Franz Grillparzer
König Ottokars Glück und Ende
Franz Grillparzer

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Diener (kommt zurück).
Die Königin ist unpaß.

Ottokar.
Ei, derlei Krankheit ist nicht schwer zu heilen!
Geh noch einmal und bitte sie zu kommen.
(Diener geht.)
Und nun, ihr Herrn, hinauf zum Rittersaal!
Und laßt den Tanz, laßt sich das Fest erneun,
Bis an den Morgen rege sich die Lust!
(Zu Füllenstein.)
Vergiß nicht, was ich dir gebot!

Füllenstein.
Sorgt nicht!

(Diener zurück.)

Ottokar.
Nun, kommt die Königin?

Diener.
Sie will nicht, Herr!

Ottokar.
Sie will nicht? will nicht, wenn ich es gebiete?
Sag ihr! – Doch laß! Sie wird sich selbst besinnen:
Mit Weiberlaunen hat man billig Nachsicht!
Nur fort, ihr Herrn!

Der Erste der Reichstaggesandten (die sich unter der Menge befinden).
Mein gnäd'ger Herr und König!

Ottokar.
Wie, mein Herr Abgesandter, Ihr noch hier?

Abgesandter.
Noch immer harrend einer gnäd'gen Antwort
Für meine Kommittenten, für die Wahlherrn
Des Heil'gen Röm'schen Reichs.

Ottokar.
Mein Herr Gesandter,
Die Antwort ist denn auch nicht gar so leicht!
Ich bin ein König über viele Länder,
Zu viel beinah für eines Menschen Kraft.
Nun soll ich mit der Sorge mich belasten
Für noch ein Land, und für ein Land, das selber
Mitsorgen will und sitzen mit im Rat.
Ich bin gewohnt, wenn ich mal sage: Ja;
So gilt's den Kopf, wenn jemand spräche: Nein!
Und was könnt ihr denn eurem Fürsten bieten?
Die Zölle sind versetzt und die Gefälle;
Was nur des Kaisers war, es haben
Im langen Zwischenreich sich die und der
Mit räuberischen Händen drein geteilt.
Soll ich das Mark von meinem reichen Erbland
Nun setzen auf so trügerisches Spiel?
Euch Herrn gefiele wohl, mit meiner Habe
Zu helfen eurer dringend bittern Not;
Doch will ich lieber hier in Böhmen sitzen
Und eines armen deutschen Kaisers lachen,
Als selbst ein armer deutscher Kaiser sein.
Indes verschmäh ich nicht, die höchste Macht
Vielleicht zu krönen mit der höchsten Würde,
Auf Karl des Großen Thron, ein zweiter Karl,
Zu sitzen in des Reiches Vollgewalt:
Doch soll man mir die Kron' erst selber bringen
Und legen auf dem Kissen dort vor mir,
Bevor ich mich entscheide, was geschieht.

Ich habe meinen Kanzler hingesandt,
Herrn Braun von Olmütz, auf den Tag nach Frankfurt,
Und seht, er schreibt mir,
(er zieht den Brief hervor) daß die Wahl des nächsten
Wird vor sich gehn. Dem Pfalzgraf bei dem Rhein
Trug man den Ausspruch auf im Kompromiß.
Er ist zwar nicht mein Freund; er und der Mainzer,
Sie schmieden Ränke, wie mein Kanzler schreibt;
Allein die deutschen Fürsten wagen's nicht,
Dem Stirnenrunzeln Ottokars zu stehn.
Die Kron' ist mein! das heißt: wenn ich sie mag.
Doch laßt sie hier erst sein, dann will ich sprechen.

Diener (kommt).
Der Kanzler, Euer Hoheit, Braun von Olmütz.

Ottokar.
Seht Ihr? er kömmt zurück.

Diener.
Mit ihm ein Ritter
In lichter Rüstung, Fürsten gleich geziert,
Und zwei Herolde in des Reiches Farben,
Den Adler vor der Brust, die laut Trompeten.
(Trompeten von innen.)

Zawisch.
Erlaube, königlicher Herr und Kaiser,
Daß wir die ersten deiner neuen Diener –
(Die ganze Versammlung macht eine Bewegung nach vorn.)

Ottokar.
Zurück! Wollt ihr dem Reichstagsboten zeigen,
Daß unverhoffte Freud' er überbringt?
Auch wißt ihr nicht, ob ich die Wahl genehm'ge!
(Zu den Gesandten, die sich zurückgezogen haben.)
Wo geht ihr hin? Ich hab euch nicht entlassen!
Nichts ist geschehn, was Störung bringen kann.
Der Mainzer also, sagt ihm's, mag sich hüten!
Denn komm ich an den Rhein, und das soll bald,
Zum Dank für all die frechen Winkelzüge
Treib ich ihn aus von seinem Bischofsitz.

(Der Kanzler ist indessen eingetreten. Alle umringen ihn mit fragenden Gebärden; er bleibt im Hintergrunde, die Hände ringend.)

Ottokar (im Vorgrunde fortfahrend).
Der Pfalzgraf auch bei Rhein steht mir nicht an,
Ich werde seine Kur dem Baier geben.
Noch allerlei will ich in eurem Land,
Und alle, die mir dieses Schreiben nennt –

Zawisch (im Hintergrunde losbrechend, doch halblaut).
Die Wahl des Reichs fiel nicht auf Ottokar?

(Der Kanzler schüttelt mit gefalteten Händen das Haupt.)

Zawisch.
Auf wen denn sonst?

Kanzler.
Auf Rudolf, Graf von Habsburg.

(Unterdessen hat Ottokar den Gesandten den Brief gewiesen, mit dem Finger einzelne Stellen bezeichnend.)

Ottokar.
Die müssen fort – seht, der! –
(Bei der ersten Rede des Kanzlers horcht er, in derselben Stellung bleibend, nach hinten hin in höchster Spannung. Als jener den Namen Habsburg nennt, fährt Ottokar zusammen; die Hand, mit der er auf den Brief zeigt, beginnt zu zittern; er stottert noch einige Worte.)
und der – muß fort!
(Die Hand mit dem Briefe sinkt hinab; mit gebrochenen Knieen steht er noch eine Sekunde, starr vor sich hin sehend, dann rafft er sich empor und geht starken Schrittes in sein Zimmer.)

Zawisch.
Herr Kanzler, sagt, ist es denn wirklich wahr?

Kanzler.
Nur allzuwahr; der Habsburg Deutschlands Kaiser.

Zawisch.
Allein wie kam's?

Kanzler.
Es ging noch alles gut,
Die meisten Fürsten stimmten für den Herrn;
Da kommt mit einemmal der Kanzellar
Des Erzbischofs von Mainz – der hier gewesen –
Mit ihm ein Wolkersdorf aus Österreich
Und Hartneid Wildon aus dem Lande Stei'r,
Die klagten – still! Der König kömmt zurück!

Ottokar (kommt aus seinem Gemach).
Sagt meiner Frau, sie soll bereit sich halten,
Ich will noch heut vor Abend auf die Jagd.
(Er geht mit starken Schritten auf und nieder.)

Kanzler (nach einer Pause).
Ach gnäd'ger Herr!

Ottokar.
Was ist? (Zusammenfahrend.) Ihr? – Wart Ihr hier?
Vor kurzem hier?

Kanzler.
Ach ja!

Ottokar.
Und habt gesprochen?

Kanzler.
Ja, gnäd'ger Herr!

Ottokar.
Verdammt!
(Wirft ihm den Handschuh ins Gesicht; dann ihn an der Hand in den Vorgrund führend.)
Was schwatztet Ihr
Von Reichstag und von Wahl?

Kanzler.
Hier hört es selbst!

(Der Burggraf von Nürnberg, mit zwei Herolden voraus und mehreren Begleitern hinter sich, tritt ein.)
(Der König geht ihm mit starken Schritten bis in die Mitte des Saales entgegen.)

Ottokar.
Wer seid Ihr, Herr?

Burggraf. Friedrich von Zollern bin ich,
Burggraf von Nürnberg, abgesandt vom Reich.

Ottokar.
Glück zu!
(Er kehrt ihm den Rücken und geht wieder in den Vorgrund.)

Burggraf.
Rudolf, von Gottes Gnaden Kaiser –

Ottokar.
Ich glaube, Herr, das Reich will meiner spotten?
Hier stehn noch die Gesandten, die die Krone
Mir anzubieten kamen, und ihr wählt,
Eh' ich entschieden, einen andern?

Burggraf. Herr,
Der Kanzellar des Erzbischofs von Mainz,
Er hat gemeldet, wie mit schnöden Worten
Von Euch gewiesen Ihr so Kron' als Reich.

Ottokar.
Ha, frecher Treubruch deutscher Reichsbarone!

Burggraf.
Beschuldigt Ihr des Treubruchs Deutschlands Fürsten?
So wißt denn, was die Wahl von Euch gewandt!
Wir suchten einen Herrn, gerecht und gnädig,
Als einem solchen bot man Euch den Thron.
Da kam der Ruf, da kamen selber Zeugen,
Die laut es riefen in der Fürsten Ohr,
Wie Ihr getan an Königin Margrethen,
Die Eure Gattin war, die Ihr verstießt;
Wie Ihr die Rechte schmälert jener Lande,
Die rechtlos vorenthalten Ihr dem Reich;
Wie Eure Ungnad' schon ein Halsverbrechen,
Und Strafe trifft, wo noch kein Urteil traf.
Das sind wir nicht gewohnt in Schwaben und beim Rhein,
Wir müssen einen gnäd'gen Fürsten haben,
Vor allem aber soll er sein gerecht.
Dies überlegend, schritten sie zur Wahl –

Heinrich von Lichtenstein (hinter der Szene).
Verräterei!

Ottokar.
Wer ruft?

Gemurmel (unter den Anwesenden).
Der Lichtenstein?

Heinrich von Lichtenstein (tritt auf).
Wer Österreicher ist, der sei gewarnt!
Am Ausgang stehn des Schlosses Häscherrotten,
Die fangen jeden, der nicht böhmisch ist.

Füllenstein (kommt hinter ihm mit gezogenem Schwert).
Gebt Euch gefangen!

Ottokar (vortretend).
Eure Wehre, Heinrich!
Ihr, Ulrich Lichtenstein, Graf Bernhard Pfannberg,
Chol Seldenhoven, Wulfing Stubenberg,
Ihr gebt die Schwerter und euch selbst in Haft!

Lichtenstein.
Was taten wir?

Ottokar.
Damit ihr, Freund, nichts tut,
Send ich euch in die Haft. Damit ihr nicht
Euch flüchtet zu der neuen Majestät,
Wie Wolkersdorf und Wildon, die Verräter,
Und Merenberg – (Mit dem Fuße stampfend.) Wer schafft mir Merenberg?
Sobald er hier aus seinem Felsennest,
Soll euch der Richter gegenüberstellen,
Und wohl dann dem, der sich nicht schuldig fühlt!
(Zu Zollern gewendet.)
Und nun nur weiter fort in unsrer Sache!
(Die Geisel werden fortgeführt.)

Burggraf.
Der Auftritt hier erspart mir die Erklärung,
Warum die Fürsten, Herr, nicht Euch gewählt.
Und nun zu meiner Botschaft, Böhmens König!
Rudolf, von Gottes Gnaden römisch-deutscher Kaiser,
Entbietet dich auf einen Tag nach Nürnberg,
Daß du dort wartest deines Schenkenamts,
Wie's dir als Kurfürst ziemt des deutschen Reichs,
Sonst auch nach Recht die Lehen dort empfangest
Von Böhmen und von Mähren, die dir zustehn.

Ottokar.
Wie das? Nicht mehr? Und Österreich und Steier?

Burggraf.
Und Österreich und Steier, Krain und Kärnten,
Nebst Eger, Portenau, der wind'schen Mark,
Stellst du zurück zu Handen unsers Kaisers,
Als böslich vorenthalten von dem Reich.

Ottokar.
Ha, ha, ha, ha! 'ne lust'ge Mär fürwahr!
Und sonst begehrt der neue Kaiser nichts?

Burggraf.
Nur was des Reichs!

Ottokar.
Herr, es ist aber mein!
Den Ungarn hab ich Steier abgewonnen
Mit meinem Blut, mit meiner Böhmen Blut.
Vererbt ward Kärnten mir von meinem Ohm
Durch gleicher Erbverträge Wechseltausch,
Und Östreich brachte mir zur Morgengabe
Die Königin Margrethe, meine Gattin.

Burggraf.
Wo ist Margrethe nun?

Ottokar.
Wenn auch getrennt,
Bestätigt hat sie ihrer Lande Schenkung,
Und mein ist alles, was sonst ihre war.

Burggraf.
Die Lande Österreich und Steier fallen,
Vermög' dem Majestätsbrief Kaiser Friedrichs,
Wohl an des letzten Lehnbesitzers Töchter,
An seine Schwestern nicht, und Margarethe
Ist nur des letzten Babenbergers Schwester,
Des Herzogs Friedrich, der den Mannstamm schloß.
Des Reiches Lehn vererben nicht,
Durch keine Heirat mag man sie erwerben:
Und so gib wieder, was dem Reich gehört.

Ottokar.
Ich glaube gern, daß es ihm wohlgefiele,
Dem neuen Herrn, wenn ich die reichen Lande
Ihm sendete nach Schwaben, seinen Säckel
Zu bessern und die dürftig leere Hand;
Allein nicht so! Ich bin nun alt genug,
Um auf Verlust mich zu verstehn und auf Gewinn.
Geht nur zurück und sagt dem deutschen Reich –
Denn einen deutschen Kaiser kenn ich nicht –
Manch Geier soll noch Aases werden satt,
Bis sie gewinnen, was des Böhmen ist!
Er ladet mich zu sich? nun wohl, ich komme!
Doch will ich Gäste führen mit zum Tanz,
Daß von der Füße Stampfen weit umhin
Die Erde soll erzittern bis zum Rhein.
Gehabt Euch wohl und sagt das Euerm Herrn!

Zawisch.
Wir aber wollen zu den Waffen greifen.
Mit Gut und Blut für unsern großen König!
(Er geht, mehrere wollen folgen.)

Ottokar.
Halt da! Warum nicht gar! Für wen? und gegen wen?
Im Lande soll man handeln und verkehren,
Als wär' der tiefste Fried'. Wenn's an der Zeit,
Will ich schon des Besuches Gäste wählen.

Und nun mit mir! Der neue Bettelkönig,
Nicht einem Reh soll er das Leben retten!
Auf Ribnik ist für morgen große Jagd;
Ihr alle seid geladen! Lust und Freude!
Bringt Lichter, es wird dunkel. Fackeln her
Und so mit mir! Auf Weidwerk! In den Wald!
(Ab, die übrigen folgen ihm tumultuarisch nach.)

(Es wird dunkler. Kurze Pause, dann hört man in der Ferne auf einer Zither spielen.)

Kammerfräulein (tritt aus der Türe der Königin).
So, sie sind fort! Wer spielt da auf der Zither?

Kunigunde (kommt).
Was ist? Wer spielt?

Kammerfräulein (an der Balustrade).
Ich weiß nicht, gnäd'ge Frau.
Horch! Worte? »Hand wie Schnee, und doch so heiß«
Es ist Herr Zawisch Rosenberg. Er singt.
Soll ich ihn gehen heißen?

Königin (hat sich gesetzt).
Laß ihn nur,
Es hört sich gut zu in der Abendkühle.
(Sie stützt ihr Haupt gedankenvoll in die Hand.)

(Der Vorhang fällt.)


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