Teodoro, der Unbeständige, ist seinem Charakter so treu, daß er jeden Augenblick seine Neigung ändert und bei dem bloßen Namen eines Frauenzimmers schon in sie verliebt ist. Nachdem die zwei ersten Akte unter nichtssagenden, schattenspielartigen Ereignissen hingegangen sind, überstürzt sich die Handlung im dritten so, daß kaum klar wird, wie sich der Gatte von der Unschuld seiner Frau überzeugt hat und daher Hoffnung zur Besserung gibt. Die alte Kupplerin Marcela ganz gut. Daß der Graf ihr im Finstern, sie für Lisbella haltend, fleischlich beiwohnt, muß man eben hinnehmen.

Los tres diamantes. Diese drei Diamanten spielen nur auf dem Titel eine Rolle, aus dem Stücke könnten sie ebenso gut wegbleiben. Zur Verwicklung tragen sie wenig bei, zur Entwicklung gar nichts. Die Fabel eine gewöhnliche, märchenhaft bunte. Die Charaktere ohne Bedeutung, man müßte denn den Entschluß der entführten Prinzessin, ein Hospital zu gründen und dort Pilger und Kranke selbst zu pflegen, für einen Ausfluß ihres Charakters ausgeben, was aber, da es mit ihrem frühern nicht zusammenhängt, mehr eine und zwar wunderschöne Wendung der Erzählung ist, als daß sie aus irgend einer innern Notwendigkeit hervorginge. Eine Scene aber hält für das ganze Stück schadlos. Es ist die, wo der Held des Stückes auf der Flucht seiner wegemüden Geliebten seine Abstammung und frühern Schicksale erzählt und diese trotz aller Aufmerksamkeit dabei einschläft. Ich zweifle, ob das ganze Gebiet der Poesie etwas so Naturwahres und unaussprechlich Süßes aufzuweisen hat. Shakespeares Miranda hält dagegen keine Vergleichung aus, höchstens die Liebesscenen in Romeo und Julie, nur freilich mit dem Unterschiede, daß letzteres Stück ein tiefgedachtes und künstlerisch abgeschlossenes Ganzes ist, indes Lope de Vega seinen Reichtum wie ein spielendes Kind mitten unter die Albernheiten eines armseligen Stoffes hineinwirft.

La quinta de Florencia. Der erste Akt ganz vortrefflich. Meisterhaft geschrieben. Der Herzog ein Fürst in der edelsten Bedeutung. Wie wohlwollend seine Neigung zu Don Cäsar, wie zart im Ausdruck und der Vorsorge für ihn. Andrerseits die Melancholie Cäsars mit ihrer unbekannten Ursache, liebenswürdig und gewinnend. Der Herzog will ihm sogar die eigene Geliebte abtreten, da er eine Neigung für sie bei ihm voraussetzt. Ebenso gut gehalten die schöne Müllerstochter, Cäsars eigentliche Leidenschaft. Der Scherz mit den unmöglichen Bedingungen, die letztere ihren ländlichen Liebhabern setzt, wohl zu weit getrieben. Der zweite Akt erhält sich noch bis auf Cäsars Entschluß, sie aus dem Vaterhause zu rauben und, nachdem er sie genossen, mit seinem Hausverwalter zu vermählen. Es fehlt uns an einem Anhaltspunkte, um die Gesinnung jener Zeit zu beurteilen, die die Heirat eines Adeligen mit einer Bäuerin für etwas halb Undenkbares hielt. Laura wird geraubt, geschändet. Der Vater wendet sich an den Herzog, der in die Mühle und von da in Cäsars Landhaus kommt. Dieser, mit dem Tode bedroht, heiratet nach mancher Weigerung das arme Mädchen, wo es denn ziemlich kindisch ist, daß unter die Gründe seiner Einwilligung auch der gehört, daß der alte Müller mit dem Herzoge an einem Tische gespeist habe und also dadurch gewissermaßen geadelt sei.

El padrino desposado. Das ist nun wieder ein Stück, welches seine Bedeutung erst durch einen in der Mitte auftauchenden, inhaltreichen Umstand erhält. Dort nämlich tritt hervor, daß der Maurenkönig Argolan, eine prächtige Figur voll Tapferkeit und halb barbarischem Stolz, sich um des Herzogs von Medina Tochter Doña Maria nur bewirbt, weil ihm geweissagt worden, daß, wenn sie sich einem Könige vermähle, ihr Sohn die Mauren aus Spanien vertreiben werde. Er gönnt sie daher seinem Gegner und Freunde, dem Grafen Don Pedro, eben deshalb, weil er kein König ist und daher die Prophezeiung durch ihn nicht in Erfüllung gehen könne. Da erscheint aber im letzten Akte der König von Aragonien, nachmals Vater Ferdinand des Katholischen, wird als Beistand zur Hochzeit gebeten, verliebt sich aber in die Braut und heiratet sie selbst, daher der Titel: El padrino desposado: Der Beistand als Bräutigam.

Der erste Akt macht sich ganz vortrefflich. Im zweiten Akte tritt eine ziemlich unwahrscheinliche Verwicklung mit einem an die falsche Adresse gelangten Briefe und Ring auf, der an die von Don Pedro ausgeschlagene Schwester D Ines gelangt, indes er der geliebten D. Maria bestimmt war. Es wird nicht recht klar, ob D. Maria den Grafen nur ihrer in ihn verliebten Schwester zu Gefallen ausschlägt, oder ob ihr der abgeschmackte D. Luis am Herzen liegt, dem sie die leidenschaftlichsten Vorwürfe macht, als er den Ring, den sie ihm gab, an den Grafen im Spiele verlor.

Der Schluß wird für unsere Empfindung widerlich, teils weil sich der König so Knall und Fall in D. Maria verliebt und trotz seiner Verpflichtung als Beistand keinen Augenblick ansteht, sie dem Grafen wegzunehmen, teils wegen des bei den Spaniern so häufig vorkommenden Umtausches der Geliebten. Daß der Graf D. Pedro seine Braut seinem Könige abtritt, mag angehn; daß er aber die verschmähte D. Ines so ohne Umstände heiratet, ist nur in einer Zeit und bei einem Volke erklärlich, wo die Liebe eine Sache der Sinnlichkeit und der Phantasie war, die Ehe aber wie ein Geschäft nach Nutzen und Vorteil abgeschlossen wurde. D. Ines, die geringschätzig genug behandelt wurde, ist gleichermaßen froh, den Gegenstand ihrer unweiblichen Beharrlichkeit denn doch zu bekommen.

Las ferias de Madrid. Eine lebendige und höchst ergötzliche Zusammenstellung von Volksscenen, die ihren Anlaß in dem Jahrmarkt von Madrid haben. Die Unverschämtheit der damaligen roués, die Habgier der Weiber und die Geldverlegenheit der Stutzer einer gewissen Klasse vereinigen sich zu einem Ballspiel von Witz und Leichtfertigkeit. Aus diesem bewegten Element taucht eine einzelne Verwicklung empor, die auch von Shakespeare und Molière benützte Geschichte eines Liebhabers, der sein Abenteuer und seine Erfolge dem Gatten seiner Geliebten anvertraut, den er nicht kennt. Daß Shakespeares Weiber von Windsor eines seiner schwächsten Stücke sei, gibt jedermann zu. Bei Molière macht diese falsche Vertraulichkeit den einzigen Inhalt des Stückes aus, wodurch das Ganze etwas einförmig wird. Hier aber, nur als Stickerei auf dem bunten Stoffe der Volksbelustigung, ist es von äußerst angenehmer Wirkung. Eine Zuthat, die den Wert einer Hauptsache hat. Das Absurde übrigens, das Lope de Vega immer auf dem Fuße folgt, geht auch hier nicht leer aus. Der betrogene Gatte ruft endlich den Vater seiner Frau als Zeugen ihrer Verirrungen herbei. Dieser, obwohl höchst erzürnt, findet denn doch zu stark, daß der Geprellte seine gekränkte Ehre durchaus durch den Tod der Schuldigen rächen will, und streckt den armen Teufel durch einen herzhaften Degenstoß mausetot zur Erde. Diese blutige Entwicklung einer komischen Geschichte macht eine höchst wunderliche Wirkung. Die junge Witwe, die unseres Wissens von ihrem Gatten nur ein paar verdiente Maulschellen zu leiden hatte, tröstet sich augenblicklich über die »verlorne Gesellschaft« und verspricht dem Liebhaber nach überstandenem Trauerjahr ihre Hand.


Dritter Band

Den dritten Band der Komödien von Lope de Vega, wenigstens in dem Exemplar der Wiener Hofbibliothek, bildet eine Sammlung von Schauspielen verschiedener Verfasser, worunter die wenigsten von Lope de Vega selbst.

Das erste dieser Stücke ist: Los hijos de la Barbuda von Luis Velez de Guevara. Ich bin, dem Himmel sei gedankt, wenig bewandert in der Litterargeschichte, weiß daher nicht, ob dieser Guevara älter als Lope de Vega oder gleichzeitig und mit Rücksicht auf Lopes hohes Alter im Jahre 1613, jünger als er ist. Im ersten Falle wäre das Stück von großem Verdienst, da Guevara es wäre, der der mittlern spanischen Komödie die Form gegeben hätte, die sie bis in die neueren Zeiten beibehielt. Ist er aber jünger als Lope, so erscheint das Stück, mit Ausnahme des ersten Aktes, als ziemlich armselig.

Die Vermutung, daß er Lope vorausgehe, entsteht durch das Altertümliche der Sprache, das freilich auch affektiert sein kann, was dann freilich die Abgeschmacktheit nur vermehren würde.

Der erste Akt nun ist nicht nur in der Sprache, sondern auch in der Haltung der Figuren altertümlich streng und insofern von guter Wirkung. Diese Barbuda (die Bärtige): eine Doña Bianca de Guevara und also vielleicht gar eine Ahnfrau des Verfassers, in der Tracht und den Sitten eines frühern Jahrhunderts, mit ihren erwachsenen Söhnen, denen sie wie unmündigen Kindern in altväterlicher Gravität Verhaltungsregeln und Unterweisungen im Benehmen gibt – die Strenge der Mutter, der Gehorsam der Söhne, das macht sich alles sehr gut. Mit dem zweiten Akte aber geht das Stück in das Willkürliche und Gewöhnliche über. Fabelhafte Begebenheiten, die in ihrer Unglaublichkeit nicht einmal als Familientradition können gegolten haben. Die beiden Söhne werden der eine König von Frankreich, der andere von Navarra. Sie retten mit französischer Hilfe Navarra von dem Einfalle des maurischen Königs Marsilio, bei welcher Gelegenheit der heilige Jago zu Pferd in den Lüften als Mitstreiter erscheint.

Im Abstich von Lopes herrlichem Dialog ist der des vorliegenden Stückes holprig und fadenscheinig genug. Der als Gracioso angekündigte Bauer Sancho ist nichts weniger als unterhaltend.

La adversa fortuna del cavallero del espíritu Santo, vom Licentiaten Juan Grajal. Die Geschichte des Cola Rienzi. Ein wunderliches Gemisch von Gutem und Schlechtem. Rienzi von vornherein so gehalten, wie die Spanier ihre löblichen Könige und Gewalthaber schildern, wo gewöhnlich eine unbesonnene Freigebigkeit den Hauptvorzug ausmacht. Als Episode ein Liebesverhältnis zwischen dem Römer Ursino und einer Porcia, welches an Absurdität seinesgleichen sucht. Das hindert nicht, daß letztere, die sich in jeden verliebt und von ihrem Geliebten Ursino auf Rienzi und gleich darauf auf seine als Mann verkleidete Gattin übergeht, einmal etwas Gutes sagt:

..... que resista
la lengua, pides en vano:
que es instrumento que exala
toda la poncoña mala
del pecho y lo dexa sano
Dexame, Cornelio, dar
alivio á mi mal.

Das Gespräch der beiden verkleideten Weiber ist das Abgeschmackteste, was es geben kann. In der gleich darauf folgenden Schlacht fechten sie miteinander, Rienzi wird gefangen und nach Prag gebracht. Die erste Scene des dritten Akts zwischen den eingekerkerten Spitzbuben, unter denen die Zeit der Einkerkerung und der Grad der Schurkerei den Rang bestimmt, ganz so gut wie es in einer Litteratur natürlich ist, die einen Lazarillo de Tormes und einen gran tacaño aufzuweisen hat. Das Benehmen Rienzis vortrefflich, da er statt ihren Hohn nutzlos abzuweisen, in denselben mit Würde eingeht. Schon an den Fuß des Galgens gebracht, langt ein Brief des Papstes ein, der ihn nach Rom fordert, wohin ihn der Kaiser mit einer Kriegsmacht sendet. Wir finden ihn in Rom, wo er eben den rebellischen Ursino hinrichten lassen will, als ihn der auch dahin gekommene Kaiser, indem er ihn zum Schein als Verräter gleichfalls verurteilt, zur Selbsterkenntnis und zur Gnade bewegt.

La prospera fortuna del cavallero del espíritu Santo. Das Vorstück des eben genannten, obwohl mit echt spanischer Sorglosigkeit nicht allein vom Buchbinder seinem ersten Teile nachgebunden, sondern auch in dem Inhaltsverzeichnisse als späteres aufgeführt. Dieser erste Teil ist eigentlich besser als der zweite. Das erste Auftreten Cola Rienzis sogar sehr gut. Wie ihm im Traume seine künftige und Roms vormalige Größe vorschwebt und er nun im Wachen seinen wirklichen und seinen geträumten Zustand miteinander vermischt, so daß es sich an den Wahnsinn streifend herausstellt. Diese selbe Gemütslage, die im ersten Akte ebenso wahr als wirksam ist, wiederholt sich im dritten Akte, als er seine Frau gefangen zu nehmen befiehlt. Dort aber wirkt dasselbe widerlich, da die Wiederholung es als einen habituellen Zustand und daher als eine wirkliche Geistesverwirrung erscheinen läßt, was kaum in der Absicht des Verfassers gelegen haben kann.

Merkwürdig für die Zeit und für Spanien übrigens, daß die Widersetzlichkeit Rienzis gegen den Papst beinahe in Schutz genommen wird. Freilich war es ein in Avignon residierender Papst.

El espejo del mundo von Luis Velez de Guevara, dem Verfasser der oben besprochenen Hijos de la Barbuda. Hier fehlt die altertümelnde Sprache, ein Beweis, daß sie dort nur willkürlich angenommen war, wenn es nicht etwa gar der navarresische Dialekt ist, der in den Söhnen der Barbuda, als in Navarra spielend, allenfalls an seinem Platze war. Der Grundgedanke des gegenwärtigen Stückes, da es die Schicksale zweier Fürstengünstlinge parallelisierend sich gegenüberstellt, wäre fruchtbar genug, er ist aber nur höchst oberflächlich durchgeführt und bleibt daher ohne Bedeutung. Auch von den Einzelheiten wenig Gutes zu sagen, höchstens die Scene, wo die Gemahlin des gefallenen Günstlings Vasco de Portugal um Gnade für ihren gefangenen Gatten bittet. Auch hier kommt ein altkluges Lope de Vegasches Kind vor, das sich besonders durch seine Höflichkeit, in der es mit Vuecelencias herumwirft, bemerkbar macht.

La noche Toledana von Lope de Vega. Wie thut der reiche und warme Dialog Lopes wohl, auf die harte Kost der vorhergehenden Autoren. Das Stück selbst das Intriguenstück in der Kindheit. Lisena, von ihrem Liebhaber aus Eifersucht verlassen, verdingt sich in der Hoffnung, ihm auf die Spur zu kommen, als Kellnerin in einem Wirtshause zu Toledo. Der Ungetreue kommt wirklich, verliebt sich aber in eine zum selben Wirtshause gelangte Fremde, Gherarda, der bald auch ihr Bräutigam, Fimo, nachfolgt. Zwei toledanische Ritter, ein abgeschmackter Hauptmann mit seinem nichtsnutzigen Fähnrich, vermehren die Gesellschaft und machen teils jener Gherarda, teils ihrer Freundin Lucrezia, die meisten aber der verschmitzten Kellnerin den Hof. Letztere verspricht den einen Gelegenheit zu machen, den andern ihren eigenen Besuch für die Nacht und weiß die Verliebten so in die Zimmer zu verteilen, daß Gherarda mit ihrem Bräutigam, der Hauptmann mit dem Fähnrich, ebenso die Toledaner miteinander, sie selbst aber mit ihrem Flüchtling Florencio zusammenkommt, wo denn, da der Vollzug der Ehen im Dunkeln vorangegangen, dem förmlichen Abschluß derselben nichts weiter im Wege steht. Gute Figuren der Hauptmann und Florencios Freund Beltran, ein lustiger Genußmensch. Die Attrapen im letzten Akt etwas unbeholfen, aber ergötzlich. Besonders die Flucht Florencios und Beltrans über die Dächer, da sie sich von Gerichtsdienern verfolgt glauben, dafür aber ihnen gerade in die Hände fallen. Ebenso der Schluß, wo aus allen Zimmerthüren des Wirtshauses wie aus einer Arche die unreinen Tiere herausgenötigt werden. Uebrigens muß das Schamgefühl der Schauspielerinnen nicht groß gewesen sein, wenn sie über sich gewinnen konnten, auf die Scene zu treten, nachdem dem Publikum bekannt geworden, daß sie eben nur »genossen« worden seien.

La tragedia de D. Ynez de Castro del licenciado Mexia de las Cerda. Ich lese diese Stücke nur, weil ich mir einmal vorgenommen, den ganzen Band zu absolvieren. Das vorliegende Stück, ein merkwürdiges Beispiel, wie man einen guten Stoff zu Grunde richten kann. Daß des Infanten Don Pedro Sohn aus erster Ehe sich in seine Stiefmutter D. Ynez, freilich ohne sie zu kennen, verliebt, ohne daß irgend eine Folge daraus hervorginge, und nur den Vater lächerlich macht, indem es an sein Alter erinnert und seiner Liebe die Entschuldigung der Jugend benimmt. Ebenso wird der Verräter D. Rodrigo von dem eigenen Sohn der D. Ynez, einem Kinde von etwa vier Jahren, mit einem Federmesser erstochen, was jeder Absurdität sich an die Seite stellen kann. Das Ganze matt. Höchstens die Scene pöbelhaft wirksam, wo der alberne Bauer den Weg der entflohenen Mörder anzeigt, indem er versichert, nicht anzeigen zu wollen, daß sie diesen und jenen Weg genommen hätten.

D. Beltran de Aragon von Lope de Vega. Hat mir nicht den Eindruck der übrigen Lopeschen Schauspiele gemacht. Im ersten Akt eine Intrigue mit einem verschenkten, durch vier Hände gehenden Ring, die gar keinen Einfluß aufs Ganze nimmt. Im übrigen D. Beltran, der einen armen Edelmann, Don Juan Abarca, in Schutz nimmt und in den Dienst des Kronprinzen, nachmaligen Königs, bringt, in dessen Gunst er immer steigt, während der Günstling D. Beltran, durch Neider verleumdet (denen der König, wie alle Lopeschen Könige, ohne Umstände glaubt), dessen Vertrauen verliert und, endlich verbannt, aller seiner Güter beraubt wird. Selbst D. Juan, der treu an dem Verbannten gehalten, fällt endlich von ihm ab, da er glauben muß, daß er seine, D. Juans Schwester, die, vom Hörensagen in ihn verliebt, ihm in Pagenkleidern unerkannt dient, verführt und entehrt habe. Don Beltran, von Don Juan aufgefordert, kehrt an den Hof zurück, wird gefangen, zum Tode verurteilt. Don Juan, obgleich sich von ihm verraten glaubend, erbietet sich, für ihn im Zweikampf zu streiten. Die allseitige Unschuld wird entdeckt, die notwendigen Heiraten werden geschlossen u. s w.

Das Beste der dritte Akt, nebst dem Schluß des zweiten, wo D. Beltran im großartigen Sichgehenlassen des Unglücks seine beiden Begleiter, den mädchenhaften Pagen und den tölpischen Bedienten, als Ratgeber befragt, ob er an den Hof zurückgehen soll oder nicht, und ihrer Meinung wie einer Vorbestimmung folgt.

Privanza y cayda de D. Álvaro de Luna von Damian Salustrio del Poyo. Die Geschichte jenes bekannten Günstlings König Johann (ich glaube des dritten) von Kastilien. D. Alvaro ziemlich allgemein gehalten. Edel, großmütig und doch in der Heiratsgeschichte mit der portugiesischen Infantin mit einer Beimischung vom Despoten. Der König macht anfangs einen ganz guten Eindruck, solange man glaubt, daß seine maßlose Neigung zu seinem Günstling nur aus einer der Anhänglichkeit verzeihlichen Schwäche hervorgehe, nachdem aber später diese Schwäche sich als eine allgemeine, als eigentliche Charakterlosigkeit zeigt, wird er widerlich und verächtlich. Die Ereignisse, namentlich die Auflehnung der Infanten von Aragonien, fallen mit der Thüre ins Haus und ihre Wirkungen hören ebenso auf, ohne daß man weiß warum. Einige gute Wendungen sind mir während des Lesens aufgefallen, die ich aber jetzt wieder vergessen habe. Zu allem Ueberfluß fehlt in dem Exemplar der Hofbibliothek gegen den Schluß zu ein Blatt, so daß das Ende D. Alvars mit einem, wie es scheint, guten Zug, verloren geht. Rührt eben aus einer Zeit her, wo man nur starke Eindrücke wollte, ohne sich um ihre Verknüpfung viel zu bekümmern.

El esclavo del demonio vom Doktor Mira de Mescua. Da ist nun ein Nachahmer Calderons. Die Diktion, mit Ausnahme des Bilderreichtums hat, besonders im ersten Akte, ganz Calderons Schwung, Klarheit und Kraft. Auch die Art der Fabel und ihre Führung ist ganz die seine. D. Diego hat dem alten Marcelo seinen Sohn .... Er ist in dessen Tochter Lisarda verliebt, die ihm der Vater, wie natürlich, verweigert. Da beschließt er mit ihrer Einwilligung sie zu entführen. Schon steht er auf der Leiter, um ihr Gemach zu erklimmen, als der Domherr Don Gil erscheint, ein im Geruch der Heiligkeit stehender Mann, der ihn in einer salbungsreichen Rede warnt, so daß D. Diego wirklich von seinem Unternehmen absteht und sich entfernt. Nun aber, ohne weitläuftigen Uebergang, findet sich der fromme D. Gil selbst von der Gelegenheit verführt, er steigt selbst auf der Leiter in Lisardas Gemach, genießt sie und entflieht mit ihr, indem er ihr glauben macht, D. Diego sei ihr untreu geworden. Der Verlust ihrer Ehre, D. Diegos Untreue und der Fluch, mit dem ihr Vater sie schon früher bedroht, wirkt nun auch auf Lisarda und das schuldige Paar überbietet sich in ruchlosen Reden und Vorsätzen. Der zweite Akt findet sie im Walde als Räuber, wo sie sich ihre ausgeführten Schandthaten erzählen und so weit reicht der Calderonsche Dialog. Von da an geht es immer mehr ins Wilde und Absurde. D. Gil hat sich mittlerweile in Lisardas Schwester Leonor verliebt und, da er doch einmal verdammt sei, bietet er für ihren Besitz seine Seele. Da erscheint ihm der Teufel, elegant gekleidet, unter dem Namen Angelio. Er verschreibt sich ihm mit Blut, es erscheinen zwei in Sklavenkleidern, die ihn unter die Sklaven des Teufels aufnehmen. Er will Lisarda bereden ein Gleiches zu thun, die auch wirklich Gott feierlich abschwört, zu einer gleichen Verleugnung der Jungfrau Maria aber sich nicht entschließen kann.

D. Gil. De Dios has de renegar
Lisar. Harèlo una vez y dos.
D. Gil. Y del la madre de Dios.
Lisar. Esso no podrè otorgar,
D. Gil. Pues no es más Dios?
Lisar. Si más es
más si á los dos niego agora
Guien serà mi intercessora
Si me arrepiento despues.

Das erinnert sehr an Calderons Devocion de la cruz, wo ein ähnliches Vertrauen zum Kreuze den Räuber vor der gänzlichen Verwerfung rettet. Was ist da viel zu sagen? Endlich bereuen doch beide Verbrecher. Lisarda ist vor Schmerz gestorben und D. Gil erklärt seinen Entschluß, in einen strengen Orden zu treten und strenge Buße zu thun.

Der Verfasser hat, um das Einerlei dieser Greuel zu mildern, ein Liebesverhältnis der jüngern Schwester eingewoben, woran er sehr recht that, es ist aber etwas abgeschmackt ausgefallen und daran that er unrecht. Ein portugiesischer Edelmann, den sie halb begünstigt, ihn aber ohne Umstände aufgibt, da sich ein zweiter Bewerber als Kronprinz von Portugal herausstellt, so daß sie zuletzt gar Königin wird.

La próspera fortuna de Ruy Lopez de Ávalos el bueno von Damian Salustrio del Poyo, dem Verfasser des Alvaro de Luna. In dem Stücke ist ganz die Manier Lope de Vegas in seinen der Chronik und Volkssage entnommenen Arbeiten befolgt. Die geschichtlichen Ereignisse durch die hineingeflochtene Liebe einer Maurin Celinda aufgefrischt, die dem Helden in Mannskleidern folgt und, von ihm verschmäht, sich zu lügenhaften Anklagen verleiten läßt, um ihn zu verderben, zuletzt aber zur Strafe ihren Schuldgenossen Don Gonzalo, den Intriganten des Stückes, heiraten muß. Ruy Lopez nach der Schablone ähnlicher spanischer Helden. Tapfer bis zum Uebermaß, dem Könige unbedingt ergeben, nur mit einem kleinen Beischmack von Eigennutz, der seinem edlen Wesen zu widerstreben scheint, und nur poetisch zu entschuldigen ist, wenn etwa im zweiten Teile der Fabel weitere Folgen daran geknüpft werden. Eine recht gute Figur der kranke und in seiner Schwäche liebenswürdige König Enrique. Wunderlich, daß die Scene, wo ihn sein jüdischer Leibarzt Don Mayr vergiften will und das Herabfallen eines aufgehängten Bildes dem Giftmischer den Weg versperrt, von einem spätem namhaften Dichter, Tirso de Molina, in der Prudencia en la muger von Punkt zu Punkt nachgebildet worden ist. Dieser Leibarzt, Don Mayr, scheint dem Namen nach ein deutscher Jude zu sein, wenn nicht etwa doch ein Orientale, wenigstens wird der Name, wo er in den Reim fällt, immer zweisilbig Ma–ir ausgesprochen. Am Schlusse des Stücks steht Ruy Lopez auf dem Gipfel der Ehren. Der König, den er mit der Kronprätendentin, der Infantin von England verheiratet hat, verheiratet ihn seinerseits wieder mit der Tochter des Grafen von Onjate, die Ruy Lopez mit Dank annimmt, ohne sie, wie es scheint, zu kennen. Er ist Herzog von Arjona, Connetable und so fort.

Uebrigens kommt auch ein Marquis von Villena vor, der ein Wahrsager und Schwarzkünstler ist, wenigstens zaubert er sich samt Ruy Lopez mit dem beutelschneiderischen Wirt und seinem Kellner in einem Augenblicke auf eine Entfernung von 40 Meilen von Sansueña nach Sevilla. Die komischen Scenen im Wirtshause gehören unter die besten des Stückes.

La adversa fortuna de Ruy Lopes de Ávalos. Der zweite Teil des vorigen und bedeutend besser. Gut geschrieben, einfach und natürlich im Ausdruck und im ganzen Verlauf, König Enrique ist gestorben und sein Sohn Don Juan, erst eilfjährig, sieht sich von seinem Vormunde Ruy Lopez in seinen fehlerhaften Neigungen gehindert, er faßt einen Haß gegen ihn und von dem neidischen D. Gonzalo, der schon als Intrigant durch das erste Stück geht, aufgestachelt, beraubt er ihn seiner Würden und Güter und läßt ihn gefangen setzen. Durch das Mißvergnügen des Volkes eingeschüchtert, sieht er sich genötigt, ihn milder zu behandeln, so daß es Ruy Lopez gelingt, mit Hilfe seines Dieners Herrera zu entfliehen. Er wird vom Könige von Aragonien aufgenommen, zum Meister von Montesa erwählt, er erteilt dem neuen Schutzherrn den Ritterschlag und auch der König von Kastilien, der erscheint, um die Heirat seiner Schwester mit dem von Aragonien zu feiern, bereut seine Härte. Neues Glück, neue Ehre. Aber Ruy Lopez' Gemahlin ist inzwischen auf der Flucht gestorben, kurz nachdem ihr im Traum Italien erschienen und ihr prophetisch die Größe ihrer Nachkommen gezeigt. Ruy Lopez verweigert nach Kastilien zurückzukehren und bleibt in Aragon.

Eine wohlthuende Figur der Landmann Gil Paral, dem Ruy Lopez zu Anfang des Stückes eine Erbschaft als nächstem Verwandten des Erblassers ausfolgt, statt sie selbst zu behalten, wozu er vermöge Testamentes berufen war. Der Bauer bietet ihm als Zeichen der Dankbarkeit die Hälfte des Geldes an, was jener ausschlägt, da er ohnehin reich sei. Nun, so will ich es Euch aufbewahren, bis Ihr einmal arm seid, wie ich es war. Und wirklich ist's Gil Paral, der mit diesem Gelde des gefallenen Günstlings Flucht möglich macht. Ja zuletzt, als der treue Diener Herrera seine Güter verkauft hat, um den Prozeß zur Wiedereinsetzung seines Herrn bei den Gerichten anhängig zu machen, ist es wieder Gil Paral, der diese Güter an sich gekauft hat und sie dem frühern Eigentümer zurückstellt.

El santo negro Rozambuco von Lope de Vega. Die Geschichte eines Negers, der, als Korsarenkapitän gefangen, durch den Anblick eines Wunders zum Christentum bekehrt wird und als ein Heiliger stirbt. Der erste Akt, wie es bei Lope de Vega öfter der Fall ist, weit sorgfältiger ausgearbeitet als die übrigen. Der Herr, dem der gefangene Korsar als Sklave geschenkt wird, faßt einen entfernten Verdacht gegen die Treue seiner Frau und will sie, echt spanisch, kurzweg umbringen, selbst die Wohlthat der Beichte verweigert er ihr. Endlich gestattet er ihr doch, sich an die Statue des heiligen Benedikt in ihrem Oratorium zu wenden. Sie wirft sich auf die Kniee, und ihre Unschuld beteuernd, bittet sie um seinen Segen. Und siehe da! Der Heilige hebt die Hand auf und gibt ihr die Absolution. Nährend der Gatte nun sein Unrecht einsieht, wird auch der Neger, der als Gehilfe beigezogen ward, zum Christentume bekehrt, das er früher entschieden zurückgewiesen hat. In das Ganze hinein spielt eine im Hause dienende Negerin, ein liederliches Weibsstück, das durch ihre Geschwätzigkeit und ihr spanisch-mohrisches Kauderwelsch eine höchst komische Wirkung macht. Sie hat Absichten auf den schwarzen Landsmann; von ihm zurückgewiesen, begnügt sie sich aber mit einem alten schlottrigen Bedienten, mit dem sie überrascht und Rücken gegen Rücken zusammengebunden wird, in welcher Stellung sich die beiden (wie vorgeschrieben steht) mit dem Hintern einander Stöße geben und so mit Prügeln vom Theater gesagt werden; einer der wenigen sichtlich-obscönen Spaße, die sich Lope de Vega erlaubt. Der bekehrte Neger wird nun Franziskaner, in der Folge Guardian, zeichnet sich besonders durch die erniedrigendste Demut aus, kommt in den Geruch der Heiligkeit, wirkt Wunder, indem er Kranke heilt, Tote erweckt, wobei als prägnant nur die Austreibung des Teufels aus dem Kinde des Vizekönigs anzuführen ist. Die diabolischen Reden, der Spott, der Hohn aus dein Munde des unschuldigen Kindes; und endlich, als der Teufel wirklich ausfahrt, weiß es Lope durch nichts anzudeuten, als daß er hinter der Scene einen Flintenschuß abfeuern laßt. Das klingt beinahe läppisch, wenn man sich aber in die Situation hineinversetzt, begreift man die Wirkung, die dieser Schlag machen mußte, der zugleich die Vorstellung von Feuer, Rauch und Schwefelgeruch mit sich führte. Ein schurkischer Mönch, der erbittertste Feind des Heiligen, in dem dieser aber doch gleich von vornherein gleichfalls einen prädestinierten Heiligen erkennt, bildet den Hebel der darauffolgenden ziemlich kahlen Ereignisse. Er will schon früher, um das Ansehen seines Guardians herabzusetzen, dessen Person beim Vizekönig vorstellen und sich deshalb das Gesicht schwärzen. Statt nach Ruß zu greifen, kommt ihm aber – ungewiß, ob durch Wunder oder Versehen – Mehl in die Hand, mit dem er sich das Gesicht ganz weiß einstaubt, was denn die komische Wirkung nicht verfehlt haben wird. Zuletzt will er den Guardian vergiften, dieser aber segnet das Glas, worauf es zerbricht, was seine Wirkung auf den Sünder nicht verfehlt, der plötzlich auch bekehrt wird. Diese letzten Sachen und überhaupt die spätern Akte, mit Ausnahme der Teufelsbeschwörung, sind übereilt und nicht mit Lope de Vegas gewöhnlicher Empfindung der Situation ausgeführt.

 

Vierter Band

In der Vorrede sowohl als der Dedikation dieses Bandes ist die Rede von dem Widerwillen des Autors, diese Komödien gedruckt zu sehen, wozu sie ursprünglich nicht bestimmt waren und wozu er nur eingewilligt, um den unbefugten und verstümmelten Auflagen zu begegnen, die andere gegen seinen Willen veranstaltet.

Laura perseguida. Ein Prinz, der mit einem adeligen, aber nicht ebenbürtigen Frauenzimmer außer der Ehe zwei Kinder erzeugt. Der König, sein Vater, will ihn von ihr trennen und wendet jenes Mittel an, das seit Ariost so oft angewendet worden ist und in der Entfernung der Erzählung sich ganz gut macht, in der Nähe des Drama aber noch immer verunglückt ist, daß eine Dienerin in den Kleidern ihrer Herrin nachts einen ins Fenster Steigenden mit Liebkosungen empfängt und so weiter. Auch hier glaubt der Prinz dem plumpen Spiel, mißhandelt die unschuldige Geliebte, verstößt sie, kann sie aber doch nicht vergessen. Unterdessen hat sein Vater eine Prinzessin Braut herbeigeschafft, er ist eben im Begriff, sich zu vermählen, als das Geschehene sich aufklärt, der Prinz mit seiner Geliebten entflieht und sie nun wirklich zum Weibe nimmt. Der Vater bietet ein kleines Heer auf und will eben das Schloß Lauras, wohin sich die beiden geflüchtet, belagern, als jene mit ihren beiden Kindern sich ihm zu Füßen werfen, der Alte verzeiht und, da die verschriebene Prinzessin einmal da ist, sie selber heiratet.

Die Ausführung ist nicht viel bedeutender als der Stoff. Ein paarmal nimmt es den Anlauf, als ob etwas daraus werden sollte, verschwindet aber gleich wieder. Einmal im ersten Akt, wo der Prinz, erzürnt, daß sein Vater an der Würdigkeit, ja an der Schönheit seiner Geliebten gezweifelt, diese, die jener nicht kennt, zu ihm schickt, wo sie auch unter Erzählung einer erdichteten Geschichte den alten Herrn beinahe verliebt macht. Ganz gut auch die Scene, wo der Prinz, zwischen Abscheu und Liebe kämpfend, einmal die Falsche zu rufen befiehlt und dann den Befehl zurücknimmt.

que á Laura me han quitado, que no tengo
á Laura, ni la hablo, ni la toco;
que no me puedo regalar con Laura,
que sus dolces palabras ya no escucho,
que no la he de ver mas. Llama á essa puerta.

Zum Schluß bekommt sogar der Bösewicht des Stückes ein Weib, jene Zofe nämlich, die sich als Werkzeug seiner Schurkerei hergegeben. Man weiß nicht, ob diese Heirat eine Belohnung oder eine Strafe ist, da er vorher in Laura verliebt war. Uebrigens zeigen sich beide Teile als vollkommen zufrieden.

Nuevo mundo descubierto por Christoval Colon. Da ist nun ein weltgroßer Stoff, den Lope de Vega in seiner etwas kindischen Manier und doch, was den Grund der Sachen betrifft, mit reifer Urteilskraft und, für seine Zeit, mit völliger Prägnanz dargestellt hat. Ich sage: mit reifer Urteilskraft, trotz dem vielen Absurden, das in dem Stücke vorkommt, denn es zeigt sich, daß er die schändliche, ja für Spanien schädliche Kehrseite dieser Entdeckung einer neuen Welt vollkommen eingesehen hat. Durch diese Einsicht in die Vorurteile seiner Zeit unterscheidet er sich wesentlich von Calderon, der ihm an Verständigkeit der Anordnung und Festhalten einer Grundidee himmelweit überlegen, dagegen aber von jenen Vorurteilen so befangen ist, daß ihm auch nicht der geringste Zweifel dagegen einfällt. So wie Lope in frühern Stücken die Galanterie, den absurden Ehrbegriff und die blinde Unterthänigkeit seiner Zeit leise verspottet hat, so entgehen ihm auch hier die üblen Folgen der Goldvermehrung für Spanien nicht: Das Vaterland wird sich entvölkern (3. Akt, 1. Scene), böse Kriege werden entstehen, das Gold, trotz seiner Vermehrung, wird sich verstecken und endlich fehlen.

Despoblaránse las tierras
por ver las nuevas que encierras
Nuevo mundo en tu Orizonte.

und später:

Terrazas. ¿Vendrá el oro á ser mejor?
Arana. Más esconderse y faltar.

Nachdem er mit diesen hingeworfenen Bemerkungen dem Verstande genug gethan hat, kommt nun die Betrachtung, die alles überwiegt und die er daher zum Mittelpunkte des Ganzen gemacht hat: die Ausbreitung des Christentums. Ganz seinem Zwecke gemäß läßt er daher die Indianer schon bei ihrem ersten Auftreten im Unrecht sein. Ein Kazike hat den andern überfallen und ihm seine Braut geraubt. In der Folge gibt sich dieselbe Braut, die ihren Bräutigam bejammert, ohne viel Umstände einem Spanier hin. Diese seine Landsleute kommen selbst nicht besser weg. Sie sind mit Ausnahme der Hauptpersonen so ziemlich Lumpengesindel. Nur das Kreuz, Kolumbus selbst und der Geistliche der Expedition, bleiben bei Ehren. Die Indianer übrigens werden durch teils naive, teils komische Züge auch zu Gegenständen des Wohlgefallens gemacht. Der erste Spiegel, klingende Schellen geben Anlaß zu ergötzlichen Scenen. Ein Brief, den ein Indianer zu überbringen erhält und der seine Mauserei enthüllt, wird von diesem für ein lebendiges, mit Sprache begabtes Wesen gehalten.

Kolumbus selbst ist sehr gut gehalten. Wir sehen ihn anfangs in Portugal, um dem Könige seine Entdeckung anzubieten. Er spricht mit seinem Bruder und gesteht selbst das Abenteuerliche, ja Unwahrscheinliche seiner Projekte, beruft sich aber auf eine innere Stimme, der er nicht mißtrauen könne. Der König von Portugal verlacht sein Anerbieten. Er beschließt, nach Spanien zu gehen, und schickt seinen Bruder nach England. In der dritten Scene finden wir ihn in Spanien angelangt und seinen Bruder mit einer abschlägigen Antwort aus England zurückgelangt. Die katholischen Könige erwartend, hat nun Kolumbus eine Vision. Eine Gestalt, in bunten Farben gekleidet, erscheint ihm und kündigt sich als seine eigene Imagination an. Sie führt ihn durch die Luft zum Throne der Providenz, der die christliche Religion und die Abgötterei zur Seite stehen. Letztere widersetzt sich der Entdeckung von Amerika und wird von dem hinzugekommenen Teufel unterstützt, aber, wie natürlich, vergebens, und Kolumbus sieht sich in seinem Vorhaben bestärkt. Die katholischen Könige nehmen den Antrag an, und so weiter bis zum Schlusse, wo des Undanks derselben Könige nicht gedacht wird, sondern der aus der Neuen Welt zurückgekehrte Entdecker, zum Herzoge von Veraguas ernannt, den Königen die Fahne vorträgt und das Ganze mit der Taufe der mitgebrachten Indianer schließt.

Halb widersinnig und doch wieder durch eine Art Notwendigkeit gerechtfertigt und daher nicht ohne Wirkung ist, daß die Wilden, die, wie natürlich, von vornherein spanisch sprechen, doch bei ihrem ersten Zusammentreffen mit den Spaniern sie nicht recht zu verstehen angenommen werden, durch Zeichen Antwort geben, barbarische Namen von Oertlichkeiten mit Wiederholung herausstoßen, und im dritten Akte die Rede ist, daß sie nach und nach schon spanisch verstehen und sprechen. Ebenso wirksam die Scene, wo sie das aufgepflanzte Kreuz niederreißen wollen und hinter der Scene einige Schüsse fallen, was sie auf die wunderthätige Natur des rätselhaften Holzstammes beziehen und so vorahnend sich zum Christentum neigen, ehe sie noch wissen, was Christentum sei. Noch einmal: Lope de Vega ist nicht der größte Dichter, aber die poetischeste Natur der neuern Zeit.

El asalto de Mastrique. Da ist nun Lope in seinem Elemente, und er schwimmt darin wie ein Fisch im Wasser, wenigstens in der ersten Hälfte des Stückes. Eine liederliche Lagerwirtschaft. Spanische Soldaten, die über Hunger klagen, den Krieg verwünschen und doch gleich darauf zu jeder Unternehmung bereit sind, besonders, sobald ihnen die Plünderung versprochen wird, ja der ärgste Krakehler ist zum Schluß der Tapferste der Tapfern. Sie murren über Mangel an Sold und geben doch später Börsen und goldene Ketten her, da der Feldherr Geld braucht. Eine Spanierin, Marcela, ist ihrem Geliebten in Männerkleidern gefolgt. In dieser Verkleidung sticht sie einem dicken flamändischen Weibsbilde, Aynora, in die Augen, die ein plumper Deutscher, Visanzon, aus der Beute von Antwerpen mit sich genommen hat. Marcela, die auf die Dicke eifersüchtig ist, kommt ihrer Liebesbewerbung entgegen und sagt ihr in einer Scene die unglaublichsten Schweinigeleien, wogegen die Flamänderin immer in den Grenzen des Anstandes bleibt, ja empfindsam wird, nur daß sie in Bezug auf das Körperliche die Schwachheit hat, mit jedem zu gehen, der gerade Lust zu ihr trägt. Prügel und Ohrfeigen werden auch zu den Liebesbezeigungen gerechnet. Besonders freigebig mit letzteren ist Don Lope de Figueroa, einer der Anführer, der, trotz seiner schlechten Beine, an der Flamänderin Gefallen findet und sie auch wirklich davon trägt, schon früher als Zeltgenossin, aber später mit ganzer Willfährigkeit, da sie erfahren hat, daß ihr geliebter Marcela ein Weib wie sie sei. Sogar Flamändisch oder Deutsch wird in dem Stücke gesprochen, in der letzten Scene des ersten Akts nämlich, wo Marcela, nachdem sie Aynora an Don Lope verhandelt, ihrem Geliebten sagt, sie wolle seine Flamänderin sein. Da ich einen Teil dieser Ausdrücke, wahrscheinlich in Folge von Druckfehlern, nicht verstehe, so will ich den Schluß der Scene hersetzen, vielleicht daß sich in der Folge das Verständnis eröffnet.

Alonso. ¿Quieres me dar un abrazo
mis ojos?

Marcela. Tu velfterthine (vielleicht well verdiene?).

Alonso. Tantos dizes que conviene
alargarte luego el brazo.
¿Quieresme quanto te quiere
esta alma?

Marcela. Dat vuilghiuuil.

Alonso. Yo lo soy, y te soy fiel.
¿seráslo tu?

Marcela. Yit minhere.

Alonso. ¿Olvidarás mi aficion?

Marcela. Liuerte sterven, mi bien.

Alonso. ¿Y querras alguno bien
Marcela?

Marcela. Nitifiston.

Das Schalkhafte dieses letzten Ausdruckes bekam dadurch seine ganze Wirksamkeit, daß das nitifiston (nicht verstehn), wahrscheinlich aus dem Munde der wallonischen Gardesoldaten, jedem Spanier bekannt genug war.

Wie nachlässig Lope seine Stücke schrieb und bei ihrer Revision zum Drucke verfuhr, geht auch daraus hervor, daß, als das erste Mal von der Flamänderin Aynora gesprochen wird, dies unter dem Namen Serafina geschieht.

Das Stück erhält sich in Bezug auf die Personen gleich gut bis zum Ende, nur kommt so viel Gefecht und Sturmlaufen vor, daß es für uns etwas Puppenspielmäßiges erhält. Zur Zeit der Aufführung mochte das anders beurteilt werden. Bei Einnahme der Stadt heißt es sogar: aqui no ay representacion, sino cuchilladas.

Peribañez y el Comendador de Ocaña. Hier haben wir eines der Lieblingsthemen Lope de Vegas. Das Glück und die Zufriedenheit des einfachen Landlebens. Ein Bauer Peribañez vermählt sich zu Anfang des Stückes mit Casilda, einem Landmädchen, und sie erschöpfen sich in ziemlich unbeholfenen, aber wahren Versicherungen wechselseitiger Neigung; selbst der anwesende Pfarrer wird so ziemlich zur komischen Person. Da wird plötzlich der Ordenskomtur und Gutsherr, den ein zum Feste vorbereiteter Stier samt dem Pferde zu Boden geworfen hat, ohne Besinnung herbeigetragen. Man leistet ihm jeden Beistand, er erholt sich und verliebt sich in die Neuvermählte. Diese hat unterdessen ihrem Mann das Verlangen ausgedrückt, nach Toledo zum Fest der virgen del Sagrario zu gehen, und dessen Einwilligung erhalten, was dem Komtur Gelegenheit gibt, als Zeichen seines Dankes dem Bauer kostbare Pferdedecken, ja sogar zwei Maultiere für dessen Wagen zu schenken. Den Komtur muß sich Lope sehr jung und diese Liebe als seine erste gedacht haben, denn in dieser romantischen Exaltation pflegt sich sonst die Liebe eines Gutsherrn zu einer Bäuerin nicht zu äußern. Das Paar geht nach Toledo, der Komtur folgt verkleidet zu Pferde und läßt dort von einem Maler verstohlen das Bild seines geliebten Gegenstandes anfertigen.

Im zweiten Akte hat Peribañez, der bei seiner Gemeinde in großem Ansehen steht, den Auftrag übernommen, einen heiligen Rochus, der durch Alter unscheinbar geworden, nach Toledo zu bringen, um ihn durch einen Maler auffrischen zu lassen. Ebenso fanden der Bediente und ein Freund des Komturs inzwischen Gelegenheit, der erste, sich als Schnitter im Hause des Bauers aufnehmen zu lassen, indessen der andere einer im Hause befindlichen Muhme Ines den Hof macht, beide, um dem Komtur die Gelegenheit anzubahnen. Der verkleidete Bediente läßt wirklich seinen Herrn ins Innere des Gehöftes ein, wo dieser, als Casilda das Fenster öffnet, um die Leute zur Arbeit zu rufen, anfangs unter der Maske eines Schnitters ihr die Liebe des Komturs anrühmt, worauf sie, auf die Maske eingehend, ihre Liebe zu ihrem Gatten erklärt und den Komtur an Frauen seinesgleichen verweist und, als der Ritter sich als Komtur zu erkennen gibt, ohne weiter von ihm Notiz zu nehmen, fortfährt, die Schnitter zur Arbeit aufzufordern. Diese Scene, obwohl, mit Ausnahme des charakteristischen Schlusses, mehr lyrisch als dramatisch gehalten, ist von ergreifender Schönheit. Peribañez, in Toledo angekommen, gerät mit seinem heiligen Rochus auf den nämlichen Maler, der Casildas Bild ins Große zu bringen übernommen hat. Er erfährt, daß der Komtur es bestellt hat, ja, nach Ocaña zurückgekommen, hört er seine Schnitter, die etwas gemerkt haben, ein Lied auf jenen nächtlichen Besuch singen. Er weiß nun, was geschehen ist, doch vertraut er seiner Frau.

Der Komtur ergreift nun ein anderes Mittel, ihn zu entfernen. Er macht ihn zum Hauptmann über eine Schar Landleute, die dem Könige gegen Granada zu Hilfe ziehen sollen. Peribañez nimmt die Sendung an und läßt sich vom Komtur selbst das Schwert umgürten, was einer Art Ritterschlag gleichkommt, offenbar, um das Recht zu erwerben, ihn in der Folge umbringen zu können. Er reist ab, kommt nachts heimlich zurück, tritt bei seinem Nachbar ein, durch dessen Hof in seinen eigenen, findet den Komtur eben im Begriffe, seiner Gattin Gewalt anzuthun, tötet ihn und zur Gesellschaft auch die verliebte Gelegenheitsmacherin, Muhme Ines, stellt sich selbst dem Könige, der einen Preis auf seinen Kopf gesetzt hat, und mit einer hübschen Wendung bittet er, seine Frau als diejenige zu betrachten, die ihn gestellt hat, und das Blutgeld der Verlassenen als Unterstützung zukommen zu lassen. Das wahre Verhältnis wird aufgeklärt und Peribañez belobt und belohnt.

In diesem letzten Akte ist Lope de Vega etwas begegnet, das ihm sonst nicht leicht zu geschehen pflegt: er ist absichtlich geworden. Nachdem sein Held schon mit Gedanken von Ehre und Rache umgeht, gibt Lope sich sichtliche Mühe, ihn noch als schlichten Landmann zu halten. Er läßt ihn ausdrücklich mit komischer Gravität hinter seiner Compagnie hermarschieren, ihn, als er sich schon zur blutigen That anschickt, noch von Schweinen, Gänsen und Hühnern sprechen, wogegen nichts zu sagen wäre, aber es hat etwas Gemachtes, was, noch einmal gesagt, bei diesem Dichter äußerst selten vorkommt.

Auch habe ich schon die Vermutung ausgesprochen, daß unter der oft vorkommenden Figur eines Belardo Lope de Vega sich selbst gemeint habe. Hier wird es deutlicher als je, da Belardo einmal sich gegen die Tadler auflehnt, die ihm Mangel an Kenntnissen vorwerfen, und meint, er sei der erste, der schreiben könne, ohne lesen gelernt zu haben.

El Genoves liberal. Ein teils unbedeutendes, teils absurdes Stück. Ottavio Grimaldo wird vom genuesischen Senate nach Paris geschickt, um die Herrschaft über Genua dem Könige von Frankreich anzutragen. Er hat eine Geliebte, Alexandra, zurückgelassen, die während seiner Abwesenheit einen Edlen, Camillo, heiratet. Auch hat sich in Paris eine vornehme Dame, Marcela, gefunden, die sich in ihn verliebt und, bei seiner Abreise, ihm als Mann verkleidet in Pagenweise folgt. Seine Verzweiflung bei der Rückkehr ist groß, man merkt aber bald, daß es ihm hauptsächlich um den »Genuß« zu thun war. Als Gelegenheitsmacher wird die als Page verkleidete Marcela dem Gatten Alexandras ins Haus überlassen, die den Plan darauf baut, sich bei Gelegenheit der Geliebten unterzuschieben und durch eine Verwechslung der Person ihres, gleichfalls sinnlichen, Wunsches teilhaft zu werden. Darauf vergißt aber Lope de Vega später, oder es gereute ihn, eine bei ihm so oft vorkommende Verwicklung auch hier anzuwenden. Wenigstens wird im Laufe des Stückes nichts mehr daran angeknüpft. Mittlerweile aber hat das Volk von Genua etwas von den Unterwerfungsplanen des Senates gemerkt: sie empören sich und vertreiben den Adel. Darunter auch den Gatten Alexandras, der aber Gelegenheit findet, von Zeit zu Zeit heimlich zurückzukehren und seiner Frau im Lauf des Stückes drei Kinder zu verfertigen. Nur Ottavio weiß sich durch Achselträgerei dem allgemeinen Verbannungsurteile zu entziehen, ja, als später der König von Frankreich die Stadt belagert und auszuhungern beschließt, ist Ottavio der einzige, der sein Haus zum Kastell umgestaltet und, als der Hunger schon in der Stadt wütet, allein mit allem Nötigen in Ueberfluß versehen ist. Auch im Hause Alexandras, die inzwischen alle Bewerbungen Ottavios zurückgewiesen hat, steigt die Not aufs höchste. Sie selbst wäre bereit, Hungers zu sterben, auch an ihrem Vater, meint sie, läge nicht gar so viel, weil er denn doch schon alt und hinfällig sei, aber ihre Kinder will sie retten. Sie nimmt daher den Rat der Ihrigen, in den auch die durch Hunger gebändigte Marcela einstimmt, obwohl mit Widerwillen, an, bei Ottavio um Nahrung zu bitten. Ihr Vater gibt ihr einen Dolch auf den Weg, den sie sich, wenn Ottavio den Sündenpreis für seine Hilfeleistung begehre, nur frischweg ins Herz stoßen möge. Sie kommt an; Ottavio wird von ihrer Lage gerührt, er hält mit all seinen Seelen-Fakultäten einen Rat, was er thun solle, und beschließt endlich, seinem Gelüsten Zaum anzulegen, ihr mit allen seinen Vorräten im übertriebensten Maße beizuspringen (worunter auch hunderttausend Dukaten vorkommen) und dabei ihrer Ehre zu schonen. Das ist denn nun die Großmut dieses Genuesers.

Die Stadt wird eingenommen, der vom Volk zum Herzog gewählte Färber, der die vernünftigste Person im Stücke ist, hingerichtet. Alexandra erhält ihren Gatten, Marcela gibt sich zu erkennen und wird mit dem großmütigen Genueser vermählt.

Es hat wohl noch keinen Dichter in der Welt gegeben, bei dem die höchste poetische Begabung mit der leichtsinnigsten Schleuderei so Hand in Hand ging.

Das Handwerk trug wahrscheinlich wenig ein; das Versemachen war ihm zum Bedürfnis geworden, der Begehr nach neuen Stücken war groß, und so überließ er denn der Stimmung und dem Zufall, ob die in Gang gesetzte Scheibe eine Vase oder einen Krug hervorbrachte.

Los torneos de Aragon. Womöglich noch unbedeutender als das vorige. Eine Estela, Schwester des Grafen Balduyno, wird von Herzog Arnaldo auf der Reise überfallen, geschändet und gefangen gehalten, findet aber Gelegenheit, zu entkommen. Dem Herzog Arnaldo wird die Hand Marcelas, der Tochter des Königs von Frankreich, Clodoveo, angeboten, die er auch mit Freuden annimmt. Sie ist aber schon in den Grafen Balduyno verliebt, der sie mit Hilfe eines Carlos, versprochenen Bräutigams der geschändeten Estela, entführt, bei welcher Gelegenheit aber Carlos gefangen wird. Sämtliche Flüchtlinge nehmen ihren Weg nach Spanien, wo Estela in Männerkleidern, und zwar, man weiß nicht, warum, als Narr am Hofe von Aragon auftritt. Inzwischen hat Balduyno erfahren, daß Carlos' Leben in Gefahr schwebt und er nur durch einen Gerichtskampf gerettet werden kann. Er verläßt daher heimlich seine Marcela und reist nach Paris, befreit seinen Freund, wird dabei selbst gefangen und seinerseits wieder von Carlos befreit. Das Ende davon ist, daß beide Freunde nach Aragonien gehen, wo der König ein Turnier ausgeschrieben hat, in dem der höchste Preis der Schönheit für seine Gattin von dem Platzhalter in Anspruch genommen wird. Dahin hat sich auch Marcela gewendet, die sich von ihrem Geliebten verraten wähnt und in Männerkleidern Nachricht von ihm einzuziehen gedenkt. Die als Narr bei Hofe in Gunst stehende Estela verliebt sich hier in den mädchenhaften Jüngling, wobei sie meint, da sie doch schon einmal geschändet sei, so wolle sie doch ihre Lust an ihrem neuen Liebling büßen. Hieraus entsteht die beste Scene im ganzen Stücke, wo die beiden Weiber, sich wechselseitig für Männer haltend, die eine für ihre Keuschheit besorgt ist und die andere die ihrige an Mann bringen will, wobei es denn nicht an argen Zweideutigkeiten fehlt. Estela erklärt sich zuerst und trägt sich an.

Marcela. ..... no podré.

Estela. ¿Con que causa?

Marcela. Esse con que
es porque sin estoy.

Estela. ¿Como?

Marcela. Porque soy muger.

Der König von Frankreich und der Herzog Arnaldo sind unterdessen in Verfolgung der Flüchtigen auch nach Aragonien gekommen, das Turnier findet statt. Allseitige Erkennungen, Balduyno erhält seine Marcela, Carlos eine Verwandte des Königs, die er noch gar nicht kennt; und die begehrliche Estela ist noch immer gut genug für ihren Ehrenschänder Arnaldo.

La boda entre dos maridos. Die aufopfernde Freundschaft zweier junger Leute, des Spaniers Lauro und eines Franzosen Febo. Die wechselseitige Empfindung, bis auf eine gar zu große Spitzfindigkeit mit dem: Ineinanderleben und eins im andern sein und zu häufiger Wortspiele mit dem Namen Phöbus als Sonne, ganz gut gehalten. Lauro ist in eine Fabia verliebt. Teils um dem Freunde seine Geliebte sehen zu machen, und wohl auch, weil er ihm ihre jüngere Schwester Celia zudenkt, nimmt er ihn bei einer seiner heimlichen Zusammkünfte mit, wobei aber Febo das Unglück hat, sich heftig in Fabia zu verlieben, ohne jedoch seinem Freunde etwas davon merken zu lassen. Die Zusammenkünfte werden ruchbar und führen eine Verlobung Lauros mit Fabia herbei. Nun erkrankt Febo plötzlich mit allen Zeichen der Geistesverwirrung. Lauro wendet vergebens alle Mittel an, um die Ursache dieser Schwermut zu ergründen. Erst als er sich selbst den Dolch auf die Brust setzt und sich zu ermorden droht, gesteht Febo seine Liebe. So sehr er nun selbst verliebt ist, beschließt er doch ohne Zaudern, die Braut dem Freunde abzutreten, dessen Leidenschaft stärker sein muß, da sie ihn krank gemacht hat:

Febo tu estas á la muerte,
de amores desta donzella,
y yo no me muero agora.
Amor nos puso esta mesa
quen tiene más hambre coma.

Er schützt eine notwendige Reise vor und gibt seinem Freunde eine falsche Vollmacht (?) (un fingido poder), sich in seinem Namen mit Fabia trauen zu lassen, und als die Nacht kommt, schwärzt er ihn in das Brautgemach ein.

Aus Furcht vor den Verwandten der Neuvermählten entflieht Febo mit Fabia und ihrer Schwester nach Frankreich. Dagegen fällt Lauro in ihre Hände. Er verliert Hab und Gut und muß als Bettler gleichfalls nach Frankreich fliehen. Auf dem Wege fallt er Räubern in die Hände und kommt, von Mangel und Hunger erschöpft, in Paris an, wo er auf öffentlicher Straße seinen Freund Febo um Almosen anspricht, der ihn mit einem Gott helf! abfertigt. Nun glaubt er sich von ihm verraten, nimmt selbst einen im Walde begangenen Totschlag auf sich, um zu sterben, Febo hat ihn aber nicht erkannt, als er ihn abwies, und da Lauro nun als Mörder vor den Prevot von Paris gebracht wird, nimmt er den Totschlag auf sich, und so streiten sie an Großmut, bis endlich ein anderer Spanier Andronio, ein früherer Liebhaber Fabias, gesteht, den Verblichenen im Zweikampfe getötet zu haben, alles sich aufklärt und bei der Schlußverheiratung sämtlicher Weiber Lauro die jüngere Schwester Fabias, die bis dahin unbeachtete Celia, erhält. Gegen das Ende hebt sich das Stück etwas, das sonst ziemlich unbedeutend verläuft.

El amigo por fuerza. Ein Prinz Turbino von Ungarn, der einen Grafen Astolfo haßt, weil er der begünstigte Liebhaber der Schwester des Prinzen ist, und doch wieder sein Beschützer und Freund ist, weil er selbst die Schwester desselben liebt. Da wäre nun Stoff, sollte man meinen, zu artigen Verwicklungen, interessanten Gegensätzen und unerwarteten Ereignissen jeder Art. Aber nichts von dem allem. Das Ganze verläuft sich so ungeschlacht und derb, daß der Gedanke, statt den Bau daraus organisch zu entwickeln, beinahe nur zum Aushängschild wird, um die Kneipe von andern ihresgleichen dadurch zu unterscheiden. Die Prinzessin wird von ihrem Vater infolge eines Friedenstraktates dem Könige von Böhmen zur Gemahlin bestimmt und zugleich der Graf Astolfo, der einen Verwandten des letztern getötet, demselben zur Hinrichtung ausgeliefert. Der Prinz befreit seine Schwester, indem er sie auf dem Wege zur gezwungenen Hochzeit rauben läßt. Er will auch seinen aufgenötigten Freund Astolfo befreien, worin ihm aber die beiden Weiber zuvorgekommen sind, die, als Sklave und Sklavin verkleidet, mit einem alten Lustigmacher Hortensio als Sklavenhändler Eingang in den Turm gefunden haben, wo der Alkalde des Gefängnisses sich in die Sklavin verliebt und nun beide Damen mit eigenen zarten Händen die Dolche brauchen und dem verliebten Hüter den Garaus machen. Astolfo ist nun zwar befreit, dafür aber wird der Prinz Turbino, der in der Verkleidung eines Briefträgers einen abgesonderten Plan verfolgte, schlafend gefunden und seinerseits gefangen genommen. Ein neuer Fund muß aushelfen. Der Lustigmacher Hortensio wird zum griechischen Arzt, den die beiden Weiber als Pagen und der befreite Astolfo als Diener begleiten. Der Prinz stellt sich nach Verabredung krank, die Griechen werden eingelassen, knebeln den Aufsicht führenden Herzog Mauricio und entfliehen mit dem Gefangenen. Der König von Ungarn, in der Freude, seine Kinder wieder zu haben, erfüllt die Wünsche ihrer Herzen.

Ich bin zu wenig bekannt mit der Vorgeschichte des spanischen Theaters, um zu wissen, ob Lope de Vega der erste war, der diesen Reichtum von Ereignissen und das Melodramatische der Handlung auf die Bühne brachte. Im Bejahungsfalle bleibt ihm immer das Verdienst als Erfinder, das kein kleines wäre, da das Bunte doch immer besser ist als das Leere, und er dadurch einem künftigen, gehaltvolleren Interesse den Weg gebahnt hatte. Wenn nicht, so bliebe es halb unbegreiflich, wie ein Dichter im vollen Sinne des Wortes, dem Publikum zuliebe, sich bis zu derlei Hervorbringungen herablassen konnte. Denn selbst in der Ausführung sind kaum ein paar Verse, die sich über die Jahrmarktsbude erheben.

El galan Castrucho. Eines jener liederlichen Stücke, in denen sonst Lope de Vegas Hauptstärke besteht, das übrigens auch nichts weniger als leer ausgeht. Eine alte Kupplerin, Teodora, die noch viel preiswürdiger wäre, wenn nicht die berühmte Celestina als Muster vorgeschwebt hätte. Dazu ihr Mündel Fortuna, die, obgleich bereit, sich auf Befehl, ja aus Furcht vor ihrer sie vergötternden Schützerin jedem preiszugeben, der den Preis bezahlt, doch wieder so gehorsam, eingeschüchtert, natürlich, ja unschuldig ist, daß sie unter die besten Figuren gehört, die in dieser Art je geschaffen worden sind. Sie geht durch alle Hände. Der Hauptmann, der Fähnrich, der Sergeant sind in sie verliebt. Der kommandierende General genießt ihre Gunst und bezahlt sie auch richtig, wozu ihr die Alte auch eigens einen leeren Geldbeutel umgehängt hat; der General-Quartiermeister ist eben mit ihr handelseins geworden, als ihn die Lärmtrommel abruft. Sie hat für alle nur eine Antwort: sie möchten vorher mit ihrer Mutter sprechen. Eine wirkliche Neigung zeigt sie nur für die als Page gekleidete Lucrezia, welches Liebesverständnis sie denn freilich gleich mit der Entwicklung anfangen möchte. Dazu nun der galan Castrucho, ein Lump, Spieler, Lügner, Prahler, Kuppler, der die beiden Weiber, nötigenfalls selbst durch die Gewalt der Fäuste, in Unterwürfigkeit hält. Er jagt die schöne Fortuna, die er selbst unter dem Versprechen der Ehe verführt hat, jedem der drei in sie verliebten Offiziere ab, indem er einen gegen den andern aufhetzt und im allgemeinen Handgemenge als wirklicher Besitzer übrig bleibt; ja später, von den drei Martissöhnen gedrängt und vom Prahler zum Feigen geworden, verspricht er jedem ihren Besitz, wo er denn dem Fähnrich und Sergeanten ihre eigenen verlassenen Geliebten und dem Hauptmann gar die alte Teodora unterschiebt. Diese beiden verlassenen Soldatenfreundinnen sind der Armee nachgereist und befinden sich, beide als Pagen verkleidet, im Hause Teodoras. Es ist vielleicht die unsittlichste Scene des spanischen Theaters, daß, nachdem die Offiziere sich mit dem gehabten Genüsse zufrieden erklärt haben, Castrucho voraussetzt, sie hätten Knaben Gewalt gethan, und sie gar darüber gerichtlich zu belangen droht. Den Schluß macht der General, der den treulosen Liebhabern befiehlt, ihre verlassenen Geliebten zu heiraten, wobei denn die kleine Fortuna dem lumpigen Castrucho zu teil wird, ein Besitz, um welchen er freilich nicht sehr zu beneiden ist, die arme Willenlose aber noch viel weniger. Die Attrapen des Stücks sind nichts weniger als geschickt ins Werk gesetzt, was denn überhaupt nicht Lope de Vegas glänzende Seite ist.

Es ist merkwürdig, daß ein Stück von so nichtswürdigem Inhalte uns nichtsdestoweniger Vergnügen macht. Es ist eben die Naturwahrheit der Darstellung und das Interesse an der menschlichen Natur, selbst in ihren Ausartungen, wenn sie nur nicht geradezu verderblicher Art sind. Ja, es freut uns, jenen Energien der Ursprünglichkeit, die mir in der Wirklichkeit möglichst einzuschränken suchen, auf dem Boden der Fiktion einmal freien Spielraum zu geben. Ein Spaziergang gegenüber dem Geschäftsgang, Nicht anders sprechen uns auf Reisen jene Völker am meisten an, unter denen wir am wenigsten leben möchten.

Los embustes de Zelauro. Da ist ein Lupercio, der sich gegen den Willen seines Vaters heimlich verheiratet hat. Gleich beim Eingänge des Stückes ist der Alte darüber her, den Sohn mit dem Stocke zur Vernunft zu bringen; Lupercio leugnet, verspricht alles, geht aber gleich darauf zum heimlichen Liebchen. In diese letztere hat sich indessen ein Zelauro verliebt, der das gute Verhältnis zwischen den Gatten zu stören sich vornimmt. Er führt zuvörderst seinen Freund Lupercio ins Spielhaus, wo dieser alles Geld verliert, das ihm der Vater in der Freude seines Herzens gegeben hat, ohne daß dieser Leichtsinn für Lope de Vega nur den geringsten Schatten auf dessen Charakter wirft. Darauf macht Zelauro die Gattin Fulgencia eifersüchtig. Er nimmt den arglosen Lupercio als Rückhalt zu einem vorgeblichen Stelldichein mit, in dem Zelauros eigene Schwester die Rolle der Angebeteten spielt und vom Fenster aus mit den beiden Abenteurern spricht. Zelauro hat die eifersüchtig gemachte Fulgencia in Männerkleidern als Zeugin des Auftrittes hinbestellt, wo sie denn zum Schlusse, ihrer selbst nicht mehr mächtig, vom Leder zieht und als Unbekannter ihren Gatten im Zweikampfe anfällt, was die beste, ja die einzige gute Scene im Stücke bildet. Im zweiten Akte wird der Mann auf die indes versöhnte Frau eifersüchtig gemacht. Er verstößt sie und nimmt ihr ihre zwei Kinder. Im dritten Akte kommt sie auf das Gut des Vaters, der sie nicht kennt und der sie als Magd in seine Dienste nimmt, ja endlich gar heiraten will. Zelauro, der ihren Weg verfolgt, ist indes Bauern in die Hände gefallen, die ihn als vermeintlichen Räuber schwer verwunden. In der Todesangst gesteht er dem dazu gekommenen Lupercio seine Niederträchtigkeiten. Die Gatten finden sich, der Alte gibt, wie natürlich, seine Ansprüche auf, und selbst dem Schurken Zelauro wird verziehen.

Auch in diesem Stücke kommt ein Belardo vor, unter welcher Figur ich vermutete, daß Lope de Vega sich selbst gemeint habe. Hier ist nichts, was diese Voraussetzung bestätigte.

La fe rompida. Ein König von Arkadien wird auf der Jagd von Meuchelmördern überfallen, als plötzlich eine Jägerin Lucinda, die Tochter eines reichen Landmannes, erscheint und die Verschworenen in die Flucht treibt. Sie führt den König in das Haus ihres Vaters, wo er, unter dem Versprechen der Ehe, ihre Liebe genießt, aber, was schon von vornherein seine Absicht war, sie am andern Morgen heimlich verläßt. Lucinda, die ihn seinem Vorgeben gemäß für den Sekretär des Königs hält, hüllt sich in Männerkleider und folgt ihm, von einem Diener des Vaters begleitet, an den Hof, dort erkennt sie in ihrem treulosen Liebhaber den König, findet ihn aber zugleich in einem Liebesverständnis mit der Schwester des Herzogs Floriberto, der, aus gekränktem Ehrgefühl, schon im ersten Akte die Meuchelmörder gegen den König bestellt hat und ihn auch jetzt unter den Fenstern seiner Schwester neuerdings überfallen läßt. Lucinda befreit ihn mit Hilfe einiger Landleute auch dieses Mal, wirft ihm seinen Undank vor und gibt sich endlich zu erkennen, was aber auf den König wenig Eindruck macht, der meint, da sie sich einem Sekretär ergeben, habe sie auch nur Anspruch auf die Hand eines Sekretärs. Es kommt so weit, daß Lucinda die Hand an den Dolch legt, und sie trennen sich in Unfrieden. Im dritten Akt sammelt sie ein Heer und bringt das Land in Aufruhr. Sie hält einen engen Paß besetzt, wo sie jeden Wanderer zwingt, eine Erklärung zu unterschreiben, daß der König ein Treuloser und ein Schurke sei. Der König, der mit seiner Flotte gegen die Rebellen ausgezogen ist, leidet Schiffbruch und gerät, an die Küste ausgeworfen, in denselben Engpaß. Lucinda zwingt auch ihn, jene schmähliche Erklärung zu unterschreiben, was er, da er sie mittlerweile erkennt, denn auch, obwohl nicht ohne Zögern, endlich thut. Bei dieser Gelegenheit zeigt sich aber, mitten durch die Erbitterung, Lucindas Liebe so übermächtig, daß der König sich besiegt fühlt, wo denn das übrige sich von selbst versteht. Diese letzte Scene ist wunderschön und ganz gemacht, ein leidenschaftliches Spiel zur vollen Geltung zu bringen. Einmal, da der König eine Geringschätzung seines Lebens zu erkennen gegeben, sagt Lucinda unter anderm:

Sin bravatas mi señor,
que en rendidos es locura.
El que vida no procura
no tiene mucho valor
que quien la vida no estima
es señal que no es honrado,
pues que no la tieme en nada
ni el perdella le lastima.
Es muy de los afrentados
querer la vida perder,
y el saberla defender
muy de los que son honrados.

Auch der ganze erste Akt ist gut, und nur in der Mitte wird die Behandlung durch das Abgeschmackte der Begebenheiten aus dem Gleichgewichte gebracht.

El tirano castigado. Ein Herzog von Sardinien, glaub' ich, hat zwei Söhne, einen echten, Floriseo, und einen Bastard, Teodoro. Floriseo wird gleich in den ersten Scenen des Stückes bei einem verliebten Abenteuer von seinem Nebenbuhler mit Gehilfen überfallen, geknebelt und in einem lecken Nachen ins Meer hinausgestoßen. Unter Voraussetzung seines Todes sieht sich nun der Bastard als Erben des Thrones an und beschließt, seinen Vater zu entsetzen, um so mehr, als er zugleich in seine Stiefmutter Laudomia verliebt ist, der er auch seine Leidenschaft erklärt, aber von ihr zurückgewiesen wird. Floriseo ist von Seeräubern aufgefangen worden, und wir treffen ihn im zweiten Akte in Biserta, wo er dem Könige das Leben gerettet hat und dafür seine Freiheit erhält. Seine Geliebte, Arminda, die in Männerkleidern seiner Spur gefolgt, wurde gleichfalls gefangen und nach Biserta gebracht, wo denn gleich eine Eifersuchtsscene stattfindet, da Floriseo nicht übel Lust hat, die Liebe der maurischen Königstochter zu erwidern. Unterdessen langen Gesandte des Bastarden Teodoro an, der die Hilfe der Heiden gegen seinen Vater in Anspruch nimmt, welche Hilfe der König in der Absicht, das Land später für sich selbst zu behalten, ihm zusagt und ein Heer sammelt, dem Floriseo und die verkleidete Arminda sich als Hauptleute anschließen. Mittlerweile hat der tyrannische Bastard seinen Vater ins Gefängnis geworfen: die Stiefmutter ist entflohen. Die Mauren langen an; auf dem Marktplatze wird ein Gerüst aufgerichtet, auf dem der alte Herzog die Krone an seinen unechten Sohn abtreten soll, dessen er sich weigert und wieder ins Gefängnis zurückgebracht wird. Dies Gefängnis, das Kastell der Stadt, haben indes die Mauren besetzt, und ihr König erklärt nun, daß er gekommen, um sich selbst zum Herrn des Landes zu machen, was er als den ersten Schritt zur künftigen Eroberung Spaniens betrachtet. Aber der Hauptmann Floriseo, der ihm zur Seite steht, droht ihm, ihn von den Mauern herabzustürzen, wenn er nicht ihm, dem rechtmäßigen Erben, das Land freigibt. Es geschieht, der Bastard Teodoro ist im Gefechte schwer verwundet worden, wo ihn denn sein Vater auf die Schultern nimmt, ihm verzeiht, was zu rührenden Scenen Anlaß gibt. Jedermann erhält Verzeihung, und das Stück endet aufs beste.

Der Inhalt ist ebenso bunt, aber nicht so absurd als bei ähnlichen Stücken Lope de Vegas. Die Behandlung flüchtig und ohne hervortretende Stellen.

Wenn ich übrigens von derlei Hervorbringungen Lope de Vegas abschätzig zu sprechen scheine, so möchte ich mich nur vor der deutschen Erbsünde bewahren, an einem Lieblingsschriftsteller alles gut zu finden. Lope steht in seinen guten Stücken den besten Schriftstellern aller Zeiten gleich, ja an Anlage den meisten voraus. Das übrige ist Fabriksarbeit, und wenn seine Zuhörer daran Gefallen fanden, so möchte ich nicht mit ihm rechten, sich die Sache leicht gemacht und das Schreiben, wie die Befriedigung eines natürlichen Bedürfnisses, was es ihm war, so schnell abgethan zu haben, als ihm eben beliebte.


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