Christian Dietrich Grabbe
Hannibal
Christian Dietrich Grabbe

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V König Prusias

Hauptstadt Bithyniens

Thronsaal im Palast des Königs Prusias

Der König Prusias kommt mit seinem Gefolg und setzt sich auf den Thron. Tiefe Stille. Ein Höfling niest

Prusias. Was vernehm ich?

Höfling. Großer Monarch, verzeihe – Ich – ein unwiderstehlicher Drang –

Prusias (mit gedämpfter Stimme). Jeden Drang der Natur kann die Kunst besiegen, wie Du in den Schulen zu Byzanz, wohin ich Dich auf meine Kosten gesandt, hättest erlernen können. Dein Prusten, gar klingend wie eine Anspielung auf meinen und meiner Ahnen Namen –

Höfling. Behüten mich die Götter vor solchem Frevel – ich prustete nicht, ich nieste nur.

Prusias. Der Verdacht schon gilt bei Königen für ein Vergehen, denn wir können bei der Menge unsrer Schmeichler und unsrer heimlichen Feinde nicht erraten, ob ein Narr lobhudeln, ein Feind uns ausspotten will. Entferne Dich, und erscheine nicht eher, als bis zwanzig Jahre abgelaufen sind und Du Deine Sitten gebessert hast, wieder vor meinem Hof.

(Der Höfling ab.)

Protovestiarios – Wartet Hannibal draußen?

Protovestiar. Er harret auf die Audienz.

Prusias. Ist er audienzmäßig gekleidet, Protovestiarios?

Protovestiar. Einfach, doch anständig, wie es Schutzflehenden geziemt.

Prusias. Er hat mich in einiger Hinsicht verletzt. Warum kam er nicht gleich zu mir, sondern ging erst zum syrischen Antiochus, der seine Ratschläge ohne Umsicht zum eignen Schaden benutzt, und ihn dann verlassen hat?

Protovestiar. Im Unglück wählt der betäubte Mensch oft ganz verkehrt.

Prusias. Es freut mich, daß auch die Arbeiten meiner Erholungsstunden Früchte bringen, und Du diesen Spruch aus meinem Trauerspiele Sesostris Dir gemerkt. – Ruf und führe den Hannibal bis an den Rand des Purpurteppichs vor der Estrade meines Throns. (Zu den Höflingen.) Erstaunt nicht – Merkt euch vielmehr, ich habe mich von allen Seiten her unterrichtet, und gefunden, daß Hannibal zwar keine erlauchte, aber doch eine edle Person ist, der in Betracht seiner Taten als Krieger und der langen Reihe seiner Vorfahren auch erlaucht wäre, wären die letzteren nicht Kaufleute gewesen. Darum darf er kommen grad bis an des Teppichs goldfranzigen Rand.

Hannibal (vom Protovestiar begleitet, tritt ein. Er verbeugt sich ehrfurchtsvoll dreimal gegen den König, der sich dabei auf dem Thron noch steifer sitzen macht, und knieet mit dem rechten Knie an dem Rande des Teppichs. Tiefe Stille.)

Prusias (der sehr ernst zugesehen, nach einer Pause). Stehe auf!

(Hannibal erhebt sich.)

Du begehrst?

Hannibal. Hoher Herr, ich habe nichts zu begehren, nur zu bieten. (In sich.) Dieser Mensch hat eine knisternde Stimme, als ginge am Festtag ein banger Dienstbote über den Sand des Hausflures!

Prusias (für sich). Sein Benehmen nicht übel –

Hannibal. Ich biete mich zu Deinem Krieger an.

Prusias. Das kann ich noch nicht gewähren – (Zu einem Höfling.) Gib!

(Der Höfling überreicht ihm ein Konvolut Landkarten, Prusias entfaltet sie und zeigt passenden Orts sie dem Hannibal.)

Ich habe Deine Kriegszüge genau durchstudiert, und finde, Du hast oft recht unvorsichtig gehandelt.

Hannibal. Unvorsichtig, Herr? (Für sich.) Eher hätte ich vermutet, daß er mir übertriebene Vorsicht vorgeworfen – Doch er und diese Höflinge – eine neue Art Schlachtfeld! Wir wollen mit andren Waffen, mit Verbeugungen und dergleichen uns darauf versuchen (Laut.) Belehre mich, König.

Prusias. Das will ich. – Dein ganzer Feldzug fing quer an –

Hannibal (für sich). Werd ich ein Schuljunge?

Prusias. Weshalb das gefährliche Abenteuer versucht, über Pyrenäen und Alpen zu steigen, da Du weit rascher, weit ungefährdeter über das Meer nach Italien eilen konntest?

Hannibal (für sich). Eine blinde Sau findet auch eine Eichel! Er hat recht! (Laut.) Mein damals jugendlicher Geist verlockte Mich.

Prusias. Und Du hast, wie ich erfahren, an Deinem Bruder Hasdrubal den ähnlichen Übergang streng getadelt.

Hannibal. Das tut mir leid.

Prusias. So der Mensch – Er sieht die fernsten Nebelsterne eher, als seine eigenen Fehler. – Dann, Bester, ist in Deinen Schlachten durchaus kein System. Bisweilen hast Du Deine Reiter rechts, bisweilen links, bald in der Mitte, und mit Deinem Fußvolk gehts ebenso.

Hannibal. Meine Entschuldigung sei, daß ich mich nach Zeit- und Ortsgelegenheit richten mußte –

Prusias. Die gilt nicht, weder in der Kunst noch im Krieg: das System nur ist ewig und nach dieser Richtschnur müssen sich Heere richten, Gedichte ordnen, und das System stirbt nicht, geschäh ihm auch ein Unfall

Hannibal. Hoher Herr, Dein Wissen scheint aus einer so tiefdurchdachten Praxis –

Prusias . Ja wohl. Mein Vater ließ mich am byzantinischen Hof als Ehrenoffizier bei der Leibwacht erziehen. (Er erhebt sich.) Pantisaalbaderthilphichidis!

Der Leibpage (vorstehenden Namens, tritt vor). Herr?

Prusias. Geleite Hannibal zu der ihm bestimmten Wohnung. (Mit Wohlbehagen.) Hörst Du, Pantisaalbaderthilphichidis?

(Alle außer Prusias entfernen sich. Ein Maler tritt aus dem Hintergrunde.)

Hast Du sie entworfen, die zwischen mir und dem Hannibal vorgefallene, denkwürdige Szene?

Maler. Wie Du befahlst, und unbemerkt – Hier ist die Skizze –

Prusias (hält sie ins gehörige Licht). Im ganzen gut Dein Stift ist indes noch hier und da zu scharf – Mein Haar hat daher etwas Dürres, als trüg ich trocknes Heu auf dem Kopf, – das tut Deine ängstliche Hand, gewöhne Dir sie ab. Ununterbrochene Übung das beste Mittel dagegen. – Das Knieen Hannibals brav – etwas zu lang hast Du ihn zu meinen Füßen hingereckt, jedoch das ist byzantinischer Stil, und schadet meiner Würde nicht, welche in allen Stücken die Hauptsache bleibt.


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