Franz Grillparzer
König Ottokars Glück und Ende
Franz Grillparzer

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Königin.
Ich glaube bald, die Törin nimmt's auf sich!
(Sie steht auf.)
O wär' ich wieder fort aus diesem Land,
In Ungarn bei den Meinigen daheim!
Da galt ich noch! Frei streift' ich in die Ferne,
Dorthin, dahin, wohin der Wunsch mich rief.
Mein alter Vater war mir gern zu Dienst,
Zu Dienst die Fürsten, seine Sippen alle,
Und was nur Mann hieß in dem weiten Reich.
Und Leben war und Feuer, Glut und Mut!
Da riefen sie zum fernen Prag mich hin:
Ein König, sagten sie, regiere dort,
Vermählt in seiner Kraft der ältern Frau,
Den's dürste nach der feurigen Genossin,
Nach gleichem Mut in gleichgeschwellter Brust.
Ich komm und finde – einen Greis. Ja, Greis!
Denn spielt ihm nicht schon graulich Bart und Haar?
Sie sagen: von des Krieges Arbeit. Gleichviel!
Und ist er denn nicht mürrisch wie ein Greis?
Rechthabrisch, ungestüm? Beim reichen Gott,
Zum Schweigen und Gehorchen kam ich nicht!
Die andern aber schmeicheln, betteln, kriechen,
Sind trägen Bluts und weißen, kalten Herzens.
Nur dieser Rosenberg: bei uns in Ungarn
Trüg' er sein Haupt keck unter Gottes Himmel,
Wie jener kühne Führer der Kumanen,
Dem er auch ähnlich sonst an Haupt und Brust,
Dem besten unter Ungarns starken Mannen!
Doch jener war ein freudig kühner Held,
Gerad in seinem Wollen, seinem Handeln;
Indes der Böhme feig und niedrig kriecht,
Und seinen Wert und all sein Selbst besudelt.
(Trompeten von außen.)
Was ist?

Kammerfräulein.
Geendet ist wohl das Turnier,
Und man erteilt den Siegenden die Preise.
Euch, Königin, gebühret das Geschäft.

Königin.
Man wird uns rufen. – Gib doch das Geschreibe,
Man merkt beim ersten Lesen kaum den Sinn.
(Sie nimmt den Zettel.)

Kammerfräulein.
Ach, gnäd'ge Frau, des Königs Hoheit naht,
Der ganze Zug; sie kommen vom Turnier.

(Ottokar kommt mit Milota und Füllenstein. Hinter ihm Herren und Damen vom Turnier.)

Ottokar (zu denen, die ihm folgen).
Wenn er darauf besteht, so bringt ihn her!
(Im Vortreten zu Kunigunden.)
Es will der Sieger des Turnieres nur
Aus deiner Hand den Preis empfangen!
Nu, Kunthe, nu, wie geht's?
(Er will sie am Kinne fassen, sie tritt zurück.)

Kunigunde.
Ganz gut.

Ottokar.
Potz Blitz!
Wohl übel gar gelaunt? – He Milota!
(Er tritt mit Milota auf die andere Seite des Vorgrundes.)
Der junge Merenberg entsprang?

Milota.
Ja, Herr.

Ottokar.
Verwünscht! Doch woher weiß man's von dem Brief?

Milota.
Nach junger Leute Art hat er sich dessen
Gerühmt, man hat den Brief sogar gesehn.

Ottokar.
Die Aufschrift an den Erzbischof von Mainz?

Milota.
Derselbe, ja.

Ottokar.
Auch Wolkersdorf ist fort?

Milota.
Und Hartneid Wildon. Alle Österreicher,
Seitdem die Königin Margrethe fern,
Sind übeln Sinns und schleichen fort vom Hof.

Ottokar.
Hätt' ich den Brief, so kennt' ich die Verräter
Und meine Ferse setzt' ich auf die Brut:
Nun aber wird ein jeder mir verdächtig,
Und alle muß ich hüten, alle, alle!
Pfui, Argwohn, Spürhund von des Teufels Meute!
Lockst du auch Könige zu deiner Jagd?

(Man hat indes Zawisch von Rosenberg, als Sieger im Turnier, hereingebracht, er steht vor dem Könige.)

Ottokar.
Was ist? – Ja, du bist Sieger im Turnier?
Ich habe stets als wacker dich gekannt;
Geh hin zur Königin und nimm den Preis!
He, Füllenstein!

Füllenstein.
Mein gnädiger Gebieter!

Ottokar.
Du nimmst Gewappnete, und alle Pforten
Besetzest du, die aus dem Schlosse führen.
Wenn nach dem Fest die Gäste heimwärts ziehn,
Verhaftest du, die ich bezeichnen werde,
Und hältst als Geisel sie in enger Haft.
Den dort, dem trau ich nicht. – Auch Lichtenstein,
Der glatte Ulrich –

Füllenstein.
Herr, doch Heinrich auch?

Ottokar.
Was schreist du so! Komm hier und höre schweigend.

(Er zieht sich mit Füllenstein etwas mehr gegen den Hintergrund und spricht leise. Sooft er dem, was jener erwidert, zuhört, wendet er die Augen nach der andern Seite, wo Zawisch und seine Gemahlin sprechen.)

(Zawisch hat sich vor die Königin hingestellt, die sitzt und in Gedanken vor sich hinstarrt.)

Kammerfräulein (die Königin aufmerksam machend).
Erlauchte Frau!

Kunigunde (da sie Zawisch vor sich stehen sieht).
Verwegner, wie, auch hier?
(Sie springt auf.)

Kammerfräulein (auf die reichgestickte Schärpe zeigend, die ein Page auf einem Samtkissen trägt).
Der Dank!
(Die Königin nimmt die Schärpe, der Page legt das Kissen bei ihren Füßen nieder.)

Zawisch (zum Kammerfräulein).
Ei, Fräulein, gebt mir doch den Zettel,
Den ich vor kurzem nur Euch überreicht.
Er kam nicht in die rechte Hand!

Kammerfräulein.
Mein Herr!

Zawisch.
Gebt ihn! (Er hält die Hand bin.)

Kammerfräulein.
Verzeiht!

Zawisch (immer die Hand hinhaltend).
Er soll für jemand anders!

Kammerfräulein.
Ich – hab ihn nicht mehr!

Zawisch.
Wie? Ihr habt ihn nicht mehr?
Dann wahrlich ist er in der rechten Hand!
(Er wirft sich vor der Königin auf das Kissen nieder. Feurig.)
O Königin, habt tausend, tausend Dank –
(Langsam.)
Im voraus für den Preis, den Ihr mir reichet.

Ottokar (sein Gespräch unterbrechend).
Warum gebt Ihr den Preis nicht, Kunigunde?

Königin (beleidigt).
Ich wollte früher schon, eh' Ihr befahlt!
(Mit der Schärpe nahend.)
Herr Ritter!

Zawisch.
Wie beglückt Ihr mich, Gebietrin!
In Demut beugt sich Euch mein dienstbar Haupt!
(Leise.)
        »O Hand von Schnee
        Und doch so heiß!«

Königin (leise).
Wenn Ihr nicht schweigt!

Zawisch (laut).
Mit diesem teuren Pfand
Statt Harnisch angetan, statt aller Waffen,
Will fahrend ich die weite Welt durchziehn
Und Euren Ruhm und meines Königs Ruhm
Verkünden und verfechten überall,
Für ihn und Euch mein Leben!
(Da die Königin sich mit der Schärpe zu ihm neigt, leise und schnell.)
Alte Männer
Sollten alte Weiber freien! Jugend
Gehört für Jugend!
(Die Königin wirft die Schärpe auf den Boden.)

Ottokar (herüberrufend).
Nun, noch nicht zu Ende?

Zawisch (leise).
Dies Haupt dem Henker, wenn Ihr so es wollt!

Ottokar.
Was ist?

Zawisch.
Die Schärpe fiel.

Königin (zum Kammerfräulein).
Reich mir die Schärpe!
Die höchste Langmut findet doch ihr Ziel,
Verwegenheit mag es denn gleichfalls finden!
Hier nehmt die Schärpe und gehabt Euch wohl!
(Sie hängt ihm die Schärpe um. Wie sie sich über ihn beugt, faßt Zawisch die Schleife an ihrem Ärmel, die Schleife fällt. Zawisch bückt sich rasch und hebt sie auf.)

Kunigunde.
Ha, mein Gemahl!
(Ottokar wendet sich nach ihr.)

Zawisch (der aufgestanden ist und sich gegen die Mitte zurückzieht).
Die Königin, mein König!

Ottokar.
Was ist? Was willst du, Kunigunde?

(Pause, während welcher die Königin Zawisch ansieht, der ruhig vor sich hinblickend dasteht. Sie blickt noch einmal hin, dann:)

Kunigunde.
Geht Ihr noch heut nach Ribnik auf die Jagd?

Ottokar.
Wie kommt Ihr auf die Frage? Heute, ja!
Auch bist du ganz verstört. Was war denn hier?
Das Dankerteilen macht dir so viel Müh',
Daß ich in Zukunft dir's ersparen werde!
(Er wendet sich von ihr.)

Kunigunde (zum Kammerfräulein leise).
Die Schleife soll er geben; geh und sag ihm's!

(Ottokar ist inMitte des Saales getreten; die Versammelten bilden einen Halbzirkel, dessen linkes Ende die Königin, das rechte Zawisch bildet, der, dem Kammerfräulein ausweichend, bis in den Vorgrund kommt.)

Ottokar.
Ihr Herrn, wer ist von euch, der einer Sorge,
Und einer drückenden, mich ledig macht?
Der alte Merenberg im Lande Steier,
An mir ist zum Verräter er geworden,
An mir und seinem Land, von dem ich Herr.
Mit Briefen an den Erzbischof von Mainz
Hat er den Sohn nach Frankfurt hingesandt;
Wahrscheinlich unsre Wahl zu hintertreiben,
Der man dort pflegt, zum Kaiserthron der Deutschen,
Und Unruh' anzustiften, Meuterei.
Der Sohn ist zwar entwischt, allein der Vater,
Er soll der Strafe nimmermehr entgehn,
Noch der Enthüllung seiner Spießgesellen.
Der Frevler hat sich auf sein Schloß gezogen,
Das wohl bewahrt ist gegen jeden Angriff;
Wer mir ihn bringt, wer mir ihn lebend bringt,
Was er ob Hochverrat verwirkt, die Lehen,
Sein ganzes Gut, sei des Ergreifers Lohn!
Ortolf von Windischgrätz, du scheinst bereit?

Füllenstein.
So laßt den zweiten mich sein, gnäd'ger Herr!

Ottokar.
Von meinen Leuten geb ich euch die besten;
Den hier – und den –
(Im Hintergrunde einzelne Wappner bezeichnend.)

Kammerfräulein (die von hinten herumgegangen ist, zu Zawisch tretend).
Die gnäd'ge Fürstin zürnt.
Ihr sollt die Schleife geben, läßt sie sagen.

Zawisch.
Die Schleife? Nun und nimmermehr, mein Kind!
Ich habe sie erobert, und mein Leben,
Den Kopf hier laß ich, doch die Schleife nicht!
(Er zieht die Schleife hervor.)
Sieh her, wie schön! Rot, wie ihr holder Mund,
Und weiß, wie ihres Nackens reines Silber.
Nein, die behalt ich, und auf meinem Sarge
Soll neben Schild und Helm sie prangend ruhn.
Setzt' ich mein Blut nicht ein, um sie zu haben?
Du blutigrote Schleife, du bleibst mein!
(Er hält sie vor sich hin in die Luft.)

Königin (auf der andern Seite des Theaters).
Wahnsinnig ist er! Himmel, wenn der König

Kammerfräulein (zu Zawisch).
Die Königin macht Zeichen, steckt sie ein!
Der König naht.

Ottokar (zurückkommend).
Was habt Ihr, Rosenberg?

Zawisch (hat die Schleife in den Busen gesteckt).
Nichts, gnäd'ger Herr!

Ottokar.
Wie? Nichts?

Zawisch.
Herr, es gibt Dinge,
Die man mit Recht dem König selbst verbirgt!

Ottokar.
Ein Liebespfand?

Zawisch.
Ein Pfand, Herr, das man liebt.

Ottokar (nach einer Pause der Beobachtung).
Wer hat die Königin heut angekleidet?

Kammerfräulein.
Ich, gnäd'ger Herr.

Ottokar.
Seid Ihr so sorglos, Dirne,
Daß einen Arm Ihr nur mit Schleifen ziert,
Indes der andre leer?

Kammerfräulein.
Gewiß – verloren!

Zawisch (zum Suchen gebückt).
Man muß sie suchen.

Ottokar.
Laßt das nur, Herr Zawisch!
Wenn die Versammlung fort ist, macht sich's leichter;
Allein bis abends hoff ich sie zu sehn!
Dem aber, der sie fand, gebt diesen Ring
(Er zieht ihn vom Finger und gibt ihn Rosenberg.)
Im Namen meiner Gattin, seiner Frau:
Denn Königinnen schenken Diamanten,
Doch Busenschleifen nicht. – Euch, Königin,
Bitt ich, in Zukunft Euren Anzug mehr
Und – meiner Würde mehr in acht zu nehmen!
(Zu Zawisch.)
Vergeßt es nicht und richtet's aus dem Finder!

Kunigunde.
In meinem Namen, Ritter, aber sagt ihm:
Er möge das behalten, was er fand;
Denn was ich schenke, Schleife, Diamant,
Indem ich's schenke, ändert's die Natur
Und ist nur noch der Königin Geschenk.
Auch mög' er sehen, daß ich Herrin bin,
Zu schenken, was ich will; und wenn es mehr
Als Schleife wäre, mehr als Diamant!
(Sie geht ab.)

Der König (geht einigemal auf und nieder, dann bleibt er vor Rosenberg stehen).
Was war hier, Rosenberg?

Zawisch (auf ein Knie niedergelassen).
Zürnt mir mein König?

Ottokar (ihn betrachtend).
Du solltest töricht gnug sein, meinen Zorn,
Den Zorn des Ottokar auf dich zu rufen
Um einer Laune, eines leeren Nichts?
Wer bist du denn, daß du es wagen solltest?
Ich hauche – und wo war dann Rosenberg?
Ich aber kenne dich als klug! – Steh auf!

Zawisch.
Nicht wenn Ihr zürnt!

Ottokar.
Ich sage dir: steh auf!
(Zawisch steht auf.)

Ottokar.
Ihr aber geht zu meiner Frau und sagt ihr:
Nicht stören möge sie der Gäste Frohsinn
Durch längeres Entbehren unsrer Wirtin!
(Diener ab.)

Ottokar.
Ihr, Ortolf, also richtet mir ins Werk,
Was Ihr verspracht; den Lohn verbürg ich Euch.
Ich will sie lehren, an das Reich sich wenden!
(Auf die Brust schlagend.)
Hier ist das Reich!


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