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Drittes Kapitel.
Eine Warnung.

»Ein Herr aus Amerika ist mehrmals hier gewesen,« empfing mich Savory, als ich meine Wohnung erreichte. »Er behauptete, er habe eine Verabredung mit Ihnen, aber ich konnte ihm nicht sagen, wann Sie nach Hause kommen würden.«

»Wenn er wieder kommt, führen Sie ihn herauf; ich will ihn sprechen.«

Bald darauf brachte er mir eine Karte, worauf der Name »Erastus K. Snuyzer« in Golddruck stand, und der Träger dieses Namens folgte Savory auf dem Fuße. Er war in derselben tadellosen Weise gekleidet, wie bei unsrer Begegnung am Vormittag – in einen feinen, neuen Anzug von gutem Schnitt, nebst glänzendem hohen Hut. Im Knopfloch trug er eine Gardenia und an den Füßen Lackschuhe mit großen Schleifen.

»Nun, was gibt's?« fragte ich, indem ich ihm einen Stuhl anbot.

»Das werden Sie gleich hören,« erwiderte er. »Meine Leute waren der Ansicht, daß Sie sich gern unsrer Dienste versichern würden.«

»Bitte, einen Augenblick. Wer und was sind ›Ihre Leute‹?«

»Saraband & Söhne. Sie haben doch gewiß von ihnen gehört. Von den Nachfolgern der großen Privatdetektivfirma Pinkerton? Ich habe jahrelang in Allan Pinkertons Dienst gestanden, und er hat mich immer für einen seiner besten Schüler gehalten.«

»Was, in aller Welt, soll ich denn aber mit einem Privatdetektiv anfangen?« rief ich, laut lachend.

»Ich darf mir wohl die Freiheit nehmen, Sie daran zu erinnern, daß Sie eben ein ungeheures Vermögen geerbt haben, denn die Hinterlassenschaft M'Faughts muß für Sie einige Millionen wert sein, und – und – und deshalb haben mich Sarabands beauftragt, Ihnen meinen Besuch zu machen.«

»Gehört es denn mit zu eines reichen Mannes Pflichten, sich einen Privatdetektiv zu halten?«

Noch immer lachte ich, aber meine Heiterkeit spiegelte sich in den Zügen meines Besuchers nicht wider.

»Das kommt darauf an, Kapitän Wood. Manche thun's, manche thun es nicht, doch die, die es unterließen, haben schon oft nachträglich gewünscht, sie hätten es gethan; so kann es Ihnen auch ergehen.«

»Und was würde geschehen, falls ich so thöricht wäre, das freundliche Anerbieten ›Ihrer Leute‹ abzulehnen?« fragte ich lächelnd.

»Ich bitte Sie, die Sache mit Ernst zu behandeln, Mr. Wood. Nehmen Sie uns an, oder lassen Sie es bleiben, aber stellen Sie auf alle Fälle irgend jemand in Ihren Dienst. Versuchen Sie ums Himmels willen nicht, Ihre Sache allein durchzuführen.«

Das sprach er mit unverkennbarem Ernst und solcher Ueberzeugung, daß ein etwas unbehagliches Gefühl in mir aufzusteigen begann.

»Wollen Sie damit andeuten, daß ich des Schutzes bedürftig, daß ich in Gefahr, in persönlicher Gefahr sei, und daß ich, wenn ich mich nicht bewachen lasse, einer – einer – was soll ich sagen? – einer Verschwörung zum Opfer fallen werde?«

»Ja, das will ich andeuten und noch weit mehr, aber ich kann in diesem Augenblick meine Warnung nicht eingehender begründen, denn das hieße, unsre Geschäftsgeheimnisse verraten. Allein Sie können sich darauf verlassen, daß ich triftige Gründe habe, so zu sprechen. Schon als ich Ihnen heute vormittag begegnete, habe ich auf etwas dieser Art hingewiesen. Es gibt Leute, die Ihnen Ihr neu gewonnenes Vermögen mißgönnen, die Ihr Recht, ja, selbst das Recht des Erblassers darauf bestreiten. Diese Menschen schrecken vor keinen Mitteln – heimlichen, hinterlistigen, selbst gewaltsamen Mitteln zurück. Ich muß Ihnen sagen, daß Sie vielleicht, nein, daß Sie wirklich schon in diesem Augenblick von der sehr nahen Gefahr bedroht sind – Ihr Vermögen und Ihr Leben zu verlieren.«

»Aber das ist eine Sache, die die Polizei angeht!« rief ich, erregt aufspringend.

»Ihre Polizei kann Ihnen dabei gar nicht helfen; dazu wird die Sache viel zu heimlich und vorsichtig betrieben. Erst wenn der Schlag gefallen ist, kann die Polizei eingreifen. Schutz und vorbeugende Maßregeln, das ist, was Ihnen notthut. Sie müssen List gegen List setzen, der Verschwörung mit einer Gegenverschwörung begegnen – immer vorausgesetzt, daß noch Zeit dazu ist.«

»Warum ist es denn so eilig?«

»Wir haben Grund zu der Annahme, daß der Anschlag schon seit einiger Zeit geplant und jetzt zur Ausführung reif ist.«

»Aber – es ist ja noch nicht einmal ein voller Tag, seit die Nachricht hierhergelangt ist.«

»Daß M'Faughts Millionen nach England gehen würden, hat man drüben schon lange vorausgesehen, wenn auch der Name des wirklichen Erben erst vor einer Woche bekannt geworden ist. Damals war schon alles vorbereitet, und der Feldzug sollte sofort eröffnet werden, sowie man wissen würde, gegen wen der Angriff zu richten sei.«

Während er mir diese Eröffnung machte, sah ich den langsam redenden Yankee mit den plumpen Zügen an und suchte mir darüber klar zu werden, ob es sein Ernst sei, was er sagte, oder ob er mich zum Narren halte. Natürlich wußte ich, daß ich jetzt ein willkommenes Wild für alle Arten von Spitzbuben war, und ich war zu der Annahme geneigt, Mr. Snuyzers Besorgnis um mich sei weiter nichts, als ein ziemlich durchsichtiger Versuch, mir Geld abzupressen.

»Was würde es denn kosten, wenn ich mir die guten Dienste der Herren Saraband & Söhne sichern wollte?« fragte ich, um eine Vorstellung von der wahrscheinlichen Forderung zu bekommen.

»Wir verlangen nur Erstattung unsrer Auslagen und mäßige Gebühren – sagen wir einmal fünfundzwanzig Dollars wöchentlich – und schließlich eine Prämie, deren Höhe sich nach der Größe der Gefahr richtet.«

»Gefahr? Das verstehe ich nicht ganz.«

»Nach der Höhe der Gefahren, wovor wir Sie behüten, sei es durch Warnung, oder Ueberwachung, oder thatsächliches Eingreifen. Wir haben unser Preisverzeichnis, das ich Ihnen mit Vergnügen hier lassen werde. Sehen Sie sich einmal einige Posten an: Ehescheidungsangelegenheiten für beide Seiten, Beschlagnahmen, falsche Anklagen, Verwundungen, Verlust von Gliedern, Tod …«

»Das heißt also Mord?« fragte ich immer noch in halb scherzendem Tone. »Wie hoch beläuft sich denn die Versicherung dagegen?«

»Von zehntausend Pfund Sterling aufwärts, je nach der Größe der Gefahr,« entgegnete er ernst und ohne eine Miene zu verziehen.

»Nun, ich werde mir Ihr freundliches Anerbieten überlegen. Vielleicht komme ich darauf zurück, wenn ich finde, daß ich mich nicht selbst schützen kann. Für den Augenblick will ich mich jedoch auf die Polizei und meine eigene Vorsicht verlassen.«

»Das ist ein Fehler, Mr. Wood, ein großer Fehler; das steht bombenfest,« antwortete mein Besucher, indem er sich erhob, um sich zu empfehlen. »Sie sind in großer Gefahr, einer Gefahr, die mit jeder Stunde wächst, und Sie haben Ihren Feinden mehr als einen Anreiz gegeben, Sie zu verfolgen. Natürlich ist das Hauptziel, das diese Spitzbuben im Auge haben, Ihre Dollars in die eigene Tasche zu stecken, aber es ist außerdem auch bekannt, daß Sie vor kurzem in Cuba gewesen sind, und man nimmt an, Sie seien im Besitze bedeutsamer militärischer Geheimnisse, die für Onkel Sam von Wichtigkeit sein könnten und die die Leute Ihnen abzupressen hoffen, wenn sie Sie in ihre Gewalt bekommen. Sie mögen unser Anerbieten ablehnen; das ist Ihre Sache, aber, Kapitän Wood, ich beschwöre Sie, befolgen Sie meinen Rat und führen Sie jederzeit einen guten Sechsschüssigen bei sich – und gehen Sie nirgends hin – das heißt, an keinen Ihnen fremden Ort – wenigstens nicht allein.«

»Na, ich hoffe denn doch, daß die Sache nicht so schlimm ist, Mr. Snuyzer, aber ich bin Ihnen dankbar und werde Sie nicht vergessen, wenn – wenn …«

»Wenn Sie mit dem Leben davonkommen? Ja, Mr. Wood, aber schieben Sie es nicht zu lange hinaus. Sie sind gekennzeichnet, Kapitän, und Ihre Feinde werden bald einen Schlag gegen Sie führen, heute, morgen, irgend wann. Sie behaupten, M'Faught habe seine Millionen nicht auf redlichem Wege erworben.«

»Ist das begründet?« fiel ich ihm rasch ins Wort.

»Bully M'Faught war ein schlauer Geselle und mag wohl einige Geschäfte gemacht haben, die nicht ganz dreizehnlötig waren, aber auf eine Zelle im Staatsgefängnis hatte er ebensowenig Anspruch, als die Leute der Wall Street, gegen die er kämpfte. Jeder Stock ist gut genug, einen Hund damit zu prügeln, und Ihre Feinde werden den Mund schon voll nehmen und von der Herausgabe unrechtmäßig erworbenen Gutes reden, denn das klingt sehr schön. Aber ich bin nicht der Ansicht, daß Sie Grund haben, sich den Schlaf durch den Gedanken rauben zu lassen, ob Sie Witwen und vaterlosen Waisen Ersatz schulden – jedenfalls nicht eher, als bis er Ihnen aufgezwungen wird, was möglicherweise geschieht.«

»Und Sie könnten mich davor bewahren?«

»Oder vor noch Schlimmerem, und Sie thäten am Ende doch wohl, unser Anerbieten in Erwägung zu ziehen. Wenn wir Ihnen von Nutzen sein können – unsre Telephonnummer ist 2873, und ich werde zu jeder Zeit, Tag und Nacht, bereit sein, Ihren Anruf selbst oder durch einen Stellvertreter zu beantworten. Auch meine Adresse will ich Ihnen übergeben: Norfolk Street 39, Strand. Dort wohne ich, und es wird mir zur Genugthuung gereichen, Ihre Anweisungen entgegenzunehmen und – falls es nicht zu spät ist – Ihnen prompte Hilfe zu leisten. Guten Abend, Kapitän; überlegen Sie sich sorgfältig, was ich Ihnen gesagt habe.«

Was sollte ich von alledem denken? Sollte ich es ernst nehmen? In allen Schulbüchern hatte-ich von den Schlingen und Fallstricken großen Reichtums gelesen, aber niemals von Gefahren so seltsamer und furchtbarer Art geträumt – wer hätte auch darauf verfallen können? – als sie mich bedrohten, wenn ich der wunderbaren Erzählung jenes Menschen Glauben schenken durfte.

Allein ich hatte noch ein andres und angenehmeres Geschäft zu erledigen, und das war, Frida Fairholme aufzusuchen. Demnach machte ich mich auf den Weg nach dem Parke, wo ich ihr zu begegnen hoffte. Während ich Piccadilly hinabging, rief mich jemand an, und mich umwendend, sah ich einen mir bekannten Herrn Namens Lawford, einen großen, ungeschlachten Menschen mit einer fetten Stimme und pechschwarzem Barte, der so unverkennbar gefärbt war, daß er ihn älter erscheinen ließ und seiner bleichen Gesichtsfarbe einen ungesunden Ton verlieh. Sein Benehmen war schmeichlerisch und kriechend – von einer gemachten Biederkeit, der man unwillkürlich mißtraute. Niemals hatte ich mich besonders zu ihm hingezogen gefühlt, allein er that immer so, als habe er mich höllisch gern.

Diesen Lawford hatte ich jenseits des Atlantischen Ozeans auf einer der westindischen Inseln kennen gelernt, als mich mein letzter Auftrag dahingeführt hatte. Auf der Rückreise waren wir uns an Bord des Dampfers wieder begegnet, und ich hatte ziemlich viel mit ihm verkehrt. Damals war er auf dem Wege nach England, wo er sich und alle andern Menschen, mich einbegriffen, reich machen wollte. Der Mann war mir, wie ich gestehen muß, sehr amüsant, denn seine Pläne waren grandios, und er hatte ein so unvermeßliches Vertrauen auf sich selbst und auf die Dummheit des britischen Publikums.

»Ja, ich werde sie gründlich, hineinlegen und dann mit der Beute abziehen. Sie thäten wohl daran, Kapitän, wenn Sie sich mit mir verbänden. Sie sollten mal sehen, wie reich Sie würden. Ich kann über fünfundsiebzigtausend Acker Land verfügen, das voll von Gold steckt. Der größte Teil davon gehört mir, Rufus Lawford, aber ich gebe es nicht her, außer wenn die verfluchten Kapitalisten sehr tief in den Beutel greifen, und das werden sie thun, wenn sie meine Prospekte lesen und meine Zauberzunge hören.«

Indessen hatte es Lawford doch nicht so leicht gefunden, die Einfältigen in der City zu verlocken, und es war ihm in den auf seine Ankunft folgenden Monaten bald gut, bald schlecht gegangen, und wenn ich ihm begegnete, was von Zeit zu Zeit vorkam, war er manchmal ganz fein, manchmal aber wieder wie ein Gassenkehrer gekleidet. Häufig war er gerade im Begriff, ein riesenhaftes Geschäft zu machen, dann wieder war er in der tiefsten Verzweiflung und borgte ein Goldstück »auf Rechnung« des großen Vermögens, das er mir eines Tages aufzudrängen hoffte. Augenscheinlich hatte er kein großes Glück bei seinen Unternehmungen, allein er verkehrte immer noch in den an den Rockschößen der Geldwelt hängenden fragwürdigen Kreisen, wo jedermann gegen jedermann steht und offene Plünderung mehr oder weniger die Regel ist.

Ihm im Westende zu begegnen, überraschte mich einigermaßen, und das sagte ich ihm auch, als er mich mit einer Zeitung in der Hand überholte.

»Ach was, ich genehmige mir eben einen Feiertag; die Dummköpfe da weiter östlich wollen nicht anbeißen, und deshalb dachte ich, ich wollte mal im Parke etwas frische Luft schnappen. Ihnen zu begegnen, habe ich freilich nicht erwartet,« sagte er, und das war eine überlegte Lüge, denn später bekam ich Veranlassung zu der Annahme, daß er gerade in der Absicht, mir zu begegnen, gekommen war. »Habe Ihren Namen in den Zeitungen gelesen; nehme wenigstens an, daß Sie gemeint sind. Die ganze Geschichte steht darin. Ein schönes Vermögen, mein junger Freund, sehr schön. Wünsche Ihnen Glück!«

Meine Dankesworte klangen vielleicht nicht allzu warm, aber der Mensch war mir lästig, und ich vermutete, daß seine Annäherung der erste Angriff auf meine neu erworbenen Millionen sei.

»Daß ich Sie getroffen habe, Kapitän Wood, ist mir außerordentlich lieb, denn ich bin vielleicht im stande, Ihnen einen kleinen Rat zu geben. Sie werden von allen Seiten angegriffen werden – Ihr Kapitalisten seid ja das natürliche Wild der Gründer. Denen gehen Sie aber nur recht weit aus dem Wege – Sie haben keine Ahnung, was für eine Masse von Spitzbuben es auf der Welt gibt. Trauen Sie ihnen nicht – nicht einem von ihnen. Wenn Sie sich in einer schwierigen Lage befinden, oder wenn Sie ein paar Tausend zum Spielen übrig haben, dann kommen Sie nur zu mir. Ihnen zu dienen, wird mir eine große Freude machen – um Ihrer selbst und um alter Zeiten willen, denn ich habe Bully M'Faught sehr gut gekannt.«

»O, wirklich? Dann erzählen Sie mir doch etwas von ihm,« fragte ich, denn ich war begierig, etwas über den Mann zu hören, dessen Vermögen mir auf so seltsame Weise zugefallen war.

»Ja, ich habe den alten M'Faught gekannt, das will ich meinen – sehr gut habe ich ihn gekannt; auch Geschäfte habe ich mit ihm gemacht, aber leider nicht so viele, als ich wohl gewünscht hätte. Hätte ich mich auf ihn stützen können, so würde ich mich jetzt im Golde wälzen. Aber man mußte für ihn sein, nicht wider ihn. Einigen hat er auf die Beine geholfen – aber noch mehr hat er zu Grunde gerichtet – ganz und gar. Sie brauchen sich aber darüber keine grauen Haare wachsen zu lassen, ob er seine Dollars auf die Gebeine toter Menschen aufgebaut oder die Heiligen bestohlen hat; Sie werden jedenfalls zähe festhalten, was er gesammelt hat.«

Mein Lachen klang etwas gezwungen, aber wer war denn schließlich dieser Lawford, und was brauchte mir an dem zu liegen, was er mir vorschwindelte?

»Gehen Sie bald in das Land Gottes hinüber, Kapitän Wood? Dann kann ich Ihnen nur empfehlen, mich mitzunehmen, denn Sie werden wohl eines Schäferhundes bedürfen, und einen geriebeneren als mich finden Sie nicht leicht.«

»Sie sind sehr freundlich, und ich werde mir's überlegen, aber ich bezweifle, ob ich schon bald hinübergehen werde. – Hier bin ich jedoch an meinem Ziele.«

Wir waren an der Thür meines Klubs angelangt, des Nelson und Wellington-Klub, oder, wie er abgekürzt genannt wird, des N. und W.

»Ist das Ihre Kneipe? Hübsches Lokal, sollte ich meinen. Gibt's da auch einen richtigen Manhattan Cocktail?«

Dieser Wink mit dem Zaunpfahl glitt an mir ab, denn ich hatte genug von Mr. Lawford und wollte ihn los werden.

»Na, guten Abend auch,« sagte er. »Wenn Sie in Hinsicht auf eine Fahrt über die Pfütze andern Sinnes werden, lassen Sie es mich ja wissen. Aber London wird Ihnen wohl gut genug sein. Ein höchst angenehmer Aufenthalt, falls man das nötige Kleingeld hat, und jetzt können Sie ja das Beste haben, was zu kaufen ist, wenn es sich der Mühe lohnt. Auf Wiedersehen.«

Konnte ich wirklich alles haben, was ich wünschte? Dessen war ich keineswegs so sicher. Etwas gab es, wonach ich mit allen Kräften sehnte, und doch war ich durchaus nicht gewiß, ob ich es gewinnen würde. Lawfords zufällige Worte hatten mir das mit großem Nachdruck zu Gemüte geführt, und jetzt war es mein vornehmstes Ziel, meinen Glücksfall als Stufe zu einem andern zu benützen.

Welche Wirkung würde die Nachricht von meiner großen Erbschaft auf Frida Fairholme ausüben? Das war die folgenschwere Frage, die ich mir seit meiner Unterredung mit Mr. Quinlan unablässig vorgelegt hatte. Jetzt lehnte ich mich, angethan mit meinem besten Hute und Oberrock, in dessen Knopfloch eine frische Blume steckte, an das Geländer von Rotten Row Promenade im Hyde Park. in der Hoffnung, daß sie mich sehen und daß ich Gelegenheit finden werde, ein Wort mit ihr zu sprechen.

Aber ich wartete und wartete, und sie kam nicht, so daß ich endlich enttäuscht und verstimmt den Park verließ und mich nach Hause begab, um mich zum Diner anzukleiden. Gerade als ich die Hausthür mit meinem Schlüssel öffnen wollte, drängte sich jemand an mir vorbei, ein schlecht gekleideter Mensch, scheinbar einer von den armseligen Wichten, wie sie sich so oft in den Straßen umhertreiben und nach einer Gelegenheit ausschauen, ein paar Heller zu verdienen.

Der Vorfall machte im Augenblick keinen Eindruck auf mich, allein später entsann ich mich seiner als des ersten Gliedes einer Kette von eigentümlichen Ereignissen, die mir bevorstanden.


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