Franz Grillparzer
König Ottokars Glück und Ende
Franz Grillparzer

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Ottokar.
Ha, beim allmächt'gen Gott! wer bin ich denn?
Ist das nicht Ottokar? nicht das sein Schwert?
Daß man in solchem Ton zu sprechen wagt!

Wie aber dann, Herr, wenn, statt aller Antwort,
Der Donau breiten Pfad zurück ich messe
Und weiter frag an meines Heeres Spitze?

Rudolf.
Noch vor zwölf Monden kamt Ihr mir zurecht,
Wenn Ihr der Waffen blut'gen Ausspruch wähltet!
Ihr seid ein kriegserfahrner Fürst, wer zweifelt?
Und Euer Heer, es ist gewohnt zu siegen;
Von Gold und Silber starret Euer Schatz:
Mir fehlt's an manchem, fehlt's an vielem wohl!
Und doch, Herr, seht! bin ich so festen Muts,
Wenn diese mich verließen alle hier,
Der letzte Knecht aus meinem Lager wiche;
Die Krone auf dem Haupt, den Szepter in der Hand
Ging ich allein in Euer trotzend Lager
Und rief Euch zu: Herr, gebet, was des Reichs!
Ich bin nicht der, den Ihr voreinst gekannt!
Nicht Habsburg bin ich, selber Rudolf nicht;
In diesen Adern rollet Deutschlands Blut.
Und Deutschlands Pulsschlag klopft in diesem Herzen.
Was sterblich war, ich hab es ausgezogen
Und bin der Kaiser nur, der niemals stirbt.
Als mich die Stimme der Erhöhung traf,
Als mir, dem nie von solchem Glück geträumt,
Der Herr der Welten auf mein niedrig Haupt
Mit eins gesetzt die Krone seines Reichs,
Als mir das Salböl von der Stirne troff,
Da ward ich tief des Wunders mir bewußt
Und hab gelernt, auf Wunder zu vertraun!
Kein Fürst des Reichs, der mächt'ger nicht als ich;
Und jetzt gehorchen mir des Reiches Fürsten!
Die Friedensstörer wichen meiner Stimme;
Ich konnt' es nicht, doch Gott erschreckte sie!
Fünf Schilling leichtes Geld in meinem Säckel,
Setzt' ich in Ulm zur Heerfahrt mich ins Schiff;
Der Baierherzog trotzte, er erlag;
Mit wenig Kriegern kam ich her ins Land,
Das Land, es sandte selbst mir seine Krieger!
Aus Euren Reihen traten sie zu mir,
Und Österreich bezwingt mir Österreich.
Geschworen hab ich: Ruh' und Recht zu schirmen:
Beim allessehenden, dreiein'gen Gott!
Nicht so viel, sieh! Nicht eines Haares Breite
Sollst du von dem behalten, was nicht dein!
Und so tret ich im Angesicht des Himmels
Vor dich hin, rufend: gib, was du vom Reich!

Ottokar.
Die Lande hier sind mein!

Rudolf.
Sie waren's nie!

Ottokar.
Mein Weib Margrethe brachte sie mir zu!

Rudolf.
Wo ist Margrethe nun?

Ottokar.
Wo immer, gleichviel!
Sie gab mir dies ihr Land!

Rudolf.
Soll ich sie selber
Als Richtrin stellen zwischen uns? – Sie ist im Lager!

Ottokar.
Im Lager, hier?

Rudolf (mit geändertem Tone).
Die Ihr so schwer beleidigt,
An Rechten und an Freuden hart beraubt,
Heut morgens kam sie, milden Sinnes bittend
Um Schonung für den Mann, der ihrer nie geschont!

Ottokar.
Die Mühe konnte sich die Frau ersparen!
Wo Ottokar, da braucht's der Bitten nicht!

Rudolf (stark).
Wohl braucht's der Bitten, mein Herr Fürst von Böhmen,
Denn sprech ich nur ein Wort, seid Ihr verloren!

Ottokar.
Verloren?

Rudolf.
Ja! von Böhmen abgeschnitten.

Ottokar.
Indes Ihr Wien belagert, mach ich's frei!

Rudolf.
Herr, Wien ist über!

Ottokar.
Nein!

Rudolf (hinter sich gewendet).
Herr Paltram Vatzo!
Wo ist er? Er begehrte mich zu sprechen;
Der Bürgermeister samt dem Rat von Wien.

(Paltram Vatzo, Bürgermeister von Wien, mit einigen Ratsgliedern kommt, die Schlüssel der Stadt auf einem Kissen tragend.)

Paltram.
In Unterwürfigkeit, mein Herr und Kaiser,
Bring ich die Schlüssel Euch der Stadt von Wien,
Euch bittend, daß Ihr mir nicht zürnt darob,
Weil ich, dem König treu, dem ich geschworen,
Die Stadt gehalten bis auf diesen Tag;
Sie auch, verzeiht! vielleicht noch länger hielt,
Wenn nicht das Volk die Übergab' erzwungen,
Der langen Sperrung müd und der Entbehrung.
(Er legt knieend die Schlüssel zu des Kaisers Füßen.)
Mein Amt, ich leg es mit den Schlüsseln ab,
Doch sollt als treuen Bürger Ihr mich finden.
(Aufstehend.)
Des Landes Herr ist Paltram Vatzos Herr,
Zugleich mit meinem Land ergeb ich mich!
(Er tritt zurück.)

Ottokar.
Verdammt! O Wiener! Leichtbeweglich Volk!
Hast du für deinen leckern Gaum gezittert?
Doch soll's dich reun! Die Zufuhr sperr ich dir
Aus Klosterneuburg, meiner starken Feste!

Rudolf.
Auch Klosterneuburg ist in meiner Hand,
Und nichts mehr dein am rechten Donauufer!
Herr Friedrich Pettau, kommt!

(Friedrich Pettauer tritt vor mit niedergeschlagenen Augen.)

Ottokar.
Ha, schändlicher Verräter!
So gabst du meine Burg?

Pettauer.
Nicht ich, o Herr!
Ein rascher Überfall, spät gestern abends –

Ottokar.
Genug! Ich weiß, daß ich verraten bin!
Doch triumphiere nicht! Doch spott ich dein!
Aus Steiermark naht mir ein stattlich Heer
Mit Milota, dem treuerprobten Führer;
Im Rücken faßt er deine Mietlingsschar,
Indes, wie Donnerwolken, Ottokar
Von vornehmer die schwachen Halme knickt,
Und kein Entrinnen bleibt als in die Donau!

Rudolf.
O sprich nicht weiter, allzu rascher Fürst!

Ottokar.
Erkennst du nun, wie weit du noch vom Ziel?

Rudolf.
Auf Milota bau deine Hoffnung nicht!

Ottokar.
Mein Grund steht fest; an dir ist's wohl, zu zittern!
In Waffen sehn wir uns. Leb wohl!

Rudolf.
Du gehst?
Du gibst die Lande nicht?

Ottokar (zum Abgehen gewendet).
Ob ich sie geb!

Rudolf.
Nun wohl, so sprich denn selbst mit Milota,
Ob du mit Grund ihm so viel magst vertraun?

(Milota tritt auf in Ketten.)

Rudolf.
So brachten mir die Herren ihn von Steier,
In Ketten, weil er grimmig sie gedrückt.
Nehmt ihm die Fesseln ab! – Hier ist das Banner
Von Steiermark, und hier ist Östreichs Banner,
(Landesherrn von Östreich und Steiermark treten auf des Kaisers Seite vor, mit Banner und Farben ihres Landes.)
Sie gaben selbst sich in des Reiches Schutz.

Steht nicht so traurig da, mein Fürst von Böhmen!
Schaut um Euch her! Die Wolken sind entflohn,
Und klar seht Ihr nun alles, wie es ist.
Wenn Österreich verloren –

Ottokar.
Ha, noch nicht!

Rudolf.
Täuscht Euch nicht selbst! Ihr fühlt's in Eurem Innern,
Daß es verloren ist; und zwar auf immer!

Ihr wart ein mächt'ger Fürst, ein großer König,
Eh' die Gelegenheit des Mehrbesitzes
In Euch entzündet auch den Wunsch dazu;
Ihr werdet's bleiben, mächtig, reich und groß,
Wenn auch verloren, was nicht halten konnte.
Denn Gott verhüte, daß ich einen Finger
Ausstreckte nach dem Gut, das Euch gehört.
Auch könnt' ich's nicht! Euch bleibt ein mächtig Heer,
Zu aller Art des Streites wohlgerüstet,
Und zweifelhaft ist aller Schlachten Glück.
Allein, tut's nicht! Verkennt nicht Gottes Hand,
Die Euch gewiesen, was sein heil'ger Wille.

Mich hat, wie Euch, der eitle Drang der Ehre
Mit sich geführt in meiner ersten Zeit.
An Fremden und Verwandten, Freund und Feind
Übt' ich der raschen Tatkraft jungen Arm,
Als wär' die Welt ein weiter Schauplatz nur
Für Rudolf und sein Schwert. In Bann gefallen,
Zog ich mit Euch in Preußens Heidenkrieg,
Focht ich die Ungarschlacht an Eurer Seite,
Doch murrt' ich innerlich ob jener Schranken,
Die Reich und Kirche allzu ängstlich setzten
Dem raschen Mut, der größern Spielraums wert.
Da nahm mich Gott mit seiner starken Hand
Und setzte mich auf jene Thronesstufen,
Die aufgerichtet stehn ob einer Welt.
Und gleich dem Waller, der den Berg erklommen
Und nun hinabsieht in die weite Gegend
Und auf die Mauern, die ihn sonst gedrückt;
So fiel's wie Schuppen ab von meinen Augen
Und all mein Ehrgeiz war mit eins geheilt.
Die Welt ist da, damit wir alle leben,
Und groß ist nur der ein' allein'ge Gott!
Der Jugendtraum der Erde ist geträumt,
Und mit den Riesen, mit den Drachen ist
Der Helden, der Gewalt'gen Zeit dahin.
Nicht Völker stürzen sich wie Berglawinen
Auf Völker mehr, die Gärung scheidet sich,
Und nach den Zeichen sollt' es fast mich dünken
Wir stehn am Eingang einer neuen Zeit.
Der Bauer folgt in Frieden seinem Pflug,
Es rührt sich in der Stadt der fleiß'ge Bürger,
Gewerb' und Innung hebt das Haupt empor,
In Schwaben, in der Schweiz denkt man auf Bünde,
Und raschen Schiffes strebt die muntre Hansa
Nach Nord und Ost um Handel und Gewinn.
Ihr habt der Euren Vorteil stets gewollt;
Gönnt ihnen Ruh', Ihr könnt nichts Beßres geben!

O Ottokar, es war 'ne schöne Zeit,
Als wir, aus Preußen rückgekommen, saßen
Im Söller Eures Schlosses am Hradschin,
Von künft'gen Tagen, künft'gen Taten sprachen!
Bei uns saß damals Königin Margrethe –
Wollt Ihr sie sehn? Margrethen sehen?

Ottokar.
Herr!

Rudolf.
Daß Ihr den Friedensengel von Euch stießt,
Der sanft versöhnend ob Euch wartete,
Die rasche Glut mit Segenswort besprach
Und treulich, eine liebe Schwester, sorgte!
Mit ihr habt Ihr das Glück von Euch verbannt. –
Ihr seid in Eurem Haus nicht glücklich, Ottokar! –
Wollt Ihr Margrethen sehn? sie ist im Lager!

Ottokar.
Nein, Herr! Allein die Lehen will ich nehmen.

Rudolf.
Von Böhmen und von Mähren?

Ottokar.
Ja, Herr Kaiser!

Rudolf.
Dem Reich erstatten –?

Ottokar.
Östreich, Steiermark,
Was ich vom Reich; was sich von mir getrennt.
Ich habe viel für sie getan! Der Undank,
Der Menschen Schlechtheit ekelt tief mich an.

Rudolf.
So kommt ins Zelt!

Ottokar.
Warum nicht hier?

Rudolf.
Es werden
Des Reiches Lehen knieend nur genommen!

Ottokar.
Ich knien?

Rudolf.
Das Zelt verbirgt uns jedem Auge.
Dort sollt Ihr knien vor Gott und vor dem Reich,
Vor keinem, der ein Sterblicher, wie wir.

Ottokar.
Wohlan!

Rudolf.
Ihr wollt? Gesegnet sei die Stunde!
Geht Ihr voran, ich folg Euch freudig nach.
Wir beide feiern einen großen Sieg!

(Sie gehen ins Zelt, die Vorhänge fallen zu.)

Milota (der zu den Seinigen hinübergeht).
Nun, Gott sei Dank! Das macht mich wieder frei!
Der letzten Zeit will ich mein Tage denken.

(Zawisch von Rosenberg kommt.)

Zawisch.
Wo ist der König?

Milota.
In des Kaisers Zelt;
Er nimmt die Lehn!

Zawisch.
Ho, ho! und so verborgen?
Das müssen alle sehn, die treuen Herzens sind.

(Er haut mit dem Schwert die Zeltschnüre ab; die Vorhänge fallen, und man sieht Ottokarn vor Rudolf knien, der ihn eben mit dem Schwert mit Böhmen belehnt hat.)

Zawisch.
Der König kniet!

Die Böhmen (unter sich).
Der König kniet!

Ottokar.
Ha, Schmach!
(Er springt auf und eilt in den Vorgrund.)
(Der Kaiser, der ihm folgt, mit der Fahne von Mähren in der Hand.)

Rudolf.
Wollt Ihr die Lehn nicht auch auf Mähren nehmen?
(Ottokar läßt sich auf ein Knie nieder.)

Rudolf (indem er ihm die Fahne von Mähren gibt).
So leih ich Euch die Markgrafschaft von Mähren
Und nehm Euch in des Reiches Eid und Pflicht
Im Namen Gottes und durch meine Macht.

Steht auf, Herr König, und mit diesem Kuß
Begrüß ich Euch als Lehnsmann und als Bruder.

Ihr aber, die ihr Östreich angehört
Und Lehen tragt von seines Landes Fürsten,
Kommt mit nach Wien, um dort den Eid der Treue,
Den Lehenseid in unsre Hand zu leisten!
Ihr folgt uns doch, geehrter Herr und König?
(Ottokar neigt sich.)
Nun, ich erwart Euch, wenn's Euch wohlgefällt.
Ihr schwingt die Fahnen, laßt den Jubel tönen,
Dem blutlos-schönen Sieg der holden Eintracht!
(Ab mit den Seinigen.)

(Ottokar steht noch immer mit gesenktem Haupte da.)
(Merenberg, der zurückgeblieben ist, tritt nach einigem Zögern ihn an mit bittenden Gebärden.)

Merenberg.
Erlauchter Herr, ich wollt' Euch bitten!

Ottokar (fährt empor und sieht ihn mit einem grimmigen Blicke an; dann zerreißt er mit einer Hand die Spange des Mantels, daß er fällt; mit der andern reißt er von hinten die Krone vom Haupte und stürzt fort, ausrufend:)
Fort!

(Indem alle ihm folgen, fällt der Vorhang.)


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