Johann Wolfgang von Goethe
Propyläen und Umkreis
Johann Wolfgang von Goethe

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Winkelmann und sein Jahrhundert

In Briefen und Aufsätzen herausgegeben von Goethe

Ihro der Herzogin
Anna Amalia
von Sachsen-Weimar und Eisenach
Hochfürstlichen Durchlaucht

Durchlauchtigste Fürstin,
Gnädigste Frau,

Jenes mannigfaltige Gute, das Kunst und Wissenschaft Ew. Durchlaucht verdanken, wird gegenwärtig durch die gnädigste Erlaubnis vermehrt, nachstehende Winkelmannische Briefe dem Druck übergeben zu dürfen. Sie sind an einen Mann gerichtet, der das Glück hatte sich unter Höchstihro Diener zu rechnen, und bald nach jener Zeit Ew. Durchlaucht näher zu leben, als Winkelmann sich in der ängstlichen Verlegenheit befunden hatte, deren unmittelbare dringende Schilderung man hier nicht ohne Teilnahme lesen kann.

Wären diese Blätter in jenen Tagen Ew. Durchlaucht vor die Augen gekommen, so hätte gewiß das hohe wohltätige Gemüt einem solchen Jammer gleich ein Ende gemacht, hätte das Schicksal eines vortrefflichen Mannes anders eingeleitet und für die ganze Folge glücklicher gelenkt.

Doch wer sollte wohl des Möglichen gedenken, wenn des Geschehenen so viel Erfreuliches vor uns liegt?

Ew. Durchlaucht haben seit jener Zeit so viel Nützliches und Angenehmes gepflanzt und gehegt, indes unser fördernder und mitteilender Fürst Schöpfungen auf Schöpfungen häuft und begünstigt.

Ohne Ruhmredigkeit darf man des in einem beschränkten Kreise nach innen und außen gewirkten Guten gedenken, wovon das Augenfällige schon die Bewunderung des Beobachters erregen muß, die immer höher steigen würde, wenn sich ein Unterrichteter das Werden und Wachsen darzustellen bemühte.

Nicht auf Besitz, sondern auf Wirkung war es angesehen, und um so mehr verdient die höhere Kultur dieses Landes einen Annalisten, je mehr sich gar manches früher lebendig und tätig zeigte, wovon die sichtbaren Spuren schon verloschen sind.

Mögen Ew. Durchlaucht, im Bewußtsein anfänglicher Stiftung und fortgesetzter Mitwirkung, zu jenem eigenen Familienglück, einem hohen und gesunden Alter, gelangen und noch spät einer glänzenden Epoche genießen, die sich jetzt für unsern Kreis eröffnet, in welcher alles vorhandene Gute noch immer gemehrt, in sich verknüpft, befestigt, gesteigert und der Nachwelt überliefert werden soll.

Da ich mir denn zugleich schmeicheln darf, jener unschätzbaren Gnade, wodurch Höchstdieselben mein Leben zu schmücken geruhten, mich auch fernerhin zu erfreuen, und mich mit verehrender Anhänglichkeit unterzeichne

Ew. Durchlaucht

untertänigster
J. W. v. Goethe.

Vorrede

Die in Weimar verbündeten und mehrere Jahre zusammen lebenden Kunstfreunde dürfen ihres Verhältnisses zu dem größeren Publikum wohl erwähnen, indem sie, worauf doch zuletzt alles ankommt, sich immer in gleichem Sinn und nach gleichen wohlerprobten Grundsätzen geäußert. Nicht daß sie auf gewisse Vorstellungsarten beschränkt hartnäckig einerlei Standpunkt behauptet hätten, gestehen sie vielmehr gern durch mannichfaltige Mitteilung gelernt zu haben; wie sie denn auch gegenwärtig mit Vergnügen gewahr werden, daß ihre Bildung sich an die in Deutschland immer allgemeiner werdende höhere Bildung mehr und mehr anschließt.

Sie erinnern mit einem heitern Bewußtsein an die Propyläen, an die nunmehr schon sechs Ausstellungen kommentierenden Programme, an manche Äußerungen in der Jenaischen Literaturzeitung, an die Bearbeitung der Cellinischen Lebensbeschreibung.

Wenn diese Schriften nicht zusammengedruckt und gebunden sind, wenn sie nicht Teile eines einzigen Werkes ausmachen, so sind sie doch aus eben demselben Geiste hervorgegangen. Sie haben auf das Ganze gewirkt, wie uns zwar langsam, aber doch erfreulich genug, nach und nach bekannt geworden, so daß wir eines mannichfaltig erfahrnen Undanks, eines lauten und schweigenden Gegenwirkens wohl kaum gedenken sollten.

Unmittelbar schließt sich vorliegender Band an die übrigen Arbeiten an und wir erwähnen von seinem Inhalt hier nur das notwendigste.

Entwurf einer Geschichte der Kunst des achtzehnten Jahrhunderts

Für den Künstler, wie für den Menschen, ist eine geschichtliche Ansicht verwandter Zustände zu schnellerer Bildung höchst vorteilhaft. Jeder einzelne Mensch, besonders der tüchtige, kommt sich früher viel zu bedeutend vor, und so nimmt er auch im Vertrauen auf selbständige Kraft viel zu geschwind für diese oder jene Maxime Partei, handelt und arbeitet auf dem eingeschlagenen Wege mit Lebhaftigkeit vor sich hin, und wenn er zuletzt seine Einseitigkeit, seinen Irrtum einsehen lernt, so wechselt er eben so heftig, ergreift eine andre vielleicht eben so fehlerhafte Richtung und hält sich an einen eben so mangelhaften Grundsatz. Nur erst spät wird er seine Geschichte gewahr und lernt einsehen, wie viel weiter ihn eine stetige Bildung nach einem geprüften Leitfaden hätte führen können.

Wenn der Kenner seine Einsicht bloß der Geschichte verdankt, wenn sie den Körper zu den Ideen hergibt, aus welchen die Kunst entspringt; so ist auch die Geschichte der Kunst für den jungen Künstler von der größten Bedeutung, nur müßte er nicht in ihr etwa nur trübe, leidenschaftlich zu erjagende Vorbilder, sondern sich selbst auf seinem Standpunkt, in seiner Beschränkung gleichnisweise gewahr werden. Aber leider ist selbst das kaum Vergangene für den Menschen selten belehrend, ohne daß man ihn deshalb anklagen kann. Denn indem wir die Irrtümer unsrer Vorfahren einsehen lernen, so hat die Zeit schon wieder neue Irrtümer erzeugt, die uns unbemerkt umstricken und wovon die Darstellung dem künftigen Geschichtschreiber, ebenfalls ohne Vorteil für seine Generation, überlassen bleibt.

Doch wer mag solchen trübsinnigen Betrachtungen nachhängen und nicht lieber sich bestreben die Klarheit der Ansichten in seinem Fache nach Möglichkeit zu verbreiten. Dies machte sich der Verfasser jenes Entwurfs zur Pflicht, dessen Schwierigkeit die Kenner einsehen, dessen Mängel sie bemerken, dessen Unvollständigkeit sie nachhelfen und dadurch die Möglichkeit vorbereiten mögen, daß aus diesem Entwurf künftig ein Werk entstehen könne.

Winkelmanns Briefe an Berendis

Briefe gehören unter die wichtigsten Denkmäler, die der einzelne Mensch hinterlassen kann. Lebhafte Personen stellen sich schon bei ihren Selbstgesprächen manchmal einen abwesenden Freund als gegenwärtig vor, dem sie ihre innersten Gesinnungen mitteilen, und so ist auch der Brief eine Art von Selbstgespräch. Denn oft wird ein Freund, an den man schreibt, mehr der Anlaß als der Gegenstand des Briefes. Was uns freut oder schmerzt, drückt oder beschäftigt, löst sich von dem Herzen los, und als dauernde Spuren eines Daseins, eines Zustandes sind solche Blätter für die Nachwelt immer wichtiger, je mehr dem Schreibenden nur der Augenblick vorschwebte, je weniger ihm eine Folgezeit in den Sinn kam. Die Winkelmannischen Briefe haben durchaus diesen wünschenswerten Charakter.

Wenn dieser treffliche Mann, der sich in der Einsamkeit gebildet hatte, in Gesellschaft zurückhaltend, im Leben und Handeln ernst und bedächtig war; so fühlte er vor dem Briefblatt seine ganze natürliche Freiheit und stellte sich öfter ohne Bedenken dar, wie er sich fühlte. Man sieht ihn besorgt, beängstet, verworren, zweifelnd und zaudernd, bald aber heiter, aufgeweckt, zutraulich, kühn, verwegen, losgebunden bis zum Zynismus, durchaus aber als einen Mann von gehaltnem Charakter, der auf sich selbst vertraut, der, obgleich die äußern Umstände seiner Einbildungskraft so mancherlei wählbares vorlegen, doch meistens den besten Weg ergreift, bis auf den letzten ungeduldigen, unglücklichen Schritt, der ihm das Leben kostete.

Seine Briefe haben, bei den allgemeinen Grundzügen von Rechtlichkeit und Derbheit, je nachdem sie an verschiedene Personen gerichtet sind, einen verschiedenen Charakter, welches immer der Fall ist, wenn ein geistreicher Briefsteller sich diejenigen vergegenwärtigt, zu denen er in die Entfernung spricht, und also eben so wenig als in der Nähe das Gehörige und Passende vernachlässigen kann.

So sind, um nur einiger größeren Sammlungen Winkelmannischer Briefe zu gedenken, die an Stosch geschriebenen für uns herrliche Dokumente eines redlichen Zusammenwirkens mit einem Freund zum bestimmten Zwecke, Zeugnisse von großer Beharrlichkeit in einem schweren, ohne genügsame Vorbereitung leichtsinnig übernommenen, mit Mut glücklich durchgeführten Geschäft, durchwebt mit den lebhaftesten literarischen, politischen, Sozietäts-Neuigkeiten, ein köstliches Lebensbild, noch interessanter, wenn sie ganz und unverstümmelt hätten gedruckt werden können. Schön ist auch die Freimütigkeit selbst in leidenschaftlich mißbilligenden Äußerungen gegen einen Freund, dem der Briefsteller durchaus so viel Achtung als Liebe, so viel Dank als Neigung zu bezeigen nicht müde wird.

Das Gefühl von eigner Superiorität und Würde, verbunden mit echter Hochschätzung anderer, der Ausdruck von Freundschaft, Freundlichkeit, Mutwille und Neckerei, wodurch sich die Briefe an die Schweizer charakterisieren, machen diese Sammlung äußerst interessant und liebenswert, wobei sie zugleich genugsam unterrichtend ist, obgleich Winkelmanns Briefe im Ganzen nicht unterrichtend genannt werden können.

Die ersten Briefe an den Grafen Bünau in der schätzbaren Daßdorfischen Sammlung zeugen von einem niedergedrückten, in sich selbst befangenen Gemüte, das an einem so hohen Gönner kaum hinaufzublicken wagt. Jenes merkwürdige Schreiben, worin Winkelmann seine Religionsänderung ankündigt, ist ein wahrer Galimathias, ein unglücklicher verworrener Aufsatz.

Aber um jene Epoche begreiflich, selbst unmittelbar anschaulich zu machen, dient nunmehr die erste Hälfte unsrer Briefsammlung. Sie sind zum Teil aus Nöthenitz, zum Teil aus Dresden an einen innig vertrauten Freund und Kameraden gerichtet. Der Briefsteller zeigt sich mit seinen dringenden, unüberwindlichen Wünschen, in dem peinlichsten Zustande, auf dem Wege zu einem entfernten, neuen, mit Überzeugung gesuchten Glück.

Die andre Hälfte ist aus Italien geschrieben. Sie behalten ihren derben, losgebundenen Charakter, doch schwebt über ihnen die Heiterkeit jenes Himmels, und ein lebhaftes Entzücken an dem erreichten Ziele beseelt sie. Überdies geben sie, verglichen mit andern schon bekannten gleichzeitigen, eine vollständigere Anschauung seiner ganzen Lage.

Die Wichtigkeit dieser Sammlung, vielleicht mehr für Menschenkenntnis als für Literatur, zu fühlen und zu beurteilen, überlassen wir empfänglichen Gemütern und einsichtigen Geistern, und fügen einiges über den Mann an den sie geschrieben sind, wie es uns mitgeteilt worden, hinzu.

 

Hieronymus Dieterich Berendis, geboren zu Seehausen in der Altmark im Jahre 1720 studierte zu Halle die Rechte und war, nach seiner akademischen Zeit, einige Jahre Auditeur bei dem königlich preußischen Regiment Husaren, die der Farbe nach gewöhnlich die schwarzen, aber nach ihrem damaligen Chef eigentlich von Ruesch genannt wurden. Er setzte, sobald er jenes rohe Leben verlassen hatte, seine Studien eine Zeitlang in Berlin fort. Bei einem Aufenthalte zu Seehausen fand er Winkelmannen, mit dem er sich freundschaftlich verband und später, durch dessen Empfehlung, bei dem jüngsten Grafen Bünau als Hofmeister angestellt wurde. Er führte denselben nach Braunschweig, wo sie das Carolinum benutzten. Da der Graf nachher in französische Dienste trat, brachte dessen Vater, damals Weimarischer Minister, unsern Berendis in gedachte fürstliche Dienste, wo er zuerst als Kriegsrat, nachher als Kammerrat und als Chatullier bei der Herzogin Frau Mutter stand. Er starb 1783 am 26ten Oktober zu Weimar.

 

Schilderung Winkelmanns

Wenn man dem würdigsten Staatsbürger gewöhnlich nur einmal zu Grabe läutet, er mag sich übrigens noch so sehr um Land und Stadt, im Großen oder Kleinen, verdient gemacht haben; so finden sich dagegen gewisse Personen, die durch Stiftungen sich dergestalt empfehlen, daß ihnen Jahresfeste gefeiert werden, an denen der immerwährende Genuß ihrer Milde gepriesen wird.

In diesem Sinne haben wir alle Ursache, das Andenken solcher Männer, deren Geist uns unerschöpfliche Stiftungen bereitet, auch von Zeit zu Zeit wieder zu feiern und ihnen ein wohlgemeintes Opfer darzubringen.

Von dieser Seite betrachte man das Wenige, was gleichdenkende Freunde, als Zeugnis ihrer Gesinnungen, nicht als Darstellung seiner Verdienste, an dem Feste darbringen, welches bei Gelegenheit der gefundenen und hier aufgestellten Briefe von allen schönen Seelen und allen Geistern höherer Bildung gewiß gefeiert wird.

Entwurf einer Kunstgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts

Vorwort

Die Kunstgeschichte, sobald man von ihr mehr als bloß chronikmäßige Anzeige der Künstler und Kunstwerke verlangt, wenn sie urteilen, würdigen, entwickeln soll, entgeht nicht leicht dem Einfluß des eben herrschenden Geschmacks; denn auch der unbefangenste Geschichtschreiber und Kunstrichter vermag nur teilweise sich über die gangbaren Meinungen und Geschmacksbegriffe zu erheben. Daher kommt es, daß der kritische Teil mancher sonst schätzbaren Schriftsteller, wie z. B. eines Vasari, Malvasia, Pascoli und selbst Bellori, veraltet, ja beinahe völlig unbrauchbar geworden ist. Zur Bildung des Urteils der Künstler und Kunstliebhaber dürfte es daher von bedeutendem Nutzen sein, wenn die ganze Geschichte der neuern Kunst, neuern Ansichten gemäß, kritisch behandelt würde.

Damit nun wenigstens ein Versuch dieser Art nicht fehlen möchte, wählte der Verfasser denjenigen Teil zu bearbeiten, der unserer Zeit und unserm Interesse am nächsten liegt. Seine Absicht geht aber nicht auf eine allgemeine Erzählung von den Schicksalen und Werken der Kunst in allen Ländern; er will den Lesern nur das Beste bekannt machen, was in Italien und vornehmlich zu Rom, als dem Mittelpunkt und Sammelplatz der besten Künstler aller Nationen geschehen, wo auch zugleich die meisten erforderlichen Belege sich noch beisammenfinden; denn alle Angaben, die nicht bloß historisch sind, sondern Kunstwerke betreffen und Urteile enthalten, sollen sich auf wirkliche Anschauungen gründen.

Fragt jemand, warum nicht allein von der Kunst des XVIII. Jahrhunderts geredet werde, sondern ein großer Teil der vorkommenden Betrachtungen den Geschmack, die Werke und die Meister des XVII. Jahrhunderts betreffen; so antwortet der Verfasser, daß es ihm unumgänglich nötig schien, Blicke auf frühere Zeiten zurückzuwerfen, um damit sich und den Lesern einen Standpunkt außer dem XVIII. Jahrhundert zu bereiten, von welchem dasselbe überschaut werden kann.

Der bedenklichste Umstand bei dem Unternehmen war ohne Zweifel der, über Verdienst und Werke so mancher noch lebenden Künstler frei urteilen zu müssen. Unparteische werden indes überall nur warme Liebe für das Rechte, das Gute und strengen Ernst, durchaus aber weder Gunst noch Abneigung wahrnehmen.

Noch ist beiläufig anzumerken, daß, wenn von Kunstwerken aus Kirchen oder Palästen die Rede sein wird, ohne hinzugefügte nähere Ortsbestimmung, man dergleichen Werke jedesmal in Rom zu suchen hat.

Einleitung Sechszehntes und siebzehntes Jahrhundert

Malerei Geschichtliche Darstellungen

Nach dem Ableben der großen Meister, welchen die bildende Kunst ihren höchsten Glanz und die Würde verdankt, die sie in neuern Zeiten erreicht hat, artete dieselbe bald, und fast durchgängig, in unlöbliche Manier aus, weil Schüler und Nachahmer weniger den Geist jener Kunst erfaßt, als bloß den Geschmack der Formen kopiert und sich, mit blinder Ergebung, an überlieferte Regeln gehalten hatten. Man wird freilich den Friedrich Barocci,Friedr. Barocci oder Barozzi, zu Urbino geb., starb daselbst 1612. im 84Sten J. der, mit eigentümlichem Talent, geistreich, lieblich, ja manchmal unübertroffen zart gedacht, auch den Pellegrin Tibaldi,Pellegrin Pellegrini, zugenannt Tibaldi, war zu Bologna 1522. geb., st. zu Mayland 1591. od. 1596. welcher ein glücklicher Nachahmer des Michel Angelo war, und im Gewaltigen bisweilen sein Vorbild fast erreichte, den ParmeggianinoFranz Mazzoli, genannt Parmeggianino, geb. zu Parma 1504, st. 1540. und andere als Ausnahmen erkennen müssen; gleichwohl konnten auch diese dem manierierten Wesen nicht völlig entgehen, und weil sie von andern wieder bloß nachgeahmt, nicht ergründet wurden, so schien der Kunst, durch ausartende Entfernung von Natur und Wahrheit, ein plötzlicher Verfall zu drohen.

Der Reiz der Neuheit verschaffte zwar dem Manierierten Eingang und Beifall; da es aber, seinem Wesen nach, einförmig ist, so wurde man desselben bald überdrüssig, eine allgemeine Reform des Kunstgeschmacks bereitete sich also vor, und fast zu gleicher Zeit, traten an verschiedenen Orten, Künstler auf, welche sich wieder mehr an die Natur und reinere Muster hielten. Die vorzüglichsten waren Jacob Cimenti,Jacob Cimenti od. Chimenti starb 1640. im 86sten Jahr seines Alters. genannt Empoli, und Ludwig Cardi,Lud. Cardi st. zu Rom 1613. 54 Jahre alt. welcher auch unter dem Namen Cigoli bekannt ist, beide zu Florenz. Julius Cäsar ProcacciniJul. Cäsar Procaccini starb 1626. ohngef. 78 Jahr alt. zu Mayland und die Carracci zu Bologna. Empoli gab das merkwürdige Beispiel: daß er einige Zeit im Geschmack der Manieristen gearbeitet, nachher aber ein trefflicher Nachahmer der Natur geworden war, wobei er sich das Kolorit und die Behandlungsweise der Venezianer zu eigen zu machen wußte, verbunden mit großer Kraft und schöner Wirkung. Cigoli hatte anfänglich auch die Venezianer zu Mustern erwählt; doch später seine Farbe, den Pinsel und die Beleuchtung hauptsächlich nach Correggio gebildet; Procaccini folgte diesem Meister in allen Stücken, und ist einer der glücklichsten Nachahmer desselben geworden. Zum völligen Umschwung und zur Verbesserung des Kunstgeschmacks trugen Ludwig, Augustin und Hannibal CarracciV. den drei Carracci ward Ludwig 1555. geb. und starb 1629. Augustin 1557. geb. starb 1602. Hannibal geb. 1560. starb 1609. vor allen andern am meisten bei, sowohl mit überwiegendem Verdienst ihrer eigenen Werke, als durch Stiftung der berühmten Malerschule, die so viele große und originelle Künstler hervorbrachte und den Sieg über die Sekte der Manieristen vollenden half.

Man hat die Caracci Eklektiker in der Kunst genannt; denn sie bildeten sich, indem sie an den Werken der größten alten Meister das Vorzüglichste erforschten, und solches nicht bloß in einer abgerissenen, zerstückelten Manier knechtisch nachahmten, sondern mit frei wirkendem Geist und Sinn alles zum harmonischen Ganzen vereinten, einen eigentümlichen, in allen seinen Teilen vollendeten Styl.Man fragte den Ludwig Carracci, welchen Maler er am meisten schätzte? Denjenigen, antwortete er, der von den Besten das Beste sich anzueignen versteht. Quello, disse, che il meglio da migliori togliendo sapra approfitarsene. Malvasia Felsina Pittrice parte terza. p.481.

Will man das Kunstvermögen eines jeden dieser drei großen Künstler genauer betrachten, so kann Ludwig, Vorgänger und Lehrer der beiden andern, vorzüglich als Original gelten. Er war der eigentliche Schöpfer dessen, was ihre Kunst und ihr Styl gemeinschaftlich sich Auszeichnendes und vor allen ihren Zeitgenossen Vorzügliches hatten. Die gewaltige Wirkung, durch kräftige breite Schattenpartien in seinen Bildern, ist ferner nie, weder vom Augustin noch vom Hannibal, ganz erreicht worden; und bei fast eben so mächtigen Formen lacht eine freundliche Grazie aus seinen Gestalten, von welcher wir manches Beispiel anführen könnten, uns aber, der Kürze wegen, bloß mit Erinnerung eines der allerreizendsten, nämlich der berühmten Gruppe dreier verführerischen Mädchen, im Gemälde von der Versuchung des heil. Benedictus zu St. Michele in Bosco über Bologna, begnügen.

Die Gemälde des Augustin Carracci unterscheiden sich, in wesentlichen Punkten, nicht sehr von den Arbeiten seines Oheims Ludwig, oder denen seines Bruders Hannibal; indessen ist ihm doch eine gewisse Vorliebe für poetisch allegorische Gedanken eigen, wie man unter andern an dem bekannten omnia vincit amor sehen kann. Von seinen freien Darstellungen sind einige in Hinsicht auf Erfindung vortrefflich. Das Blatt mit der Unterschrift ogni cosa vince l'oro ist ein derber, aber witziger Einfall, welcher den Zweck, Lachen zu erregen, bei denen, die sein Stachel nicht verwundet, schwerlich verfehlen wird; und in dem Blatt, wo der Satyr als Maurer mit Schurz und Senkblei vor einer liegenden Venus steht, verdient, wenn man auch übrigens die Darstellung nicht in Schutz nehmen mag, doch der sinnliche Übermut, recht wie er in einigen antiken Stücken dieser Gattung sonst nur vorkommt, Bewunderung. Die gedachten freien Darstellungen werden hier in der Absicht angeführt, Augustins Kunstcharakter zu unterscheiden, nicht aber, weil wir sie für seine allerbesten Produkte halten; denn er ist auch in ernsten Kompositionen zuweilen glücklich gewesen, wovon unter andern das berühmte Gemälde von der Kommunion des heil. Hieronymus zum Beispiel dienen kann. Da er sich viel mit Kupferstechen beschäftigte, so ist der Pinsel in seinen Gemälden wohl nicht ganz mit so freier Hand geführt, wie in den Werken des Bruders, oder des Oheims. Zuweilen geschah es auch, daß er, über dem Streben nach Großheit der Formen, in gigantische Gestalten ausschweifte. Hannibal Carracci ist, nach unserm Gefühl, unter diesen drei vortrefflichen Künstlern das größte Genie, ein mächtiger, riesenhafter Geist! in allem, was zur praktischen Kunst gehört, der unterrichtetste, der stärkste Zeichner und in Führung des Pinsels der Meisterhafteste. Ludwigs Talent erblickt man fast überall schon völlig ausgebildet, seine eigentliche Kunst blieb sich immer ziemlich gleich, und er scheint bloß durch die Übung größere Fertigkeit und Gewandtheit erworben zu haben. Beim Augustin hingegen, und noch entschiedener beim Hannibal, nimmt man ein wirkliches Fortschreiten, eine stufenweise Erhebung in der Kunst wahr. Mißmut und Krankheit in den spätern Jahren des Lebens sind wahrscheinlich Ursache, daß ihre damals verfertigten Arbeiten nicht immer diejenigen sind, welchen das höchste Lob zufällt.

Die Dresdner Galerie bewahrt unter ihren besten Schätzen eine ganze Folge Gemälde vom Hannibal, welche den Wißbegierigen die schönste Gelegenheit darbieten, über die verschiedenen Epochen der Kunst dieses Meisters Betrachtungen anzustellen.

Das allgemeine Kunstverdienst der Caracci, möchte man sagen, haben ihre großen Schüler gleichsam unter sich geteilt, teilweise gepflegt und veredelt. Guido ReniGuido Reni zu Bologna 1575. geb., st. daselbst 1642. gesellte anfänglich zu den ihm eigentümlichen zarten Gestalten starke Massen von Schatten und auffallende Lichtpartien, wie Ludwig Carracci sich ihrer zu bedienen pflegte, späterhin soll er auf Hannibals Vorschlag den hellem Ton gewählt haben; und gerne mögen wir glauben, daß solcher Rat nicht bloß gegeben worden, damit, wie die Geschichte meldet, eine totale Opposition gegen die Manier des Carravaggio gegründet würde; sondern weil gefällige Heiterkeit zum Talent des Guido unstreitig besser passen mußte, als dunkle Schatten blendendem Licht gewaltig entgegengesetzt.

DominichinoDomenico Zampieri, genannt Dominichino, zu Bologna 1581. geb., st. zu Neapel 1641. zeigte sich vorzüglich in der Ökonomie tiefgedachter Kompositionen, und ahmte mit glücklichem Erfolg schöne sowohl als große Formen der Natur nach und den Antiken.

Weniger als Guido oder Dominichino, scheint der gefällige AlbaniFrancesco Albani, ebenfalls zu Bologna geb., starb daselbst 1660. 82 Jahre alt. von der carraccischen Schule angenommen zu haben; denn ihr Einfluß äußert sich bei ihm fast bloß in den größern Werken, wo er Figuren im Styl seiner Meister zeichnete, aber nicht das Derbe, Kräftige derselben erreichen konnte. Leicht ist es möglich, daß zu den lieblichen kleinen Gemälden mit Nymphen und Amorinen, durch welche er den Liebhabern der Kunst vorzüglich bekannt ist, Stücke dieser Art von Aug. Carracci die erste Veranlassung gewesen sind, und zuverlässig dankt er der Schule den schönen Geschmack in landschaftlichen Beiwerken, welche seine meisten Arbeiten so herrlich schmücken.

Gute Wirkung des Ganzen durch breite Massen von Licht und Schatten zu erzielen, gelang vor andern dem Lanfranco,Johann Lanfranco, von Parma gebürtig, st. zu Rom 1647. 66 Jahre alt. welcher sich dieses Teils der Kunst zur Bemalung von Kuppeln und anderen großen Räumen bediente. Dem GuercinoJoh. Franz Barbieri, genannt Guercino, zu Cento bei Bologna geboren, st. 1666. im 76sten Jahr s.A. gaben, wie er selbst eingestand, Werke des Lud. Carracci die erste Veranlassung zu seinen starken Schatten und pikanten Lichtern; und weil er übrigens, ohne viel Wahl oder idealische Zutat, die Natur nachgeahmt, so geschieht ihm schwerlich Unrecht, wenn man annimmt, die edlen Formen und Charaktere in jenen studierten Vorbildern haben ihn vor dem Niedrigen bewahrt, einer Klippe, die allen Naturalisten von jeher gefährlich war, welcher auch Schidone,Bartholomäus Schidone aus Modena, starb 1646. 56 Jahre alt. obwohl ebenfalls ein Schüler der Carracci, nicht immer entgehen konnte. Bei diesem Künstler sieht man das warme Kolorit, die klaren Schatten und schmelzenden Übergänge des Correggio, in Vereinigung mit den Maximen seiner Meister über das Wissenschaftliche der Kunst; in einigen seiner Werke ist auch wohl etwas vom Geschmack ihrer Formen zu merken.

Dieser Künstler Bemühungen also waren es hauptsächlich, durch welche die Kunst von dem Beschränkenden, dem Einförmigen der Manier frei gemacht, der Natur, der Wahrheit, dem guten Geschmack wieder näher gebracht und mit neuen Darstellungsweisen erweitert worden, bald aber, nachdem eine nähere Anwendung der Natur auf die Kunst wieder statt hatte, und das Natürliche in den Darstellungen Beifall fand, wurde böser Mißbrauch davon gemacht. Es ist oben bereits Erwähnung geschehen, wie Guercino und Schidone, obschon Anhänger der Carracci, jener die Grenze berührt, dieser zuweilen gar über dieselbe hinaus das Gebiet der gemeinen Wahrheit betreten haben.

Michel Angelo, Merigi von CarravaggioUm 1570. geb., st. 1609. aber und sein Schüler Joseph Ribera genannt Spagnoletto,Geboren zu Gallipoli im Neapolitanischen 1593, st. um das Jahr 1656. stellten sich dem edlern Geschmack ganz entgegen und traten als entschiedene Naturalisten auf, das ist, sie ahmten die Natur, mit sinnlicher Anschauung, treu nach, doch ganz ohne Wahl der Formen, noch mit bestimmter Rücksicht auf den erforderlichen Charakter ihrer Figuren zum beigelegten historischen Zweck. Die Madonnen sind gewöhnlich bloße Dirnen, das Christkind ein gemeiner Knabe, St. Joseph ein Zimmermann, der heil. Hieronymus ein elender, runzliger Alter u. s. w.; ja oft laden diese Künstler sogar den Verdacht auf sich, das Fehlerhafte, das Niedrige, Dürftige und Gemeine absichtlich gesucht zu haben.Guido Reni sagte daher einst vom Carravaggio, Er sei auch gar zu natürlich. Ch'era troppo naturale.

Bilder dieser Art, sollte man glauben, hätten bei den Italiänern, welche seit langem an edlere Kunstwerke gewöhnt waren, unmöglich Beifall erhalten können, so viel Fertigkeit und Geist übrigens auch auf die Ausführung derselben verwendet sein mochte; allein die starken Gegensätze von Licht und Schatten, deren sich die ebengenannten Künstler bedienten, haben immer auf die Menge gewirkt, welche starker sinnlicher Rührung bedarf; diese Gemälde reizen überdem noch durch ihr warmes gesättigtes Kolorit; Carravaggio hat besonders in seinen frühern Werken einen lieblich blühenden Farbenton, und Gegenstände niedriger Art, z. B. falsche Spieler, wahrsagende Zigeuner u. dergl. stellte kein Maler besser dar.

Christoph AlloriStarb 1621. 44 Jahr alt. Joh. Mannozzi,Starb 1636. im 46sten Jahr s. Alters. der unter dem Namen Giovanni da San Giovanni bekannt ist, beide Florentiner, waren Bekenner derselben Lehre und ebenfalls talentvolle Künstler, jener in Öl, dieser hauptsächlich al Fresco. Doch sind sie nicht zu dem ausgebreiteten Ruhm ihrer vorerwähnten Zeitgenossen gelangt, wiewohl sie denselben, in Rücksicht auf Wahrheit der Darstellung, kaum nachstehen und im Kolorit wenigstens gleich geachtet werden müssen. Licht und Schatten aber ist bei ihren Bildern gemäßigter, die Wirkung weniger sieghaft.

Gerhard Honthorst,Geb. zu Utrecht 1592. ein Niederländer, welcher zwischen 1620-1630 zu Rom, in gleichem Sinne und mit nicht geringerer Kunst, gearbeitet hat, bediente sich des Nachtlichts, um die mächtige Wirkung, welche er beabsichtigte, zu motivieren; seine Werke werden noch jetzt als Muster in diesem Fache angesehen.

Auch verdient Moses ValentinGeb. zu Colomiers 1600, starb zu Rom 1632. ein Franzose, unter die geschicktesten Künstler gerechnet zu werden, welche in ihren Darstellungen sich mit der bloßen Wahrheit begnügten. Man kann von ihm sagen: Er habe die Manier des Carravaggio mehr sich angeeignet als nur nachgeahmt, und ähnliche Gegenstände mit eben so viel Geist in der Ausführung, mit eben so viel Kraft und pikantem Effekt behandelt; aber sein Kolorit ist gewöhnlich etwas kälter.

Zwischen den Naturalisten und den Künstlern von der edlern Gattung möchten wir dem Peter Franz MolaZu Coldre in der Italienischen Schweitz geb. ..... st. seinen Platz anweisen. In der Schule des Albani und des Guercino unterrichtet, folgte er dem Kunstgeschmack beider Meister, oft scheint er bloß diesen nachahmen zu wollen und ist Naturalist im edlern Sinne, zuweilen aber sind seine Werke lieblich poetisch, im Geschmack des Albani gedacht, mit schönen landschaftlichen Gründen, aber sie unterscheiden sich beständig durch das sehr kräftige Kolorit, durch größern Effekt und dreistern Pinsel. Von dieser Art ist Ceyx und Alcyone, in der Dresdner Galerie, ohne Zweifel eine der schönsten Produktionen unsers Künstlers.

Der reformierte, oder, wenn man will, der modernere Kunstgeschmack, von den Carracci und ihren Schülern gegründet, war nun herrschend geworden. Die Werke derselben galten in Rom fast ausschließlich als Muster, da erwarb sich Nicolaus PoussinGeb. zu Andely in der Normandie 1594, st. zu Rom 1665.den Ruhm eines vortrefflichen Künstlers, wiewohl seine Gemälde die zu selbiger Zeit beliebtesten Eigenschaften, glänzendes Kolorit, freien Pinsel und kräftige Wirkung, in keinem ausgezeichneten Maße enthalten; emsiges Studium nach den Antiken verschaffte ihm dagegen einen eigentümlichen reinen Geschmack, nur ist er dabei dem Trockenen, Steifen nicht immer glücklich entgangen.

Poussin gilt für einen der besten Komponisten, und wirklich sind seine meisten Gemälde verständig erfunden, auch wird man bei ihm die Anordnung nicht leicht vernachlässigt, zuweilen sogar musterhaft finden. Vornehmlich versteht er die Gründe schön anzulegen, einfach, bedeutend, mit edler Architektur geziert. Zum Heroischen, und, wie Mengs schon bemerkt hat, zum Idealen vorzüglich geneigt, wollte ihm das Naive, das menschlich zum Menschen Dringende, selten gelingen; auch wo es gilt der Natur unmittelbar etwas abzulauschen, schöne Wahrheit, Leben auf der Leinewand festzuhalten, darin hat unser Künstler weder den von ihm so verehrten Dominichino, noch den Guido, noch den Guercino je erreicht. Ja nicht allein in dem, was wir, in der engern Bedeutung, glückliches Nachahmen schöner Natur nennen, ist er in Vergleichung mit jenen zurückgeblieben, selbst naive Motive, welche ihm ganz eigen gehören, sind in seinen Werken nur sparsam anzutreffen: denn in dem berühmten Gemälde von der Pest bei den Philistern zum Beispiel, ist die tote liegende Frau mit den Kindern, von denen das eine noch lebende an ihrer Brust zu trinken sucht, ein Mann aber mit zugehaltner Nase es mitleidig hindern will, aus dem bekannten morbetto von Rafael entlehnt. Der eben so berühmte Kindermord im Palast Giustiniani erregt weniger Rührung als Schauder über die Unmenschlichkeit des Soldaten, welcher dem schwachen Säugling auf den Hals tritt und noch mit dem Degen über ihn ausholt. Dem ohngeachtet bleibt Poussin einer der großen Meister in der Kunst und besonders einer der vorzüglichsten seiner Zeit. Unter den Italienern findet man den einzigen Nic. Vaccaro,Geb. zu Neapel 1634, st. 1709. einen Neapolitaner, welcher den Poussin nachzuahmen gesucht und kleine Bilder in desselben Manier verfertigt hat; aber in Rücksicht auf geistreiche Erfindung sowohl, als was die Kunst der Ausführung betrifft, ist er weit hinter seinem Muster zurück geblieben. Wir bemerken bei dieser Gelegenheit: daß, wenn die Italiäner damaliger Zeit auch fremdes Kunstverdienst wohl zu schätzen wußten, sie doch zur Nachahmung desselben wenig Neigung gezeigt haben. Vor Poussin hatten Rubens und Vandyk schon ein gleiches erfahren, ihre Werke wurden zwar verdienter Maßen in Ehren gehalten; allein die Geschichte tut von keinem Italiäner Meldung, welcher den Einfall gehabt hätte dieselben nachzuahmen. Benedict Castiglione,1616. zu Genua geb., st. zu Mantua 1670. der berühmte Tiermaler, soll zwar Vandycks Unterricht genossen haben; jedoch ist in seinen Werken nichts zu finden, was uns an diesen Meister erinnern könnte.

Gleichzeitig mit Poussin blüheten noch zu Rom Andreas SacchiGeb. zu Rom 1599, st. 1661. und Peter BerettiniStarb 1669. 73 Jahre alt. von Cortona; jener ein geborner Römer war zwar des Albani Schüler, soll aber hauptsächlich nach Rafaels Werken studiert haben. Indessen ist in Sacchis Arbeiten nichts wahrzunehmen, was auf eine entschiedene Weise an seinen Lehrer, oder an Rafael erinnern könnte; man findet vielmehr Bilder von ihm, zu welchen Guido das Muster gewesen zu sein scheint. In der Zeichnung befliß er sich meistens der akademischen Manier, welche eben damals sehr überhand nahm, und malte sanft verschmolzen, gewöhnlich mit kräftigen Schatten und warmen gesättigten Farben.

Keiner der bisher angeführten Maler hat mit so vielem Feuer und solcher Behendigkeit gearbeitet als P. Berettini, weniger bemüht die Gestalt der Dinge selbst, als bloß den Schein ihrer Gestalt darzustellen. Doch vergütet er die Fehler der Zeichnung, welche in seinen Werken durchaus etwas schwerfälliges hat, mit heiterer Fruchtbarkeit der Erfindung und holdem Reiz junger, weiblicher Figuren, mit fröhlich blühendem Kolorit und harmonisch abwechselnden Farben. Diese letzte Eigenschaft verdient hauptsächlich bemerkt zu werden, da dieselbe sein eigentümliches Verdienst ist, welches weder vor, noch nach ihm kein anderer in dem Maße besessen hat. Die Werke des Franz RomanelliSt. 1662. 45 Jahre alt. von Viterbo sind größtenteils eben so leicht und mit Fertigkeit behandelt, wie die seines Meisters des Berettini, den er aber im Geistreichen des Ausdrucks, in der Erfindung, im Lieblichen der Gestalten sowohl als in der frischen Heiterkeit des Kolorits, nicht völlig erreicht hat; dagegen ist seine Zeichnung, wenn auch nicht eben richtiger, doch von edlerm Styl und sveltern Formen, und die Falten sind in besserm Geschmack gelegt.

Cirus Ferri,Geb. zu Rom 1634, st. das. 1689. ein anderer Schüler des Berettini, mag wohl für den treusten Nachahmer von desselben Manier gelten, seine Bilder sind fast eben so anmutig, nur schwächer in allen Teilen.

 

Landschaftmalerei

Um über das Fach der Landschaftmalerei zu reden, wie solches zur Zeit der Caracci und nachher geübt worden, damit endlich der Zustand, in welchem sich dasselbe gegen den Anfang des XVIII. Jahrhunderts befunden, anschaulich dargetan werden könne, sind vorerst noch einige Rückblicke auf frühere Zeiten notwendig. Als die neuere Kunst am schönsten blühete, wurde die Landschaft noch nicht als eigner Kunstzweig bearbeitet, sondern die Künstler brachten, erforderlichen Falls, bloß in ihren historischen Gemälden landschaftliche Gründe an, als schmückendes Nebenwerk, nach Beschaffenheit mehr oder weniger ausgeführt. In den Werken des P. Perugino, des Mantegna, des Joh. Bellini, des Francia, hat sich noch mancherlei Schätzbares dieser Art erhalten. Schon besser und freier behandelt ist das Landschaftliche in Rafaels Werken, und in den Gemälden der Logen sind einige Gründe, wahrscheinlich vom Joh. da Udine ausgeführt, in Farbe und Ton höchst vortrefflich gelungen. Zwei Stücke, in St. Silvestro, a Monte Cavallo, welche Polydor von Caravaggio gemalt haben soll, erfreuen hingegen nicht sonderlich, weil ihnen die Einheit in der Erfindung sowohl als die malerische Wirkung von Schatten und Licht abgeht. Andreas del Sarto hat zwar eine Menge landschaftliche Studien, meistens mit Rotstein gezeichnet, hinterlassen, aber ohne Zweifel nie ein Bild bloß als Landschaft gemalt: und obschon Tizian, als einer der vortrefflichsten Meister in diesem Fach mit Recht berühmt ist, so mögen doch eigentliche Landschaftsgemälde von seiner Hand große Seltenheiten sein; uns sind wenigstens bloß einige Zeichnungen, nur wie zum Scherz entworfen, bekannt geworden. Auch Bassano behandelte in seinen Hirtenszenen die Landschaft bloß als Zutat; hingegen findet man wirklich Landschaften, die von Tintoreto herzurühren scheinen, und später malte Hieronymus Muzian große geschätzte Stücke von bizarrer Erfindung, mit Figuren heiliger Eremiten staffiert, welche den Liebhabern, aus Kupferstichen des Cornelius Cort, wohl bekannt sind.

Vielleicht muß man die frühesten eigentlichen Landschaftmaler bei den Niederländern suchen; denn zwei Niederländische Künstler, Matthäus und Paul Brill,Brüder aus Antwerpen. Matthäus starb zu Rom 1584. 38 Jahre alt. Paul ebendaselbst 1626. im 70sten Jahr seines Alters. traten in Italien als die Ersten auf, die ausschließlich nur in diesem Fach arbeiteten; beide haben in den römischen Kirchen und Palästen viel gemalt. Matthäus ist etwas hart im Kolorit und seine Werke sind mit Gegenständen überfüllt. Paul leistete fast in allen Teilen seiner Kunst mehr, das Kolorit ist milder, übereinstimmender, wiewohl immer noch zu eintönig grün. In der Erfindung und Anordnung war er malerischer und natürlicher als sein Bruder, zuweilen einfach, schön und groß. Auch der Baumschlag hat durch ihn wichtige Verbesserungen erhalten, und um aller dieser Verdienste willen muß billig sein Gedächtnis als eines der vorzüglichsten Beförderer der Landschaftmalerei geehrt werden.

Bald nach den beiden Brill richteten die Carracci ihre mannigfaltigen Bemühungen um Erweiterung der Kunst ebenfalls auf die Landschaft, gaben der Behandlung aller Teile derselben mehr Freiheit und Abwechslung, wählten die Gegenstände mit besserm Urteil und Geschmack. Besonders hat HannibalBaglione sagt von ihm, Er habe in der schönen Behandlung landschaftlicher Gegenstände das Licht aufgesteckt. Ch'egli diede luce al bell operare de' paesi. einige vortrefflich erfundene und eben so vortrefflich meisterhaft behandelte Stücke nachgelassen. Vier der schönsten und geschätztesten bewahrt die Galerie Doria. Nicht minder hoch werden die Landschaften von Dominichino gehalten, die fast in jeder großen Sammlung anzutreffen sind. Dieses Meisters Zartgefühl spricht sich gewöhnlich in stillen vertrauten Gegenden, lieblichen Einsamkeiten, in kleinen Idyllischen Zügen rührender Naivetät aus. Von Lanfranco sieht man in der Kirche della Morte drei landschaftliche Gemälde in Fresko, groß gedacht und behandelt. Einige von Guercino sind zwar minder poetisch erfunden als die übrigen, welche von den Carracci oder ihren Schülern verfertigt sind, es herrscht aber ein fröhlicher Sinn durch dieselben, mit wohl gewählten Motiven der heitern naiven Art, und die Ausführung ist allemal vorzüglich leicht und geistreich. Albani hatte bei den Gegenständen, die er bearbeitete, fast immer landschaftliche Gründe zu machen, und galt daher unter den großen Carraccischen Schülern für den geübtesten in diesem Fach. Er ist, sowohl in Gedanken als in der Ausführung, ausgezeichnet lieblich und angenehm.

Neben ihm verdient noch Joh. Bapt. ViolaZu Bologna 1576. geb., st. 1622. zu Rom. angeführt zu werden, ebenfalls ein Zögling der Carraccischen Schule, der sich aber einzig mit Landschaftmalen beschäftigte. In der Villa Aldobrandini zu Fraskati finden sich treffliche Werke von seiner Hand, welche Dominichino mit Figuren geschmückt hat.

Dem eigentlichen heroischen Styl in der Landschaftmalerei ist, wie wir glauben dürfen, Nikolaus Poussin näher als kein anderer gekommen. Die Situationen, Gebäude etc. alles ist der Idee von den heroischen Zeiten des Altertums angemessen, alles trägt in seinen Landschaften zur Einheit des von keinen fremdartigen Teilen unterbrochenen großen Charakters bei.

Caspar Düghet,Starb 1675. zu Rom 58 Jahre alt. ein Römer, widmete sich unter Anleitung seines Schwagers Poussin, dessen Namen ihm in der Folge auch beigelegt wurde, ausschließlich der Landschaftmalerei, und wird, in der Komposition, wegen des Großen, Einfachen seiner Gedanken, wie auch in der Zeichnung, oder vielmehr in dem Charakteristischen, welches er jedem Gegenstand mitzuteilen wußte, für den ersten Meister gehalten. Die Paläste Doria und Colonna bewahren eine Menge trefflicher Arbeiten dieses Künstlers, auch prangt die Kirche St. Martino a' Monti mit vielen Freskogemälden von seiner Hand. Zwischen diesen Letztern bemerken Liebhaber der Kunst mit Vergnügen zwei vortrefflich gedachte, ebenfalls in Fresko heiter kolorierte Stücke von Joh. Franz. Grimaldi,1606. geb., st. 1680. einem Bologneser und Schüler des Carracci, welcher auch als Geschichtmaler bekannt ist, uns aber nur wegen dieser und anderer vortrefflichen Landschaften, die man von ihm findet, hier Erwähnung zu verdienen schien.

Joh. Baptist. Mola,1620. zu Lugano geb. der unter Albani studiert hatte, war um eben dieselbe Zeit, seiner Landschaften wegen, die mit erotischen Figuren staffiert sind, ein geachteter Künstler. Nach dem wenigen, was wir von ihm gesehen haben, zu urteilen, sind seine Erfindungen ohngefähr im Geschmack seines Meisters, sehr lieblich, aber der Pinsel ist kecker, die Farbe zwar nicht so zart, doch kräftiger.

Über alle behauptet Claude Gelée,Zu Chamagne in Lothring. 1600. geb. gest. zu Rom 1682. der mit Poussin und den übrigen, von demselben an bisher genannten, zugleich in Rom lebte und arbeitete, den hohen Ruhm des vortrefflichsten aller Landschaftmaler; denn obschon Düghet im Großen und Einfachen der Anlage seiner Bilder, so wie im Charakteristischen der Zeichnung Vorzüge haben mag, so übertrifft hingegen Gelée ihn und jeden andern weit an reicher Fülle und Lieblichkeit der Gedanken, an malerischer Wirkung von Licht und Schatten, an unnachahmlicher Anmut, Heiterkeit und Übereinstimmung des Kolorits. Ihm gelang es, der Natur gleichsam ihre Geheimnisse abzulauschen, ihr stilles Regen und Wirken ist auf seine Leinewand übergetragen; schimmernd tanzen die Strahlen sinkender Sonne auf sanftbehauchter Meeresfläche, Blätter bewegen sich, Quellen rieseln, bunte Wölkchen schwimmen in reinen Lüften. Alle großen Kunstsammlungen zeigen die Werke dieses bewunderten Meisters unter ihren köstlichsten Schätzen. Das Beste, was Deutschland von ihm aufweisen kann, sind fünf Bilder in der Galerie zu Cassel, welche sämtlich unter seine gelungensten Arbeiten gehören. Vier derselben stellen die Tageszeiten in herrlich poetischen Erfindungen dar, das fünfte ist zwar kleiner, aber von überschwenglicher Anmut, ein unschätzbares Kleinod der Kunst.

Den Häuptern der Landschaftmaler ist auch noch Salvator RosaVon Renella bei Neapel gebürtig, starb zu Rom 1673. 58 Jahre alt. beizugesellen, welcher, obschon in mehreren Gattungen der Kunst wohlerfahren, doch hauptsächlich das Fach der Landschaft mit glänzendem Erfolg bearbeitete. Seine Lieblingsgegenstände sind Szenen wilder, zürnender Natur, Gewitter, Stürme, umgestürzte Bäume, nackte Felsen, Klüfte von reißenden Strömen durchbraust u. dergl. sehr geistreich, mit keckem Pinsel und kräftiger Farbe, dargestellt.

Noch arbeiteten in dieser, für die Landschaftmalerei so merkwürdigen Epoke, zu Rom, mit hohem Ruhm Johann Both und Hermann Schwanevelt,Both war v. Utrecht gebürtig, starb nicht lange nach 1650. in seinem Vaterlande Schwanefeld, war 1620 zu Woerden geb., starb zu Rom 1690. beide Niederländer. Dieser, ein Schüler von Claudius Gelée, malte schön, hell, mit etwas stärkerm Farbenauftrag als der Meister und gelblichtem Ton, anmutige Einsamkeiten, stille Szenen aus den reizenden Gründen von Tivoli und Subiaco. Joh. Both hat, bei nicht geringerer Kunst und zuweilen reicheren Kompositionen, ohngefähr denselben Geschmack; er bedient sich gewöhnlich des Abendlichts in seinen Bildern, welche daher einen noch gelbern Schein erhalten, und ungemein lieblich in die Augen fallen.

 

Untergeordnete Gattungen der Malerei

Zu Rom stellte unser berühmter Adam ElzheimerStarb 1620. im 46sten Jahr s. A. gleich nach Anfang des 17ten Jahrhunderts, ganz im Kleinen, mit außerordentlich zarter Ausführung und lieblichem Kolorit, biblische und andere Geschichten dar, welche großen Beifall fanden. Landschaft und Figuren stehen in diesen niedlichen Bildern ohngefähr in gleichem Wert neben einander. Sie machen sich übrigens mehr durch Fleiß und gute Wirkung, als durch edle Formen und poetischen Glanz der Erfindung geltend.

Nicht lange nach Elzheimer setzte sich auch Dominikus Feti,Starb zu Venedig 1624. im 35sten Jahr. ein Römer, mit Darstellung der in der Bibel vorkommenden Parabeln in Ansehen; der Styl, in welchem er arbeitet, ist nicht vorsätzlich niedrig, sinkt aber doch oft bis zur gemeinen Natur herab; im Ausdruck herrscht Geist und Leben, im Kolorit Kraft; die Wirkung ist zuweilen gut. Da die Figuren selten über einen Fuß hoch sind, so möchte man der Behandlung etwas mehr Fleiß und Zartheit wünschen.

Elzheimers Geschmack und Behandlung nahm sich Cornel. PoelenburgVon Utrecht gebürtig, st. 1660. 75 Jahr alt. zum Muster, und bearbeitete meistens noch lieblichere Gegenstände als jener, nicht ganz so ausführlich, aber mit freiem Pinsel und angenehmen übereinstimmenden Farbetönen.

Wilhelm BaurZu Straßburg 1600. geb., st. 1640. zu Wien. war ebenfalls ein vorzüglicher Künstler in kleinen Bildern, wozu er sich der Miniaturfarben bediente. Seine Darstellungen enthalten Figuren, Tiere, Landschaften, besonders aber Gebäude, die außerordentlich bestimmt und sauber gezeichnet sind.

Joh. LingelbachAus Frankfurt a. M. gebürtig 1625, st. 1697. schließt sich auch an die Reihe dieser Künstler an. Seine in Öl gemalten Werke bestehen meistens aus Landschaften, mit Ruinen, Tieren und Figuren geziert; der Pinsel ist leicht und geistreich, das Kolorit kräftig und angenehm.

Der vorhin beiläufig erwähnte Benedict CastiglioneGeb. zu Genua 1616, st. zu Mantua 1670. malte, mit großer Kunst und Wahrheit, besonders zahme Tiere, und gilt für einen der vortrefflichsten Künstler in dergleichen Darstellungen. Neben diesem behandelte eben dasselbe Fach, kühner und kräftiger, aber auch flüchtiger und ohne sonderlichen Farbenreiz, Philipp Roos,St. 1705. ohngef. 50 Jahr alt. der von dem Ort, wo er sich gewöhnlich aufzuhalten pflegte, den Beinamen Tivoli erhalten, und unter demselben vornehmlich bekannt ist.

Bataillenmalerei, das ist, allerlei Auftritte, welche bei der neuern Art Kriege zu führen vorfallen, in kleinen Figuren darzustellen, scheint in Italien nie eifrig kultiviert worden zu sein. Des Salvator Rosa Lehrmeister Aniello FalconeUm 1600. zu Neapel geb., st. 1665. ist zu Anfange des 17ten Jahrhunderts beinahe der einzige, welcher sich ausschließlich mit diesem Fach beschäftigte; aber ohnerachtet seiner Geschicklichkeit, im Vaterlande so wenig Gunst gefunden zu haben scheint, daß er nach Frankreich ging, und daselbst einige Zeit arbeitete. Seine Gemälde voll Bewegung und Leben sind mit meisterhaftem Pinsel und warmer kräftiger Farbe ausgeführt.

Michel Angelo Cerquozzi,Starb 1660. 58 Jahre alt. ein geborner Römer, erhielt, von Gemälden dieser Art, den Zunamen delle Battaglie. Ihre Verdienste sind ohngefähr wie jenes des Falcone beschaffen, nur hat die Erfindung weniger tragisches, weil des Meisters eigentliche Tendenz auf das Fach der Bambocciaten ging, worin er auch unsers Bedünkens glücklicher gewesen ist.

Falcone und Cerquozzi wurden beide, etwas später, von Jac. Courtois,Zu St. Hypolite 1621. geb., st. 1676. aus Burgund gebürtig, weit übertroffen. Alles in seinen Gemälden ist voll tumultuarischer Bewegung, Menschen und Pferde in unendlich abwechselnden Stellungen richtig gezeichnet, die Gründe malerisch schön, der Pinsel auf das meisterhafteste geführt, das Kolorit sehr kräftig und gut; um dieser Vorzüge willen sind sie bisher als die vollkommensten Muster für Bataillenmalerei angesehen worden.

Gleiche Ehre wiederfuhr den fröhlichen Darstellungen von Jahrmärkten, Gauklern, Zigeunergesellschaften, etc. des Niederländers Peter van Laar,Geb. 1613, st. um 1673. von dessen Beinamen, Bamboccio, seither alle solche Gemälde ihren Gattungsnamen erhalten haben. Laar arbeitete durch das 4te Dezennium des 17ten Jahrhunderts zu Rom, in welche Zeit ohngefähr auch die Blüte des vorerwähnten M. Aug. Cerquozzi fällt, der, in Hinsicht auf geistreiche Erfindung und Wahrheit des Ausdrucks, wohl neben Laar bestehen kann, hingegen in allem, was zur gefälligen Behandlung kleiner Bilder gehört, demselben nachstehen muß.

Was hier über zwei Individuen gesagt worden, kann als allgemeine Bemerkung ebenfalls von den beiden Nationen gelten. In Dingen, wo zarte Ausführung und fleißige Geschicklichkeit ruhig vor Augen liegende Gegenstände nachzuahmen, das meiste tun können, darin sind die Künstler der Niederländischen Schule den Italiänern bei weitem zuvorgekommen, wie solches vornehmlich in der Malerei von Früchten und Blumen der Fall gewesen zu sein scheint.

Gobbo de' Carracci,Zu Cortona geb., st. zu Rom um 1630. 60 Jahre alt. Paul Anton Barbieri,Starb 1649. bei seinem Bruder zu Cento. des bekannten Guercino Bruder, und Marius NuzziWar zu Penna im Neapolitanischen geb., st. zu Rom 1673. ohngef. 70 Jahre alt. haben in Italien, zu der Zeit von welcher wir schreiben, in diesem Fach das Beste geleistet. Sie arbeiteten alle drei mit Kunst und Meisterschaft. Nuzzi führte den Pinsel vorzüglich dreist; weil aber der Farbenauftrag dabei etwas roh ist, so haben seine Werke, in der Nähe betrachtet, nicht das Gefällige, Zarte, die Täuschung und Wahrheit, welche man bei Gegenständen dieser Art mit so größerm Recht fordert, als eben die täuschendste Wahrheit in ihnen auch das möglichst Vollkommene auszumachen scheint. Anders ist es hingegen mit Darstellungen der beweglichen, lebendigen Natur beschaffen; da, möchte man sagen, beginnt erst die Kunst, wo gemeine Wahrheit aufhört.

Um nicht mißverstanden zu werden, versuchen wir es mit wenig Worten, die Sache noch deutlicher auseinander zu setzen.

Eine Rose von Huysum ist in ihrer Art ein vollendetes Kunstwerk, das Möglichste scheint darin erreicht zu sein. Ein Kopf von Denner zeigt nicht geringern Aufwand von Gedult und Fleiß; die Behandlung desselben ist eben so zart, das geringste Detail mit nicht minderer Sorgfalt nachgeahmt als bei jener Rose: demohngeachtet kann der Kopf im strengsten Sinne noch nicht für ein besonders achtungswertes Kunstwerk gelten. Wenige Striche, womit ein solcher Kopf von Rafael, oder Tizian, oder einem der Carracci, oder von Rubens, nur bloß entworfen worden wäre, enthielten gewiß ohne Vergleich mehr Leben, Geist, Charakter; die wesentlichsten, die höchsten Forderungen, welche die Kunst an den Künstler bei Darstellung menschlicher Gestalten, oder überhaupt lebendiger Wesen zu machen hat, wären in diesem Entwurf weit mehr befriedigt worden, als durch die unzählbaren Pünktchen, womit Denner sich abmüdend befliß, die Runzeln der Haut und alle einzelnen Haare des Barts etc. gewissenhaft darzustellen.

Über den Zustand der Bildnismalerei, in Italien, im 17ten Jahrhundert, möchte jede besondere Anmerkung um so überflüssiger sein, als kein Künstler ausschließlich dadurch berühmt geworden ist, und Vandyk, der, während seines Aufenthalts in Italien, einige Bildnisse in Rom, und viele in Genua verfertigte, wie schon oben gemeldet worden, keine Neigung zur Nachahmung seines Geschmacks, noch weniger zu der Kunstgattung, mit welcher er sich vorzüglich beschäftigte, erweckt hat.

In der Peterskirche wurden, im Lauf des 17ten Jahrhunderts, zwar schon viele Mosaiken verfertigt, doch hatten diese Arbeiten überhaupt noch nicht die feine Ausführung erreicht, zu der sie seither gelangt sind. Paul Rossetti, von Cento, Muzians Schüler, ist als einer der besten Mosaikisten aus dem Anfange jenes Zeitraums bekannt. Rossetti zog den Marzellus Provenzale, welcher viele Arbeiten an der großen Kuppel und in der Kapelle Clementina ausführte, auch die Navicella des Giotto restaurierte. Von Marzello Provenzale lernte Joh. Bapt. Calandra, ein Piemonteser, der unter P. Urban VIII. einen St. Michael, nach dem Gemälde des Joseph d'Arpino, setzte, welcher bestimmt war in der Peterskirche als Altarblatt aufgestellt zu werden. Calandra verfertigte auch Bildnisse, und mag schon mit etwas größerm Fleiß und Zartheit gearbeitet haben als seine Vorgänger; er reichte aber gleichwohl noch nicht an die berühmten Verbesserer der Mosaik, Fabius und P. Paul Christofani, von denen wir in der Folge reden wollen.

Kupferstecherei und Holzschneidekunst

Die tüchtigsten Meister der Kupferstecherkunst, zu Anfange des 17ten Jahrhunderts in Italien, waren Augustin Carracci und Franz Villamena;Geb. zu Assisi, lebte ohngef. 60 Jahre und starb zu Rom 1626. beide führten den Grabstichel mit dreister Hand und gaben die Formen der Urbilder in ihren Kupferstichen meistens treu wieder, sogar hat Carracci dasjenige, was in Hinsicht auf die Richtigkeit der Zeichnung in den Gemälden, welche er zu stechen unternommen, fehlerhaft war, zuweilen verbessert. Die Beleuchtung ist bloß in Massen angegeben, die Haltung selten zulänglich, noch weniger findet man die Lokalfarben gehörig angedeutet. Hierbei darf indessen die Bemerkung nicht zurückbehalten werden, daß letzteres weniger ein Unvermögen der beiden genannten Meister, als der Kupferstecherkunst ihrer Zeit überhaupt ist. Noch jetzt geschieht von dieser Seite nicht alles, was zu wünschen wäre, damals aber war noch kaum die Ahndung davon vorhanden; denn auch die Niederländer, welche als Kupferstecher allen andern Nationen vorgeschritten waren, leisteten zu jener Zeit noch nicht mehr; erst die nachfolgenden Kupferstecher, welche viel nach Rubens und Vandyk arbeiteten, verraten ein Streben, die Lokalfarben der Gemälde, zum Zweck besserer Harmonie ihrer Blätter, durch hellere und dunklere Massen anzudeuten, und hierzu mögen wohl die eigenhändigen Radierungen der Maler den ersten Anlaß gegeben haben. Denn, um wieder auf die Italiäner zurück zu kommen, so sieht man wirklich schon in einigen geätzten Blättern des Fr. Barozzi, noch neben den Effekten der Beleuchtung, abwechselnde hellere und dunklere Massen. Doch von dieser Gattung von Kunstwerken ist unsere Absicht jetzt nicht zu reden.

Joh. Bapt. Gallestruzzi,Lebte um 1650. Carl. CesioGeb. 1626. st. 1686. und P. Sanktus BartoliStarb 1670. 65 Jahr alt. waren treffliche Kupferätzer, deren meiste und beste Arbeiten nach 1650 gemacht sind. Gallestruzzi hatte eine zarte, freigeführte Nadel; Cesio zeichnete fester und lieferte größere Blätter, in denen die Wirkung besser beobachtet ist. Den P.S. Bartoli kennen die Liebhaber aus seinen vielen schönen Blättern nach Antiken, Basreliefs und Gemälden, welche in Absicht auf Treue des Details zwar nicht alle Wünsche befriedigen, den Geschmack der Antiken aber überhaupt sehr wohl darstellen.

Andreas Andreani, der ein Zeitgenosse des Carracci und Villamena war, vielleicht gar noch etwas früher gelebt hat, verfertigte viele, der Zeichnung und des Ausdrucks wegen, sehr schätzbare Holzschnitte mit drei Stöcken, oder, wie wir es jetzt nennen würden, in Zeichnungs-Manier, nach verschiedenen Meistern. Die Wirkung dieser Blätter ist nicht sonderlich, sie sind also auch ein Beweis dessen, was vorhin bei Gelegenheit der Kupferstiche angemerkt worden.

Bildhauerei

Die Plastik hatte im 16ten Jahrhundert eben das schlimme Schicksal erfahren wie die Malerei. Sie verfiel, als der manierierte Geschmack überhand nahm, in häßlich übertriebene Verdrehungen; nachdem aber, gedachtermaßen durch die Carracci, den Künstlern der bessere Weg wieder gezeigt worden, so ließ sich, auch in den Arbeiten der Bildhauer, allmählige Rückkehr vom Irrtum zum Rechten und Guten spüren.

Das verdienstlichste Werk in Marmor, aus dem Anfange des XVIIten Jahrhunderts, stellt sich uns in der liegenden Figur der heilg. Cäcilia in der Kirche dieses Namens dar, welche Stefanus MadernoStarb zu Rom 1636. ohngef. 65 Jahr alt verfertigt hat. Eine jugendliche Gestalt von rührender Anmut sowohl im Ausdruck als Charakter des Ganzen und schöner Wahrheit in den Formen der zarten Glieder; alles an diesem Werk ist durchaus mit Geschmack und Fleiß behandelt.

Für die folgende Zeit geschah das wichtigste im Gebiet der Plastik durch drei, mit wirklich seltenen Talenten ausgerüstete Künstler, Franz Quesnoy, genannt Fiamnigo, Alexander Algardi und Lorenz Bernini.Franz Quesnoy war in Brüssel 1594. geb. starb 1644. Alex. Algardi st. zu Rom 1654. alt 56 Jahr. Lorenz Bernini zu Neapel 1598. geb. starb 1680. zu Rom. Den Quesnoy aus Brüssel nennen wir zuerst, weil er weniger lange als die beiden andern gelebt und keine Schüler oder Nachahmer hinterlassen hat, die bekannt geworden sind. Ein sanftes schönes Gemüt spricht aus allem, was von diesem Künstler übrig ist; besonders wird jene naive Unschuld im Charakter seiner Kinder-Figuren als unübertroffen anerkannt; daher man die Abgüsse derselben in den Werkstätten der Maler und Bildhauer zum Studium aufgestellt sieht. Die Kolossalfigur des heiligen Andreas, in einer der großen Nischen unter der Kuppel zu St. Peter, rechnet man, und mit Recht, unter die besten Bildsäulen des neuern Roms. Sie hat einen passenden, edeln Charakter, große Formen, Würde und Einfalt in ihrer Stellung, nebst wohlgelegten Falten; überdem sind alle Teile trefflich ausgeführt. In nicht geringerer Achtung steht auch die Statue der heil. Susanna, in der Kirche St. Maria di Loretto; eine herrliche Gestalt, in welcher das Gefällige mit dem Würdigen lieblich vereint ist. In dieser Figur sowohl als im heil. Andreas bemerkt man, daß der Meister die Antiken, jedoch mit wohl überlegter Kunst, benutzt hat.

Beim Algardi, der ein Bologneser war und anfänglich vom Ludwig Carracci Unterricht erhalten, spürt man in Manchem den Einfluß dieser Schule. Die Kinder von diesem Meister werden ebenfalls für sehr schön gehalten und denen des Quesnoy beinahe gleich geschätzt. Sie zeichnen sich vor jenen durch etwas derbere Formen aus und nähern sich dadurch mehr dem Geschmack der Antiken, so daß ein liegender Schlafgott von schwarzem Marmor, in der Villa Borghese, schon zum öftern für antik gelten mußte. In größern Figuren, wo unser Künstler vollkommen entwickelte Gestalten darzustellen hatte, wie z. B. im großen Basrelief vom Attila zu St. Peter, und in der Gruppe von der Enthauptung Pauli in der Kirche der P. Barnabiten zu Bologna, zeigt er sich als richtigen Zeichner derber, kraftvoller Formen, der Natur mit verständiger Wahl nachgeahmt: aus den Stellungen aber, der Anordnung des Ganzen und, noch auffallender, aus der Anlage der Gewänder, offenbart sich sein beständiges Streben malerische Wirkung hervorzubringen. Dieses letzte, nämlich in Marmor gleichsam zu malen, war der Hauptzweck des Lorenz Bernini, eines Erznaturalisten, der auf edle Formen selten geachtet, sondern mehr das weiche Fleisch, die zufälligen Falten der Haut, den Druck, welchen die vollen Teile erleiden, anzudeuten suchte. Ebenfalls bemühete er sich wenig den zierlichen Wurf der Falten, worunter sich die Gestalt des Nackenden verrät, auszudrücken, sondern liebte das Unruhige, Rauschende reicher Gewänder und schwerer Stoffe, um dadurch mehr Kontrast mit den runden geglätteten Muskeln seiner Figuren zu erlangen. Doch müssen wir, um dem Bernini selbst und dem Publikum, welches seine Werke zur Zeit ihrer Entstehung, ja lange nachher noch enthusiastisch bewunderte, nicht Unrecht zu tun, beifügen, daß ebengesagtes zwar der beharrliche Charakter seiner Kunst im Allgemeinen ist, die besseren Stücke von seiner Hand aber demohngeachtet das Verdienst schöner Wahrheit, mit einer ihm eigentümlichen, Correggios Grazie verwandten Anmut besitzen, dabei ungemein geistreich, sehr fleißig und mit vollkommener Herrschaft über den Marmor ausgearbeitet sind. Strenge Kunstrichter werden zwar selbst an der Statue der heil. Bibiana, die wir als Berninis Meisterstück betrachten, noch immer manches auszusetzen finden; eine hohe, tadellose Schönheit ist sie auch wirklich nicht, die lieblich reizende Anmut der ganzen Gestalt aber muß jedem Anschauenden Vergnügen gewähren und der Kritik ihre Waffen rauben.

Oben haben wir schon des Hanges zur malerischen Wirkung gedacht, welche man sowohl in den Werken des Algardi, als beim Bernini wahrnimmt. Die Ursache davon möchte indessen weniger in der Ähnlichkeit ihrer Talente und daher entspringenden Neigungen liegen, als im Zeitgeschmack und den Forderungen, die von demselben abhängen; denn der Charakter ihrer Kunstprodukte ist im übrigen sehr wesentlich verschieden. Berninis Arbeiten sind durchaus locker, abgerundet, ja, wenn man von plastischen Werken so sagen darf, unbestimmt. Bernini ist ein Undulist. Den Algardi hingegen trifft der Vorwurf eines in der Bildhauerei unzulässigen Strebens nach malerischer Wirkung hauptsächlich nur, in so fern er sein großes Basrelief zu St. Peter durchaus wie ein Gemälde angeordnet und Teile von Gewändern, ohne Andeutung der Formen dessen was von ihnen bedeckt wird, also gelegt hat, daß größere Massen von Licht und Schatten dadurch entstehen sollen. Von diesem abgesehen kann im übrigen das eben erwähnte Basrelief sogar des Algardi vorwaltende Neigung zum Bestimmten beweisen, weil in demselben die zurückstehenden, flach gehaltenen Figuren gegen den Grund mit stark vertieften Linien abgesetzt sind.

Nebst den eben angeführten drei vorzüglichsten Meistern standen, als gute Bildhauer, noch weiter in Ansehen Franz Mocchi und Andreas Bolgi,Mocchi starb zu Rom 1646. 66 Jahr alt. Bolgi starb ebendas. 1656. im 51sten Jahre s. A. von denen jeder eine von den Kolossalstatuen in den Nischen unter der Kuppel zu St. Peter, zwar fleißig und bestimmt, aber in keinem großen Geschmack verfertigt hat. Ferner Herkules Ferrata und Ant. Raggi,Ferrata st. 1686. im 76 Jahr und Raggi auch 1682. 62 Jahre alt. beide Nachahmer der Manier des Bernini, obschon Ferrata ein Schüler des Algardi war.

Die Kunst Edelsteine zu schneiden wurde durch den Zeitraum, den unsere Geschichte gegenwärtig umfassen soll, in Italien zwar getrieben, wie solches vornehmlich aus mehreren verdienstlichen Werken erhellet, die in der Florentinischen Sammlung geschnittener Steine vorkommen, doch hat sich in diesem Fach, so viel uns bewußt ist, kein Künstler damals mit großem und noch jetzo dauerndem Ruhm hervorgetan. Hingegen gibt es unter den Stempelschneidern des 17ten Jahrhunderts ausgezeichnete Subjekte, ja man kann füglich behaupten, Joh. Albert Hammerani habe in einer Schaumünze auf P. Inoc. XII. einen in der Tat bewundernswürdigen Grad von Vortrefflichkeit erreicht. Doch, da dieser Teil der Kunstgeschichte überhaupt noch wenig angebaut ist, ein bloßes Fragment derselben aber nicht befriedigen würde, so mag die geschehene Anzeige genügen, bis wir anderwärts ausführlicher diesen Gegenstand zu behandeln Gelegenheit finden werden.

Literatur der Kunst

Eine Anzeige aller in diesem Fach während des 17ten Jahrhunderts erschienenen Schriften würde zum Zweck allgemeiner Darstellung des damaligen Zustandes der Kunst und des Geschmacks sehr wenig beitragen, es waren meistens nur lobpreisende Biographien der Künstler, ohne richtige Würdigung ihrer Verdienste, oder trockene Verzeichnisse von Kunstwerken und dergl., welche eben so wenig Ausbeute gewähren. Gleiche Unfruchtbarkeit herrschte auch im Felde der Altertumskunde; zwischen dieser Wissenschaft und der Kunst, welche gegenwärtig so nahe Beziehungen erhalten haben, bestand zur damaligen Zeit noch die absoluteste Trennung; das ganze Studium der Antiquitäten wurde bloß zur Erweiterung der Geschichts- und Sprachkenntnisse angewendet. Zu dem Wichtigsten, womit die Literatur der Kunst in dem ganzen Jahrhunderte bereichert wurde, gehört unstreitig des Leonardo da Vinci Traktat von der Malerei, welcher vorher zwar nicht unbekannt war, doch erst 1651 gedruckt erschien, ein Werk voll goldner Worte. Indessen erwarben sich die Franzosen und nicht die Italiäner das Verdienst, solches gemeinnützig gemacht zu haben, denn dasselbe trat zu Paris, aus zwei Abschriften gezogen, deren eine von Nic. Poussin mit erläuternden Zeichnungen versehen war, an das Licht. Es heißt den eigentlichen Gehalt dieses Werkes verkennen und herabsetzen, wenn man, wie Viele getan, ein vollständiges Lehrbuch der Kunst darin suchen will; solche Absicht hatte der Verfasser gewiß nie, sondern er sammelte bloß einzelne Gedanken und Erfahrungen, bei verschiedenen Gelegenheiten niedergeschrieben, diese wurden hernach unter Rubriken zusammen getragen und so entstand das Werk in der Form, wie wir es gegenwärtig besitzen.

Malvasia in der Felsina pittrice tut zu verschiedenen malen einer Schrift des Monsign: Agucchi über die Kunst Erwähnung, welcher Aufsätze des Hannibal Carracci zum Grunde liegen und wozu Dominichino ebenfalls Beiträge geliefert haben soll, wie ein Brief desselben an Fr. Angeloni auch wirklich vermuten läßt. Die Stelle über Karikaturen, welche gedachter Malvasia dem Leben des H. Carracci eingerückt hat, ist mit hoher Ansicht der Natur und der Kunst ausgesprochen, und des großen Meisters vollkommen würdig.

Albani und Poussin haben es gleichfalls versucht, vielleicht durch den Traktat des da Vinci veranlaßt, lehrend über die Kunst zu schreiben. Der Erste ließ sich vornehmlich nur auf kritische Betrachtungen ein, und in dieser Hinsicht sind einige Fragmente, welche uns mehrerwähnter Malvasia Felsina Pittrice T. II. p. 244–258. aus Originalmanuskripten mitteilt, sehr schätzbar. Poussin traf sowohl den Ton als die Form seines Vorbildes zwar näher, erreichte aber dasselbe, weder im Gehalt der Gedanken, noch in umfassender Klarheit des Ausdruckes. Was von ihm herrührt, findet man seinem von Bellori beschriebenen Leben angefügt.

An einem Trattato della Pittura e Scultura uso ed abuso loro composto da un Theologo e da un Pittore. Fiorenza 1652. soll der berühmte Pietro Berrettini da Cortona viel Anteil gehabt haben, dieses Werk ist uns indessen nie zu Gesichte gekommen; allein aus dem Umstand, daß es so wenig bekannt ist, läßt sich schließen, der Inhalt desselben sei weder geistreich anziehend, noch in praktischer Hinsicht nützlich.

Zur Literatur der Kunst dieser Zeit darf auch endlich die Lektion des And. Sacchi gezählt werden, welche Pascoli T. II. p. 75–86 als an den Fr. Lauri gerichtet beibringt. Es erhellet klar aus derselben, daß damals die Kunst, selbst von den besten Meistern, nicht mehr anders als auf eine, man möchte wohl sagen, rohe Weise nach empirisch praktischen Regeln geübt und gelehrt wurde: Regeln, die an sich zwar nicht verwerflich waren, aber, zu allgemein ausgesprochen und trivial angewendet, dem Handwerk günstig, dem echten Geist der Kunst hingegen durchaus schädlich, ja ertötend sein mußten.

Allgemeine Übersicht

Indem wir uns nun rüsten, unsern Lesern als Resultat aller vorhergegangenen geschichtlichen Anzeigen, von der Zeit der Carracci an, den sinkenden Zustand, in welchem sich Kunst und Geschmack gegen Anfang des 18ten Jahrhunderts in Italien befanden, vorzutragen, stellt sich abermals die immer noch nicht aufgelöste Frage dar: von welchen Ursachen das Steigen und Fallen der Künste abhänge? Ihr Emporkommen ist während des XIV. und XV. Jahrhunderts, ungeachtet bürgerlicher Unruhen und schwerer Kriege in Italien, doch unaufhaltsam rasch und schnell vor sich gegangen; zu Anfange des XVI. Jahrhunderts hatten sie die größte Höhe erreicht, und nachher konnte ihr Sinken durch begünstigende Anstalten verschiedener Art, ja selbst durch die angestrengtesten Bemühungen hochbegabter Künstler, welche von Zeit zu Zeit aufstanden, im Ganzen bloß etwas aufgehalten, nie völlig gehemmt oder ein neues dauerhaftes Aufsteigen erzielt werden.

Wenn wir mit ernstem Sinne erwägen, was uns aus allen Zeiten, von allen Völkern, bei denen die Künste im Flor gestanden, überliefert worden; so läßt sich die Vermutung wagen und paßt eben so gut, ja vielleicht besser als irgend eine andere auf die geschichtlichen Data, daß allgemeiner Hang, Enthusiasmus, besonders von religiöser Art als der mächtigste und dauerndste, jedesmal dazu gehört habe, damit die Saat der bildenden Künste aufgehe, gedeihe und blühe. Je anhaltender diese günstigen Umstände nun waren, eine desto höhere Stufe konnte die Kunst erreichen, und, wenn Sie gefallen war, wieder erreichen; sobald aber das mächtige Triebwerk jenes regen Eifers im Ganzen zu ermatten anfing, sobald war auch der Anfang zum Sinken vorhanden.

Wir geben es zu, die Alten, die Griechen, haben manche Vorteile genossen, deren die Neuern sich nicht erfreuen; doch weniger der Schönheit ihrer mythologischen Dichtungen, ihren Spielen und dergleichen, als dem religiösen Eifer und, nebst demselben, dem patriotischen, oder wenn man dieses letztere mit einem geringern Namen belegen will, dem allgemeinen National-Ehrgefühl und der Ruhmbegier jedes einzelnen Orts, vor dem andern Vorzüge, Merkwürdigkeiten zu besitzen, hatten sie wahrscheinlich den Flor ihrer Kunst zu danken; und auch wir, so scheint es, sind dem katholischen Religionseifer des 13ten, 14ten und 15ten Jahrhunderts die Gründung und den Wachstum der bildenden Künste schuldig geworden. So lange die heiligen Stiftungen aller Art ihnen ein weites Feld, würdige, und man kann hinzusetzen, zahllose Gelegenheit gaben sich zu zeigen, so lange stiegen sie rasch und freudig empor. Düstre, mönchische Ideen scheinen dem Künstler wenig hinderlich zu sein, denn er bearbeitet, erheitert und verschönt dieselben. Betrachte man nur unbefangen, von allen Seiten, die schöne Stufe, worauf sich alle bildenden Künste zu Ende des 15ten und Anfange des 16ten Jahrhunderts befanden, und es ist keinesweges schwer zu denken, daß sie auf diesem Wege noch weiter hätten fortschreiten, ja sich, wiewohl mit eigentümlichem Charakter, bis neben die Antiken erheben können; aber die emporhebende Kraft war schwächer geworden und hatte ihnen ihr Ziel gesetzt; mächtige Beschützer fanden sich zwar noch, aber diese konnten das Heilige nicht ersetzen. Die Künste waren Mode, sie – gefielen vielleicht, doch man bedurfte ihrer nicht mehr notwendig. Rafael bemalte Hallen und Säle, des Michel Angelos hauptsächlichste Bildhauerarbeiten sind Grabmäler. Wir wollen nicht sagen, daß dieses unwürdige Beschäftigungen für diese großen Meister gewesen seien; allein es bereitete doch schon das Abnehmen der Kunst vor. In der Stille und Freiheit der Altäre fand sie nicht mehr volle Beschäftigung und mußte darum der Welt dienen, den Launen auf mancherlei Weise schmeicheln. Ihre Anwendung wurde zwar freilich ausgedehnter, aber auch gemeiner; die mindere Würde zog Bestreben nach größerer Fertigkeit, das Bedürfnis schnell zu arbeiten die Manier, die Manier aber das Geistlose, das Handwerksmäßige, nach sich. Dieses sind die Stufen, über welche die neuere Kunst von ihrer Höhe niederstieg, und wenig anders ist es auch mit dem Verfall der alten beschaffen gewesen, ja wir möchten wohl glauben, daß die Ausbildung, welche sie in jedem Lande, jeder Schule erreicht hat, Dauer, Fall und Erlöschen, allemal mit dem Maße des Daseins und Zusammentreffens der erwähnten begünstigenden oder verderbenden Umstände übereinkommen müßte. Weiter fortgesetzte historische Belege mögen das oben Gesagte noch mehr bewähren.

Bemerkung eines Freundes

Daß die bildenden Künste sich nur dann bei einem Volke entwickeln, wenn sie in dem Fortgange seiner Kultur ein Bedürfnis desselben geworden sind; daß die Volksreligionen sich vornehmlich dieser Künste als eines Mittels zur Darstellung ihrer Mythen bedient haben, und daß der religiöse Enthusiasmus immer eine der wichtigsten Triebfedern ihrer Ausbildung, Verbreitung und Vervollkommnung gewesen ist, wird wohl niemand bezweifeln, der die Kultur- und Kunstgeschichte der alten und neuern Nationen im gehörigen Zusammenhange erwogen hat. Eben so unleugbar aber ist es auch wohl, daß die Beschaffenheit der Religion, welche sich zu jenem Zwecke der Künste bediente, so wie die Beschaffenheit der Gegenstände, auf deren Darstellung sie angewiesen waren, auf den Charakter und das Schicksal der bildenden Künste den entschiedensten Einfluß gehabt hat. Es müssen sich also auch, aus diesen innern Bedingungen und ihrem Zusammenwirken, sowohl der Entwickelungs- und Bildungsgang derselben und der Grad von Vollkommenheit, den sie auf diesem Wege erreicht haben und erreichen konnten, als auch der besondere Charakter, den die ganze Kunst unter diesen Bedingungen annehmen mußte, richtiger und genügender, als aus andern Gründen erklären lassen. Äußere Umstände können wohl ihre Entwickelung stören oder befördern, sie im Gleise erhalten oder auf Abwege verleiten, wenn sie ihr fremde Zwecke unterschieben; aber ihr Entwickelungsgang selbst, ihre auf demselben erreichbare Vollkommenheit und ihr eigentümlicher Charakter können nur durch die Natur und Beschaffenheit der Gegenstände, auf deren Darstellung, als auf ihren nächsten Zweck, sie angewiesen ist, durch den Geist der Religion, der sie beschäftigt, bestimmt werden. Je nachdem dieser natürlich oder phantastisch, heiter oder düster, sinnlich oder sittlich, charakteristisch oder unbestimmt, plastisch oder formlos in seinen Objekten ist, wird auch der Charakter der Kunst sich bilden, und das Maß der für sie erreichbaren Vollkommenheit wird durch das Maß der plastischen Schönheit und Idealität bestimmt, dessen jene Gegenstände ihrer Natur nach fähig sind. Zur Rechtfertigung dieser Behauptungen mag es hinreichend sein, jetzt nur einige der angeregten Punkte näher zu betrachten, da der enge Raum hier keine ausführliche Erwägung aller gestattet.

Da die neuere Religion zu ihrem äußern Kultus der Bilder nicht entbehren konnte oder nicht entbehren wollte, runde Bildwerke aber, als Gegenstände der Verehrung und Anbetung in dem alten Götterdienste, von dem man jede Spur möglichst zu vertilgen strebte, in der neuen Volksreligion sehr anstößig gewesen sein würden, so bediente sie sich für ihre Zwecke der Malerei, deren Produkte in dem alten Kultus nur selten Gegenstände religiöser Verehrung gewesen waren. Vielleicht war auch die Malerei dem Sentimentalen der neuern Volksreligion angemessener als die Plastik. Dieser Umstand, daß die neuere Kunst hauptsächlich als Malerei, und nur nebenhin als Skulptur ausgebildet ward, mußte auf ihre Entwickelung und Vervollkommnung, ja selbst auf ihren Charakter einen sehr wichtigen Einfluß haben. Sie war als Malerei weniger im Stande das Ideal der Formen, welches die Basis des Kunstideals ist, zur gehörigen Reinheit auszubilden, da der optische Schein in ihr keine so strenge Bestimmtheit fodert und gestattet, als die plastische Realität; und die Ansprüche des Materiellen, welche die Malerei befriedigen muß, hindern jene gänzliche Abstraktion und Erhebung über das Wirkliche, welche von den idealischen Darstellungen der Plastik, die bloß die Form in höchster Reinheit und Schönheit liefern sollen, gefodert wird. In der Tat gehört auch alles, was die neuere Kunst in dieser Rücksicht geleistet hat und noch zu leisten strebt, der alten Plastik an, so wie es auch eigentlich ein Bildhauer war (M. Angelo), der mit einem durch die Antike erweckten und befruchteten Sinne für das Erhabene, zuerst die neuere Kunst, in dem, was die Form betrifft, über die Beschränktheit des Wirklichen zum Idealischen erhob. In der alten Kunst geschah gerade das Gegenteil. Sie bildete sich für ihren religiösen Hauptzweck als Skulptur und nur nebenhin als Malerei aus, darum konnte auch in ihr das Ideal der Form, und durch dieses das Ideal der Kunst selbst, zur höchsten Reinheit und Vollkommenheit gelangen. Auch waren in beiden Künsten die Folgen davon gleichförmig. In der alten Kunst entlehnte die Malerei ihren Styl von der Plastik, nicht allein in Formen, Stellungen und Ausdruck, sondern sogar auch in der Komposition. In der neuern Kunst hingegen ist die Skulptur immer dem Style der Malerei gefolgt und hat dem Malerischen nachgestrebt; und diesem zweckwidrigen Streben vornehmlich sind die Verirrungen der neuern Skulptur, selbst Angesichts der Antiken, zuzuschreiben. Da die Malerei seit Raphael ohne feste Norm (die nur durch einen bestimmten Styl der Formen möglich ist) auf so mancherlei Irrwegen umherwankte, so darf man sich nicht wundern, daß die Skulptur der Neuern, ihre treue Nachtreterin, kein besseres Schicksal gehabt hat.

Das Göttliche, was die christliche Religion lehrt und zu verwirklichen befiehlt, geht bloß den moralischen Menschen an, und ist ganz unabhängig von der äußern physischen Bildung, Wohlgestalt und Schönheit desselben. Ihre Ideale sind praktischer Art, nicht durch Bilder darstellbar, sondern durch Tun und Handeln; fruchtbarer für das Leben als für die Kunst. Auch hat keines der Wesen, welche in dem Mythus der neuern Volksreligion enthalten sind, einen bestimmten, in äußerer bildlicher Darstellung auf Einheit zu bringenden Charakter; alle haben entweder widerstreitende einander aufhebende Eigenschaften, oder sie sind von einer Unbestimmtheit, die keine charakteristische Individualität der Bildung darbietet. Man betrachte die Dreieinigkeit samt und sonders, die geschlechtlosen Engel, die Heiligen und Märtyrer beiderlei Geschlechts, nebst allen übrigen Personagen, die in unserm religiösen Bilderkreise figurieren, in Rücksicht auf die höheren plastischen Forderungen der Kunst genauer, und man wird finden, daß sie entweder gar nicht bildlich darstellbar, oder unbestimmten Gehalts, oder mit der Schönheit und dem Ideale unverträglich sind. Wenn desungeachtet die neuere Kunst in der Darstellung dieser meistens ungünstigen und widerstrebenden Gegenstände noch so vieles geleistet hat, vielleicht auch noch etwas mehr hätte leisten können, so mußte es ihr doch immer unmöglich bleiben, sich mit denselben über die Wirklichkeit zu der Höhe zu erheben, welche die alte Kunst im Dienste der alten Volksreligion erreicht hat. Jene Gegenstände waren bloß in sofern fruchtbar für die Kunst, als das Menschliche in ihnen herausgehoben wurde, und das haben die alten Maler bis auf Raphael mit reinem, einfältigfrommen Sinne bewundernswürdig geleistet. Aber dieses Ziel, das eigentlich nur eine Staffel zur höhern Vollkommenheit sein sollte, konnte die neuere Kunst nicht überschreiten; eben so wenig auch konnte sie dabei stehen bleiben. Die göttlichen Ideen der Religion konnten durch bildliche Darstellungen zwar versinnlicht, aber nicht selbst, wie es in der alten Kunst der Fall war, durch sie zu höherer Vollkommenheit ausgebildet werden. Mit dem Bedürfnisse des Ideals mangelten der neuern Kunst auch die innern Bedingungen desselben; und indem sie weiter zu gehen und sich über das Wirkliche zu erheben trachtete, sank sie, weil sie von ihren Gegenständen nicht mehr unterstützt wurde, obgleich sonst religiöser Glaube und Enthusiasmus im Ganzen noch lange dieselben blieben, auch Gelegenheiten nicht mangelten, große Werke religiösen Inhalts auszuführen.

Die hier angegebenen Hindernisse, unter denen die neuere Kunst sich nicht über das Wirkliche zum Ideale erheben konnte, enthalten zugleich den Grund, warum sie sich, in der Sphäre des Wirklichen, vornehmlich auf das Bedeutende und Charakteristische beschränkt hat. Da sie den Charakter der Wesen, die sie darzustellen hatte, nicht an der ganzen Gestalt sichtbar machen konnte, teils weil der sittliche Charakter jener Wesen, unabhängig von der äußeren Bildung, an der Gestalt nicht anschaulich und kenntlich auszudrücken war, teils weil, nach dem ebenfalls durch die Religion begründeten Geist der neuern Sitte, das Nackte sowohl im Leben als in der Kunst so wenig als möglich, am wenigsten aber in religiösen Darstellungen, gezeigt werden durfte, so mußte die neuere Kunst den Charakterausdruck, welcher, in den Werken der Alten, aus der ganzen Gestalt harmonisch hervorgeht, auf das Gesicht allein, als den Teil der Gestalt einschränken, auf welchem sittliche Gesinnungen und fromme Regungen allein deutlich sichtbar werden können. Schon frühe nahm die neuere Kunst diese Richtung zu dem Charakteristischen und Bedeutenden, und ließ die höhere Schönheit, als ein für sie unerreichbares Gut, zur Seite liegen.

Wenn unter diesen Einschränkungen nun auch die neuere Kunst vielleicht im Stande gewesen wäre, in einzelnen Gegenständen noch etwas Höheres zu leisten, als sie wirklich geleistet hat: so hat man doch nach Erwägung aller Umstände gegründete Ursache zu zweifeln, ob es ihr würde möglich gewesen sein, merklich weiter zu gehen, und im Ganzen eine höhere Stufe der Vollkommenheit zu erreichen, als sie im XVIten Jahrhunderte erreicht hat; auch wenn äußere Umstände sie noch mehr begünstigt hätten. Dies läßt sich um so mehr bezweifeln, da die völlige Ausbildung der Malerei nicht von Einem Meister und in Einer Schule, sondern nur teilweise von Mehreren erreicht wurde. Wäre das, was Michel Angelo, Raphael, Tizian und Correggio, jeder seines Teiles, zur Vollkommenheit der Malerei beigetragen haben, von der Hand und dem Geiste Eines Meisters in Eine Schule übergegangen und in dieser fortgebildet worden, so hätte sich vielleicht durch diese Einheit noch eine höhere Stufe der Ausbildung, selbst für die Behandlung jener das Ideal nicht begünstigenden Gegenstände, erschwingen lassen. Aber da nun jede Schule den von ihrem Stifter zur Vollkommenheit gebrachten Teil vorzugsweise als Hauptzweck, und gewöhnlich mit schädlicher Vernachlässigung der übrigen Teile, zu kultivieren suchte, so ward es auch aus diesem Grunde unmöglich, daß die so zerstückelte Kunst noch im Ganzen hätte weiter gedeihen können, nachdem jene großen Meister sie teilweise auf den Gipfel ihrer Vollkommenheit erhoben hatten.

Zur Zeit der Carracci hatte der natürliche Gang der Kunst längst sein Ziel erreicht; was sie unter den gegebenen Bedingungen werden konnte, war sie geworden. Die Bemühungen jener, ihren Fortgang wieder herzustellen, mußten also auch unzulänglich bleiben. Nur die Technik konnte noch gewinnen; der Kunst selbst konnten sie höchstens für einige Zeit ein künstliches Leben einhauchen, welches noch einige schöne Blüten hervorbrachte. Übrigens legten sie, durch Einführung des Akademischen Studiums, den Grund zu jener nachher in allen Ländern eingeführten Treibhauspflege der Kunst, um das gänzliche Erstarren derselben zu verhüten.

Aus dem Strom der Manier retteten zwar, wie im Anfang unsrer Erzählung schon angemerkt worden, einzelne vortreffliche Künstler die Ehre ihrer Zeit, doch konnten sie dem einreißenden Verderben lange nicht mächtig genug widerstehen, bis, da man der Einförmigkeit der Manieristen müde geworden, es den Carracci, bei eminentem Gaben und rastloser Tätigkeit, endlich gelang den bessern Geschmack durchzusetzen. Indessen litt doch ihre Kunst auch unter den beschränkenden Umständen der Zeit, und günstigere Bedingungen hätten ihr wohl noch zartere Schönheiten in den einzelnen Teilen verleihen können. Mit zahllosen Schwierigkeiten ringend haben diese Meister eine wahrhaft heldenmütige Standhaftigkeit gezeigt, die Künstler des manierierten Geschmacks waren ihnen völlig entgegen, und das Publikum zeigte im Anfang sich ebenfalls wenig empfänglich für ihr Kunstverdienst; nur dadurch, daß sie eine große Menge Werke verfertigten, überall damit auftraten, niedrige Preise hielten und so die Menschen an das Bessere allmählig gewöhnten, oder es gleichsam unterzuschieben wußten, verschafften sie nach und nach ihrem bessern Geschmack Eingang und Sieg; aber sie fanden sich auf diesem Weg in der Notwendigkeit, eine verhältnismäßig flüchtige Behandlung anzunehmen, wo kühne und bedeutende Pinselstriche, anstatt genau vollendeter Darstellung der Dinge, gelten mußten. Ausführlicher, bei zartern Denk und Empfindungskräften, schöner und feiner sogar in den Formen, war Dominichino der edelste Sprößling der Caraccischen Schule, und dennoch erhielten auch seine Werke, gewiß eine üble Vorbedeutung für die Kunst, im Anfange nur sehr mäßigen Beifall vom Publikum, wiewohl der reinere Geschmack, der den Manieristen entgegen gesetzte, von seinen Lehrern schon begründet und, was er leistete, nur als weitere Ausbildung und Vervollkommnung ihres Styls anzusehen war. Besser gelang es dem Guido und Guercino. Ihre Kunst hatte den stärkern Reiz imposanter Neuheit. Die große Wirkung und naive Wahrheit von diesem, die heitere Weise in den Werken des erstern, die wunderbare Meisterschaft seiner Behandlung, die lieblichen Gestalten und das Weichliche, Sanfte in seinen Gemälden, waren faßlich für die Menge. Diesen Vorzügen mehr als ihrem höhern Kunstverdienste, scheinen die erwähnten beiden Künstler einen sehr großen Teil des Ruhms sowohl als die reichlichern Belohnungen danken zu müssen, die ihnen für ihre Arbeiten zu Teil wurden; denn daß nicht die Schönheit, der Wert der Gedanken, der Adel der Darstellungen beachtet wurde, erweist sich aus dem Umstand, daß Caravaggios gemeiner Naturalismus, dem Edelsten und Höchsten gegenüber, was die Carracci und Dominichino und Guido hervorgebracht hatten, zahlreiche Freunde und Gönner fand. Bedenke man ferner, wie der große Guido den Dilettanten so ziemlich nur als eine bessere Art Gaukler dienen mußte, um Schauspiele mit der Hurtigkeit seines Pinsels zu geben; wie der Gott Vater, den Guercino in einer Nacht bei Fackeln gemalt, mehr als manches seiner besten Werke bewundert wurde; nicht weniger das Kind vom Peter Berrettini, das er mit einem Pinselstrich weinen und mit einem andern wieder lachen gemacht hatte; ingleichen die Bilder, welche Lucas Giordano für die Beherrscher von Spanien, ohne Pinsel, bloß mit den Fingerspitzen malte. Alle diese und mehr ähnliche Beispiele, die überflüssig anzuführen wären, zeigen unwiderlegbar, daß die Kunst fortdauernd unter immer drängendere Umstände sich beugen mußte, daß der gedeihliche Ernst derselben entflohen war, die echte Liebe zum Guten immer lauer, das Gründliche weniger gefordert, das bloß Scheinbare hingegen als vollgültig angenommen wurde. Die Künstler suchten, so oft es gelingen wollte, durch Neuheit zu reizen; und so wurden in der Malerei die besten Kräfte bald auf leere Fertigkeiten, bald auf den Pomp reicher Kompositionen und schimmernder Farben verwendet, bald auf übertriebene Effekte, oder zerfließende Weichheit in unbestimmten Formen, oder auf geleckte mühselige Glätte etc. Die Plastik, außer ihrem Gebiet, nach malerischer Wirkung jagend, verleugnete ihre ursprüngliche Würde und ihren Ernst vielleicht noch mehr als die Malerei; sie verfiel, wenn sie sich der Wahrheit befleißigen wollte, oft in das Niedrige, die gesuchte Grazie artete in Affektation, nicht selten gar in Verzerrungen aus. Es darf endlich nicht unangemerkt bleiben, daß, nach And. Sacchis St. Romuald und Hinschied der heilg. Anna, kein einziges Kunstwerk mehr entstanden ist, welches in Hinsicht der Erfindung vorstechenden Wert hätte, und diese Lähmung des edelsten Teiles der Kunst dauerte, wie aus der Folge unserer Geschichte hervorgehen wird, bis über die Hälfte des 18ten Jahrhunderts hinaus.

Was bisher gesagt worden, mag teils zum Versuch einer Beantwortung der oben angeführten Frage dienen, teils als Betrachtung des herrschenden Geschmacks in einer für wahre Kunst höchst unergiebigen Zeit.

Nun bleibt uns aber noch übrig, den Zustand der Kunst durch das XVII. Jahrhundert rücksichtlich auf ihren eigentlichen Gehalt zu erforschen, welches eine doppelte Untersuchung heischen wird; erstlich die Untersuchung des Geistes der Kunst überhaupt, besonders aber des Charakters, der Erfindungen; zweitens die Untersuchung des Geschmacks, des Styls, der Behandlung, Ausführung u. s. w.

Eine hohe Idee des Großen, Edlen, Kraftvollen, Tatfertigen, liegt der Kunst der Carracci zum Grunde, sie bedienten sich der Natur weislich, um ihren Darstellungen das Wahrscheinliche, den Formen die Mannigfaltigkeit zu geben. Dominichino und Guido gingen auf eben diesem Wege fort. Haben schon Formen und Charaktere bei ihnen weder mehr Großes noch mehr Mannigfaltigkeit erhalten, so veredelten und verschönten sie doch dieselben merklich. Dominichino hatte überhaupt den höchsten Zweck der Kunst vor Augen, Guido strebte dem Schönen nach, und ist, wenige Ausnahmen abgerechnet, beständig edel und zierlich geblieben. Albani verließ den großen kräftigen Styl seiner Meister und wählte das Liebliche, Zarte, Fröhliche. Andere, welche sich über die Natur nicht erheben konnten, dienten ihr und suchten die Wirkung von Licht und Schatten, welche ebenfalls dem Sichtbaren nachgeahmt werden kann. Der einzige Lanfranco macht in der Reihe dieser Künstler eine Ausnahme, weil er, was die Wirkung seiner Bilder betrifft, einem idealen Muster, dem Correggio folgte, in den Formen aber den Styl seiner Meister beibehielt, nur mit weniger Energie und Gründlichkeit. Poussins Kunst war mehr zum Idealen geneigt als keines andern seiner Zeitgenossen. Es gelang ihm in seinen Werken ziemlich, den Geschmack der Antiken zu treffen, das ist, sie haben ein gewisses Ansehn von Ernst und Zierlichkeit und Wahl, welches an den Zustand der alten Zeiten sowohl als an die Kunst des Altertums erinnert, obschon man übrigens weder ausgezeichnete Schönheit der Formen, noch erhabene Charaktere bei ihm findet, selbst da, wo er absichtlich antike Statuen nachgeahmt hat.

Auf diese folgten andere Künstler, welche, flüchtig arbeitend, sich weder ernstlich an die Natur hielten noch der Antiken bedienten, sondern mehr oder weniger bloß Schein suchten und vermittelst des Scheins jeder Forderung der Kunst genug getan zu haben wähnten. Dieser Vorwurf trifft schon den Lanfranco, noch mehr den Peter von Cortona, seine Schüler, den Cyrus Ferri und Fr. Romanelli am meisten; aber den Lucas Giordano, den Gauli und den Solimena, welche letzteren schon in das 18te Jahrhundert hinüberreichen und uns also künftig wieder begegnen werden. Noch gab es, außer den eigentlichen Naturalisten, eine Klasse von Künstlern, welche rigoristische Zeichner und nicht weniger treue Nachahmer der Natur zu sein vorgaben, indem alle nackende Teile ihrer Figuren das Akademische Modell verraten; Algardi als Bildhauer und Andr. Sacchi als Maler sind vermutlich die ersten gewesen, welche diesen monotonen Naturalismus in der Kunst eingeführt, der, verbunden mit dem Plagiat, so lange das Beste blieb, was die Kunst leistete, bis Mengs, durch Wort und Tat, Höheres und Schöneres lehrte. So war es während des 17ten Jahrhunderts mit der Kunst hinsichtlich auf die Formen beschaffen, anfänglich hatte ein großer strenger Geschmack in denselben statt, vortreffliche Talente fügten noch mehr Edles, Zartes, Reizendes hinzu, andere suchten dagegen, mit minderer Mühe, gleichsam durch nackte Wahrheit der Natur, den Beifall der ungebildeten Menge zu gewinnen; dann stellte man sich bei immer mehr sinkender Kunst den Beschauer der Kunstwerke als bloß flüchtig überhinblickend vor und gab mehr auf den gefälligen Eindruck des Ganzen, als auf die Formen Acht, so daß selbst die Plastik weniger die Gestalt als die Wirkung bezweckte; endlich ist das Plagiat entstanden, wo gar die Einheit aufgegeben ward und das Naturalistische zuweilen neben dem Idealen, das Hohe neben dem Gemeinen steht.

Wir wenden uns nun zur Betrachtung des herrschenden Geschmacks der Erfindung und Anordnung.

Der Geist guter Erfindungen in der Kunst kann mit der Zeit nicht wechseln, sondern wird und muß immer derselbe bleiben. Selbst in des Giotto kunstlosen Werken lassen sich Gedanken nachweisen, die, man möchte sagen, ohne alle Schlacken sind, des größten Künstlers der gebildetsten Zeiten nicht unwert, und also darf auch zwischen den besten Produkten der Kunst, gleichviel ob sie früher oder später in dem Zeitraum, welchen wir betrachten, entstanden sind, rücksichtlich auf das Wesentlichste der Erfindung kein Unterschied vermutet werden; allein, nach der oben schon geschehenen Bemerkung, wurde das Vortreffliche abnehmend weniger und endlich nicht mehr hervorgebracht.

Will man Unterschiede oder Abänderungen in der Erfindung aufsuchen, so möchte wohl der technische Teil derselben, da nämlich, wo die Anordnung einzugreifen anfängt, die auffallendsten darbieten. Die von den Carracci angenommenen ökonomischen Maximen wurden gar bald übertreten, schon Guido zuweilen, und sogar Dominichino, brachten an den Seiten ihrer Bilder, im Vordergrund, Figuren und Gruppen an, welche für sich zwar allemal interessant sind, aber doch nicht dergestalt in der Geschichte notwendig, daß sie uns nicht des Malers Bedürfnis kräftiger Massen verrieten, um seine übrigen Figuren besser zurück zu treiben. In der Folge wurde dieser Behelf, durch die Auktorität so großer Künstler unterstützt, fast zur Gewohnheit, besonders als man anfing an dergleichen Figuren, mit akademischen Studien, Pomp zu machen. Wir bemerken hier beiläufig noch, daß in der Anordnung selbst immer größere Nachlässigkeit entstanden, vorzüglich erlaubten sich die flüchtig arbeitenden Künstler unzulässige Freiheiten; die kunstmäßige Anordnung der einzelnen Gruppen und Glieder, wie man solche bei den Antiken und in den Werken der besten neuern Meister findet, geriet beinahe ganz in Vergessenheit.

Weil die Kunst aus Ursachen, welche bereits abgehandelt sind, eine sehr große Breite und Mannigfaltigkeit erlangt hatte, so brachten die Künstler auch in die Gegenstände, welche sie zur Darstellung wählten, mehr Abwechselung. Inzwischen war der größte Bedarf an Kunstwerken, an Gemälden sowohl als denen von der plastischen Gattung, obschon die Anzahl sich überhaupt sehr verringert hatte, doch noch immer für Kirchen; woraus von selbst folgt, daß im historischen Fache das meiste religiösen Bezug haben mußte. Auch Galeriegemälde und Cabinetstücke waren, hergebrachter Gewohnheit nach, oft biblischen Inhalts, zuweilen mußten wohl auch römische Dichter und Geschichtschreiber den Stoff zu Bildern hergeben. Darstellungen dieser Art erhielten sich eine geraume Zeit hindurch ohngefähr in gleichem Kredit, während das Heilige für öffentlichen und Privatgebrauch immer weniger gefordert wurde. Gegenstände, die ursprünglich aus griechischen Schriftstellern genommen sind, blieben durch das ganze 17te Jahrhundert noch seltene Erscheinungen. Etwas mehr wurden indessen die Gedichte des Ariost und des Tasso von den Künstlern benutzt und man hat von den Carracci, Guido, Lanfranco, Guercino und Albani, zwar wenige, aber höchst schätzbare Werke, wozu der Stoff aus diesen Dichtern genommen ist.

Für allegorische Darstellungen bemerken wir überhaupt eine ziemlich stätige Neigung. Früher ist nur der Sinn gewöhnlich einfacher, der Kunst mehr gemäß, mehr Bild, mehr Sache; späterhin aber werden sie verwickelter. Zuweilen sind es bloße Sentenzen in Bildern ausgesprochen, so daß man z. B. einige von Peter Cortona, Poussin und andern, eher Rätsel als Allegorien nennen möchte, sie fanden indessen, ihrer Dunkelheit ungeachtet, Beifall, ja es gebrach selbst Gauli und Pozzo in den Kirchen Gesù und S. Ignazio gemalt hatten, nicht an Bewunderern; der Geschmack war besonders von dieser Seite gegen das Ende des Jahrhunderts äußerst verdorben. Anspielungen auf Namen und WappenVon beiderlei Art hat selbst Dominichino in den Kirchen St. Andrea della Valle und St. Carlo a' Catenari Gebrauch gemacht. Die dunkelste und gezwungenste Allegorie auf den Namen ist indessen doch wohl die, welche Algardi bei seiner Gruppe von der Enthauptung Pauli bezweckte. Derjenige, zu dessen Andenken dieses Werk verfertigt wurde, hieß Paul Spada, nun sollte der Apostel auf den Vornamen Paul, das Schwert aber, welches der Henker führt, auf den Familien-Namen Spada deuten. waren die ganze Zeit über stark im Gebrauch und sind gegenwärtig noch nicht ganz abgekommen. Der Geschmack an Emblemen und Sinnsprüchen hingegen verlor sich nach und nach.

Wir haben angenommen, daß die bildenden Künste, von ihrer Wiedererstehung an bis zur glänzendsten Epoche, Pfleglinge eines religiösen Eifers waren, und, sobald als diese sie vorwärtstreibende Kraft ermattete und der alte Ernst abgelegt war, zu sinken begannen, dann aber, um zu gefallen, mannigfaltiger wurden. Da nun jener religiöse Eifer die Landschaftmalerei, welche bloß aus dem notwendig gewordenen Streben zur gefälligen Mannigfaltigkeit entsprungen scheint, nicht begünstigte, so läßt sich leicht fassen, warum sie erst spät kultiviert und zu einem eigenen unabhängigen Fach erhoben werden konnte. Die Ursache ihrer schnellen Ausbildung, welche, vom Paul Brill an gerechnet, bis auf Claude Gelée, C. Poussin und Salv. Rosa nicht mehr als eine Zeit von ohngefähr 50 Jahren ausmachen wird, möchte wohl darin zu suchen sein, weil die allgemeinen Regeln der Kunst damals schon alle bekannt waren und auf diesen Nebenzweig derselben nur übergetragen werden durften.

In wiefern die eben erwähnten größten Meister in solchem Fach zur möglichsten Höhe gedrungen, oder ob eine noch vollkommnere Stufe erreichbar sei, bleibt zur weitern Erörterung aufgespart. Gegenwärtig merken wir bloß an, daß von den Carracci der Geschmack der Erfindung in der Landschaftmalerei sehr gut angegeben worden, und das Publikum begünstigte dieses neue Fach, vielleicht zum Nachteil der historischen Kunst, sehr, aber nicht mit Unrecht, weil Männer von bewundernswürdigen Talenten in demselben auftraten, und man kann sagen, daß wenn in allen übrigen Zweigen der Kunst, nach zurückgelegter Hälfte des 17ten Jahrhunderts, bereits verderbter Geschmack herrschte, die Landschaftmalerei allein sich eines guten, gereinigten zu erfreuen hatte. Die beschränkende Wirklichkeits-Forderung treu dargestellter Aussichten und dergleichen, welche seither der besseren poetischen Erfindung so schädlich geworden, fand damals noch keine Statt. Zwar gibt es auch wirkliche Aussichten von Claude Gelée, C. Poussin und andern verfertigt, aber es sind ihre Studien nach der Natur. In den eigentlich ausgeführten Werken erscheint keiner als bedingter Nachahmer, sondern sie suchten jedesmal ein bedeutsames Ganzes darzustellen, verschieden nach Talenten und Neigungen, groß und einfach, durch liebliche Mannigfaltigkeit anziehend etc. alle taten ihr Bestes in freiem Wirken.

In der Behandlung und Ausführung weichen schon die Carracci, von der vollendeten Weise, deren sich die großen alten Meister bedienten, etwas ab, wovon die Ursache unsern Lesern vorhin eröffnet worden; zwar drücken sie sich überhaupt streng und deutlich genug aus, doch geschieht nicht mehr als das Notwendige, mit freier Hand und wenigen Strichen. Dominichino ist, mit sichtbar größerer Mühe, gewöhnlich etwas ausführlicher als seine Meister, und liebt hellere Farben. Carravaggio, Guercino und Lanfranco sammelten ihr Licht sehr und vertieften die Schatten mit möglichster Kraft. Der dunkeln pikanten Manier dieser Künstler setzte Guido, nachdem auch er einige Zeit sich derselben beflissen hatte, seine gefälligen, heiter gemalten Werke entgegen, und blieb endlich, sowohl in der dunkeln als in der heitern Behandlungsweise, der vorzüglich verehrte und nachgeahmte Meister. Die Schar der Künstler wandte sich alsdann, wie von zwei verschiedenen Polen angezogen, teils hierhin, teils dorthin, nur wenige hielten die Mittelstraße, andere bedienten sich nach Beschaffenheit abwechselnd beiderlei Weisen z. B. P. von Cortona, der nicht immer so hell und blühend gemalt hat, wie in den Palästen Pitti und Barbarini, im Raub der Sabinerinnen, im Gemälde, wo Paulus vom Ananias das Gesicht wieder erhält u. s. w. sondern zuweilen düster mit gewaltigen Schatten, wie im Opfer der Iphigenia und in der Prozession des heiligen Carl Borromäus auf dem Hauptaltar zu St. Carlo a' Catinari; so auch And. Sacchi, welcher manchmal den silbernen grauen Ton aus Guidos spätem Werken nachzuahmen suchte, wie im Leben des heil. Joh. Bapt.,zu St. Giovanni Batista nel fonte Laterano. zuweilen aber sehr kräftige Farben und Schatten gewählt, wie im Tod der Hl. Annazu St. Carlo a' Catinari. u. s. w.

Dieses Schwanken im Geschmack der Ausführung, dessen Ursache im Überhandnehmen der Empirie zu suchen ist, bereitete nun das Plagiat vor. Leichtigkeit und Weichheit, die ans Unbestimmte grenzte, wurden für unerläßliche Bedingungen der Malerei gehalten; im übrigen glaubte man das Vollkommene aus so verschiedenen Mustern und Teilen derselben zusammensetzen zu können, daß innere Einheit und Übereinstimmung notwendig aufgegeben werden mußten. Die Antiken durften in das Studium der Kunst, zur Vermeidung alles Harten und Steifen, wie es scheint, kaum noch anders als etwa wie Anfangsgründe zum Zeichnen eingreifen, das Nackende wurde fast immer dem akademischen Modell nachgebildet, Lanfranco in der Leichtigkeit, Fülle und Pracht der Erfindung und Anordnung, so wie im Einfachen der Falten für musterhaft gegeben, Michel Angelo und Hanibal Carracci wegen richtiger Zeichnung und Großheit. Den Guido studierte man, um das Edle zu erlernen, Lieblichkeit der Gesichtszüge, zierlichen Kopfputz, Stellung und Form von Händen und Füßen; Dominichino und Poussin ihrer Wahrheit und Natürlichkeit wegen, den Tizian und Correggio, jenen als obersten Meister des Kolorits, diesen, weil er rücksichtlich auf Behandlung für den Ersten geachtet wurde; Rafael endlich galt zwar überhaupt für vortrefflich, besonders aber wegen Wahl der Formen, Reichtum und Sonderbarkeit der Gedanken, kluger Anordnung, Ausdruck und Charakter, Anlage von Licht und Schatten, wie auch wegen seiner Einsicht in die Luft- und Linear-Perspektive.

Es würde zu weitläuftige Untersuchungen veranlassen und kunstverständigen Lesern gegenüber vollkommen unnütz sein, das Wahre, Verschobene und Falsche, welche uns hier so wunderbar gemischt erschienen, deutlich auseinander zu setzen. Was wir beigebracht haben, soll, zufolge vorhandener Nachrichten aus dem Anfang des verflossenen Jahrhunderts, die Begriffe und Grundsätze des C. Maratti enthalten, nach welchen er seine liebsten Schüler unterrichtete, und kann uns also für die herrschende Meinung im Kunstgeschmack zu Ende des 17ten Jahrhunderts gelten.

Der Hang zum Weichen, und zum Schein einer leichten und freien Behandlung in der Malerei, der immer mehr zunehmend war, führte nach und nach zur matten Bedeutungs- und Charakterlosigkeit über. Mit der Entfernung von Antiken waren auch die bessern Formen verschwunden und Massen schwülstiger Gewänder eingeführt worden, um willkürlich Tiefen und Höhen, Partien von Licht, Schatten und Farben zu erhalten, in bunter Mischung, Fleck gegen Fleck gesetzt. Der reine einfache Begriff von der Kunst war verloren gegangen, unendliche Muster hoben einander wechselseitig auf.

Die stufenweise zunehmende Verirrung der Malerei läßt sich indessen, wie aus dem Vorhergehenden erhellet, leicht verfolgen und ihre Entfernung vom Rechten fassen, indem man beobachtet, wie sie nach und nach dazu gelangt ist; aber in Hinsicht auf die Plastik muß es immer beinahe unbegreiflich bleiben, wie man die Augen so von den großen Mustern des Altertums abwenden und malerische Effekte suchen konnte, welche dieser Kunst weder angemessen, noch durch sie in einem vorzüglichen Grade zu erzielen sind.

Um deswillen bleiben die heilige Theresein der Kirche St. Maria della Vittoria. sowohl als andere dergleichen Werke des Bernini in der Tat merkwürdige Monumente der sonderbarsten Ausschweifung der Kunst; doch sonderbarer ist es noch, daß ein so unreiner Geschmack Nachahmer finden, ja die allgemeine Gunst erlangen, und eine Zeitlang der herrschende bleiben konnte.

Achtzehntes Jahrhundert Erste Hälfte

Malerei

Geschichtliche Darstellungen

Unter den berühmten Meistern, deren Flor noch in das XVIIte Jahrhundert fällt, die aber bis zum Anfange des XVIIIten lebten und ihre Kunst, so wie ihre Lehrbegriffe und ihren Geschmack in dasselbe übertrugen, gedenken wir, vor andern, des Lucas Giordano, fa presto, oder der Geschwinde genannt,Luc. Giord. st. 1705. neben ihm des Joh. Bapt. Gauli mit dem Zunamen Baciccio.J. B. Gauli st. 1709. Beide waren Männer von ungemeinen Naturgaben, an Erfindung unerschöpflich und überdem zu weitläuftigen Werken, durch bewundernswürdige Fertigkeit, vor vielen andern berechtiget. Der Beschauer ihrer Werke erwarte jedoch keine ausgesuchten Formen, oder etwas mehr als bloße Scheingestalten; denn ungeduldige Eile nötigte sie, mit fliegendem Pinsel, die augenblicklichen Ergießungen ihrer Phantasie auch augenblicklich auf die Tafel zu werfen. Alle Ausführung einzelner Teile ist darum aufgegeben und bloß Wirkung im Allgemeinen beabsichtigt; wobei sie denn überhaupt weniger den höheren Sinn zu befriedigen, als das Auge zu vergnügen suchten. Auf eben dem Wege, auf welchem vor ihnen schon der bessere Künstler, Peter von Cortona, allem Strengen und Ernsten in der Kunst ausgewichen war, entfernten sie sich noch weiter als er vom Gründlichen der altern Schulen. Nicht minder flüchtig gedacht als dargestellt, haben ihre Kompositionen selten echten Inhalt, und wenn der erwähnte Peter von Cortona schon Figuren anbrachte, die keinen andern Zweck hatten, als Lücken zu füllen; so bedienten Giordano und Gauli sich derselben, noch weit häufiger, mit beinahe unbedingter Willkürlichkeit in der Anordnung.

Lucas Giordano hat in seinen Ölgemälden oft ein gefällig blühendes Kolorit, al fresko ist dasselbe zwar minder kräftig, aber von hellen fröhlichen Farben, wie in der Galerie Riccardi zu Florenz, zuweilen muß man den angenehmen harmonischen Ton loben, wie in der Kapelle Corsini al Carmine daselbst. Oftmals unterfing er sich auch Bilder in der Manier verschiedener großer Meister, selbst des Rafael und Tizian zu verfertigen. Es kann freilich die Frage nicht walten, ob dergleichen Nachahmungen etwas mehr als nur oberflächliche Ähnlichkeit mit den Werken der Meister enthalten, die zum Vorbild gedient haben, und ob sie den Kenner täuschen konnten; indessen breitet doch eben die Übung, die unser Künstler besaß, den äußern Schein edler Kunstwerke nachzuahmen, über alle seine Arbeiten wieder einen gewissen Schein von Geschmack, Zierlichkeit der Formen und des Faltenschlags aus, der unter die bessern Teile seiner Kunst gehört.

J. B. Gauli bildete sich unter Anleitung des Bernini. Man bemerkt in seinen Arbeiten kein so frisches und abwechselndes Kolorit wie beim Giordano, hingegen sind die Formen besser. Er malt überhaupt kräftig, am besten in Fresko, mit gelblichtem Ton und gefälliger Harmonie des Ganzen. Noch mehr Beifall gewährte ihm die in allen Teilen herrschende Lebhaftigkeit und Bewegung. Um deswillen war sonst die große Gruppe der stürzenden Laster am Gewölbe der Kirche Gesù vornehmlich berühmt, und verdient auch in der Tat es zu sein.

Der Pater And. Pozzo,Andreas Pozzo ist zu Trient 1642. geb. und st. zu Wien 1709. aus dem Orden der Jesuiten, schließt sich, weitläuftiger Unternehmungen und nicht geringerer Fertigkeit wegen, mit welcher er dieselben ausgeführt hat, den beiden vorigen Künstlern an. Man hält ihn mit Recht für einen der vorzüglichsten Meister im Fache architektonischer Perspektivmalerei. Doch in historischen Darstellungen erreichte er weder den Gauli, noch den Giordano, seine Zeichnung hat noch weniger Verdienst, das Kolorit ist roh, die Anordnung selten gefällig. Was ferner die Erfindung betrifft; so ist dieselbe fast immer matt, ja in einigen Fällen ganz fehlerhaft. Die Malereien am Gewölbe der Kirche des H. Ignatius können hierüber zum vollständigsten Beweis dienen.

Künstler, wie die drei eben erwähnten, sind, weil sie meist nur große Räume zu bemalen pflegten, Machinisten genannt worden, ein Name, der ihnen mit einer schon früher bestandenen Schule oder Genossenschaft Bolognesischer Architekturmaler gemein ist und also nicht ganz ausschließlich auf sie zu passen scheint. Darum möchten wir ihre, im strengen Sinn, wenig mehr als mechanische Kunstfertigkeit zu bezeichnen, sie lieber Praktikanten genannt und diese Benennung auf alle, welche gleich ihnen, über dem Viel- und Geschwindemalen, höhere Kunstzwecke aus den Augen setzen, vererbt wissen.

Carl MarattiC. Maratti st. 1713. im 88sten Jahre s. A. wollte, mit strengern Grundsätzen und einem höhern Begriffe von der Kunst, den eklektischen Weg einschlagen und aus den Werken der vorzüglichsten Meister sich einen eigentümlichen Styl bilden. Doch sein Talent reichte nicht hin, den verschiedenen Gehalt dieser Metalle in einen Guß zu vereinen, oder, mit andern Worten, es weiter als zum Plagiat zu bringen. In seinen allerbesten Werken erscheint er daher, entweder als Nachahmer seines Lieblingsmusters des Guido Reni, wie z. B. in der Anbetung der Könige in der Kirche St. Marco, oder sie sind gleichsam aus mancherlei Bruchstücken zusammengesetzt, wie das Altargemälde der Kapelle Spada in der Chiesa Nuova, worin man zugleich an den Rafael, Correggio, Guido und Guercino erinnert wird; in mehreren andern bediente er sich eines gesättigten, ernsthaften Farbentons, und scheint alsdann sich seinem Lehrer, dem Andrea Sacchi, haben nähern zu wollen. Von dieser Art sind die schönen Gemälde in einer der heil. Jungfrau und dem heil. Joseph geweiheten Kapelle, in der Kirche St. Isidoro; die Geburt Christi in St. Giuseppe de Falegnami; eine Maria mit dem Kinde und Engeln, in der Galerie zu Dresden, von denen allen man glauben darf, sie seien aus des Künstlers früherer Zeit. Andere hingegen, welche er wahrscheinlich später verfertigte, wie das große Altarblatt zu St. Carlo al Corso, das Gemälde in der Kapelle Cibo zu St. Maria del Popolo, u. a. m. haben einen hellern Farbenton, der zuweilen gar etwas ins Matte fällt, ihre Formen aber sind von edlerem Styl.

Maratti genoß unter seinen Zeitgenossen allgemein den höchsten Ruhm und verdiente solchen auch wirklich, da er, nach seines Meisters Sacchis Tode, unstreitig der beste Maler war. Seine Zeichnung ist richtig im Nackenden, nur spürt man, besonders an den Hauptfiguren, das Akademische zu sehr, Verhältnisse und Charaktere sind im übrigen wohlbedacht, meistens edel, vornehmlich an den Madonnen, welche oft die einnehmendste Unschuld und Reinheit schmückt. Hierin kam dem Guido keiner so nahe als Maratti. Die Falten legte er zierlich, ebenfalls den Guido nachahmend, an, doch sind sie lockerer gehalten und die Massen häufig unterbrochen. Licht und Schatten ist gewöhnlich gleichgültig, mehr zum Bedürfnis gebraucht, als zu freien Zwecken der Kunst angewandt, daher dürfte es schwer halten, irgend ein Werk unsers Künstlers zu nennen, welches auffallende Wirkung tut. Wohlangeordnete Gruppen finden sich zuweilen bei ihm; hingegen kann keiner von seinen Erfindungen ein ausgezeichnet poetisches Verdienst zugestanden werden.

Dem Maratti an Ruhm und Kunst der nächste war Carl CignaniCignani st. 1719. 91. Jahre alt. ebenfalls ein Plagiarier, aber von beschränkterer Art. In seinen besten Arbeiten, unter welchen die Freskogemälde, unter der Kuppel der Domkirche zu Piacenza, in erster Reihe stehen, ahmte er die heitere gefällige Weise des Guido nach, auch in einem Altargemälde der Hofkirche zu München erinnern manche Gestalten ebenfalls an jenen Meister. Kräftiger behandelt ist der von den Liebhabern so hochgeschätzte Joseph mit Potifars Weib in der Galerie zu Dresden; in andern Sammlungen finden sich Werke von Cignani, worin er, in Kraft und Ton des Kolorits sowohl als in den breiten Massen, den Ludwig Carracci zum Muster genommen zu haben scheint.

Wollte man die Kunst des Maratti und Cignani vergleichend gegen einander halten, so würde jener in allen Teilen, wodurch die Künstler der Römischen Schule schon lange sich auszeichneten, den Vorzug behaupten, er würde im Ausdruck lebhafter, in den Charakteren mannigfaltiger, zum Teil auch edler, überhaupt aber als besserer Zeichner sich darstellen. Cignani hingegen, aus der Lombardischen Schule, erschien als der bessere Maler mit sanfterm Kolorit, freierm Pinsel, reinern ununterbrochnern Massen. Daher seine Bilder gewöhnlich mehr Wirkung tun. Auch möchten wir ihn in Behandlung der Falten für vorzüglicher halten, worin die Carracci und vornehmlich Guido, ohne merklichen Einfluß des Berninischen Geschmackes, nachgeahmt sind. In die Gesellschaft der erwähnten Künstler bringen wir aus mehreren Gründen auch den Franz Trevisani,Fr. Trevisani st. 1746. 90 Jahr alt. der in seinem vorzüglichsten Werk, einem heilg. Franziscus, der die Wundmale empfängt, auf dem Hauptaltar in der Kirche delle Stigmate, sich als ein glücklicher Nachahmer des Guido bewies, welcher damals, wie man aus dem allgemeinen Bestreben der Künstler, ihn nachzuahmen, wahrnimmt, für den Kanon des malerischen Kunstgeschmacks galt. In andern Bildern, z. B. in denen zu S. Silvestro in Capite, bediente sich Trevisiani hingegen sehr dunkler Schatten und eines warmen Farbentons, der etwas ins Braune fällt. Er zeichnete seine Figuren, nach damals üblicher akademischer Manier, ziemlich richtig, ohne sich jedoch in den Formen zu einem großen Sinn erheben zu können. Ihm möchte von dieser Seite hauptsächlich Benedict LutiB. Lutti st. 1724. 58 Jahr alt. G. M. Morandi st. 1717. M.A. Franceschini st. 1729. B. Lamberti st. 1721. J. Ghezzi st. 1721. J. Odazzi st. 1731. L. Garzi st. 1721. Joh. Nic. Nasini st. 1736. J. Chiari st. 1727. Melchiori st. ... Procaccini st. 1734. Passeri st. 1714. de Matteis st. 1728. verglichen werden, dessen Geschmack übrigens mehr zum Zierlichen und Geschmückten, die Ausführung zum Glatten sich neigt, mit fröhlichen Farben in den Gewändern, welche allen Gemälden dieses Künstlers ein sehr munteres Ansehen geben.

Giambatt. Maria Morandi und Marc. Ant. Franceschini sind bereits unter diejenigen Maler zu zählen, deren Kunst noch enger bedingt war, als die der vorerwähnten Plagiarier, welche nun von diesen wieder als Vorbilder nachgeahmt wurden.

Vom Morandi sieht man, in der Kirche S. Maria del Popolo, die Heimsuchung, kräftig und mit gefälliger Wirkung gemalt, worin er sich die Werke der Lombardischen Schule zum Muster genommen hat. Franceschini, der in Rom bedeutende Arbeiten verfertigte, hatte sich zwar unter C. Cignani, doch, wie aus seinem schönsten uns bekannten Gemälde, einer büßenden M. Magdalena in der Galerie zu Dresden augenscheinlich erhellet, vornehmlich nach Werken des Guido Reni gebildet, als dessen Nachahmer er in dem erwähnten Gemälde auftritt. Allein er ist diesem seinen Vorbild nicht immer so treu geblieben, daß in andern Werken nicht auch zuweilen die Manier des Lehrers mit durchblicken sollte. Gefällige Ausführung mit freiem Pinsel, angenehmere Beleuchtung, mehr Fließendes und Zierliches als Kraft und Bestimmtheit in der Zeichnung, ist der Charakter von Franceschinis Bildern.

Bonaventura Lamberti, aus dem Modenesischen, welcher die Kunst vom Cignani gelernt, Joseph Ghezzi, von Ascoli, Joh. Odazzi und Joh. Nic. Nasini des Cyrus Ferri, Ludwig Garzi des A. Sacchi Schüler, ferner Joseph Chiari, Joh. P. Melchiori, Procaccini und Passeri, alle vier vom C. Maratti gezogen. M. Benefiali, welchen der obige Lamberti unterrichtet hatte, nebst diesen de Matteis, der den Maratti nachahmte, obschon Lucas Giordano sein Lehrer gewesen, waren zu Anfange des Jahrhunderts geschätzte Künstler, und wurden, (der Erste nebst den beiden Letzten ausgenommen,) mit Lutti, Trevisiani und dem nachher zu erwähnenden Seb. Conca im Jahr 1718. erkoren, die großen Figuren der Propheten, in der Kirche St. Giov. in Laterano, zu malen; Werke, die, sobald man an jene herrlichen Typen denken will, welche Michel Angelo und Rafael für dergleichen Charaktere aufgestellt haben, freilich keiner großen Achtung wert sind, Forscher der Kunstgeschichte aber doch interessieren, weil sie ihnen den Zustand der damaligen besten Kunst und des Geschmacks, in einer Reihe Arbeiten der vorzüglichsten Meister, vor Augen stellen.

Zu gleicher Zeit hatte eine andere, noch viel weniger korrekte, in wilder Manier ausschweifende Schule der Kunst ihren Sitz in Neapel. Dem Haupt und Stifter derselben Franz SolimenaFr. Solimena st. 1747. glauben wir kein Unrecht zuzufügen, indem wir ihm frevelhaft oberflächliche Leichtigkeit im Zeichnen, so wie in der Behandlung überhaupt, schlechten Geschmack und gehaltlose Erfindungen Schuld geben. In der Anordnung scheint er um nichts besorgt gewesen zu sein, als den Raum auszufüllen. Er suchte das Auge nicht anzuziehen; nein, es gewaltsam zu blenden, durch grellen Kontrast von Licht, von Schatten und Farben, Fleck gegen Fleck gesetzt. Die Italienische Kunstsprache hat diese Manier treffend a macchie, d. i. fleckenweise malen, genannt. Wir fassen daher alle diejenigen, welche sich derselben bedient haben, unter dem Namen Macchianten zusammen. Der oben schon genannte Sebastian Conca von GaetaSeb. Conca st. 1764. D. Vaccaro lebte nach 1740. F. Muro st. ... G. Corrado st. 1765. J. Bapt. Piazetta st. 1755. im 72sten Jahre. J. Bapt. Tiepolo st. 1770. 77 Jahr alt. war des Fr. Solimena Schüler; ein langer Aufenthalt in Rom und die Konkurrenz mit den besten Künstlern daselbst hatte jedoch seinen Geschmack besser gebildet und ihn etwas größern Ernst auf Zeichnung und Ausführung wenden gelehrt. Die Übergänge vom Licht zum Schatten sind bei ihm sanfter, der Ton des Kolorits minder ins Graue fallend, die Farben überhaupt fröhlicher. Willkürliche Anordnung und bunte Unruhe in seinen meisten Werken verraten indessen die Schule.

Dominicus Vaccaro, Francisciello del Muro und Giaquinto Corrado waren die getreusten Nachahmer von Solimena, besonders gilt Francisciello in dieser Rücksicht für den Vornehmsten. Die Behandlung seiner Werke ist, im Ganzen, nur noch leichtsinniger, loser und dabei nicht so geistreich als Solimenas. Bei ernsthaften Beschauern erregt er wirklich Unwillen und zuweilen, im eigentlichsten Sinn, schmerzhafte Empfindungen. Corrado ist bunt, unruhig, gehaltlos; aber eben nicht widerwärtig. Er hat viel in Fresko gearbeitet und von dieser Seite kennt ihn der Verfasser bloß. Wiewohl J. Bapt. Piazzetta und J. Bapt. Tiepolo, beide Venezianer und von ganz anderem Stamm als die Neapolitanischen Macchianten sind, so dürfen sie doch, als Geschmacksverwandte und auf gleichem Irrwege, denselben zur Seite stehen. Schwache Gedanken, fehlerhafte Zeichnung, Mangel an Ausdruck, Charakter und edlen Gestalten, der Zweck durch heftige Gegensätze Wirkung hervorzubringen, unzulängliches Wissen unter kecke Pinselstriche zu verbergen, sind ihnen allen gemeine Eigenschaften. Piazzetta unterscheidet sich nur durch mächtigere Schatten, welche ins Rotbraune fallen, Tiepolo wendet hingegen hellere Farben an und bedarf deswegen keiner gewaltsam dunklen Stellen. In beider Werken finden sich zuweilen noch Spuren von dem guten Kolorit der ältern Venezianischen Schule.

Leicht würden sich noch viel mehrere Maler, sowohl aus Venedig als von Neapel anführen lassen, welche alle, unter sich wenig abweichend, in derselben tadelnswerten Manier gearbeitet haben; allein wir wollten, unserm Vorsatz gemäß, bloß die Gattung anzeigen, wozu das Gesagte bereits hinreichend sein mag.

Vom jüngern Brutus haben die Alten gesagt: »Er sei der letzte Römer gewesen,« und jetzt pflegte man dasselbe Wort unter anderer Beziehung auch auf den C. Maratti anzuwenden. In der Tat war der Einfall treffend, weil nach des Maratti Tode kein Römer mehr, ja bald nachher auch nicht einmal ein Künstler von italischer Zunge, zu Rom den höchsten Ruhm in der Kunst genoß, sondern abwechselnd Ausländer verschiedener Nationen, bis auf den noch lebenden Bildhauer Canova, welcher seinen Landsleuten erst neulich diese Ehre wiedergewonnen hat. Hieran war nicht der größere Flor oder eine lebhaftere Steigerung der bildenden Kunst in den verschiedenen Landen Schuld: denn die Niederländische Schule hatte ihre schönste Epoche schon zurückgelegt; Auch in Frankreich lebten die bessern Künstler aus Ludwig des Großen Zeit nicht mehr; sondern Kunst und Geschmack hatten überhaupt eingebüßt, und waren auch bei den Italiänern, durch die Verirrungen, welche so eben angezeigt worden, auf schlimme Abwege geraten.

Der vorhergegangenen Bemerkung zu Folge war Peter Subleyras, ein Franzose, ohngefähr um das Jahr 1740 zu dem Ansehen des besten Historien-Malers gelangt, so daß ihm ein Altargemälde für die Peterskirche zu verfertigen aufgetragen wurde. Es ist in Mosaik gesetzt und das Original wird seither in der Kartause, neben andern aus der Peterskirche dahin transportierten Bildern, aufbewahrt. Der Künstler stellte auf demselben eine Geschichte vom Kaiser Valens oder Theodosius dar, welcher, vom Wunder der Messe gerührt, ohnmächtig hinsinkt. Es ist ein Werk ohngefähr von dem Verdienst einer Arbeit des Carl Maratti; einige Massen der Gewänder sind vielleicht besser geworfen, andere im Ton zarter abgewechselt, als von jenem zu erwarten wäre, hingegen findet sich wohl im Ganzen nicht so viel Gemütliches; auch würde Maratti die nackenden Teile eines dienenden Mannes, im Vordergrund, vermutlich in besserm Style gezeichnet haben.

 

Bildnismalerei

Die Neigung der Italiäner hat sich nie so entschieden auf Porträte gewendet, wie solches anderwärts geschehen ist, und so hat man bei ihnen die Bildnismalerei auch nie als einen eigenen, für sich bestehenden Zweig der Kunst angesehen. In Rom selbst findet sich deswegen, durch die ganze Zeit, welche in gegenwärtigem Abschnitt behandelt wird, kein berühmter Bildnismaler von Profession. Sebastian Bombelli, Rosalba Carriera und Franz Rusca, die einzigen Künstler von bedeutendem Ruf und Ansehen, welche sich ausschließlich mit dieser Gattung von Arbeiten beschäftigten, waren aus dem obern Italien gebürtig, wo die Aussicht auf reichlichen Gewinn in den nahe angrenzenden Ländern sie so zu sagen zu dieser Kunst verlocken konnte.

 

Landschaftmalerei

Die Landschaftmalerei scheint im Anfang dieses Jahrhunderts in Italien weniger als zuvor geübt worden zu sein. Von Nationalen hatten allein Lucatelli, J. P. Pannini und Ant. Canale, die beiden letzten sogar nur in einem Nebenzweige dieser Kunstgattung, in Architekturgemälden, Ruhmwürdiges geleistet; im eigentlichen Fach der Landschaft verdiente und genoß damals der Niederländer Jul. Franz Bloemen genannt Orizzonte, welcher sich in Rom niedergelassen, die meiste Achtung. Er war ein geschickter Künstler, obwohl keinem der großen Landschaftmaler zu vergleichen, die wir oben aus dem vorigen Jahrhundert genannt haben. Seine Erfindungen sind frei, zuweilen dichterisch, mehr anmutig als groß, die Ausführung leicht und meisterhaft. Fast in allen Römischen Palästen finden sich Werke von dieses Künstlers Hand. Die Anwesenheit des Joachim Franz Beich und des Christ. Lud. Agrikola, deutscher Landschaftmaler von Verdienst in Rom, mag ebenfalls in die ersten Jahre des XVIIIten Jahrhunderts fallen. Doch hat keiner derselben bedeutende Werke daselbst hinterlassen. Beich führt einen kecken Pinsel, seine Erfindungen sind einfach, aber malerisch. Man nimmt wahr, daß er viel nach C. Poussin und Salv. Rosa studiert hat. Agrikola liebte buntere Farben und Darstellungen von Phänomenen. In der Galerie zu Florenz hängt ein kleines verdienstliches Bild von ihm, worin nach vorübergezogenem Gewitter ein Regenbogen erscheint, fleißig ausgeführt.

Späterhin machte sich ein Franzose, Manglard, durch seine Seestücke einen guten Namen. Schöne Behandlung und guter Ton der Farbe sind die Hauptverdienste derselben. Er hat viele Bilder im Palast Ruspoli gemalt, welche man gewöhnlich unter seine besten Arbeiten zählt.

Der in Frankreich so berühmt gewordene Vernet, war Manglards Schüler. Die Arbeiten, welche derselbe in Rom und Neapel verfertigt hat, fallen vermutlich noch in die erste Hälfte des Jahrhunderts, obwohl gegen das Ende derselben. Es verdient auch angemerkt zu werden, daß Vernet einer der ersten gewesen ist, der wirkliche Aussichten, z. B. von Seehäfen, vom Vesuv und dergl. gemalt hat, wodurch der Geschmack an dieser Gattung, der seither so um sich gegriffen, zuerst begründet wurde.

 

Bataillen- und andere untergeordnete Gattungen der Malerei

Bataillenmaler, von ausgezeichneter Geschicklichkeit, gab es zu Anfang des Jahrhunderts in Rom nicht. Die Geschichte gedenkt zwar eines Christian Reder aus Sachsen, der daselbst lange gelebt und 1729 gestorben; doch sind nur wenige Werke von ihm vorhanden, und diese wenigen sind wenig bekannt. Die Gattung scheint keine sonderlichen Liebhaber mehr gefunden zu haben; hingegen erhielt sich die Nachfrage nach Frucht und Blumenstücken besser; und Christian BernetzChristian Bernetz war 1658. geb. starb zu Rom 1722. aus Hamburg, desgl. Franz Werner Tamm,F. W. Tamm war ebenfalls 1658. geb. nach langem Aufenthalt in Italien ging er nach Wien und starb daselbst 1724. eben daher, waren geschätzte und beschäftigte Künstler in dieser Art. Tamm malte zärtlich, auf niederländische Weise; und nicht nur seine Früchte und Blumen, sondern auch Darstellungen zahmer Tiere und toten Wildes von seiner Hand sind hochgeachtet.

Mosaik

Fabius Christofani hatte sich schon gegen das Ende des XVIIten Jahrhunderts zu Rom durch seine Arbeiten in diesem Fach rühmlich bekannt gemacht. Dessen Sohn und Schüler, P. Paul Christofani, erlangte in der Folge noch größern Beifall, und verfertigte zum Schmuck der Kirchen St. Joh. im Lateran und St. Peter bis gegen die Mitte des XVIIIten Jahrhunderts viele große Werke, die in ihrer Art auch meistens von vorzüglicher Beschaffenheit sind. Unter allen zeichnet sich, unsers Bedünkens, das Begräbnis der H. Petronilla nach Guercino als das beste aus, weil die Wirkung des Urbilds darin trefflich nachgeahmt ist. Christofani zog mehrere gute Schüler, Dominicus Gossoni, Nic. Onofri, Bernhard Regolo, J. Bapt. Brughi, Jos. Ottaviani, Liborio Fattori, Philipp Cocchi und Joh. Conti, welche ihm teils bei den erwähnten großen Arbeiten behülflich waren, teils auch für sich selbst bedeutende Werke unternommen haben. Vom Conti z. B. ist das Madonnen-Bild, unter der Uhr am Glockenturm des Palasts auf Monte Cavallo, nach einem Gemälde des Carl Maratti ausgeführt. Die Mosaik fand und findet auch wohl noch unter den Kunstliebhabern so viele Gönner, so manchen Lobredner, daß ein Wort über ihre Herkunft, Anwendung und Grenzen nicht überflüssig scheinen kann.

Als im Mittelalter die Künste schliefen oder, besser gesagt, verloren gegangen waren, erhielt sich das Andenken der Malerei im Großen noch beinahe einzig durch die Mosaiken, welche man, als köstlichen Zierrat, in Kirchen anzubringen pflegte. Die rohen Handgriffe dieser Gattung von Arbeit waren es hauptsächlich, was den ersten Wiederherstellern der Kunst in Italien von den Griechen überliefert wurde, und manche der vorzüglichsten Künstler früherer Zeit bis vor Rafael haben Mosaiken verfertigt, wie denn einige dergleichen vom GhirlandajoDominikus Ghirlandajo, ein Florentinischer Maler, 1549. geb. st. 1493. zu den besten und zweckmäßigsten Werken dieser Gattung gehören. Späterhin scheint keine große Vorliebe mehr für die Mosaik gewaltet zu haben, und wir sehen sie erst wieder in Aufnahme geraten, als man die Kuppeln der Peterskirche damit zu verzieren unternahm. Nachdem endlich war beschlossen worden auch die Altargemälde in erwähnter Kirche durch Mosaiken ersetzen zu lassen, so erhielt dieses Fach seine letzte Vervollkommnung. Man mußte nun darauf denken, die Wirkung der Urbilder mit Genauigkeit darzustellen, alles Rohe und Steife, welches dem Auge in der Nähe mißfallen könnte, so viel möglich vermeiden, und größere Sorgfalt auf das Detail in der Ausführung wenden, wozu mannigfaltigere Farben und Abstufungen derselben erfordert wurden, als man bei einfacherem Zweck und Verfahren bisher notwendig gehabt hatte. Wie die Industrie, besonders im Artikel der Farben, den angeführten Bedürfnissen mit Erfolg abzuhelfen bemüht war, verdient allerdings rühmliche Bemerkung, und es ist für jeden, dem die Gelegenheit sich bietet, eine wohlbelohnte Mühe, vornehmlich in dieser Hinsicht die Magazine der Fabrik der Mosaiken, hinter St. Peter, wo man alles im Ganzen beisammen, ja gleichsam das Entstehen und Vollenden der musivischen Arbeiten sehen kann, in Augenschein zu nehmen.

Um auch dem, der diese Anstalt nicht gesehen hat, eine Vorstellung von ihrem Umfange und von dem Reichtume an Farbentinten zu geben, welche in derselben zur Nachahmung größerer und kleinerer Gemälde verfertigt und angewandt werden, mag es hinreichen anzuführen, daß die Zahl der aufs mannigfaltigste gemischten Farbentinten sich über 15000 beläuft, und daß jede dieser 15000 Farbentinten wieder in 50 Abstufungen oder Schattierungen von ihrer spezifischen Dunkelheit bis zur höchsten Helle mit Weiß versetzt vorhanden ist, wodurch also überhaupt eine Anzahl von 750,000 Tinten entsteht, deren jede in genau bestimmten Verhältnissen gemischt ist, und in Ermangelung sogleich wieder bereitet werden kann; und dennoch ist diese ungeheure Menge kaum hinlänglich, jede Tinte, die der Pinsel des Malers zu mischen vermag, in ihren feinsten Nüanzierungen nachzuahmen.

Bei den großen Altargemälden von Mosaik in der Peterskirche gibt man als vornehmsten Zweck an, äußerst dauerhafte Kopien großer Meisterstücke der Malerei aufzustellen. Es fragt sich also Erstlich: welchen Wert solche Werke, wenn man dieselben als Nachbildungen von Öl oder Freskogemälden betrachtet, haben können; Zweitens: inwiefern sie der Absicht einer langen Dauer entsprechen? woraus sich alsdann ergeben muß, ob diese Kunstgattung in besagten Altarblättern der Peterskirche zweckmäßig angewendet worden ist oder nicht. Auch die wärmsten Bewunderer jener Kopien großer Meisterwerke in Mosaik müssen, wenn sie billig sein wollen, zugeben, daß der Geist der Originale, die Lebhaftigkeit des Ausdrucks, das Fließende, Zarte in der Zeichnung, mit einem Wort, des Meisters letzte, beste Kunst, nicht übergetragen werden konnte, und folglich wenig mehr als das Caput mortuum seiner Gedanken, seiner Anordnung, seines Geschmacks darin zu sehen ist, ja daß der beste Künstler in Mosaik vermöge der Schwierigkeiten, welche ihm die unfügsame Natur des Stoffs, mit dem er arbeitet, entgegensetzt, doch, in Rücksicht auf Kunst und Treue gegen sein Original, nicht mehr leisten kann, als etwa ein mittelmäßiger Maler in Ölfarben auf seine Weise ebenfalls leisten würde, den Ton des Kolorits und die Wirkung von Licht und Schatten allein ausgenommen. Aber dieses sind bei wenigen Gemälden Hauptverdienste; überdem kömmt der Fall selten vor, daß bei alten Bildern sich beides ganz unverändert erhalten hat. Vermutlich wird man uns hierauf antworten, Farbenton und Wirkung sei weder der einzige noch größte Vorteil, welchen die Mosaiken gewähren, hingegen mache sie ihre beinahe unverwüstliche Dauer vornehmlich geschickt, das Andenken der berühmten Meisterstücke auf entfernte Zukunft überzutragen. Man erwäge aber dagegen, daß die Überlieferung an die Nachwelt weit sicherer von der Kupferstecherkunst erwartet werden darf, und daß der Kupferstich überdem vom Geschmack, Geist, Ausdruck und Formen des Originalwerks einen weit bessern Begriff zu geben im Stande ist, als ein Mosaik, welchem also weiter kein Vorzug übrig bleibt, als daß es allenfalls einen schwachen Abglanz vom Kolorit des Urbilds aufbewahrt.

Aber sollte eine redliche Absicht nicht Mißgriffe, welche in der Wahl der Mittel geschehen sein mögen, entschuldigen? Wohl! alsdann bleibt uns nur die Frage noch übrig, hatten die neuern Gönner und Beförderer der Mosaik auch wirklich den edeln, die Kunst und sie selbst ehrenden Zweck, der Nachwelt Kunde von den besten Werken unserer großen Maler zu lassen? Leider muß man befürchten, das Meiste, wo nicht gar Alles, sei durch andere Ursachen bewirkt worden. Was von jeher denen, welche die Natur nicht zur höhern Erkenntnis weihte, für Kunst, deren Geist sie nie begreifen, gegolten hat, der Stoff, gleißende Politur, schwere Mühe des Handwerks, das mit dem Material kämpft, bohrt, dreht, schnitzt und bohnt etc. mit einem Wort eben der Trieb, welcher ehemals gleich unnütz am Porphyr sich abmüdete, ja in Demant zu graben versucht hat, war ohne Zweifel ein bei weitem mächtigerer Hebel zur Aufnahme der Mosaik, als der Wunsch, das Andenken schöner Kunstwerke zu erhalten.

Verhältnismäßig sind auch nur wenige der vortrefflichsten Bilder in Mosaik gesetzt, weit mehrere hingegen gelangten zu dieser Auszeichnung, an denen die Nachwelt hoffentlich wenig Freude haben wird, wenn sie ihr ja zukommen sollten; denn auch die sogenannte ewige Dauer der Mosaik leidet Einschränkung. Die Arbeiten des Taffi und TurritaAndreas Taffi und Jakob da Turrita, alte Florentinische Musivarbeiter, die im 13ten Jahrhundert lebten. haben schon vorlängst der Ausbeßrung bedurft und das Schiff Petri von GiottoGiotto, der erste große Verbesserer der neuern Kunst, Cimabues Schüler, starb 1336. im 60sten Jahr. ist bereits zweimal restauriert worden, während viele Gemälde a tempera, von eben diesem Meister sich vollkommen unversehrt erhalten haben.

Man hat überhaupt so gar wenig Rücksicht darauf genommen, was Mosaik leisten kann oder nicht kann, daß sie manchmal auf Bildnisse, ja was noch schlimmer war, auch auf Landschaften angewendet worden ist, mit welchem schlechten Erfolg mag jeder Kunstverständige sich vorstellen. Wir übergehen lieber, ohne weitere Bemerkung, diese Produkte eines verkehrten Geschmacks.

Kuppeln mit Mosaik auszulegen scheint ebenfalls eine üble Anwendung derselben von barbarischem Ursprung. Wenn Mosaik, an die Stelle der Malerei gesetzt, Entschuldigung verdient, so ist solches besonders an feuchten Orten, die man indes überhaupt lieber meiden sollte, wo sie am besten Widerstand leisten kann, in der Höhe aber, wie an Decken und Kuppeln in Kirchen, wird solches der Fall nie sein, und dieselben Maler, welche die Kartons zu den Mosaiken in den Kuppeln der Peterskirche verfertigten, würden die gleichen Kompositionen zuverlässig sehr viel besser in Fresko ausgeführt haben, als durch Mosaik, mit ungleich größerm Aufwand, geschehen ist. Die ganze ungeheure Arbeit, welche diese Kuppeln gekostet haben, erregt so wenig Interesse, daß vielleicht niemand auftreten und sagen kann, er habe dieselben, auch nur ein einziges Mal, seiner aufmerksamen Betrachtung wert geschätzt.

Der Verfasser möchte nicht gerne so mißverstanden werden, als hätte er, mit dem Gesagten, unbedingt gegen musivische Arbeiten eifern wollen; seine wahre Absicht ging bloß dahin, übertriebener Bewunderung, welche dem guten Geschmack schaden möchte, Einhalt zu tun, und hiernächst das Zweckwidrige der heut zu Tage gewöhnlichen Anwendung dieser, sonst in manchem Betracht schätzbaren, Kunstgattung zu zeigen. Die große, fast grenzenlose Lust und Neigung der Alten für Kunstgebilde hat ohne Zweifel zur Mosaik den ersten Anlaß gegeben. Als für jeden Raum passende Zierraten ausgedacht waren, sollten endlich auch die Fußboden nicht ungeschmückt bleiben. Wahrscheinlich waren es anfänglich einfache Muster von Pflastersteinchen, welche, nach und nach besser gefügt, reichere Zierraten bildeten, bis man endlich gar bunte Marmorarten und Gläser in ganz kleinen Stiftchen anwendete. Dieses war der Sache und dem Gebrauch angemessen, äußerste Pracht zwar, ja man kann sagen eine Verschwendung; aber vollkommen übereinstimmend mit dem noch reichern Schmuck der Wände und Decken. Auf diese Weise möchte die Mosaik immerhin jetzt noch angewendet werden, ihrem ursprünglichen Zwecke gemäß in Gebäuden, wo überschwengliche Pracht herrschen soll, zur Verzierung von Flächen, welche vieles zu leiden haben, viel betastet, berieben, betreten werden; in solchen Fällen stelle sie leichten ergötzenden Zierrat dar; nur maße niemand sich an, edle Werke des Pinsels in Mosaik nachahmen zu wollen, und wo solches geschehen ist, da habe man wenigstens Aufrichtigkeit genug, um einzugestehen, daß es unstatthafte Versuche waren, welche nur in Hinsicht auf den kühnen Fleiß, der mit unüberwindlichen Schwierigkeiten zu kämpfen wagt, Nachsicht verdienen.

Gewirkte Tapeten, die man gewöhnlich Hautelisse und in Italien Arrazzi nennt, haben alle Fehler der Mosaiken, aber nicht ihre Dauer, und sind also in keinem Betracht höher zu schätzen, als jede andere Gattung mittelmäßiger Kopien, auch ermatten ihre schönen Farben nach einiger Zeit, und wir gestehen ganz aufrichtig, es würde uns in nicht geringe Verlegenheit setzen, wenn wir sagen sollten, wozu sie eigentlich gut sind. Hier ist der Ort nicht, wo untersucht werden soll, ob P. Leo X. Recht oder Unrecht gehabt, nach Raphaels Zeichnungen die bekannten Stücke wirken zu lassen, welche sonst bei feierlichen Gelegenheiten in der Halle und den Zugängen der Peterskirche aufgehangen wurden; Künstler und Liebhaber der Kunst sahen sie jedesmal mit Vergnügen; doch wahrlich nicht der kunstgerechten Ausführung wegen, sondern weil Raphaels Erfindungen interessieren. Vorteilhafter für die Kunst und ihrem goldnen Zeitalter unstreitig angemessener wäre es gewesen, wenn die Original-Kartons besser in Acht genommen worden wären, so daß wir nicht den unschätzbaren Verlust eines Teils des Kindermords, der Anbetung der Könige, der Auferstehung Christi und noch anderer Stücke beklagen müßten.

Dieser Gattung von Kunstarbeiten ist übrigens nur um deswillen Erwähnung geschehen, weil zu Anfange des XVIIIten Jahrhunderts P. Clemens XI. eine Fabrik derselben in Rom anlegte, welche noch immer fortdauert, und in Rücksicht des Farbentons, der Darstellung, der Wirkung von Licht und Schatten etc. auf ihre Weise eben so viel geleistet hat, als die Fabrik der Mosaiken in der ihrigen.

Kupferstecherkunst

Die Kupferstecherkunst wurde zu Anfang des XVIIIten Jahrhunderts in Italien nicht sonderlich geübt, und diejenigen trefflichen Künstler dieses Fachs, welche wir anzuführen haben, sind Ausländer. Es versteht sich, daß hier bloß von der Kupferstecherkunst die Rede ist, insofern sie Nachbildungen liefert. Denn die eignen Erfindungen verschiedener berühmter Maler, von ihnen selbst eigenhändig radiert, dürfen nicht hierunter begriffen werden, obschon dieselben, indem man den eigentümlichen Geist und Kunst der Meister am deutlichsten darin erkennt, sehr schätzbar sind. Doch gegenwärtig ist uns bloß daran gelegen, Betrachtungen über den Zustand, in welchem sich der erwähnte Zweig der Kunst befunden hat, anzustellen, und zu solchem Zweck beschränken wir uns einzig auf die kurzgefaßte Anzeige und Würdigung der vornehmsten Kupferstecher von Profession und ihrer bekanntesten Werke.

Nic. Dorigny,Dorigny ist 1658 geb. hielt sich 28 Jahr in Italien auf und starb in seinem Vaterlande 1746. ein Franzose, verfertigte ganz zu Anfang des Jahrhunderts zu Rom zwei sehr große Kupfertafeln, nach Raphaels Verklärung und der Abnahme vom Kreuz von Daniele da Volterra. Das erste wird besonders hochgeschätzt und verdient es auch wirklich, denn die Gestalten und Charaktere des Originalgemäldes sind ziemlich getreu dargestellt. Dorigny zeichnete gut, und die Manier, deren er sich bedient hat, ist kräftig, frei, malerisch. Vorteilhafter für Blätter von beträchtlicher Größe, als für kleine Werke, deutet sie die Wirkung von Licht und Schatten nebst der Haltung hinlänglich, die Lokalfarben aber nur wenig an.

Robert von Audenaert und Arnold van Westerhout,R. von Audenaert geb. zu Gent 1663. lebte 37 Jahre lang in Italien, und begab sich nachher wieder in sein Vaterland, wo er 1743. gestorben. A. von Westerhout war aus Antwerpen gebürtig, hatte sich zu Rom niedergelassen, wo er 1725. starb. zwei Niederländer, arbeiteten ebenfalls um den Anfang des Jahrhunderts zu Rom; Westerhouts Blätter haben Verdienste, doch kann er eben nicht unter die Kupferstecher erster Klasse gerechnet werden; sein größter Ruhm ist, den nachher zu erwähnenden Jac. Frey gezogen zu haben. Audenaert führte als Maler die Radiernadel frei und zierlich, beinahe auf Art seines Meisters, des Carl Maratti, nach dessen Gemälden er mehrere Blätter geliefert hat. Überdem hat er auch nach Dominichino, Hannibal Carracci, Peter von Cortona u.a. vieles gearbeitet. Seine Zeichnung ist meistens ein wenig nachlässig.

Peter und Franz Aquila,P. und F. Aquila waren aus Palermo gebürtig, von woher sie um den Anfang des Jahrhunderts nach Rom gekommen sein mögen. Ihre bedeutendsten Arbeiten sind gegen 1720. verfertigt. zwei Brüder, Kupferätzer aus Sizilien. Die Farnesische Galerie und die Gemälde der Logen und Stanzen des Vatikans, durchgängig mit freier, kräftiger Nadel radiert, sind ihre Hauptwerke. Die Bataille Constantins gegen den Maxentius, auf drei großen Blättern, von P. Aquila geätzt, ist vorzüglich meisterhaft geraten. So viel Lob verdienen hingegen nicht die übrigen Stücke nach Raphael, aus den Stanzen, welche Franz Aquila verfertigt hat; sie geben bloß einen allgemeinen Begriff von der Erfindung und Anordnung der Bilder, nicht aber vom Styl des Meisters, seinem Ausdruck, seinen Formen u. s. w.

Jakob Freyzu Luzern geb. st. zu Rom 1752. seines Alters im 71sten Jahr. aus der Schweiz. Seine Blätter mögen, in Hinsicht des Malerischen der Behandlung sowohl als der innern Übereinstimmung, durch besser beobachtete Andeutung der Lokalfarben, vor den Arbeiten des Dorigny den Vorzug verdienen, sie kommen ihnen auch in guter Zeichnung und beibehaltenem Charakter in den Köpfen sehr nahe. Die Gemälde von Guido Reni, And. Sacchi, Peter Cortona und Carl Maratti scheinen Freys Talent am angemessensten gewesen zu sein, einige Platten nach Dominichino gelangen ihm verhältnismäßig schon weniger, und an Bilder von ältern Meistern, strengern Styls, hat er sich, soviel uns bekannt ist, nie gewagt.

Der Venezianische Kupferstecher Joh. Markus PitteriJ. M. Pitteri war 1703. geb. und hat in den Jahren siebzig noch gelebt und gearbeitet. hat sich durch das Sonderbare seiner Behandlungsweise, aus lauter geraden Linien bestehend, welche, so wie sie stärker und schwächer sind, Schatten, Licht und Formen angeben, bekannt und gewissermaßen berühmt gemacht. Seine Blätter schmeicheln dem Auge, durch das Weiche, Verblasene, durch kräftige Schatten und sanfte Übergänge zum Licht; das Bestimmte aber in der Zeichnung und Geist im Ausdruck läßt sich, wie es scheint, auf diesem Wege nicht leicht erzielen. Pitteri hat wenig oder nichts nach Werken vorzüglicher alter Meister gearbeitet. Was uns von ihm bekannt ist, sind Blätter nach P. Longhi und Piazetta.

Bildhauerei

Ganz zu Anfang des XVIIIten Jahrhunderts lebten noch Künstler, welche im Geschmack des Bernini zu arbeiten prätendierten; nicht Nachahmer seines Naturalismus waren sie, sondern des Fehlerhaften, Übertriebenen, Sausenden seiner Manier. Wer gerne mit allen verschiedenen Gattungen von Kunstprodukten bekannt werden möchte, kann sich nach ein paar Stücken dieser Art an Grabmälern in der Kirche St. Isidor umsehen, die ihrer unbeschreiblichen Verkehrtheit und Abgeschmacktheit wegen in der Tat merkwürdig, hoffentlich auch einzig sind.

Die größere Zahl der Bildhauer folgte sonst damals fast allgemein einem strengern Style und Geschmack, ohngefähr wie ihn Algardi angegeben hatte. Ideale Muster des Altertums scheinen zwar auf sie eben so wenig, als auf die Maler gewirkt, der akademische Geschmack hingegen fast durchgehends übergegriffen zu haben. Ihr Nacktes war daher meistens bloß dem Modell, ohne weitere Wahl, die Falten dem Gewande des Gliedermannes, nachgebildet.

Sie ahmten zwar die Natur, so gut ein jeglicher vermochte, mit Treue nach, aber einförmig und meist nach gemeinen Mustern; Spuren von Schönheit und edler Größe der Formen zeigen sich darum auch nur selten, oder gleichsam bloß zufällig.

Dominikus GuidiDom. Guidi von Massa di Carrara starb zu Rom 73 Jahr alt. muß hier vor andern erwähnt werden, weil er schon 1701 gestorben, seine besten Arbeiten aber noch in das XVIIte Jahrhundert zurückfallen. Er war des Algardi Schüler und folgte dem Styl desselben, hat ihn aber in dem Derben, Kräftigen der Formen nicht völlig erreicht. Eins der besten Werke dieses Künstlers ist das Basrelief auf dem Hauptaltar der Kirche St. Agnese in Piazza Navona, die h. Familie vorstellend, und in der Tat verdienstlich. Nicht weniger geachtet war sonst das Grabmal des Kardinal Imperiali in der Augustinerkirche, an welchem man besonders die Erfindung pries, da aber das Hauptmotiv unter die Wappenallegorien gehört, und das Übrige gewöhnliche Gedanken sind, so können wir zum Lobe desselben eben nicht viel vorbringen.

Camillus Rusconi,C. Rusconi ein Mayländer starb 1728. zu Rom 70 Jahr alt. des Herkules Ferrata Schüler, doch nicht Nachahmer der Manier desselben, sondern im Gegenteil ein entschiedener Bekenner und Freund des akademischen Geschmacks.

Vier Kolossalstatuen, St. Andreas, St. Jacobus Major, St. Johannes und St. Matthäus in der Kirche St. Joh. in Lateran, nebst dem Grabmal Gregor XIII. in St. Peter, sind die vorzüglichsten Zeugnisse seiner Geschicklichkeit.

Ein anderer Zögling des Hercules Ferrata, der ebenfalls in gutem Rufe stand, dessen Kunst aber ihre Abstammung aus Berninischer Schule weniger verbergen kann, ist Joseph Mazzuoli.Jos. Mazzuoli war aus Siena gebürtig und starb zu Rom ziemlich bei Jahren 1725. Er hat hin und wieder in den Römischen Kirchen gearbeitet, unter andern soll die Figur der Liebe (Carità) am Grab Alex. VII. in St. Peter von ihm verfertigt sein, welche im Geschmack und Weichheit den Arbeiten des Bernini ganz ähnlich ist. Einen Adonis, im Palast Barbarini, hält man indessen für das Meisterstück dieses Künstlers. Formen, die zwar ohne besondere Wissenschaft und Richtigkeit in der Zeichnung, doch wegen ihrer Zartheit und Rundung gefallen, nebst der äußerst weichen und fleißigen Behandlung des Marmors, sind die Verdienste dieses Werks, welches so ziemlich für den Inbegriff der ganzen Kunst des Mazzuoli gelten kann.

Peter le Gros,P. le Gros war eines geschickten Bildhauers Sohn und zu Paris geb. er starb zu Rom 1719. 53 Jahre alt. ein Franzose, ist dem Rusconi zum wenigsten gleich zu schätzen, wenn er nicht gar den Vorzug vor demselben verdient, und also unter den Bildhauern, die im Anfang des XVIIIten Jahrhunderts geblüht haben, die erste Stelle einnimmt. Wie sein berühmter Landsmann Poussin, wählte auch er Rom zum beständigen Aufenthalt. Für die schönsten Beweise seiner Kunst hält man die Kolossalstatue des heil. Dominikus in St. Peter, welche unter den daselbst aufgestellten Bildern von den Stiftern der berühmtesten Mönchsorden für das beste gilt. Die Apostel St. Thomas und Bartholomäus in der Kirche St. Joh. im Lateran, wo der heilige Bartholomäus ebenfalls für den bestgeratenen unter den von verschiedenen Meistern gearbeiteten Aposteln gehalten wird, ferner die Gruppe der Religion, in der Kirche Gesù. Formen und Falten in diesem Werk haben in der Tat mehr Zierlichkeit und Geschmack, als man vielleicht in keinem andern aus dieser Zeit findet.

Angelo de Rosside Rossi starb zu Rom 1715. 44 Jahre alt. aus Genua gebürtig, war gleichfalls einer der geschicktesten Bildhauer seiner Zeit. Das Basrelief am Grabmal P. Alex. VIII. ist seine vorzüglichste Arbeit, gut gedacht und im Ganzen wohl angeordnet; nur haben die Köpfe der zahlreichen Figuren auf demselben unter sich viel zu viel Einförmigkeit und die Gewänder sind steif, eckig und scharf gebrochen.

Peter MonotMonot, zu Besançon geb. starb zu Rom 1733 im 75sten Jahr seines Alters. hatte sich, gleich seinem Landsmanne le Gros, zu Rom niedergelassen. St. Petrus und Paulus, unter den 12 Kolossalstatuen der Apostel im Lateran, sind von seiner Hand, und die bedeutendsten Arbeiten, welche er in Rom verfertigt hat. Das prächtigste und größte Werk aber dieses Künstlers ist das sogenannte Marmorbad zu Cassel, welches nach seiner Angabe erbaut, und von ihm mit Statuen und Basreliefs reichlich geziert worden ist. Unter den Statuen nimmt sich eine, die ungefähr den Charakter eines Fauns hat, am vorteilhaftesten aus; sie ist fleißig behandelt und hat hübsche Formen, woran jedoch der akademische Styl sich spüren läßt. Die Komposition der Basreliefs schmeckt durchaus ein wenig nach der galanten französischen Manier, die wir aus den Bildern des Bon. Boulogne, des Coypel und anderer Zeitgenossen unsers Künstlers kennen.

Noch hat ein anderer Franzose SlodtsRenat Michel Slodts, Sohn eines Bildhauers zu Paris 1705. geb. lebte 18 Jahre in Italien und starb in seinem Vaterlande 1764. gegen das Ende des Zeitraums, welchen wir bisher behandelt haben, als Bildhauer zu Rom, in bedeutender Reputation gestanden. Er verfertigte die Kolossal-Statue des heil. Bruno, in der Peterskirche, die etwas zu hagere Formen haben mag. Es scheint, sein Talent sei überhaupt zum Großen nicht geeignet gewesen, wenigstens ist ihm eine traurende weibliche Figur unter Lebensgröße am Grabmal des March. Caponi in St. Giov. de' Fiorentini besser geraten; ihre Gestalt ist hübsch und zart, das Gewand artig geworfen.

Ohngefähr gleiche Geschicklichkeit und Geschmack besaß Peter Verschaffelt.Verschaffelts Aufenthalt in Rom fällt ungefähr in die gleiche Zeit mit Slodts; er arbeitete nachher in Diensten des Kurfürsten von der Pfalz und starb zu Manheim um 1790. Er verfertigte das Modell zu der kolossalen Figur eines Engels, der, in Erz gegossen, oben auf dem Kastell St. Angelo steht.

Man findet überdem noch zu St. Maria maggiore, wie auch in andern römischen Kirchen, Arbeiten von diesem Künstler.

Stempel- und Steinschneider

In dem Abschnitt, welcher die Stempelschneider des 17ten Jahrhunderts berührt, wurde Nachricht von den Arbeiten des vortrefflichen Albert Hamerani und seines großen Sohnes Johann gegeben. Die ersten vorzüglichen Werke aus dem Anfang des 18ten Jahrhunderts gehören ebenfalls Gliedern dieser Familie an.

Zwei Söhne von Johann Hamerani, Hermenegildus und Otto, nebst einer Tochter, übten die Kunst nicht unwürdig des von ihrem Vater und Großvater erworbenen Ruhms.

Von der Tochter, Namens Beatrix,Beatrix Hamerani st. 1704. 25 Jahr alt. rührt eine große gegossene Medaille her, im dritten Jahre der Regierung Inoc. XII. (1700) verfertigt. Des Papsts Bildnis auf der Vorderseite ist von edelm Charakter, leicht behandelt, aber vorzüglich geistreich und übereinstimmend im Ganzen, ohne Zweifel eins der kräftigsten, ausdruckvollsten und tüchtigsten Kunstprodukte, die aus weiblichen Händen hervorgegangen sind. Die Rückseite ist reich angefüllt von landschaftlichen Gegenständen.

Das ruhmwürdigste, uns bekannt gewordene Werk von Hermenegildus HameraniHermenegildus Hamerani wurde 1683. geb., sein Todesjahr ist uns nicht bekannt. besteht in einem Medaillon von wenigstens vier Zoll im Durchmesser mit dem Brustbild Clemens XI. im ersten Jahr seiner Regierung verfertigt. Im ganzen Umfange der Plastik gibt es nur wenige Beispiele so wahrhafter Darstellungen als dieses Profilgesicht. Die Eigenschaft des Fleisches ist wunderbar natürlich ausgedrückt, dabei herrscht im Ganzen großes Leben und Geist. Bei allem Aufwand von äußerstem Fleiß, mit welchem dieses Werk vollendet ist, hat der Künstler nichts desto weniger meisterhaft gearbeitet, aber ohne alle Anmaßung mit recht seltener Naivetät.

Stellen wir eine Vergleichung zwischen diesem Werk, dem vorerwähnten der Beatrix und der oben angeführten Medaille von Joh. Hamerani auf Inoc. XII. an; so besaß der Vater am meisten Kräftiges, Ausdruck, Styl, und hat sich ebenfalls vom reinen Kunstgeschmack am wenigsten gegen die herrschende Manier entfernt. Die Arbeit der Tochter hat viel weniger Bestimmtes, neigt sich vornehmlich zum berninischen Kunstgeschmack, zeugt indessen von einem sehr schönen Talent und leicht gewandter Fertigkeit. Das Produkt des Sohnes steht als reines Kunstwerk der Arbeit des Vaters zwar auch nach, Styl und Geschmack sind geringer, aber in Hinsicht auf fleißige Ausführung und Wahrheit ist es vorzüglich, und, wenn man die große Jugend des Künstlers noch in Anschlag bringt, überhaupt wunderbar und unvergleichlich.

Der jüngere Bruder, Otto Hamerani,Otto Hamerani 1694. geb. lebte bis 1768. arbeitete unter Inoc. XIII. mit Hermenegildus und nachher für Clemens XII. Im Fall uns eine Medaille auf Kaiser Karl VI., bei Gelegenheit der Erobrung von Belgrad und Temeswar, richtige Ansichten seines Kunstgeschmacks und Fertigkeit gewährt, so ist er, in Betreff der Zeichnung, des Bestimmten und Bedeutenden, hinter Vater und Bruder zurückgeblieben, im Lebendigen und Geistreichen auch gar von der Schwester übertroffen worden. Der Kopf des Kaisers ist nur flach erhoben, sehr glatt, die Haare ziemlich lüftig, das Fleisch äußerst weichlich und verflossen. Das Streben, die Weichheit des Fleisches anzudeuten, äußert sich auch auf der Rückseite unserer Medaille an der Figur des Donauflusses, welche als Akademisches Studium behandelt und in solchem Betracht wohlgelungen ist.

Das, wozu wir diesen Hamerani die Bahn brechen sehen, führte Karl HedlingerHedlinger ist 1691. geb. und starb 1771. aus Schwytz, der auch einige Zeit in Rom gearbeitet, vollends durch. Seine Kunst ist noch mehr auf gefällige Weichheit und überdem auf malerische Effekte berechnet, dem vorigen Werk gegenüber haben die Haare bei Hedlinger bessere Massen und größere Leichtigkeit, die Köpfe überhaupt etwas mehr Relief. Er steht ferner dem Otto Hamerani in der zarten Ausführung seiner Arbeiten nicht nach, und besitzt über denselben den wesentlichen Vorzug von mehr Geist und Lebendigkeit.

Unter den Steinschneidern dieser Zeit machte sich Flavius Sirletto, ein Römer, rühmlich bekannt, indem er die besten antiken Statuen in edle Steine tiefgeschnitten nachbildete. Die Gruppe des Laokoon in dieser Art gearbeitet gilt für das beste Werk dieses Künstlers und ist fleißig ausgeführt, aber die herrlichen Formen, der Geist des Originals sind nicht vorzüglich glücklich übertragen. Größeres Talent und vornehmlich mehr Herrschaft über das Werkzeug scheint Lorenz NatterNatter ist zu Biberach geb. und starb 1763. in Petersburg 58 Jahr alt. besessen zu haben, der von 1732 bis 1735 in Diensten des Großherzogs von Toskana arbeitete. Natter ist vermutlich auch in Rom gewesen, wiewohl nur auf kurze Zeit; zum wenigsten hat man ein schöngeschnittenes Bildnis des Kardinal Albani von ihm. Geist und Natürlichkeit in recht ausgezeichnetem Maß, nebst fleißiger Ausführung, sind die wesentlichsten Verdienste seiner Werke. Den Geschmack betreffend scheint er weniger den antiken Mustern, als den französischen Bildnismalern gefolgt zu sein. Ob Natter auch ganze Figuren und historische Gegenstände geschnitten, oder sich bloß an das Fach der Bildnisse gehalten, ist uns unbekannt. Zum wenigsten war er hauptsächlich wegen dieser letztern berühmt.

Literatur der Kunst und allgemeine Übersicht des Zustandes in Geschmack und Kunst bis gegen das Jahr 1750

Unsere Betrachtungen über Künstler und Kunstwerke aus dem Anfang des 18ten Jahrhunderts haben sich nicht viel weiter als über Rom erstreckt, weil diese Stadt, wie schon vorhin gedacht worden, immer mehr der Hauptsitz der Künste, und man kann wohl sagen, einziger Sammelplatz derselben in Italien geworden ist.

Wenn wir aber nun zur Anzeige der literarischen Produkte aus diesem Zeitraum, welche Beziehung und wesentlichen Einfluß auf Geschmack und Kunst gehabt haben, übergehen wollen, so wird zwischendurch Einiges anzuführen sein, was zwar nicht in Rom, vielleicht nicht einmal in Italien entstanden ist, aber vermöge seiner allgemeinen Wirkung auf Wissenschaft oder Kunst mit in unsern Kreis fällt.

Der Abt Gori zu Florenz war, seiner tiefen Gelehrsamkeit und seines hellen Verstandes wegen, der trefflichste Altertumsforscher dieser Zeit, und der erste, welcher die übertriebenen Begriffe, die sonst von der Vortrefflichkeit der alten Etrurischen Kunst im Gange waren, etwas einschränkte. Dadurch wurde zur Beseitigung eines sehr großen Hindernisses der Anfang gemacht, welches die Fortschritte der Altertumskunde, hauptsächlich insofern sie auf Kunstgeschichte und Kunsterkenntnis hinarbeitet, lange gehemmt hat. Graf Caylus,Caylus wurde 73 Jahre alt und starb zu Paris 1765. ein französischer Altertumsforscher, der aber Italien bereist hatte, trug ebenfalls viel zu einer richtigern Kenntnis des Geistes und Kunstwertes der Altertümer bei. Er stellte eine bessere Ansicht dessen, was Griechen und Römer geleistet haben, auf, ließ jenen Gerechtigkeit widerfahren, indem er ihre Kunst als die höchste und vollkommenste pries, behauptete von diesen, sie hätten bloß Prachtliebe, nicht wahre Neigung zur Kunst besessen, dieselbe auch größtenteils nur durch ihre Knechte ausüben lassen etc. Damit wurde nun eine richtigere Unterscheidung eingeleitet, ja man kann wohl sagen, der Grund zur Hauptverbesserung gelegt, welche die Altertumskunde erfahren sollte. Für die Etrurier hatte Caylus eine gemäßigte Achtung, zu Gunsten der Ägypter aber war er noch von beschränkenden Vorurteilen eingenommen, und wollte daher die Meinung geltend machen, die Griechen hätten die Kunst von den Ägyptern gelernt, da sie doch eigentlich von denselben wenig mehr als etwa mechanische Behandlung des Marmors, Erzes und der Farben etc. erhalten konnten.

Die Schriften dieses Mannes, welche uns zu den eben vorgetragenen Bemerkungen veranlaßt haben, fallen zwischen 1740 und 1750; er hörte aber damit nicht auf, und wir werden andere Gelegenheit finden zu zeigen, wie er noch später der Kunst genützt hat.

In dem hier behandelten Zeitraum erschienen auch viele Biographien der Künstler dieses und des vorigen Jahrhunderts. Sie reichen indes zur eigentlichen Geschichte der Kunst nur weniges, was allenfalls für höhere Zwecke anwendbar sein könnte, und deswegen glauben wir solche ohne eine nähere Anzeige übergehen zu können.

Auf ein dankbares Andenken der Kunstfreunde haben noch zwei Männer gerechte Ansprüche, die zwar mit ihren Schriften zur bessern Erkenntnis wenig beigetragen, aber durch ihr Beispiel, als warme Liebhaber und tätige Sammler, den Geschmack an Werken besonders der alten Kunst sehr befördert haben.

Den Kardinal Alexander Albani nennen wir zuerst, Mengsens und vornehmlich Winkelmanns Beschützer, Wohltäter und Freund. Er verwendete ein großes Vermögen, Ansehen, Kenntnisse, mit leidenschaftlicher Liebhaberei sein langes Leben durch, um zur Begünstigung des wahren Kunstgeschmacks die herrliche Sammlung antiker Kunstwerke anzulegen, die in seiner Villa noch bewundert wird und dieselbe zum schönsten Aufenthalte macht, wo die ganze Umgebung frohen Genuß und ernsten Unterricht in gleichem Maße gewährt.

Der zweite ist der Baron Stosch; ebenfalls mit Vermögen, Ansehen, Kenntnissen und ungeheuchelter Kunstliebe begabt, wollte und wirkte er das Gute eifrig, wo sich Gelegenheit fand, und brachte bei seinem langen Aufenthalt in Rom und Florenz die große und vortreffliche Sammlung geschnittener Steine zusammen, welche Friedrich der Große nach des Besitzers Tod erstanden und zu Sansouci aufgestellt hat.

Der Zustand von Kunst und Geschmack, wie wir solchen zu Ende des XVII. Jahrhunderts angegeben, hatte sich in den folgenden fünfzig Jahren nicht sehr merklich verändert, ihr äußeres Ansehen, möchte man sagen, war noch eben so krankhaft als damals; doch die innere Disposition hatte sich etwas verbessert. Geraume Zeit arbeitete der größte Teil der Künstler noch in der Manier fort, welche vom Carl Maratti eingeführt worden, und eigentlich schon vom A. Sacchi ihren Ursprung herleitet; endlich fing man aber doch wieder an am Ernstern Gefallen zu finden. Von Rom aus, welches mehr als je zuvor der Hauptsitz bildender Kunst geworden war, (denn in Florenz, so wie durch die ganze Lombardie, konnte man dieselbe als beinahe völlig erloschen betrachten,) breitete sich ein ruhigerer Geist aus, der Widerstreit ausschweifender Manieren fing an nachzulassen. Piazzetta trieb sein Wesen an der Grenze; Tiepolo gar außer Italien; der Ruhm des Corrado war nie besonders groß gewesen; Solimena war gestorben, und selbst sein bester Schüler Bonito, der bald nachher bekannt zu werden anfing, hatte sich zum Gründlichern bekehrt; Raphaels Werke wurden schon wieder fleißiger studiert und so entwickelte sich allmählig im Stillen der Keim eines besseren Geschmacks.

Achtzehntes Jahrhundert

Zweite Hälfte

Erstes Viertel von 1750 bis 1775

Malerei
Geschichtliche Darstellungen

Wenn wir bereits zu Ende des eben abgehandelten Zeitraums manches Symptom von abermaliger Wiederkehr eines besseren Geschmacks wahrgenommen haben, so läßt sich daraus auf ein allgemein gefühltes Bedürfnis desselben schließen; jedoch hätte das Gute und Rechte wohl erst nach langem Ringen die Herrschaft erhalten, weil man die Manieren, besonders der Meister des Plagiats, in den Schulen durchgängig angenommen hatte, wäre nicht eben jetzt Anton Raphael Mengs,Mengs war zu Außig in Böhmen 1728. geb. und starb zu Rom 1778. ein vortrefflicher, aber gegenwärtig von wenigen mehr nach Verdienst geschätzter Künstler aufgestanden, Talent, Ruhm, Werke und Lehren für die bessere Sache in die Schale legend. Es war ein bedeutender Vorteil für das, was er leisten und wirken sollte, daß er nicht in der Schule irgend eines zu jener Zeit in Ruf stehenden Malers gebildet ward, sondern unter Aufsicht eines strengen Vaters in völliger Absonderung gehalten und bloß angewiesen wurde, vornehmlich Raphaels Werke nebst den Antiken zu studieren, wodurch er, allem schädlichen Einfluß herrschender Irrtümer entzogen, ungehindert auf dem Wege fortwandelte, den ihm die besten Muster zeigten.

Nicht ohne Grund wird Mengs der Dürftigkeit in seinen Erfindungen beschuldigt; das Poetische derselben ist nicht selten gesucht, die Allegorien dunkel, und oft ringt er mit ungünstigen Gegenständen, überdies gelang ihm auch die Ausführung der einzelnen Teile besser als die Übereinstimmung des Ganzen. Zwar ließ er es an ernster Überlegung, an Aufwand von Fleiß und Mühe nicht fehlen, ja das Gepräge einer nie zu befriedigenden Sorgfalt in Anlage und Vollendung ist den meisten Werken unsers Künstlers sichtbarlich aufgedruckt, welches ihm denn auch als Fehler angerechnet worden ist; allein man wird sich den Mangel an freier Leichtigkeit in der Behandlung leicht erklären, und auch geneigt sein denselben zu vergeben, wenn gehörig erwogen wird, wie Mengs in Reden und Schriften überall eine hohe, gleichsam schwärmerische Idee von dem Ernst, von der Würde der Kunst geäußert, den höchsten, wünschenswertesten Zweck derselben in die Schönheit der Formen gesetzt und rastlos bemüht gewesen ist diesen Zweck zu erreichen. Im Schönen der Form besteht denn auch eben sein größtes, sein ganz vorzügliches Verdienst, womit er unter den neuern Künstlern sich glänzend auszeichnet, weil vorher keiner diesen Teil eigentlich bezielt hatte. In Raphaels Werken finden sich zwar oft schöne Formen, aber die Schönheit war es nicht, was dieser Meister vorzüglich suchte, vermittelst des Bedeutenden, zart, wahrhaft Empfundenen und Dargestellten wollte er zum Verstand des Beschauers reden, zum Herzen dringen. Das Schöne war ebenfalls nicht die Absicht des Michel Angelo, sondern das Große und Gewaltige. Correggio strebte überall der Anmut nach, Guido begnügte sich damit, leicht und zierlich zu sein.

Weiter auszumachen, ob Mengs seiner übrigen Verdienste wegen, oder, wenn man will, überhaupt als Künstler mit den genannten Meistern verglichen werden könne, gehört nicht zu unserm gegenwärtigen Vorhaben; wir bestreiten auch diejenigen nicht, welche die allgemeine Anordnung seiner Bilder zuweilen tadeln; wir geben zu, die Köpfe seien selten treffend charakteristisch, noch seltener von lebendigem, in hohem Grade geistreichem Ausdruck. Von jenem Geschmack in Gewändern und Nebensachen, den wir etwa den feinen und putzenden nennen möchten, besaß Mengs ebenfalls nur wenig, er behauptet aber demohngeachtet einen Platz unter den vornehmsten und belobtesten Künstlern neuerer Zeit, wegen des angeführten Vorzugs schöner Formen, und weil seine Bemühungen zur Einführung eines bessern Kunstgeschmacks nicht ohne gute Wirkung geblieben sind.

Kurze Bemerkungen über einige der bekanntesten Werke unsers Künstlers mögen unbefangene Leser mit seinem Kunstverdienst noch näher bekannt machen.

Die Dresdner Galerie zeigt als Mengsische Jugendarbeiten verschiedene Bildnisse in Pastell, welche, hinsichtlich auf den wahrhaften Ton des Kolorits und geistreiche Darstellung, auch einen vollendeten Meister ehren würden, und ein in Fresko gemaltes Deckenstück der Kirche St. Eusebio, welches er in einem Alter von nicht mehr als acht und zwanzig Jahren zu malen unternommen, mußte die Römer in Erstaunen setzen, indem sie lange kein öffentliches Werk von solchen Verdiensten hatten entstehen sehen. Es ist von äußerst frischen, warmen Farben, kräftig, in Haltung und Ton ein wahres Meisterstück, die Anordnung des Ganzen ist dem Gegenstande sowohl als dem Zweck des Bildes angemessen, und eine der glücklichsten, die wir von Mengs kennen.

An den guten Formen verschiedener Engel bemerkt man schon das Ringen und Streben desselben nach dem Schönen. Der Parnaß, ein anderes Deckenstück in Fresko, welches er einige Jahre später in der Villa Albani gemalt, zeigt, verglichen mit dem vorigen Werk, seine weitern Schritte gegen diesen Zweck; bei eben so frischblühendem Kolorit sind die Formen weit sorgfältiger gewählt, in einigen Teilen dem Antiken nachgeahmt und sehr schön. Aber auf einer noch höhern, ja der höchsten Stufe, die seine Kunst erreicht hat, stehen die Malereien am Gewölbe eines zur Vatikanischen Bibliothek gehörigen kleinen Zimmers, la Camera de' papiri genannt, welche Mengs um das Jahr 1772 verfertigte. Vor andern nehmen sich daselbst die vier Genien aus, die neben den Figuren Mosis und St. Petri stehen. Sie gelten für die besten Werke unsers Künstlers und sind, was man ohne unbillig zu sein nicht abstreiten kann, die schönsten Gestalten aus der ganzen Schöpfung der neuern Kunst.

Mengs hat sich beinahe in allen Arten der Behandlung versucht, in Fresko, Öl, Pastell, Guazzo, Mignatur und in Schmelzfarben. Auch findet sich eine plastische Arbeit in Marmor von ihm. Er hat nämlich die Beine an einer kleinen schönen Venus, welche sein Biograph, der verstorbene Ritter Azara, besessen hat, restauriert. Seine vorerwähnten Freskogemälde werden an Kraft und Frischheit des Kolorits von wenigen übertroffen, und man muß sich in der Tat wundern, wie er eben in dem Deckenstück zu St. Eusebio alle Schwierigkeiten dieser Art zu malen schon so völlig beherrschen konnte. Den Amor in der Galerie zu Dresden kann man als eine musterhafte Pastellmalerei betrachten. In den Ölgemälden ist unser Künstler nicht immer sich selbst gleich geblieben; einige derselben sind etwas grau und frostig geraten, andere grünlicht in den Schatten, aber dabei klar und kräftig. Die besten sind diejenigen, bei welchen er die großen Meister der Venezianischen Schule zum Muster nahm; sie haben wenig Schatten und vortrefflichen warmen Ton. Das Bildnis des Papstes Rezzonico ist von dieser Art und eins der trefflichsten Werke seines Pinsels. In der eben angeführten Camera de' papiri der Vatikanischen Bibliothek ist, wie Azara bemerkt, der Apostel Petrus in Guazzo gemalt, sehr kräftig und vollkommen mit den Freskogemälden daselbst übereinstimmend. Zu Dresden zeigt man eine Halbfigur der M. Magdalena in Mignatur, schwach im Ton, aber rücksichtlich auf schöne Form höchstschätzbar, und selbst im Ausdruck wohlgelungen. Seinem Vater hat Mengs bei verschiedenen Schmelzmalereien geholfen. Die Zeichnungen unsers Künstlers sind meistens, wie der Charakter seiner Kunst es nicht anders erwarten läßt, ausführlich, sehr selten getuscht, gewöhnlich mit schwarzer und weißer Kreide gezeichnet, zuweilen auch mit roter; desgleichen findet man einige, wo er mehrere Arten Kreide zugleich angewendet hat. Ihm wird auch die Erfindung der zarten, gefälligen Weise mit Sepia zu zeichnen beigelegt, von welcher wir künftig zu sprechen Gelegenheit haben werden. Doch ist uns nie eine Arbeit dieser Art von seiner eigenen Hand zu Gesicht gekommen.

Als Lehrer empfahl unser Künstler seinen Schülern vor allem Erwerbung von Fertigkeit des Auges und der Hand. Er hielt es für Anfänger nützlich, geometrische Figuren zu zeichnen. Mit denen die schon weiter gekommen waren, ließ er sich selten über höhere Theorien der Kunst, oder auf Entwickelungen allgemeiner Grundsätze, welche den Künstler leiten sollen, ein, sondern berichtigte in ihren Arbeiten meistens bloß die begangenen Fehler gegen Anatomie, Verhältnisse, Charakter des Konturs; er blieb auf diese Weise gewöhnlich innerhalb der Grenzen des Technischen und pflegte verschiedentlich zu äußern, die Erfindung hänge allein von einer gewissen Inspiration, einem zarten Gefühl und der Empfindung des Rechten und Guten ab.

Diese Äußerung von dem denkendsten Künstler seiner Zeit mag freilich über Erwarten schwankend und unbestimmt scheinen; allein sie ist, in geschichtlicher Hinsicht, bedeutend, indem sie die dunkle Unsicherheit der damals allgemein gangbaren Begriffe von dem wichtigsten Teile der Kunst bestätigt.

Weit bündiger, aus den Tiefen bewährter Erfahrungen geschöpft, waren hingegen Mengsens Aussprüche, wenn sie auf das Praktische Bezug hatten. Einer vor andern geht jetzt noch als allgemeine Kunstregel von Mund zu Munde. Er sagte nämlich: beim Zeichnen soll man immer ans Malen, beim Malen ans Zeichnen denken. In der Tat ein großes, wahres Wort.

Man wird nun fragen, woher es komme, daß der Mengsischen Schule wohl nicht ganz ohne Grund der Vorwurf gemacht worden sei, nur wenig geschickte und keinen einzigen sich besonders auszeichnenden Künstler gezogen zu haben, da doch eine solche Lehrmethode wenigstens dem praktischen Teile der Kunst günstig zu sein scheine? Die Antwort ist leicht; Mengs hielt keine eigentliche Schule, wo die Schüler unter des Meisters Aufsicht zum Teil mit an seinen eigenen Werken arbeiteten, wie solches in frühern Zeiten gebräuchlich war; sondern wer sich seinen Schüler nannte, hatte freien Zutritt bei ihm, um seine Arbeit vorzuzeigen, woran er dann, auf oben erwähnte Weise, die Fehler zeigte und verbesserte. Wie redlich aber auch Mengsens Absichten bei Erteilung seines Unterrichts sein mochten, so wurde die mögliche Wirkung davon durch seine allzu strengen Forderungen an Geschick und Kunstfertigkeit der Schüler wieder gehemmt, ja meistens gar aufgehoben. Vermutlich rührte diese Strenge teils von seiner Erziehung, teils von dem hohen Begriff her, den er von der Vollkommenheit der Kunst in Hinsicht auf Formen gefaßt hatte. Ernste strebende Naturen verzweifelten, daß sie die unendlichen Schwierigkeiten würden überwinden können; an andern, die ein bloß zum Praktischen sich neigendes Talent hatten, wie Knoller,Knoller war ein Tyroler; er arbeitete viel und mit Beifall in Mayland Guibal,Guibal war Hofmaler des Herzogs von Wirtenberg. Unterberger, gleitete das Ernsteste ab, sie überließen sich ihrer Natur, und man erkennt Mengs Schule in ihren Werken nicht aus der wohlverstandenen Zeichnung schöner gewogener Formen, sondern bloß an hellen, muntern Farben und herrschendem guten Ton im Allgemeinen.

Der hohe Begriff von möglicher Vollkommenheit schöner Formen, der Glaube, daß die verlornen großen Meisterwerke der Griechen die strengsten Forderungen müßten befriedigt haben, bestimmten unsren Künstler zu einem unbezwinglichen Mißtrauen gegen die Originalität der vornehmsten, noch übriggebliebenen antiken Kunstwerke. Er, der, wie gezeigt worden, in die Schönheit der Formen das höchste Ziel der Kunst setzte, hatte wohl ein scheinbares Recht, auch die kleinsten Schatten von Unvollkommenheit an einzelnen Teilen der Gestalten hoch anzuschlagen. Weil sich aber dartun läßt, daß die schönen Formen noch nicht Hauptzweck der griechischen Kunst waren, sondern sie sich nur aus dem Geist derselben entwickelten, als notwendiges Mittel zum Ausdruck schöner Gedanken; so hat man völlig zureichenden Grund, eine jede Antike, wo die Ausführung im Ganzen mit dem in der Erfindung herrschenden Geist nicht im Widerspruche steht, unter Bedingungen für ein Original-Werk zu halten, und sich in diesem Glauben weder durch die ungleich großen Füße des Apollo, noch durch das kürzere Bein des einen Sohnes an der Gruppe des Laokoon etc. irre machen zu lassen.

Ernst und Strenge hingen Mengsen nicht nur bei der Ausübung seiner Kunst, sondern auch im Leben an; über Welt und Verhältnisse durch seine Talente sich erhaben fühlend, ließ er, bei einem sonst lautern edeln Gemüt, sich nicht selten von Launen beherrschen, war herb, eigensinnig, floh die Gesellschaft und lebte bloß für die Kunst, mit übermäßigem Fleiß und Anstrengung arbeitend, völlig sorglos über seine, fast immer zerrütteten, ökonomischen Umstände.

An Ruhm und Kunst kam Pompejus BattoniBattoni war aus Lucca gebürtig, und ist zu Rom im Anfange der Jahre neunzig, nachdem er mehr als 80 Jahre alt geworden war, gestorben. unserm Landsmann am nächsten. Wiewohl beträchtlich älter an Jahren, hatte derselbe doch nicht eher sich vorzüglichen Ruhm erwerben können. Seine Werke erinnern noch sehr an die Zeit und Schule des C. Marratti, deren Vorschriften gemäß er studiert hatte; auch ihn nötigte die von Mengs eingeführte größere Aufmerksamkeit auf schöne Formen zur sorgfältigern Wahl derselben. Daher findet man, zum wenigsten in denjenigen Werken, worauf Battonis Ansehen sich vornehmlich gründet, manches Lobenswerte dieser Art. Es scheint indessen allemal mehr von wohlgestalter Natur veranlaßt, als im Geist der Antike gedacht oder derselben nachgeahmt. Er besaß Lebhaftigkeit und Wärme des Kolorits; aber Harmonie der Farben, die angenehme Wirkung und Ton des Ganzen gelangen ihm gewöhnlich nicht; dagegen muß man einzelne, vortrefflich und mit äußerster Sorgfalt ausgeführte Teile, welche hier und da in seinen Werken vorkommen, billig bewundern, zuweilen auch geistreiche Köpfe, von kräftigem, wahrhaftem Ausdruck; überdem besaß er noch ein natürliches Talent zum Gefälligen und Naiven, weswegen ihm jugendliche weibliche Figuren oft reizend gelungen sind.

Unter diesen zeichnet sich die M. Magdalena in der Galerie zu Dresden besonders aus. Sie hat zierliche Formen, anmutige Züge, man kann dem Werk leicht ansehen, daß der Meister solches, wenig von der Wahrheit abweichend, einer jungen hübschen Römerin nachgebildet hat; mit der Reue scheint es ihr kaum halber Ernst, und sie tut nur bußfertig, um desto reizender zu erscheinen. Die Farben sind frisch, auch gebricht es ihnen weniger an Kraft als an Übereinstimmung des Tons. Die gute Wirkung in diesem Bilde ist den gesammelten hellen Lokalfarben zuzuschreiben.

Ein anderes Bild, so uns wert scheint unter Battonis beste Arbeiten gezählt zu werden, befindet sich in den obern Zimmern der Villa Borghese und besteht aus drei Figuren. Die Stadt und Republik Marino, in Gestalt einer jugendlichen weiblichen Figur, liegt in flehender Stellung zu den Füßen eines Kardinals; darneben steht ein Jüngling, der wegen seines schönen Kopfes gefällt. Fast eben so viel Lob verdient auch der Kardinal; weniger das Mädchen, welches nicht zu den gelungenen Figuren unsers Künstlers gehört. Das Kolorit dieses Gemäldes ist im Ganzen heiter, ein wenig unruhig; buntes Spiel nicht mit einander harmonierender Farben.

Battoni hat auch die Ehre genossen, ein Bild für die Peterskirche zu malen, welches aber nie in Mosaik gesetzt worden ist. Es stellt die Geschichte von Simon dem Zauberer vor, und hängt gegenwärtig in der Kartause. Ein reich angefülltes Werk, worin einzelne Teile sehr wohl gezeichnet und vortrefflich ausgeführt sind. Vornehmlich zieht ein junges Weib, ihr Kind im Arme, sitzend, mit großgefaltetem rotem Gewande, das Auge auf sich. Diese Figur ist vor allen andern von gefälliger, edler Wahrheit in Form und Ausdruck. Fast ganz im Halblicht gehalten, macht sie, für sich betrachtet, auch eine sehr angenehme Wirkung.

Der nachher so berühmt gewordene Engländer Josua Reynolds,Reynolds wurde zu Plymton 1723. geb. und starb 1792. war zwischen 1750 und 1752 in Rom. Wir bemerken ihn hier vornehmlich deswegen, weil er einer der Ersten gewesen, die, Mengs zuwider, welcher nächst den Antiken Raphaels Werke für die edelsten Muster in der Kunst erkannte, den Michel Angelo vorzog. Diese Lehre fand, wahrscheinlich weil sie neu schien, bald Anhänger, besonders unter den Engländern, und erweckte die veraltete unnütze Streitfrage wieder, welcher von den erwähnten zwei großen Männern der preiswürdigste gewesen sei.

Reynolds hat in Italien kein Werk von Bedeutung hinterlassen. Das Wenige, was man von ihm sieht, weicht durchgängig von des Michel Angelo gründlichem Wissen und großem Geschmack in den Formen so sehr ab, daß man keinen Lobredner desselben in dem Verfasser solcher Werke ahnden würde. Ihre Verdienste bestehen hingegen in der wirkungsvollen Beleuchtung, im kecken Pinsel und einem sehr kräftigen glänzenden Kolorit.

Gavinus Hamilton,Hamilton mochte mit Mengs ohngefähr in gleichem Alter sein, und ist nur erst vor einigen Jahren in Rom gestorben. ein anderer englischer Maler, wurde der Kunst nützlicher, und verdient unser dankbares Andenken darum, daß er das Mangelhafte, Beschränkende der sonst gewöhnlich dargestellten historischen, allegorischen, oder aus der christlichen Mythe geschöpften Gegenstände eingesehen, und sich dafür vornehmlich an die Homerischen Dichtungen gehalten hat. Er bearbeitete eine ganze Folge von Erzählungen aus der Ilias, und hat überhaupt selten andern als griechischen Stoff für seine Gemälde gewählt. Ob er übrigens immer die am besten für die Darstellung geeigneten Gegenstände ausgefunden, ist hier nicht der Ort zu untersuchen. Es war damals erstlich nur darum zu tun, der Kunst von dieser Seite eine bessere Richtung zu geben, und durch Hamiltons Bemühungen öffnete sich derselben gleichsam eine neue schönere Welt; die Forderung des Poetischen wurde mehr rege.

Hamiltons Werke kritisch betrachtet und mit den Mengsischen verglichen, stehen in den Teilen, welche zum Technischen gerechnet werden können, meistens zurück. Zeichnung und Formen sind gut, doch nicht von solcher Reinheit und Schönheit, wie wir an Mengsens Werken gelobt, das Kolorit hat ebenfalls weniger Blüte, weniger Schmelz und Kraft; es fällt zuweilen gar etwas schmutzig und hefenartig aus. Der Pinsel ist zwar überhaupt freier, doch führt ihn Mengs mit größerer Kunst und endigt seine Werke in allen Teilen besser; Hamilton hat dagegen mehr Gewandtheit im Gebrauch der Motive und ordnet gefälliger an. Seine Hebe kann in dieser Rücksicht als ganz vorzüglich angeführt werden.

 

Landschaftmalerei

Unter den Landschaftmalern dieser Zeit hat allein DietrichChristian Wilhelm Ernst Dietrich 1712. zu Weimar geboren, sein Aufenthalt in Italien fällt noch in die Jahre vierzig, aber sein Ruhm verbreitete sich erst später. Er starb zu Dresden 1774. mit großem Ruhm gearbeitet und sich einige Jahre in Italien aufgehalten. Er besaß eine Fertigkeit der Hand, die ihn bis nahe an die Grenzen der Manier verleitete. Seine Farben sind fröhlich und rein, er mag selten wirkliche Aussichten gemalt haben, sondern liebte mehr eigne Gedanken darzustellen. Demungeachtet ist die Erfindung wenigstens nicht der beste Teil seiner Bilder.

 

Kupferstecherei

Joh. Bapt. Piranesi, der, als Baumeister in verschiedenen von ihm aufgeführten Gebäuden, nur mittelmäßigen Geschmack bewies, war, ohne in der Wissenschaft große Entdeckungen gemacht zu haben, ein sehr tätiger Altertumsforscher, besonders im Fache der Architektur, und für alles in dasselbe Einschlagende der trefflichste Kupferätzer; wenige haben die Nadel mit solcher Keckheit zu führen verstanden. Seine zahlreichen Arbeiten dieser Art trugen zur Verbreitung der Liebe und des Geschmacks für die Werke der Alten wesentlich bei.Sämtliche Werke von Piranesi bestehen, nachdem sie zusammen herausgegeben worden, in vielen Bänden. Die Ansichten alt Römischer Gebäude sind am bekanntesten, aber seine beste Arbeit ist eine Sammlung antiker Vasen und Kandelaber, von welchen er verschiedene schöne Stücke selbst besessen; seine meisten Arbeiten fallen zwischen 1750. und 1770.

Dominicus CunegoD. Cunego ist 1727. zu Verona geboren, und vor einigen Jahren in Rom gestorben. war, besonders in den spätern Jahren der von uns gegenwärtig behandelten Epoche, der vorzüglichste Kupferstecher in historischen Darstellungen. Seine Behandlungsweise ist leicht und malerisch, ohne darum weder an gefälliger Reinlichkeit, noch am Effekt einzubüßen. Cunego hat nebst vielen andern Arbeiten die meisten und besten Blätter zu der Scuola Italica, ein den Liebhabern wohlbekanntes treffliches Kupferwerk, welches der vorerwähnte Englische Maler Gav. Hamilton 1773 herausgab, verfertigt, desgleichen verschiedene von Hamiltons eigenen Darstellungen aus dem Homer gestochen; Einige Propheten nach M. Angelo werden unter seine vorzüglichsten Arbeiten gezählt.

 

Plastik

Bartholomäus Cavaceppi. Seine selbsterfundenen Werke zeigen kein außerordentliches Talent und tragen noch Spuren vom Geschmack des Rosconi, ja gar von dem des Bernini an sich. Viele Antiken hat er nicht übel restauriertEr hat viele davon in Kupfer stechen lassen und 1768. eine Sammlung von 60 Blättern herausgegeben. Zwischen 1760. und 1770. fällt die Zeit, da Cavaceppi im größten Flor war. Er starb in hohem Alter gegen das Ende des Jahrhunderts. und das Fehlende andern ohngefähr ähnlichen Antiken nachgeahmt, mit mehr Sinn und Sorgfalt, als vor ihm sonst gewöhnlich zu geschehen pflegte. In diesem Fache besaß Cavaceppi unleugbare Verdienste, die einer ehrenvollen Erwähnung wert sind. Außer ihm hat kein Bildhauer dieser Zeit etwas denkwürdiges geleistet.

 

Steinschneider

Joseph PichlerPichler starb um 1790. und mag etwa 50 Jahr alt geworden sein. wird mit vollem Recht zu den größten neuern Künstlern in seinem Fach gezählt. Mit eben so viel Geschicklichkeit im Technischen, als Natter besaß, verband er einen weit reinern Geschmack. Treu den Antiken nachgeahmt, haben verschiedene seiner Arbeiten so lange für wirklich alt gegolten, bis er selbst den Irrtum mit unwidersprechlichen Belegen dartat. Einige geben ihm zwar Schuld, er habe in Fällen, in welchen er wünschte, daß seine Werke für antik angesehen werden möchten, wirklich nach antiken Pasten gearbeitet und solche hernach vernichtet. Wie dem auch sei, so ist wenigstens nicht zu leugnen, daß manche von Pichler geschnittene Gemmen, wenn auch nicht mit den besten, doch mit guten Antiken leicht verwechselt werden können, da sie ihnen selbst in der Freiheit des Schnittes gleichen. Wo es ihm weniger um Täuschung zu tun war, ist seine Behandlung gewöhnlich ausführlicher, sehr bestimmt, zuweilen wohl gar überflüssig detailliert.

Die meisten von dieser Art sind nach den berühmtesten alten Marmorn gearbeitet, einigemal mußten ihm auch vorzügliche Gemälde, deren Darstellung für seinen Zweck passend war, zu Vorbildern dienen. Geschnittene Bildnisse von Pichler sind in Hinsicht auf Styl und Geschmack den Natterschen überlegen, und stehen denselben auch an Natürlichkeit und Geist zum wenigsten nicht nach.

Literatur der Kunst und allgemeine Übersicht des Zustandes in Geschmack und Kunst vom Jahr 1750 bis 1775

Von den Schriften des in der vorigen Abteilung schon angeführten Grafen Caylus fallen mehrere in den gegenwärtigen Zeitraum herüber. Eine, welche wir unserm Zwecke gemäß hier vornehmlich anzuzeigen haben, führt den Titel: Tableaux tirés de l'Iliade, de l'Odyssée d'Homere et de l'Enéide de Virgile etc. 1757. zu Paris gedruckt. Ob sich schon manchmal gegen die Wahl und öfter noch gegen die vorgeschlagene Art der Darstellung gegründete Einwendungen machen lassen; so ist dieses kleine Werk nichts desto weniger als eins der zuerst ausgestreuten gedeihlichen Samenkörner solcher Art in der Kunstgeschichte merkwürdig. Es wurde bald bekannt und, wie des Verfassers übrige Schriften, viel gelesen, blieb aber demohngeachtet ohne merkliche Wirkung, bis Hamilton, dessen Homerische Darstellungen vermutlich daher entsprungen sind, der Idee Wirklichkeit gab und sie in die lebendige Kunst übertrug. Was Winkelmann geleistet hat, gedenken wir am Ende dieser geschichtlichen Darstellung besonders abzuhandeln. Noch ein schöneres Geschenk erhielt die Kunst an Lessings Laokoon, worin mit überzeugender Klarheit der zwischen Malerei und Poesie bestehende Unterschied auseinandergesetzt und der erste Schritt zur eigentlichen Grenzbestimmung der bildenden und redenden Künste getan ward. Lessing stellte in dieser Schrift, so wie ungefähr um gleiche Zeit von Mengs und Winkelmann auch geschehen war, den Grundsatz auf, daß bei den Alten Schönheit das höchste Gesetz der bildenden Künste gewesen sei, eine Maxime, welche auf Geschmack und Kunst großen Einfluß gehabt, ja man kann wohl sagen das Meiste beigetragen hat, ihnen ihre dermalige Gestalt zu geben.

Mengsens nachgelassene Schriften zeugen nicht minder klar von seinem Streben, seiner Ausbildung, seinen würdigen Kunstbegriffen, als seine Gemälde. In der ganzen Sammlung, welche dem Publikum in zwei Editionen übergeben worden, ist kein Aufsatz, kein Fragment, aus dem nicht Unterricht zu schöpfen wäre, woraus sich nicht der gründliche Forscher, der tüchtige, in den Geheimnissen der Kunst eingeweihte Meister ankündigte. Wir räumen übrigens den Betrachtungen über die Schönheit und den Geschmack in der Malerei, unter allen schriftstellerischen Arbeiten unsers Künstlers, den ersten Platz ein. Sie sind ein Schatz trefflicher lichtvoller Gedanken, Resultate langer Studien über die vorzüglichsten Werke der Kunst alter und neuerer Zeit.Winkelmann hielt dafür, nie sei ein Werk wie dieses so voller tiefer Einsichten, gründlicher Urteile, entschieden nützlich und unterrichtend an das Licht getreten. S. Mengs Schriften Ausgabe von Fea p. 422.. Was darin über Raphael, Correggio und Tizian gesagt wird, so wie noch in einer andern besondern Abhandlung, welche ebenfalls Betrachtungen über die drei größten Lichter der neuern Kunst enthält, konnte zu seiner Zeit gleichsam für neue Offenbarung zur wahren Erkenntnis der Werke jener Maler gelten. Beinahe eben so viel Gutes ist auch von den Nachrichten über Correggio zu sagen, worin die Verdienste fast aller bekannten Werke desselben meisterhaft entwickelt werden. Unstreitig hat Mengs sich Ansprüche auf den Dank aller Kunstliebenden auch dadurch erworben, daß er, sowohl durch diese Abhandlung, als mit verschiedenen andern Stellen seiner Schriften richtigere Begriffe über die Arbeiten des Correggio in Umlauf gebracht hat.

Die angeführten Schriften waren zwar, bei aller guten Aufnahme, die sie genossen, doch nicht ganz so wirksam, als zu wünschen gewesen wäre, sie stifteten aber doch, im Ganzen genommen, sehr viel Gutes und führten neue erhöhte Forderungen, nebst einem reinem Geiste der Betrachtung und des Genusses an Kunstwerken ein.

Die Schriften von Hagedorn, Webbs Gespräche, Watelets Gedicht, selbst Hogarths Schrift über die Linie der Schönheit, Sulzers allgemeine Theorie, Reynolds Reden und andere Werke, die mehr oder weniger wertgeschätzt wurden, gehen wir vorbei, ohne uns auf nähere Betrachtung ihrer Verdienste oder Mängel einzulassen. Sie haben, ihres Ruhms ungeachtet, auf den Gang der Kunst keinen bedeutenden Einfluß gehabt, oder wenigstens keine merklichen Spuren desselben hinterlassen, und liegen also schon darum außer dem Kreise, in den wir mit unsern Untersuchungen uns zu beschränken vorgenommen haben.

Der Sacchische und Marattische Kunstgeschmack fand jetzt keine Nachahmer mehr, selbst Guido, an dessen Werken sonst die Maler sich vormals fast einzig zu bilden suchten, und die Carracci, welche für die größten Muster in der Zeichnung gegolten hatten, wurden zwar immer noch geschätzt, aber die Studierenden hatten sich fast durchgängig zu Raphael und den Antiken gewandt. Man entwöhnte sich des akademischen Geschmacks mehr und mehr, suchte dagegen in den Formen, nach Mengs Beispiele, sich näher an die griechischen Muster zu halten, legte die Gewänder zierlicher und ließ die Gestalt deutlicher als vorher durchscheinen. Durch Mengs Lehren und Beispiel ist mehr Ernst in die Kunst gekommen; durch Winkelmanns Schriften Sinn und Empfänglichkeit für das Schöne in antiken Kunstwerken geschärft worden, und was wir anzumerken ebenfalls nicht vergessen dürfen, die Entdeckungen in Herculanum und Pompeji, das Anschauen einer, dort für uns gleichsam wieder neu erstandenen alten schönen Lebensweise, einer Welt und Zeit, welche auch über die geringsten Bedürfnisse heitere Zierlichkeit verbreitet hatte, teilten den Kunstwerken selbst und fast allem andern, wo Kunst-Bildung und Geschmack eingreifen konnte, im Allgemeinen einen gefälligern, anziehendern Charakter mit. Durch Caylus und Hamilton wurden die freiern Kunstdarstellungen in Hinsicht auf den Gegenstand durchgängig erhoben und verschönt, ja auch da, wo die Künstler zu religiösem Gebrauch arbeiteten, und also mehr durch das Hergebrachte bedingt waren, sah man ein regeres Bemühen für poetischen Wert und Erfindung.

Plastische Werke waren wenige verfertigt worden, allein die in diesem Fach aufblühenden jungen Künstler hatten alle die Berninische Manier verlassen, und kündigten sich, mehr oder weniger, als glückliche Nachahmer der Antiken an. Die Steinschneider vermehrten sich, von Pichlers Ruhm und Gewinn gelockt, und gingen auf eben demselben Wege.

Liebhaberei für landschaftliche Darstellungen, besonders für Ansichten nach der Natur, fand beim Publikum immer mehr Eingang. Es taten sich einige vorzügliche Künstler in dieser Art hervor, von denen wir im folgenden Abschnitt zu reden gedenken.

Gleicher Gunst hatte sich auch die Kupferstecherei zu erfreuen, und wir werden von ihr, so wie von musivischen Arbeiten, die von mannigfaltiger Größe und Darstellung häufig verfertigt wurden, ebenfalls in den folgenden Blättern Nachricht geben.

Achtzehntes Jahrhundert

Zweite Hälfte

Letztes Viertel von 1775 bis zu Ende

Malerei

Geschichtliche Darstellungen

Von den neuern Bekennern des Michel Angelo hat keiner mehr Talent gezeigt, noch größern Ruhm erworben als Heinrich Füeßli, der ungefähr von 1770 bis 1778 in Rom studierte und sich seit dem in London niedergelassen hat. Nicht nur trachtete er die gewaltigen Formen seines Vorbildes nachzuahmen, sondern fügte noch düstere Beleuchtung und Grausen erregende Gegenstände hinzu, um, wäre es ihm möglich gewesen, das Entsetzliche hervorzubringen. Seine Darstellungen waren daher meistens Hexen und Gespenster, nach Volkssagen, erschütternde Szenen aus Shakespeare und andern tragischen Dichtern.

Die Nachahmer des Michel Angelo pflegen fast allemal, anstatt der wirklichen echten Großheit seines Stils bloß seine Manier aufgreifend, ins Übertriebene zu verfallen, auch Füeßli ist es nicht besser gelungen; er kann, man mag ihn so billig und nachsichtsvoll, als sich nur immer tun läßt, beurteilen, doch nie für etwas mehr als einen geistreichen Manieristen gelten. Die gewaltigen großen Formen seines Vorbildes hat er nirgends erreichen mögen, und das Schreckliche, wenn es auch in der Kunst könnte gestattet werden, verliert in seinen Werken, indem es übertrieben erscheint, die beabsichtigte Wirkung. Fruchtbarkeit in Erfindungen und zuweilen echtpoetischer Gehalt derselben kann ihm nicht abgeleugnet werden; doch strebt er überall mehr dem Auffallenden und Seltsamen, als dem Treffenden, dem Wahrhaften nach. Seine Zeichnung ist auf anatomische Kenntnisse gegründet, jedoch Anmut, zarter Schwung und Biegung der Linien fehlen ihr; deswegen sind auch Füeßlis beste Figuren nicht schön, sondern höchstens wohlgestaltet zu nennen. Seine Gewänder fallen einfach in gute Massen, brechen sich aber etwas scharf und lassen die Formen oft zu sehr durchscheinen. Die kunstmäßige Anordnung einzelner Gruppen gelang ihm zuweilen vortrefflich, hingegen sind die Stellungen der Figuren, fast ohne Ausnahme, gewaltsam; der Ausdruck in Gesichtern zwar lebhaft, aber karikaturmäßig übertrieben. Es sind runde klotzende Augen, geblähte Nüstern der Nase, bei geschlossenen aufgezogenen Lippen, niederhängende Mundwinkel u. dgl.Nach Füeßlis Bildern sind viele größtenteils gut gestochene Blätter verfertigt worden, welche zum Beleg der oben versuchten Darstellung seines Kunst-Charakters dienen können. Wir nennen in dieser Hinsicht aus vielen nur Ödipus, K. Lear, W. Teil und die 3 Hexen aus Macbeth. Im Theseus, welcher eben im Begriff ist in die Grotte des Labyrinths hinabzusteigen und von der Ariadne den Knaul erhält, lernt man das Talent unsers Künstlers zugleich von der besten und von der fehlerhaften Seite kennen. Die Erfindung ist trefflich, ja man kann wohl sagen untadelhaft; hingegen haben die Figuren gezwungene Stellungen und handeln mit theatralischer Affektation.

Wie wir gesehen haben, verband Füeßli in seinen Werken mit dem Auffallenden derselben manche wirklich schätzbare Eigenschaft, und gleichwohl war der Eindruck, welchen sie auf das Publikum machten, bald vorübergehend; sie blieben, selbst bei den Engländern, deren Nationalgeschmack doch eigentlich damit geschmeichelt werden sollte, ohne Nachahmer, denn der bessere, durch Mengs, Winkelmann und Hamilton in Rom ausgestreute Samen, hatte überall Wurzel geschlagen.

Wir erwähnen von Künstlern, welche zu Füeßlis Zeit und bald darauf nach Michel Angelo gelüstete, nur noch den Maler Müller,Müller lebt gegenwärtig noch in Rom. der in Deutschland schon früher durch verschiedene poetische Versuche Aufmerksamkeit und gute Meinung von seinen Talenten erregt hatte. Als bildender Künstler wollte er mehr die Denkweise des Michel Angelo als desselben Formen nachahmen, und wählte sich Gegenstände, wo Teufel die Hauptrolle spielen; doch es gelang ihm nicht, sich Beifall zu erwerben.

Niemand kann die Kunst des Michel Angelo höher schätzen, mehr verehren, als wir tun, aber durch das Beispiel aller, seiner frühern sowohl als spätem Nachahmer läßt sich unwiderleglich dartun, daß eine nicht gemäßigte Vorliebe für seine Werke, ein ausschließliches Studium derselben junge Künstler zur Manier verlockt und die reine Ausbildung ihres Talents hindert. Michel Angelo imponiert ihnen durch seine großen Formen, durch die Richtigkeit seiner Zeichnung, durch Kraft und Geist; aber bei alle dem ist er doch einförmig, und seine Kunst weist den Schüler, der ihr folgen will, nicht auf die Natur hin, sondern von derselben ab. Wer nicht mit Michel Angelos eigentümlichem Sinn, ja, wir möchten hinzu setzen, auch mit seiner Kunst und Wissenschaft ausgerüstet, ihn nachahmen will, verfällt aus dem Großen gar leicht ins riesenhaft Ungeheuere. Die Kühnheit der Stellungen artet in Verdrehung und der Ausdruck ins Verzerrte aus. Hingegen ist beim Studium der Antiken, oder Raphaels, dergleichen weniger zu befahren.

Die Kunst der Alten ist erhaben, groß, schön, über der Natur im Reich der Ideen schwebend. Und doch läßt sich das Schöne ihrer Formen teilweise in der Wirklichkeit wiederfinden. Die Antiken dringen sich daher dem jungen studierenden Künstler nicht zu unbedingten Mustern auf, sondern setzen ihn vielmehr gegen die Natur in Freiheit, zeigen ihm den Weg sich derselben zu höhern Zwecken zu bedienen.

Raphaels Werke sind für das Studium der Kunst ebenfalls nützlicher als die des Michel Angelo, ja den Anfängern noch mehr, als die Antiken selbst zu empfehlen. Denn das Mannigfaltige, das Charakteristische ist dieses Meisters großes Kunstverdienst. Er steht, möchte man sagen, mit der Wahrheit selbst im Bunde, stellt sie von ihrer liebenswerten, ihrer edeln Seite dar, befriedigt somit die Forderungen der Kunst, und, indem er der Natur näher bleibt, bleibt er auch faßlicher als die Antiken, seiner Mannigfaltigkeit wegen lehrreicher als Michel Angelo. Selbst die bedingtesten Nachahmer Raphaels, Bagnocavallo, Garoffalo, Inocentius da Imola und andere, sind noch gefällige Künstler, deren Werke Vergnügen gewähren, dahingegen Bronzino,Ein geistreicher Italiäner sagte einmal bei Betrachtung des geschätztesten Werks des Angelo Bronzino, Christus im Limbus in der Kirche St. Croce zu Florenz: Dieser hat viel Kunst aufgewendet, um ein schlechtes Gemälde zu machen. Ein sehr treffendes Urteil in wenig Worten, welches von allen Manieristen jener Zeit, die den Geschmack des Michel Angelo nachzuahmen suchten, gelten kann. Salviatti, Vasari und andere Nachahmer des Michel Angelo mit unangenehmer Einförmigkeit ermüden.

Wenn aus dem Gesagten einleuchtend ist, daß die Werke des Michel Angelo, weder in Rücksicht der Formen, noch des Charakteristischen und Ausdrucksvollen die nützlichsten Muster zum Studium für junge Künstler sind; so müssen wir nun endlich auch noch anmerken, daß es nicht minder bedenklich ist, junge Künstler zur Bildung ihres Erfindungs-Vermögens an dieselben zu verweisen. Wir leugnen damit nicht ab, daß sich große edle Gedanken beim Michel Angelo finden, seine historischen Darstellungen stehen aber der schönen Klarheit und den fein aufgegriffenen Motiven Raphaels weit und noch weiter der heitern Eleganz, die in antiken Werken herrscht, nach; ja wir möchten in diesem Teil der Kunst unter den neuern Meistern selbst die Caracci, den Guido und Dominichino für musterhafter als den Michel Angelo erklären.

Zunächst wird uns nun eine Künstlerin von schönem Talent und weitverbreitetem Ruhm begegnen, später noch eine Andere, deren Werke gleichfalls geschätzt sind; wir finden uns daher veranlaßt, einige Betrachtungen über weibliche Kunst und Fähigkeiten voraus zu schicken.

Manche wollen behaupten, daß schon die jetzt gangbaren Sitten den Künstlerinnen gründliches Studium im Zeichnen beinahe unmöglich machen, so wie überdem noch der fast allen weiblichen Kunstarbeiten vorzuwerfende Mangel am kräftig Bedeutenden, Tiefen u. s. w. beim ganzen Geschlecht nicht zureichende Fähigkeit anzuzeigen scheint.

Diese beiden Vorgeben hoffen wir mit Gründen sowohl als mit Beispielen zu entkräften, und hingegen die Möglichkeit nebst dem notwendigen Erfordernis ernsterer Studien darzutun, für Frauenzimmer welche bildende Kunst zu ihrem Hauptgeschäfte machen wollen.

Künstler erwerben sich eine richtige Zeichnung vornehmlich nur durch gründliche Kenntnisse der äußern Anatomie des menschlichen Körpers, nebst fleißiger Übung nach lebenden Modellen; diese letztern sind bei der Ausführung großer Werke allemal ein notwendiges Erfordernis; aber Anatomie sowohl, als nach lebenden Modellen nackende Teile zu zeichnen ist, wie man vermeint, gegen die angenommenen Regeln von Zucht und Schamhaftigkeit, deren strenge Beobachtung dem weiblichen Geschlecht unerläßlich obliegt. Das Studium der Anatomie mag für sich selbst unangenehm sein, manchen vielleicht gar ekelhaft vorkommen, doch ist dasselbe vernünftigen Begriffen von Sittsamkeit durchaus nicht zuwider. Man weiß von Frauen, welche ohne Nachteil ihrer Ehre die Zergliederungskunst geübt, ja als öffentliche Lehrer derselben aufgetreten sind. Demnach wäre in dem Entbehren lebender Modelle zum Nackenden das größte Hindernis für weibliche Kunst zu suchen; allein bei genauer Betrachtung vermindert sich auch diese Schwierigkeit sehr. Denn wiewohl es unschicklich scheinen dürfte, wenn eine Künstlerin sich in öffentlicher Akademie einfände, oder in ihrer Werkstätte sich mit nackenden Männern umgeben wollte; so wird doch gewiß kein Ärgernis entstehen, wenn sie, für sich oder mit andern ihres Geschlechts, nach weiblichen Modellen und nach Kindern studieren will; nicht weniger steht ihr frei sich männlicher Köpfe, Hände und Füße nach Gefallen zu bedienen. Der Vorwurf unrichtiger Zeichnung indessen, den man Arbeiten von Künstlerinnen gewöhnlich zu machen hat, betrifft nicht bloß die einzelnen Teile, sondern das Ganze, dem es am Strengen, Bestimmten, Wissenschaftlichen fehlt. – Gegen die Beschuldigung durchgängiger Schwäche, Mangels an Bedeutung und Tiefe in weiblichen Kunstarbeiten, woraus überhaupt unzulängliche Fähigkeiten zur Kunst vermutet werden, erinnern wir Folgendes.

In den Werken der Lavinia FontanaLavinia Fontana, eines Malers Tochter von Bologna, geb. 1552. st. 1602. bemerkt man ernste Köpfe alter Männer, auch kann weder ihr noch der Sophonisbe AngusciolaSophonisbe Angusciola. ... Unbestimmtheit vorgeworfen werden, besonders verrät die Letzte offenbar Anlage zum strengen Geschmack in der Zeichnung, so wie zum genau Ausgeführten. Bildnisse von Maria RobustiMaria Robusti, des berühmten Tintorets Tochter, starb 1590. 30 Jahre alt. haben, wie alle Gemälde aus der Zeit der guten venezianischen Schule, eine mit kräftigem Natursinn aufgefaßte derbe Gegenwart, und von der Artemisia GentileschiArtemisia Gentileschi, ebenfalls eines Malers Tochter, arbeitete mit großem Ruhm zu Neapel um 1650. sind uns sogar Darstellungen bekannt, welche einem weichen Gefühl wehe tun können. Ausgezeichnet gut erfundene Werke der bildenden Kunst von Frauenzimmern herrührend lassen sich freilich nicht nachweisen; aber wenn dieses Geschlecht in andern Künsten und Wissenschaften Denk- und Erfindungskräfte in reichem Maße gezeigt, wie könnte man ihm solche hier ableugnen wollen? Doch es werde zugegeben, die Fähigkeit für große figurenreiche Kompositionen, die einen weitläufig angelegten Plan erfordern, finde sich bei Weibern selten oder gar niemals, desgleichen sei, aus Ursachen, welche in der Erziehung, im Zustand, in Bildung der Begriffe liegen mögen, ihr Sinn fürs Erhabene, Große, für Äußerungen von Kraft und Tat nicht geweckt, werde auch wohl schwerlich sich wecken lassen, so bleibt dessen ungeachtet noch immer das Schöne, Zarte, alles was in das ergiebige Feld friedlicher Gegenstände von Liebe und Gegenliebe, zwischen Gatten, Müttern, Kindern etc. fällt, ihnen und zwar mit Vorteil zu bearbeiten übrig. Aus welchen Gründen also, wie aus den angeführten Beispielen hervorzugehen scheint, das weibliche Geschlecht sei weder durch die herrschenden Sitten, noch durch schwache Naturgaben, gegen die bildende Kunst so nachteilig bedingt, als manche glauben möchten; vielmehr kann für ausgemacht gelten, daß, wenn Künstlerinnen bei ihrem Studium zwar einige Vorteile entbehren müssen, sie sich hingegen auch mancher Vorteile zu erfreuen haben, und also ohne allen Zweifel im Stande sind, besonders wo die Gegenstände Schönheit, Innigkeit und Zartgefühl erfordern, einen weit höhern Grad von Vollkommenheit zu erreichen, als bisher geschehen ist; nur müßten künftig ihre Bemühungen eine zweckmäßigere Richtung erhalten, von mehrerem Ernst und Beharrlichkeit unterstützt werden. Sollen wir ohne Rückhalt unsere Meinung sagen, so scheint uns die eigentliche Ursache, warum in der bildenden Kunst auch von den begabtesten Frauen bisher noch keine die Oberfläche durchdrungen hat, keineswegs in dem geringern Maße ihrer Fähigkeiten zu liegen, sondern in der Scheue vor gründlichem Studium, in der Abneigung fest gegen Schwierigkeiten auszuharren. Bei eifrigem Bestreben, mit erhöhten, richtigem Kunstbegriffen, als gewöhnlich im Gange sind, müßten daher Manche die ihnen entgegenstehenden Hindernisse überwinden und sich zu bleibend herrlichem Ruhm emporarbeiten können. Man nimmt wahr, daß die Zahl der Individuen vom schönen Geschlecht, welche sich der Kunst annehmen, täglich wächst; je mehr daher Ansprüche entstehen, daß ihr Schaffen und Urteilen gelte, je strenger dürfen auch die Forderungen sein, die man an ihre Werke macht, und je mehr werden sie sich hinfort zum Ernsten entschließen müssen, zu Gehalt in Gedanken sowohl als in der Ausführung.

Nach diesen allgemeinen Betrachtungen, welche den Standpunkt anweisen sollen, aus dem weibliche Kunstarbeiten überhaupt zu beurteilen sind, setzen wir unsere Geschichte nun weiter fort.

Angelika Kaufmann war schon zu Winkelmanns Zeit in Rom rühmlich bekannt geworden, kam aber um 1780, nach langem Aufenthalt in England, wieder dahin zurück, der gepriesene Liebling aller bloß schauenden und genießenden Kunstfreunde, auch von ernstlich prüfenden Kennern, doch mit billiger Mäßigung, hochgeachtet. Das Heitere, Leichte, Gefällige in Formen, Farben, Anlage und Behandlung ist der einzig herrschende Charakter der zahlreichen Werke unserer Künstlerin. Keiner der lebenden Maler hat sie, weder in der Anmut der Darstellungen, noch im Geschmack und Fertigkeit den Pinsel zu handhaben übertroffen; dagegen ist ihre Zeichnung schwach und unbestimmt, Gestalten und Züge der Figuren haben wenig Abwechselndes, der Ausdruck der Leidenschaften keine Kraft. Die Helden sehen wie zarte Knaben, oder verkleidete Mädchen aus, Alten und Greisen fehlt es an Ernst und Würde.

Zwar ist der Angelika selten, vielleicht gar niemals Geschmackloses, noch weniger Niedriges entschlüpft, indessen stehen ihre Erfindungen doch eben nicht hoch, sind im Ganzen genommen weder mehr noch weniger als leichte liebliche Spiele einer schönen Phantasie, keine derselben ist tief gegriffen, aus sich selbst heraus entwickelt, lange gepflegt, rund, gehalt- und bedeutungsvoll.

Nach Mengs Absterben, das 1778 erfolgt war, entstanden in einigen Jahren keine historischen Gemälde, welche allgemeine Aufmerksamkeit erregten. Battoni, schon alt, hatte sein Bestes geleistet, Maron und UnterbergerUnterberger lebt noch in Rom; Maron ist vor einigen Jahren daselbst gestorben. zwei Östreicher, der erste Schwager, der andere Zögling von Mengs, erwiesen sich beide zwar als geschickte Künstler, besaßen aber doch nicht Fähigkeit genug, merkwürdige Erscheinungen hervorzubringen. Maron war anfänglich ein guter Portraitmaler und zeigte nachher in historischen Darstellungen zwar fleißige Ausführung, sonst aber keinen großen Geschmack in den Formen. Seine Erfindung war arm und sein Kolorit geschminkt. Unterbergers Kunst möchten wir am liebsten Plafondmanier nennen, heitere frische Farben, ein angefüllter Raum, ohne viel Inhalt. Unter dieses Künstlers Aufsicht und Mitwirken ließ Catharina II. die Logen Raphaels, historische Darstellungen sowohl als sämtliche Zieraten kopieren, ein Unternehmen, welches, teils seines Umfangs, teils auch seiner Folgen wegen, der Anmerkung wohl wert ist; denn es erhielten dadurch nicht nur viele junge Künstler Beschäftigung und Gelegenheit, sich mit dem einfachen edeln Sinn und Geschmack dieser Werke vertraut zu machen, sondern das Studium derselben nahm überhaupt unter der jungen Künstlerwelt zu. Auch selbst bei den Liebhabern und Kunstfreunden kamen die Darstellungen aus den Logen von jener Zeit an in höhere Achtung.

FügerFüger ist gegenwärtig Direktor der Maler-Akademie in Wien. hatte sich mit guten Mignatur-Bildnissen rühmlich bekannt gemacht, auch historische Versuche im Großen mit Erfolg unternommen, und wurde deswegen nach Neapel berufen, um in Caserta die Bibliothek der Königin auszumalen. Seine Werke verdienen von Seiten der Erfindung kein großes Lob, sind indessen meistens gut angeordnet, auch von gefälliger Wirkung; das Kolorit hat eine lockende Frischheit und die Ausführung ist geistreich, aber gewöhnlich zu leicht und flüchtig, den Umrissen pflegt es am Richtigen zu fehlen.

Mit einem Gemälde, welches Jupiter und Ganymedes darstellte, Figuren in Lebensgröße, erwarb eben damals BöttnerBöttner, Hofmaler und Professor der Akademie zu Cassel. aus Cassel billiges Lob; die Charaktere der beiden Figuren sind im Sinn der Antike gehalten, die Anordnung ist kunstgerecht, das Kolorit reinlich.

Nächst diesen war auch ein Tyroler, Namens Bergler,Bergler soll bei der neu errichteten Akademie d. B. Künste zu Prag angestellt sein. als geschickter junger Künstler bekannt. Seine Arbeit erhielt beim jährlichen freien Concurs, den die Akademie zu Parma veranstaltete, den Preis. Er besitzt, nebst großer Fertigkeit des Pinsels, eine kräftige blühende Farbe; mit der Zeichnung weiß er sich selten ganz glücklich und tadellos abzufinden.

Im Herbst 1784 wurde Wilhelm Tischbein aus Cassel, der nachher Direktor der Maler-Akademie zu Neapel geworden, mit einem Gemälde in Halbfiguren von natürlicher Größe fertig, Conradin von Schwaben im Gefängnis darstellend, der unerschrocken sein Todesurteil vernimmt. Der Künstler war ein Paar Jahre vorher in der Schweitz gewesen, wo er mit Bodmer und Lavater Umgang pflog, und wahrscheinlich vom Erstem veranlaßt, den Vorsatz gefaßt hatte, Gegenstände aus der deutschen Geschichte zu bearbeiten. Die Erfindung dieses Werks kann befriedigend genannt werden; ohne Anspruch sucht sie die Geschichte schlicht und so klar darzustellen, als die Natur des Gegenstandes solches erlaubt. Die Köpfe der Figuren haben passenden Ausdruck, jeder nach seinem Charakter und Anteil an der Handlung. Sie sind mannigfaltig und heben einander wechselsweise durch Kontrast. Bei aller Sorgfalt, welche auf die Ausführung verwendet ist, sieht man ihr doch nichts Mühsames oder Ängstliches an, die angenehme Wirkung entsteht durch starke, doch nicht finstre Schattenpartien, welche sich zu einem warmen, lebhaft abwechselnden Kolorit gesellen. Einzig möchte gegen die Anordnung erinnert werden, daß beide Hauptfiguren, die, rot gekleidet, das Auge locken, auf der Seite im Bilde sitzen.

Wir finden uns hierdurch zu bemerken veranlaßt, daß Bilder von Halbfiguren, in Hinsicht auf die Anordnung, allemal schwere Aufgaben sind; man tut vielleicht am besten, sie überhaupt nur als Freiheiten anzusehen, welche die Künstler sich zuweilen gegen die strengen Kunstgesetze erlauben. Bei modernen Gegenständen, wo viel Draperie dem Künstler Freiheit läßt, seine Komposition im Unbedeutenden zu endigen, können Halbfiguren allenfalls noch entschuldigt werden; hingegen mögen wir dieselben nie gerne auf Gegenstände aus der Mythologie oder Fabel angewandt sehen, weil bei solchen oft die Notwendigkeit eintritt, nackte Teile durchzuschneiden.

Tischbein erwarb sich durch sein erwähntes Gemälde den Ruhm eines vorzüglich geschickten Künstlers, unterdessen schien er doch keinen mächtigen Antrieb zur Bearbeitung mehrerer dergleichen Gegenstände zu fühlen, weil die Teilnahme an denselben geringer war, als er vielleicht erwartet haben mochte. Heroische Darstellungen aus dem Altertum wurden vorzüglich begünstigt, und Tischbein selbst, als ein großer Verehrer Homers, ebenfalls dazu geneigt, wählte zu seinen bald darauf unternommenen Werken wieder griechische Stoffe.

Von dieser Zeit her datiert sich auch die Vorliebe vieler Künstler und Kunstliebhaber für Werke aus den frühern Zeiten der neuern Kunst, das ist für solche, deren Urheber noch vor Raphael und den andern großen Verbesserern des Geschmacks und Styls gelebt haben. In der Tat ist die Unschuld und fromme Einfalt, welche zumal in den frühesten Produkten der wiederauflebenden Kunst herrscht, sehr anziehend, eben so sind die spätern, wegen redlich pünktlicher Treue und Wahrheit in der Darstellung achtbar, und bis hierher schließen auch wir uns gerne an die Liebhaber dieser alten Werke mit an; aber Manche sind weiter, ja, ohne Bedacht, zu weit gegangen, haben die alte Manier zu studieren empfehlen und kunstlose Simplizität für den besten Geschmack ausgeben wollen, woher denn endlich der fast unbegreifliche Irrtum entstanden, der größten Meister, z. B. Raphaels und Correggios frühe Werke, eben weil in ihnen noch jene alte schmucklose Einfalt, die Spur von den Schulen des Perugino und des Mantegna, nicht völlig verwischt ist, für vortrefflicher als die Produkte ihrer reifern Kunst auszugeben. Doch wir rechten hier nicht ferner mit krankem Urteil, und werden in der Folge wohl noch einmal Gelegenheit finden, den Vorwürfen zu begegnen, welche ins besondere Raphaels Verklärung gemacht worden sind. Denen aber, welche das Studium der alt-modernen Maler und Bildhauerarbeiten befördert wissen möchten, sagen wir: Wer mit Giottos oder des Gaddi Geist, mit Orgagnas Ernst und Tiefsinn, wer mit Ghibertis Anmut und da Fiesoles Frömmigkeit malen und bilden, oder seinen Gestalten Ghirlandajos Wahrheit geben, oder wie Mantegna denselben gleichsam Odem einhauchen oder Peruginos stilles Gefühl erteilen wollte, dürfte sich ja nicht an ihre Werke halten, sondern alles dieses müßte der Natur selbst mit dem Sinn und den Gaben dieser Meister abgesehen werden; denn auch sie hatten dafür nicht Werke ihrer Vorgänger zu Mustern genommen. Eben das ist der mächtige Unterschied zwischen der steigenden und sinkenden Kunst, daß jene nach einer unendlichen Vollkommenheit strebt, diese aber bedingten Mustern nachzuahmen sucht! Die redliche Einfalt, welche man durchgängig an den Werken der ältern Maler und Bildhauer bemerkt, waren dieselben ohne Zweifel mehr ihrer Zeit als sich selbst schuldig, und darin ruhte der Keim, aus welchem sich die neuere Kunst, unter den nachfolgenden großen Meistern, so schön entwickelte. Wir brauchen nicht ferner zu erweisen, was jedem Sachkenner ohnehin bekannt ist, daß die Bildung des Geschmacks, des Styls, der Beleuchtung, Behandlung, Anordnung, des Kolorits etc. mit einem Wort die ganze Kunst im eigentlichen Sinn, späterer Zeit angehört. Wer nun alle die Eroberungen gering schätzt, welche mächtiger Geister unsägliches Forschen und denkender Fleiß für das Gebiet der Kunst gemacht, wer bloß, aus einem verworren gefühlten Bedürfnis von Einfalt und Naivetät, in den mehr oder minder rohen Anfängen der Kunst die ganze Kunst schon vollendet erblicken will, und durch Annäherung an die alte Manier das Rechte zu erfassen glaubt, kennt ihren wahren Geist, ihr besseres weiter gestecktes Ziel noch nicht.

Noch eine Bemerkung dürfen wir an dieser Stelle nicht zurück halten. Es geschieht oft, daß diejenigen, welche über Werke der ältern Künstler urteilen wollen, sich in Hinsicht des relativen Werts derselben irren, des Werts nämlich, der einem jeden solchen Werk und seinem Verfasser in Verhältnis gegen andere beizulegen ist. Denn alles Urteil über Künstler und Kunstwerke, wenn es anders haltbar und gerecht sein soll, muß die Geschichte in Betrachtung ziehen, und sich von ihr leiten lassen; am meisten aber ist dieses in dem gegebenen Falle vonnöten. So hat z. B. Giotto um Zeichnung und Verhältnisse, ja überhaupt um alles Technische in der Malerei beinahe eben so viel Verdienst als Fra Angelico de Fiesole, welcher doch über ein Jahrhundert später gelebt, aber, verglichen mit Masaccio, Lippi und andern seiner Zeitgenossen, in diesem Teile der Kunst schwach war und bloß der schönen Gemütlichkeit der zarten Unschuld wegen, die in allen seinen Werken herrschend ist, Anspruch an unsere Achtung hat. Pinturicchio, der so viel in Rom gearbeitet, ist mit Gunst mancher unserer Freunde, die an seinen Werken Gefallen fanden, ein höchst mittelmäßiger Maler, des Perugino Schüler, aber gar sehr von diesem seinem Lehrer, von vielen noch ältern Künstlern und am meisten von seinen Zeitgenossen übertroffen und, wenn wir unsere oben gebrauchte Terminologie auch auf ihn anwenden dürfen, nichts weiter als ein schlechter Praktikante der damaligen Zeit.

Ein Lioner Maler, Namens Gagneraux,starb 1793. od. 94. zu Florenz. machte sich ohngefähr um 1785 zu Rom ebenfalls bemerklich, durch ein Gemälde, worauf die Zusammenkunft Gustavs III. Königs von Schweden mit dem Papst Pius VI. im Museum dargestellt war. Brillante Farben durch kräftige Schattenpartien gehoben, nebst sorgfältig ausgeführten Nebenwerken waren die gelobtesten Teile desselben, auch nahm man im Ganzen eine fertige Hand und Beobachtung der Regeln wahr. Wir bringen dieses Werk hauptsächlich deswegen in Erinnerung, weil es nebst andern von ohngefähr gleicher Art und Verdiensten gleichsam ein Vorläufer derjenigen Manier und Eigenschaften war, durch welche die gegenwärtige französische Malerschule Beifall und Nachahmer sich erwirbt.

Um gleiche Zeit zeigte auch ein Römer, Namens Cades, wenn wir nicht irren, Battonis Schüler, dem Publikum zwei seiner Gemälde. Er erregte besonders mit dem einen,Die Verkündigung vorstellend und für eine Genuesische Kirche bestimmt. Das andere war eine heilige Geschichte und blieb in der Kirche Apostoli zu Rom. Cades ist, so viel wir wissen, schon vor mehreren Jahren gestorben. worin man ein Talent für poetische Erfindung und fleißiges Studium nach Raphael wahr zu nehmen glaubte, schöne Erwartungen, die aber in der Folge durch keine bedeutenden Fortschritte gerechtfertigt wurden.

Geschätzte und mit großen Bildern beschäftigte Maler waren überdem noch de Angelis und Corvi, welche manches in Römischen Kirchen gearbeitet; ferner Rossi und Conca. Der Erste von diesen beiden malte die Decke des großen Saals in der Villa Borghese, der andere das Gewölbe vom Saal der Musen, im Museum, al Fresko.

Wer für Kunst sich interessierte, richtete nun seine Blicke auf den französischen Maler David,David lebt und arbeitet noch mit großem Ruhm in Paris. welcher gekommen war, um ein Gemälde, den Schwur der Horazier darstellend, zu verfertigen. Man hatte bereits vor einigen Jahren mit Wohlgefallen seinen Belisarius gesehen, und erwartete daher etwas tüchtiges von ihm; überdem erzählten seine Bekannten, die ihn an dem neuen Werk arbeiten sahen, Wunderdinge, und so war die Aufmerksamkeit aufs Höchste gespannt, als dasselbe endlich im Frühjahr 1786 zur öffentlichen Schau ausgestellt wurde. Nie ist wohl ein Gemälde mit solchem Zulauf und lauterem Beifall geehrt worden. Wenige Stimmen nur erhoben sich tadelnd gegen einzelne Teile, indem sie jedoch die Verdienste des Ganzen anerkennen mußten; auch war das Werk im Ganzen betrachtet wirklich sehr lobenswert; eine vorzüglich feste, gründliche Zeichnung in derb ausgesprochenen Formen der Krieger, ihre Festigkeit, Mut und rasche Bewegung, der ängstlich stillen Betrübnis zarter Frauen und eines unschuldigen Kindes entgegen gesetzt, bewirkten mit dem äußerst kräftigen Kolorit und hochschimmernden Farben in Gewändern und Waffen einen bestechenden Effekt; die Figuren waren gut im Räume verteilt, selbst als Gruppen wohl angeordnet, die Falten in gutem Geschmack gelegt, der Grund einfach und für den dargestellten Gegenstand passend; da aber, wo der Ausdruck zart, innig werden sollte, in den jammernden Weibern, im Kinde, da hätte man allerdings mehr Gemüt, mehr Lebendigkeit verlangen können. Auch in der Anlage des Ganzen, im Gedanken überhaupt, in den Gebärden, welche die Handlung aussprechen, schlich sich etwas Theatralisches ein, man vermißte ungern in einem Kunstwerk von so vielen Verdiensten die schöne Wahrscheinlichkeit, das völlig Ungezwungene, die natürliche Einfalt, womit die Kunst ihren Produkten allein wahres bleibendes Interesse, welches im öftern Anschauen nur immer erhöht wird, verschaffen kann, wornach sie immer streben muß und welches auch als Forderung an sie nie aufgegeben werden darf.

Wenig Monate später als die Römer das oben erwähnte Bild von David gesehen und noch in gutem Andenken behalten hatten, zeigte dessen Schüler Drouai,Drouai starb zu Rom bald nachher damals Pensionair der französischen Akademie, ebenfalls ein großes Gemälde, auf welchem Marius dargestellt war, vor dessen Blick und Anrede der ihn zu töten gesandte Soldat erschrocken zurückfährt.Dieses Gemälde ist von H. Lips recht sauber und kräftig in Kupfer gestochen. Geschmack und Darstellungsweise überhaupt hatten mit Davids viele Ähnlichkeit; die Wirkung, durch Farbenglanz und Schimmer und heftige Gegensätze von Licht und Schatten, war noch auffallender, der Gegenstand bedingte und erschwerte die malerische Anordnung, auch blieb Drouai in der Zeichnung etwas hinter seinem Meister zurück; dessen ungeachtet hatte das Werk sehr viele Vorzüge und wurde, man kann wohl sagen, vom Publikum mit Bewunderung aufgenommen, weil nebenher auch noch die Jugend des Verfassers in Anschlag kam, welcher damals kaum 24 Jahr alt sein mochte.

In den angezeigten Verdiensten vorerwähnter Bilder des Gagneraux, David und seines Schülers Drouai, so wie in den Vorwürfen, welche sie treffen, spricht sich der Charakter der neuern französischen Kunstschule ganz aus. David hat viel, ja das Meiste zu der allerdings wesentlichen Verbesserung des Geschmacks, welche bei seinen Landsleuten sich ereignete, beigetragen; seitdem er aufgetreten, ist die galante und fade Manier der Vanloo und Boucher ziemlich verschwunden, man nimmt nun allgemein in den Produkten französischer Künstler mehr Ernst, Wissenschaft, auch fleißigere Ausführung, die ein Streben nach der Form anzeigt, wahr. Bei dem fast durchgängigen Mangel am Gemütlichen gelingen ihnen angestrengte Bewegungen und stark muskulierte Körper gewöhnlich besser als schöne zarte Gestalten, die eines reinen Natursinns bedürfen und sich noch überdem weniger mit dem grellen Kontrast von übertriebenen Licht- und Schatten-Partien vertragen, welche fast alle Maler dieser Schule, den Guercino und besonders den Valentin nachahmend, in ihren Werken anbringen.

David und dem Einfluß, den sein Beispiel auf andere haben mochte, ist es wahrscheinlich zuzuschreiben, daß in der Folge verhältnismäßig wieder weit mehr Gegenstände aus der Römischen Geschichte bearbeitet wurden, indem er und seine Schüler sich denselben vorzüglich günstig erzeigten.

Zugleich mit Drouai taten sich auch noch zwei andere Pensionaire der französischen Akademie als Künstler von guter Hoffnung hervor, des Marés,des Marés soll unlängst zu Florenz oder Livorno gestorben sein. der ein sehr kräftig gemaltes Bild, Pindar, welcher tot in die Arme eines Knaben fällt, geliefert hatte, und Gauffier,Gauffier starb zu Rom. der noch besser mit einem kleinen Bilde gefiel, welches den Jakob mit Labans Töchtern am Brunnen darstellte, in Poussins Geschmack angelegt und sehr niedlich ausgeführt war. Es hatte eine angenehme Landschaft zum Hintergrund und tat überhaupt gefällige Wirkung. Die zierlich drapierten Mädchen schienen, in Hinsicht auf alte Zeit und Simplizität, nur etwas zu sorgfältig geputzt. Man machte überdem, diesem sowohl als dem vorigen Bild, den Vorwurf einer nicht ganz richtigen Zeichnung, und bemerkte Steifigkeit in den Figuren, ein Fehler, in welchen die französischen Künstler der neuern Schule sehr oft verfallen.

St. Ours,St. Ours lebt in seinem Vaterlande. ein Genfer, bewies Geschicklichkeit in reichen Kompositionen von Figuren, die gewöhnlich nicht viel über einen Fuß hoch waren, und wählte zu Gegenständen öffentliche Spiele, Triumphzüge, Opfer und dergleichen aus der Griechischen oder Römischen Geschichte. Alle Teile sind zum angenehmen Ganzen kunstmäßig verbunden und sehr kräftig ausgeführt. Der durchgehends herrschende Geschmack deutete des Künstlers emsiges Studium nach Poussin an, nur verstieß er gegen richtige Zeichnung öfter als sein Muster.

BergerBerger in Rom. aus Savoyen setzte sich mit Bildern von naturalistischer Manier bei einem Teil des Publikums in Kredit. Individuelle, aber nicht selten unpassende Wahrheit, kecker Pinsel, warmes Kolorit, mit kräftigen klaren Schatten, machen das bedingte Verdienst der Arbeiten dieses Künstlers aus; seine Gedanken so wie seine Formen sind weder edel noch richtig.

Wir schließen die Reihe der Maler französischer Zunge, welche durch das neunte Jahrzehent zu Rom gearbeitet haben, mit der Mad. Le Brun.Mad. Le Brun hat fast alle großen Höfe und Städte in Europa bereist und befindet sich gegenwärtig wieder in Paris. Diese Künstlerin beschäftigte sich nicht mit historischen Darstellungen, sondern blieb auf das Fach der Bildnisse eingeschränkt, worin Sie aber großen Ruhm erworben hatte. Ihr eigenes Bildnis, welches sie 1790 für die Sammlung der Malerportraite in der florentinischen Galerie verfertigt, stand, ehe es dahin abgegeben wurde, zu Rom in der Akademie ihrer Nation zur Schau. Da es für eine ihrer besten Arbeiten galt und noch gilt, so glauben wir unsere Leser von dem eigentlichen Gehalt ihrer Kunst sowohl, als von dem relativen Wert, den sie als Künstlerin behauptet, am angemessensten zu unterrichten, wenn wir eben erwähntes Bildnis mit einem andern von der Angelica Kaufmann, welches dieselbe, nur ein Paar Jahre früher, auch für die florentinsche Sammlung malte, vergleichen. Angelica hat einen wahrern Ton des Kolorits in ihr Bild gebracht, die Stellung ist anmutiger, das Ganze verrät einen schönern Geist, einen richtigern Geschmack. Das Werk der Le Brun hingegen ist überhaupt zarter, fleißiger gemalt, auch fester gezeichnet, es hat ein helles, jedoch etwas geschminktes Kolorit, weißlicht, bläulicht, gerötet etc. Sie weiß sich zu putzen, der Aufsatz, die Haare, die Krause von Spitzen um den Busen ist alles niedlich angelegt, und, man kann wohl sagen, mit Liebe ausgeführt; aber das hübsche Bacchische Gesicht, mit geöffnetem Mund, in welchem man schöne Zähne gewahr wird, sieht, mit allzu offenbarer Absicht zu gefallen, sich nach dem Beschauer um, während die Hand den Pinsel zum Malen ansetzt. Vorzüge gegen Vorzüge gehalten steht das Bildnis der Angelika, mit der sanften Neigung des Hauptes, dem zarten gemütlichen Blick, in Hinsicht auf Geist und Talent höher, wenn auch im Betracht dessen, was bloße Kunstfertigkeit ist, die Waage nicht entschieden zu seinen Gunsten sich neigen sollte.

Unter den Engländern tat sich, in geschichtlichen Darstellungen, nach Hamilton vornehmlich TurnoTurno starb zu Rom um 1794. hervor, der Gegenstände, bald aus dem Homer, bald aus Shakesspeare malte, wovon die Zeichnung zwar meistens schwach, aber die Erfindung verdienstlich, die Ausführung geistreich ist.

Von den noch nachzuholenden Deutschen war August Nahl,Nahl lebt gegenwärtig zu Cassel. aus Cassel, der vorzüglichste. Überaus reinlich und fleißig in der Ausführung, malte er, im Geist des Albano, meistens erotische Darstellungen mit ergötzenden Landschaften zum Grund. Nahls Geschmack ist vielleicht reiner am Antiken gebildet, als wir beim Albano wahrnehmen; aber das Poetische ist bei diesem üppiger, das Kolorit blüht fröhlicher.

Ferner waren Cauzig und Schöpf, aus Tyrol, Pitz, aus dem Zweybrückischen, Hetsch von Stuttgard, Schütz von Frankfurt, Weitsch aus Braunschweig, Schmidt von Darmstadt, Meyer aus Göttingen u. a. welche insgesamt mit mehr oder weniger Erfolg sich in der Kunst bemüheten.Cauzig lebt in Wien, Pitz starb daselbst, Hetsch lebt in Stuttgart, Schütz in Frankfurt, Weitsch bei der Berliner Akademie angestellt, Schmidt soll sich in Neapel aufhalten. Cauzig und Schöpf waren Männer von Talent, die große Fertigkeit besaßen; aber eben darum die wesentlichsten Teile ihrer Gemälde etwas vernachlässigten. Pitz malte hübsch angeordnet und mit kräftiger Wirkung den sterbenden Antonius, Hetsch, mit gewandterm Pinsel, den für Darstellung sehr ungünstigen Gegenstand, Tarquinia, die über ihres Vaters Leichnam wegfährt, Schütz, ein fleißig behandeltes und anmutig erfundenes Bild, Luna und Endymion darstellend. Weitsch verfertigte einige wohlgleichende Bildnisse, mit frischer Farbe und sorgfältiger Ausführung; historische Darstellungen hingegen wollten ihm nicht gelingen. Unter verschiedenen Bildern von Schmidt galt Adam und Eva, wohlgezeichnet, geordnet, zart und hell koloriert, für das beste. Meyer bewies in seinen Arbeiten zwar mehr Erfindungsgabe, aber geringere Kunstfertigkeit. Außer diesen Bildern von einiger Bedeutung sah man noch einen Belisarius von F. RehbergRehberg hält sich noch gegenwärtig in Rom auf. aus Hannover. Dieser Künstler war früher schon einmal in Rom gewesen und jetzt, bei der Berliner Akademie angestellt, wiedergekommen seine Studien fortzusetzen. Er zeichnet weder richtig, noch in einem großen Geschmack der Formen, noch gelingen ihm Köpfe von lebendig kräftigem Ausdruck, oder treffendem Charakter, aber die Beleuchtung tut Effekt, die Gestalten sind weich, die Erfindung meistens gefällig.

Von den in Rom anwesenden Spaniern, Dänen, Schweden, Polen und Russen zeichnete sich damals keiner vorzüglich aus, die Portugiesen legten bald nachher eine nach dem Muster der Französischen gemodelte Akademie an, unter Direktion des Cav. de Rossi der früher Improvisatore, Fabeldichter und Redakteur einer Kunstzeitung gewesen, später aber Finanzminister der ephemeren Römischen Republik wurde. Diese Akademie hat bisher noch wenig Früchte getragen, wie schon die Wahl ihres erwähnten Vorstehers zum voraus vermuten ließ, der zwar ein Mann von Geschmack, aber doch nicht selbst Künstler war und also unmöglich das ausgebildete didaktische Talent besitzen konnte, welches eine solche Stelle notwendig erfordert.

Unsere Geschichte ist nun bereits in das 10. Dezennium des Jahrhunderts übergegangen. In den ersten Jahren desselben malten Girodet und Faber, zwei Schüler von David, jener einen Endymion von den Strahlen der Luna geküßt, dieser den verwundeten Adonis, Bilder, die mit Gunst aufgenommen wurden. Beide Künstler hätten vermutlich nebst andern französischen Malern das Ansehen, ja man kann sagen den Vorzug noch ferner behauptet, den ihre Nation in Hinsicht auf Kunst seit Davids Zeit zu Rom erlangt hatte, wäre nicht im Frühjahr 1793 der bekannte Volkstumult erfolgt, in welchem der Gesandte Basseville ermordet wurde. Damals mußten alle Franzosen, ihrer persönlichen Sicherheit wegen, die Stadt verlassen, und wir haben von ihnen, in Rücksicht gelieferter Kunstprodukte, nichts weiter zu erwähnen.

Dem Englischen Bildhauer Flaxmann wird hier, unter den Malern, eine Stelle eingeräumt, weil dessen plastische Arbeiten weniger Beifall als viele gezeichnete Skizzen nach Homer, Äschylus und Dante gefunden, welche von vielen Künstlern und Liebhabern wert gehalten wurden. Dieses scheinbare Rätsel löst sich, wenn man weiß, daß Flaxmann zwar ein sehr schönes Talent und viel Geist, aber keine tiefgegründeten Kenntnisse der Kunst, und daher für ausgeführte Arbeiten weniger Tüchtigkeit besitzt als zu leichten Entwürfen. Unleugbar findet sich in den erwähnten Skizzen mancher glückliche Gedanke; der Verfasser hat in den Gegenständen aus den Griechischen Dichtern den Geschmack antiker Vasengemälde und Basreliefe nachzuahmen getrachtet, in den Darstellungen aus Dante hingegen, die dem Geist derselben so passende Einfalt der alten Florentinischen Bilder benutzt, demohngeachtet ist selbst das Gelungenste dieser Stücke immer bloß als ein leicht hingeworfner Gedanke zu betrachten, und nur in solcher Hinsicht schätzenswert. Sie für wirkliche Prüfung ertragende Kunstwerke erklären, heißt die wahre Kunst, die Vollendetes fordert, verkennen; diese Manier nachahmen, ist verderblich. Keine von allen schönen Künsten sollte leichtsinnig und bloß aufs Geratewohl ausgeübt werden. Sagt was ihr wollt, ihr Freunde des Skizzenhaften aller Art! auch das größte Talent wird, kann nur dann etwas löbliches hervorbringen, wenn es alle seine Kräfte in Bewegung setzt, sich ernstlich bemüht, mit Liebe und mit ausdaurendem Fleiß vollendet. Ein schnell gewagter Entwurf in den bildenden Künsten, eine improvisierte Poesie, können wohl einzelne glückliche Stellen enthalten, doch nie wird auf diesem Wege ein ganzes gutes Gedicht, oder ein Kenner befriedigendes Bild gelingen.

Diese Anmerkungen, durch Flaxmanns Skizzen veranlaßt, passen, noch mehr als auf ihn, auf einen malerischen Improvisatore, welcher eben damals Aufsehen erregte, sein Name war Sabatelli, Florenz das Vaterland. Aus dem Stegreif entwarf er schnell jeden Gegenstand, der ihm aufgegeben wurde. Sabatelli stand, damit wir zur Andeutung des Grades seiner Kunstfertigkeit nur wenig Worte brauchen, nicht weit unter La Fage, besaß, wie dieser, recht gründliche anatomische Kenntnisse und zeichnete seine Figuren mit der Feder beinahe in eben so gutem Styl und zugleich reinlicher. In der Eile hat er sogar manchmal gute Gedanken erhascht, und nicht selten bemerkt man Geist und Kraft im Ausdruck. Dieses leistete er im frühesten Jünglingsalter und äußerte in der Tat ein höchst merkwürdiges, viel versprechendes Talent; allein die Schwingen seines Geistes, von jener Gaukelkunst gelähmt, konnten ihn nicht höher erheben. Ja als er nachher in Venedig das Kolorit studieren sollte und große Bilder zu malen unternahm, ist er ins Riesenhaft-karikaturmäßige verfallen und sein ehemaliger Ruf größtenteils verschollen.

Ein ähnlich viel verheißendes Talent, wiewohl bei geringerm Maß von Kenntnissen, zeigte Heinrich Ramberg und erfuhr, auf gleichem Wege, gleiches Schicksal. Wir erwähnen seiner hier, weil er wenig früher, wiewohl nur auf kurze Zeit, in Rom gewesen war.

Der Piazentiner Landi befliß sich äußerst weich und sanft gerundet zu malen, mit lieblichen Farben und, besonders in den Fleischpartien, hell aufgetragenen Lichtern. Auf diese Weise, die durch ihren Schmelz und Rundung an Furini erinnert, nur nicht so starke Schatten und mehr Farbenspiel hat, verfertigte er verschiedene wohlgefällige Bilder, zwar in gutem Geschmack, aber nicht mit großem Talent für Erfindung, oder tief gegründetem Wissen in der Zeichnung.

In diesem Stück verhieß und leistete auch schon mehr ein noch junger Römischer Maler, Namens Vincenzo Camoccini, der sich 1796 mit seiner ersten großen Unternehmung, einem Karton, auf welchem er die Ermordung des Julius Cäsar dargestellt, rühmlich bekannt machte. Die lebensgroßen Figuren dieses Werks sind alle, mit vieler Kraft, richtig gezeichnet, es fehlt weder den Gewändern an Geschmack, noch den Figuren an Bewegung, noch den Köpfen an Abwechslung und Ausdruck.

Bei ohngefähr gleichem Verdienst fordern auch die Arbeiten eines andern jungen Malers Pietro BenvenutiLandi u. Camoccini leben in Rom, Benvenuti soll Direktor der Akademie zu Florenz geworden sein. von Arezzo, der noch später bekannt wurde, rühmliche Erwähnung. Er und Carmoccini zeigen sich überhaupt in den etwas heftigen Bewegungen ihrer Figuren, im Kräftigen der Formen und Farbengebung als Anhänger des neuern französischen Kunstgeschmacks.

Jakob Asmus Karstens, von der Ostsee her und, wenn wir nicht irren, von Lübeck, zog jetzt am meisten die Aufmerksamkeit der Kunstfreunde auf sich, fand unter den jungen studierenden Künstlern eine nicht unbeträchtliche Anzahl Verehrer und Jünger, hingegen gab es ebenfalls, besonders unter denjenigen, welche schon länger in Rom gelebt, nicht wenige Anfechter seines Verdienstes und seiner Meinungen.

Er besaß, bei großem Talent, großen Ernst und unermüdet rege Lust zum Studium. Wir glauben es geschehe keinem andern dadurch Unrecht, wenn wir sagen, Karstens war der denkendste, der strebendste von allen, welche zu seiner Zeit in Rom der Kunst oblagen. Offene, treuherzige Anspruchslosigkeit machte ihn liebenswürdig, das Äußere war ausnehmend schlicht, ja fast zu nachlässig.

Auch Er schätzte die Werke der ältern Florentiner und anderer Künstler, die vor dem Anfang des XVI. Jahrhunderts gelebt haben, freute sich an der naiven Einfalt der ungeschmückten Wahrheit ihrer Darstellungen, oder damit wir uns seines eigenen passenden Ausdrucks bedienen, an ihrer Ehrlichkeit. Indessen nahm er dieselben niemals zum Muster, es leuchtet vielmehr aus allen seinen Arbeiten eine entschiedene Neigung zum Idealen hervor; unverkennbar hat ihn anfänglich Michel Angelos Kraft und Großheit vor allem andern mächtig angezogen, deswegen behielt er auch immer eine sehr derbe, breite Manier in den Formen; was aber den Geschmack der Falten, die Wahl der Motive betrifft, so bemerkt man, daß, nach einem allmähligen Übergang, endlich Raphael ausschließlich sein Vorbild geworden ist. In den letzten Arbeiten webt durchgehends ein inniges zartes Fühlen, eine lebendige Seele, auf einige ließe sich das Kunstwort der Italiäner fatto con l'anima schicklich anwenden, und dieses ist auch ihre preiswürdigste Seite; ein selten gewordenes und daher desto köstlicheres Verdienst. Hingegen zur Richtigkeit im Umriß, zum gefälligen Kolorit und freier Beherrschung des Pinsels ist Karstens nicht gelangt. Seine Werke sind mit Verdiensten derjenigen Art ausgestattet, die ihre Quelle in der Brust des Künstlers, in den schönen Eigenschaften seines Geistes und Herzens haben; was man hingegen etwa das Schulgerechte in der Malerei nennen möchte, dem leisten sie nicht volles Genügen und erfuhren eben darum von so vielen Künstlern heftigen Tadel. Der Wiederschein vom Geschmack des Michel Angelo, den man, wie oben schon gedacht worden, in Karstens Werken antrifft, erregte gegen ihn die gewaltigsten Vorwürfe. Er ahme, hieß es, die Formen seines Vorbildes nur oberflächlich, ohne die erforderliche Wissenschaft nach, seine Gestalten seien daher, anstatt groß, schwerfällig geworden. Wir müssen indessen zur Berichtigung hinzufügen, daß unser Künstler sich besser als viele andere, welche, unter dem Panier des Michel Angelo, die Schwierigkeiten der Kunst überwinden wollten, vor auffallend verdrehten und widernatürlichen Stellungen in Acht genommen. Bei ihm waltet überall die Neigung zum Ungezwungenen und Naiven vor, so sehr, daß zuweilen selbst ein ungünstiger Kontrast mit der breiten derben Manier der Gestalten entstanden ist. In den Irrtum Gegenstände bearbeiten zu wollen, die seinem Talent nicht angemessen waren, verfiel unser Künstler zum öftern. Der Ernst seiner Natur, seines Strebens verlangte, wenn er sich auch bis zu jenem Hohen, Stillen in der Kunst nicht ausbilden konnte, wo Malerei und Plastik zusammen grenzen, wie z. B. in den Propheten und Sibyllen des Michel Angelo, doch zum wenigsten ernsthafte pathetische Gegenstände; aber er suchte mehr nach gefälligen, nach neuen oder doch selten bearbeiteten, und verstand zu wenig von der Kunst ihren Charakter und Darstellbarkeit gehörig zu prüfen. Daher hat er oftmals undarstellbares unternommen, auch sich oft an Gegenständen versucht, welche eine muntere Laune in der Behandlung erfordert hätten und ihm also von Seiten des Leichten und Scherzhaften nicht gelingen konnten. Liebhabern wird hierüber zu eignem Urteil Gelegenheit gegeben, indem fünfzig, mehr oder weniger ausgeführte Zeichnungen dieses Künstlers, auf der Herzoglich-Weimarischen Bibliothek verwahrt werden. Unter Karstens Anhängern zeichneten sich zwei Maler von Stuttgart, Wächter und Hartmann,Wächter lebt gegenwärtig in Wien, Hartmann zu Dresden. als die Besten aus. Der Erste malte angenehme, kleine Bilder mit biblischen Gegenständen sanfter Art, worin die Zeichnung zwar nicht untadelhaft ist, aber zuweilen von der lobenswerten Manier des Garofalo etwas durchblickt. Hartmanns gutes Talent offenbarte sich an einem großen Bilde, auf welchem er den Äneas dargestellt hatte, der mit dem Achates aus dem Hause tritt, um sich den Troja erobernden Griechen zu widersetzen. Der Geschmack an diesem Werk ist gut, das Kolorit kräftig, doch die Umrisse nicht fehlerfrei; in Betracht der Erfindung erhielt ein etwas später verfertigter Entwurf mit schwarzer Kreide, Orest vom Geist seiner Mutter und den Furien geschreckt, mehr Beifall; war auch in der Tat verdienstlich.

 

Landschaftmalerei

Schon von Anfang des letzten Viertels unsers verfloßnen Jahrhunderts hatte Philip HackertUm 1785. od. 86. wurde Hackert von Rom nach Neapel berufen, wo er als erster Maler des Königs in großem Ansehen lebte, bis er, durch die Unruhen des letzten Krieges vertrieben, seither Florenz zu seinem Aufenthalt gewählt. sich, als Landschaftmaler, einen immer größern und ausgebreitetern Ruf gegründet. In jeder Hauptstadt Europens trifft man Gemälde, und beinahe in allen bedeutenden Sammlungen begüterter Liebhaber Zeichnungen von seiner Hand an. Unermüdet fleißig hat er eine fast unglaubliche Anzahl Werke geliefert und damit die Liebhaberei für Landschaften weiter verbreitet; aber auch zugleich die Wirklichkeitsforderung gemehrt, denn er stellte die Natur genau, ohne Zusatz oder Weglassung dar, und da er meist die reizenden Gegenden von Rom, Tivoli, Fraskati, Albano vor Augen hatte, so befriedigen seine Bilder freilich oft auch in Absicht ihres Inhalts die allgemeinen Forderungen der Kunst. Als Aussichtenmaler verdient Hackert unsers Erachtens den ersten Rang; keiner hat mit gewissenhafter Treue soviel Kunst verbunden, man findet an seinen Bildern bloß einige etwas harte Stellen und zuweilen grelle Farbentöne zu tadeln, allein die Lüfte sind leicht und hell, der Baumschlag durchaus meisterhaft, charakteristisch abwechselnd, die Pflanzen des Vordergrundes gewöhnlich sehr schön ausgeführt, und die mehr zurückliegenden Gegenstände, besonders Berge, in nicht großer Entfernung unübertrefflich wahrhaft.

Hackert hat ohne Widerrede den bedeutendsten Einfluß auf die Richtung gehabt, welche die Landschaftmalerei seither genommen. Auf der einen Seite lenkten seine Arbeiten das Publikum von dem Idealen zum Realen ab und gewöhnten, oder vielmehr sie verwöhnten dasselbe zur Forderung einer fast spiegelmäßig treuen Darstellung, so daß es immer mehr den pünktlichsten Maler auch für den besten zu halten anfing. Auf der andern Seite predigte sein Beispiel jungen Künstlern in diesem Fach den Naturalismus; nach der Natur malend und zeichnend glaubten sie sich ohne anderes völlig mit der Kunst abzufinden; doch muß man hinwieder gestehen, daß eben darin die Ursache des seither allgemein besser beobachteten Kolorits, des Tons und der Luftperspektive liegen mag; nicht minder gewann auf diesem Weg die charakteristische Darstellung der Gegenstände überhaupt, aber es wurde mit mehr Wahrheit auch zugleich mehr prosaischer Geschmack in die Landschaftmalerei aufgenommen.

Hackerts bedeutendste Werke sind mit Ölfarben verfertigt, und in dieser Art hat er den ganzen Reichtum und Umfang seiner Kunst zur Schau gelegt. Wenige, aber ebenfalls sehr schätzbare Bilder malte er mit Wasserdeckfarbe (a Guazzo), auch gibt es von ihm einige nur skizzenhaft, aber vortrefflich behandelte Stücke in Aquarellfarben. Unzählig sind hingegen die ausführlichen Zeichnungen in Sepia mit Bister und Cochenille versetzt, welche er verfertigt hat. Sie gehören zum Teil unter seine besten Produkte, lassen in Hinsicht auf Methode in der Behandlung, Darstellung des Charakters der Gegenstände, Tag u. s. w. wenig zu wünschen übrig.

Auch das sinnreiche Spielwerk der Mondscheine oder sogenannten Transparents ist, wenn nicht unmittelbar eine Erfindung unsers Künstlers, doch durch ihn sehr verbessert und in die Zahl der Kunstartikel erhoben worden.

Nach Hackert, dessen Ruhm, als des ersten Künstlers in seinem Fach, wiewohl oft angefochten, sich gleichwohl immerfort erhielt, setzten sich im Verlauf der siebziger und achtziger Jahre nachfolgende Landschaftmaler durch ihre Geschicklichkeit in Ansehen. Moore, ein Engländer, Woutky, Kobel, Dieß, Genelli und Klengel, Deutsche, Thiers, La Rive, Boguet, Franzosen, Denis, so viel uns bekannt ist, aus Flandern gebürtig, und zwei Römer l'Abruzzi und Fidanza, dieser letzte ein Manieriste und Geschwindmaler, aber nicht ohne Talent zu besserm. L'Abruzzi tauchte nur auf, um wieder zu verschwinden, indem er ein einziges gelobtes und auch in der Tat lobenswertes Bild malte (um 1785), nachher aber eine flüchtige, gehaltlose Manier annahm und damit unter die bloß mittelmäßigen Künstler zurücktrat.

Ein denkender Künstler, mit schönem Geist und Talent begabt, war der Engländer Moore.Starb zu Rom im Anfange des 90sten Jahres. Er liebte, studierte und ahmte die Natur nach, aber wie Claude Lorrain, den er zwar nicht erreichte, sie geliebt, studiert und nachgeahmt hat. Ihm war es deutlich, daß ein Kunstwerk noch etwas mehr sein müßte, als bloßer Abschatten der Wirklichkeit, um deswillen haben seine meisten Werke das entschiedene Verdienst eines gedachten Inhalts, ja öfters liegt ihnen sogar eine wirklich poetische Idee zum Grunde. Bäume und Vorgründe gelangen Moore zwar weniger als Hackert, doch im Ganzen hat er ein milderes, duftigeres Kolorit und im Allgemeinen mehr Übereinstimmung.

Woutky,gegenwärtig in Wien. ein Östreicher bediente sich, nach Weise der Wiener Schule, einer etwas flüchtigen Behandlung, die nahe ans Manierierte grenzt, aber viele Wirkung tut. Er erdachte zwar selten, sondern nahm, so zu sagen, den Umriß seiner Gemälde aus der Wirklichkeit, das Zufällige aber, die Phänomene der Natur, pflegte er neben her, frei und geschickt, zum Behuf des Effekts zu benutzen. Sturm, Wolken mit durchbrechenden Sonnenstrahlen und dergleichen findet man daher oft von ihm dargestellt. Eruptionen des Vesuvs waren ebenfalls Gegenstände, die seiner Neigung entsprachen und ihm auch in Betracht der Wirkung recht gut gelungen sind.

Bei reicher Erfindungsgabe überfüllte Kobellebt in München. seine Werke gewöhnlich sehr, malte zwar ausführlich, aber etwas hart und eintönig. Manierierte Härte und Überladung wurde auch an seinen fleißig gearbeiteten Zeichnungen gerügt.

Dieß, Genelli und KlengelDieß lebt gegenwärtig in Wien, Genelli in Berlin, Klengel in Dresden. sind Künstler von guten Anlagen, die angenehme, leicht und heiter gehaltene Werke verfertigt haben. Dem Ersten werden wir unter der Gesellschaft der Aquarellmaler wieder begegnen; die Arbeiten des Andern sind oft mit vieler Anmut erfunden, des Dritten Geschicklichkeit erstreckt sich vornehmlich auf Wahrheit im Ton, im Kolorit und charakteristische Darstellung der Teile.

Der Franzose Thiers suchte in der Komposition seiner Bilder den Caspar Poussin nachzuahmen. Wir haben in diesem Geschmack einsame Waldgegenden, mit wohlgezeichneten Figuren staffiert, gesehen, deren Anlage überhaupt recht gut ist, das Kolorit aber fällt so wie die Behandlung ein wenig ins Manierierte. Den Vorwurf des Manierierten in Kolorit und Behandlung kann man auch gegen den Genfer La Rive geltend machen; hingegen haben seine Werke meist das Verdienst gefälliger Erfindung.

BoguetBoguet hat sich in Florenz niedergelassen. ahmte zwar im Einzelnen die Natur treuer als die beiden eben erwähnten nach, aber im allgemeinen Geschmack war ebenfalls C. Poussin sein Muster, nur konnte er das Einfache und Große desselben in der Anlage, so wie das Bedeutende in der Behandlung nicht erreichen.

DenisDenis ist noch in Rom. malte vorzüglich angenehm, zart, klar und dabei doch kräftig, fleißig ausgeführt mit schöner Übereinstimmung und gutem Effekt; hingegen fehlt es ihm am Bestimmten, Kräftigen, Bedeutsamen in der Zeichnung, und wiewohl er selten bloß Aussichten nachgebildet, sondern sich in der Anordnung seiner Gemälde geziemende Freiheit erlaubt, so ist dessen ungeachtet das Poetische in den Erfindungen wenigstens nicht die am meisten glänzende Eigenschaft seines Kunstverdienstes.

Alle die bisher angeführten Landschaftmaler haben vornehmlich in Ölfarben gearbeitet, dagegen wurden kolorierte Zeichnungen oder sogenannte Aquarell-Malereien in dieser Zeit eine eigene, vielgeübte Kunstgattung.

Der geschätzteste Künstler unter denen, welche dieselbe auf Landschaften anwandten, war Ducros,Ducros lebt gegenwärtig in Neapel. aus dem Pays de Vaud. Seine Arbeiten zeichnen sich durch Kraft und frische Farben, so wie durch die große Keckheit des Pinsels aus. Er hat wenig anderes als Aussichten geliefert, und viele dergleichen in der Camera obscura nachgezeichnet. Er errichtete, gemeinschaftlich mit dem Kupferstecher Volpato, eine Art von Manufaktur dieses Kunstartikels, in welcher nämlich von jungen Künstlern, die nach Ducros Originalzeichnungen in Kupfer gestochenen Umrisse Römischer Aussichten auch in Aquarellmanier leicht ausgemalt wurden und einige Jahre lang, ohngefähr 1780 bis 86, unter den Rom besuchenden Fremden viel Absatz fanden.

Nächst Ducros war P. Biermann aus BaselBiermann lebt in seiner Vaterstadt. vielleicht der geschickteste Aquarellmaler. Sein Kolorit ist beinahe eben so frisch, und in seinen besten Arbeiten dünkt uns die Natur treuer aufgefaßt; sie tun hingegen selten so viel Wirkung. Biermann hat ebenfalls nur Aussichten verfertigt und nie gewagt von der Wirklichkeit abzuweichen.

Mit eben so freiem Pinsel, aber weniger Kraft, arbeitete der vorhin, schon unter den Landschaftmalern mit Ölfarben, angeführte Dieß, welcher auch noch nebenher die Radiernadel geschickt zu führen wußte und vereinigt mit Reinhard und Mechau, deren in der Folge gedacht werden soll, eine sehr schätzbare Sammlung Römischer Aussichten herausgegeben hat.

KniepKniep hat Neapel zu seinem Aufenthalt gewählt. aus Hildesheim behandelte landschaftliche Gegenstände mit Aquarellfarben vorzüglich reinlich; heitere Lüfte und Fernungen darzustellen gelang ihm oft ausnehmend wohl. Desgleichen verdienen die niedlichen Figuren, womit seine Bilder staffiert sind, unser Lob, hingegen fehlt dem Baumschlag das Charakteristisch-Abwechselnde, der Beleuchtung wirksame Massen. Kniep sowohl als der vorerwähnte Dieß zeichneten sich alle beide durch treffliche, doch zur völligen Ausbildung nicht gediehene Talente für Erfindung, vor Ducros und Biermann vorteilhaft aus, wie auch vor dem hier noch anzuführenden Tito, einem Römer, welcher seit 1785 in Neapel arbeitete und sich vornehmlich durch gewissenhaft treue Andeutung alles Details in seinen Aussichten den Liebhabern empfahl; aber dabei dem gewöhnlichen Schicksal der Punktier in Kälte und Steifigkeit zu verfallen nicht entgangen ist.

Bald nachdem die Aquarellmalerei im Fach der Landschaften mit solcher Tätigkeit geübt wurde, wendete man dieselbe auch auf Darstellung historischer Gegenstände an. Eins der ersten Beispiele in dieser Art gab W. Tischbein mit einer großen kolorierten Zeichnung nach seinem oben erwähnten, Conradin von Schwaben darstellenden Gemälde, in welcher Zeichnung aber die Schatten meist noch mit schwarzer Kreide, teils angelegt, teils überarbeitet waren. Auf gleiche Weise weich, zart und gefällig arbeitete auch H. Kölla,Kölla starb in seinem Vaterlande 1789. ein Schweizer, der sich indessen wegen Kränklichkeit bloß auf Kopien beschränkte und einige wenige Bildnisse verfertigt, nie aber eigne Erfindungen auszuführen unternommen hat.

Der Kupferstecher Lips, von welchem nachher weiter die Rede sein wird, und Friedrich Bürri aus HanauBürri lebt in Berlin. gingen weiter, und bedienten sich der reinen Farben ohne weitere Einmischung der Kreide in den Schattenpartien. Ersterer arbeitete, mit etwas trübem Kolorit, fleißig ausgeführt, und bewies in Kopien nach alten Meistern viel Treue, in eignen Erfindungen guten Geschmack. Der andere hatte anfänglich eine nachlässige rohe Manier; erwarb aber durch Übung nicht nur größere Reinlichkeit, sondern auch eine für Aquarellfarben außerordentliche Kraft des Kolorits und wurde, was die Behandlung betrifft, in diesem Fach unstreitig der beste Künstler. Das Schöne, Zarte und Geistreiche in Köpfen gelang ihm zwar nie vorzüglich, desto besser hingegen derbe Formen der Glieder, die fest und mit Einsicht gezeichnet sind. Gedanke, Geschmack und Wahrheit der Darstellung in Bürris eignen Erfindungen haben nur mäßiges Verdienst, allein die Wirkung von Licht und Schatten ist zuweilen gut und kräftig.

Mako,Mako soll sich in Wien aufhalten. aus dem Bayreuthischen, beschäftigte sich ebenfalls meistens mit Aquarellmalen, wiewohl er nebenher auch in Öl und Mignatur gearbeitet, desgleichen einige Blätter radiert hat. Seine Kopien sind fleißig ausgeführt, mit zarten, doch etwas graulichen Farbetönen; die eignen Erfindungen zeichnen sich weder durch Verdienste noch Fehler sehr aus.

Wir schließen die Anzeige der Künstler, welche in Aquarellfarben arbeiteten, mit den beiden Hummel, der eine aus Cassel, der andere in Neapel geboren, aber aus der Schweiz herstammend.Hummel aus Cassel befindet sich in Berlin, der andere in Cassel. Jener kömmt Bürri im Kräftigen am nächsten und keiner setzt die Farben so frisch gesättigt auf wie er. Der Andere, in W. Tischbeins Schule erzogen verfertigte in Neapel und Rom fleißig ausgeführte Kopien nach alten und neuern Kunstwerken, und hat seither ein schönes Talent in Zeichnungen von eigner Erfahrung entwickelt.

Vielleicht dürfte hier der schicklichste Ort sein, einige Bemerkungen über die Eigenschaften, Vorteile und Unvollkommenheiten der Aquarellmalerei beizubringen. Zwei Ursachen mögen vornehmlich viel, ja das Meiste beigetragen haben, um die kolorierten Zeichnungen oder Aquarellgemälde, besonders von landschaftlichen Gegenständen, beim Publikum in Gunst zu setzen. Sie befriedigten erstlich die überhandnehmende Liebhaberei für wirkliche Aussichten, welche auf solche Art leicht an Ort und Stelle selbst gemalt und mit der möglichsten topographischen Genauigkeit ausgestattet werden konnten. Zweitens geht die Arbeit schneller von statten und erlaubt daher geringere Preise, welches ebenfalls bei einem großen Teil der Liebhaber keine kleine Empfehlung sein mochte. Doch auch die Künstler selbst wurden zum Aquarellmalen durch die Bequemlichkeit verlockt, unmittelbar nach der Natur arbeiten zu können. Der ganze hierzu erforderliche Apparat läßt sich klein und kompendiös einrichten, auch kann man nach Willkür anfangen und aufhören. Allein diese scheinbaren Vorteile werden von wesentlichen Unvollkommenheiten nicht nur auf, sondern überwogen. Denn die Farben der Aquarellgemälde schwinden, dem bloßen Tageslicht ausgesetzt, nach einigen Jahren beträchtlich, und weil die Landschaftmaler unserer Zeit auf Ton und Kolorit hinzuarbeiten pflegen, so geht solchermaßen das beste Verdienst von dergleichen Werken bald verloren. Hiernächst wird zur charakteristischen Darstellung landschaftlicher Gegenstände ein freies Spiel des Pinsels notwendig erfordert; diese Freiheit ist aber in der Aquarellmalerei gewaltig dadurch eingeschränkt, daß alles hellere gegen die dunklern Stellen ausgespart werden muß, und sonach begreift sich's, warum z. B. die Licht-Partien der Bäume, Wolken, Schaum, Duft und dergleichen immer unvollkommen auszufallen pflegen; auch begegnet es in der Regel allen Künstlern, die sich mit Aquarellmalerei beschäftigen, daß wenn sie fortschreitend mehr Fertigkeit erlangen und jeden Gegenstand nun möglichst genau darstellen möchten, sie sich genötigt sehen, einiges mit Deckfarben aufzusetzen; allein diese sind verhältnismäßig zu wirksam und für die Haltung des Ganzen nachteilig. Betrachten wir nun die Aquarellmalerei in Hinsicht der Behandlung historischer Gegenstände, so zeigt sich, daß ihr eingeschränkte Gegenstände dieser Art am besten gelingen. Ihre Eigenschaften überhaupt, Einfachheit der Werkzeuge und bequeme Handhabung derselben mit in Anschlag gebracht, schicken sich vorzüglich wohl für Kopien einzelner Figuren und Gruppen aus Freskogemälden, deren Farbeton auf diese Weise gut nachgeahmt werden kann; einige Kleinigkeiten, welche etwa nicht anders als durch aufgesetzte Striche mit Deckfarben gehörig anzudeuten sind, haben bei dergleichen beschränkten Bildern keinen so nachteiligen Einfluß auf Haltung und Harmonie des Ganzen, wie solches bei Landschaften der Fall ist.

Größere Schwierigkeiten als Freskomalereien setzen die Gemälde mit Ölfarben, wegen der Kraft und Transparenz ihrer Schattenpartien, dem nachahmenden Aquarellmaler entgegen, ja er kann den eben gedachten Vorzug der Ölmalereien auf sein Werk nur unvollkommen übertragen. Unerheblich scheint uns hingegen der Vorwurf, daß, weil die Aquarellmalerei im Fach der Figuren bloß mit schattierenden Punkten arbeitet, ihre Kopien von den meisterhaften Pinselzügen der Originale zu wenig Rechenschaft geben. Ein Kopist steht aber als Künstler selten so hoch, daß er vortreffliche Meisterwerke, wie etwa des Raphael, Michel Angelo, der Carracci, des Dominichino und dergleichen, bei denen es hauptsächlich auf Beibehaltung der Formen, des Ausdrucks etc. ankömmt, völlig unbefangen nachbilden könnte, und also sieht er sich schon deswegen genötigt, die freie Behandlung aufzugeben, wenn er nach Vermögen das Vorbild treu darstellen will. Kopien in Ölfarben aber erhalten durch ängstliche Behandlung allemal etwas Frostiges, Unangenehmes, welches an dem Genuß ihrer übrigen guten Eigenschaften hindert, sie dunkeln überdem leicht nach, aus Ursachen, die hier zu entwickeln nicht der Ort ist, und werden auch dadurch ungenießbarer. Aquarellmalereien hingegen verlieren, wie oben gedacht, von ihrer Kraft und Farben etwas, welches unter den gegebenen Umständen vorzuziehen ist. Freie Pinselzüge nach Art der Öl- und Freskogemälde können sie ihrer Natur nach zwar nicht geben, und sprechen freilich als Kopien den Charakter der Originale von dieser Seite nicht aus, doch ist hingegen der pünktelnde Fleiß bei ihnen auch ohne widrigen Eindruck.

Aus diesen Betrachtungen ergeben sich nun, bei vorausgesetzt unbedingten Kunstzwecken, folgende Resultate.

Für landschaftliche Skizzen und leichte Studien nach der Natur, welche ohnehin meist im Portefeuille bewahrt werden und wobei der Künstler mehr den Farbenton als den Ausdruck des eigentümlichen Charakters der Gegenstände bezweckt, ist die Behandlung mit Aquarellfarben bequem, zuträglich und empfehlenswert, für ausgeführte Bilder aber scheint sie durchaus unzureichend.

Im historischen Fach wird man sich derselben mit gutem Erfolg zu Kopien von Gemälden bedienen, deren wesentliches Verdienst in Formen und Ausdruck besteht, und von Seiten des Kolorits wenig anders als bloße Andeutung der entschiedensten Farben erforderlich ist. Wo hingegen kräftiges, zart nüanziertes Kolorit, meisterhafter Pinsel und schöne Wirkung durch klare Schatten und Halbschatten vornehmlich nachgeahmt werden sollen, dazu wähle man die Aquarellmalerei niemals.

Ihrer dargetanen Beschränkung und Mangelhaftigkeit wegen möchte sie zur Ausführung von Originalwerken, an denen der Künstler alle seine Kräfte versuchen will und alle technische Vorteile zu benutzen nötig hat, ebenfalls nicht anzuraten sein.

Ehe wir weiter gehen, sind noch die Zeichnungen mit Einer Farbe, als ein der Aquarellmalerei verwandtes Fach, in Erinnerung zu bringen; wir wollen diejenigen Künstler zuerst nennen, welche sich mit Figuren beschäftigt, und hernach auch der Zeichner von Landschaften gedenken. Seidelmann aus Dresden hatte noch unter Mengs die allen Kunstfreunden wohlbekannte schöne Art mit Sepia nach Antiken äußerst ausführlich und mit großer Kraft zu tuschen erlernt, deren er sich in der Folge auch, zu Nachbildung von Gemälden, mit Ruhm und Gewinn bedient hat. Seine Arbeiten lassen in Absicht auf Kraft, Schmelz und Zartheit wenig zu wünschen übrig. Nach ihm haben Rubbi, ein Engländer, vorerwähnter Schweizer Kölla, Früh, ein Deutscher, und Andere, teils nach Abgüssen von Antiken, teils nach Malereien auf gleiche Weise gearbeitet; zwar ebenfalls reinlich, nicht selten auch mit noch besserer Zeichnung, doch ist in der schönen Behandlung keiner von ihnen Seidelmann gleichgekommen.

Hier muß auch der obengelobte Nahl wieder erwähnt werden, der indessen nicht, wie die genannten Zeichner, nur Kopien nach antiken und modernen Kunstwerken geliefert, sondern meist eigne Erfindungen in Sepia sehr zart und gefällig ausgeführt hat.

Mit Zeichnungen in schwarzer Kreide tat sich Becker aus Carlsruhe hervor. Mehrere Italiäner und Franzosen verfertigten gleichfalls viel fleißig ausgeführte Werke dieser Art, zum Gebrauch für Kupferstecher. Unter jenen steht der Maler Tofanelli oben an, welcher für Volpato und Morghen arbeitete. Er und seine Landsleute sind gewöhnlich den Originalbildern treuer geblieben als die Franzosen, welche hingegen ihre Zeichnungen kräftiger zu behandeln pflegen. Vicar, ein Schüler von David, wurde in dieser Art als der geschickteste Künstler seiner Nation angesehen.

Unter den Zeichnern von Landschaften mit Einer Farbe standen zunächst an Hackert die vorhin schon erwähnten Biermann und Kniep, neben ihnen Gmelin, welchen die Leser bald auch unter den Kupferstechern finden werden. Als Hausfreund Hackerts hatte er die Behandlung von diesem Meister gelernt und bewies in treu nach der Natur gezeichneten Prospekten gute Kenntnisse von der Wirkung, Haltung etc. Eben so reinlich, wiewohl geringhaltiger an Geist und Charakter waren die Arbeiten TrollsTroll lebt, nach vielen Reisen in Frankreich, Holland, und wiederholtem Aufenthalt in Rom, gegenwärtig in seiner Vaterstadt. von Winterthur, der zwar auch in Kupfer stach, aber sich mehr mit Zeichnen nach der Natur als mit der Nadel und dem Grabestichel beschäftigte.

Ein anderer Künstler aus Winterthur, Namens Steiner,Steiner ebenfalls. arbeitete mit größerer Freiheit, Geist und Kraft; dieser war eigentlich ein Maler, welcher aber vorzüglich zu zeichnen liebte.

Um den Artikel von der Landschaftmalerei zu schließen, haben wir nun noch einige Künstler in diesem Fach nachzuholen, die ohngefähr seit 1790 nach Rom gekommen und sich daselbst ausgezeichnet haben.

ReinhardReinhard blieb seither immer in Rom. aus dem Voigtlande gebürtig, mit Naturgaben reich ausgestattet, bildete sich durch fleißiges Naturstudium zu einem trefflichen Landschaftmaler. Wenn unparteiische Kunstrichter auch dem Urteil einiger zu günstig gesinnten Freunde, welche ihn Hackert vorziehen wollen, im Ganzen nicht beitreten können, so ist doch wenigstens nicht zu leugnen, daß Reinhards Arbeiten ungemein schätzbar sind. Sein Hauptverdienst besteht im Charakteristischen; Bäume, Blätter und Stämme, Steine, Felsen etc. sind mannigfaltig verschieden, mit männlich freiem Pinsel behandelt und führen durchaus das Gepräge der Wahrheit; oft staffiert er mit wohl gezeichnetem Vieh, und ist auch selbst in menschlichen Figuren geschickter, als Landschaftmaler gewöhnlich zu sein pflegen. Eingeschränkte Gegenstände scheinen seinem Talent am besten zu entsprechen, daher sind einzelne, wie Studien nach der Natur gezeichnete oder gemalte Partien höchst löblich; weitläufigem Werken fehlt es hingegen öfter an sanfter Abstufung der Töne, auch wissen wir von Reinhards Bildern keines anzuführen, welches von Seiten der Erfindung sehr vorzügliche Eigenschaften hätte.

MechauMechau ging während des Kriegs und der Unruhen, welche Rom bewegten, nach Hause und arbeitet jetzt in Dresden. aus Leipzig, der nun schon zum zweiten mal in Rom war, hat das Kräftige, Dreiste in der Behandlung, das Charakteristische im Ausdruck der Gegenstände weniger in seiner Gewalt als Reinhard; aber sein Pinsel ist zarter, das Kolorit lieblicher, heiterer, abwechselnder nüanziert. In eignen Erfindungen verrät er zwar selten einen großen, desto öfter aber einen gefälligen Geschmack.

Diese beiden Künstler haben, in Gesellschaft mit Dieß, eine vorhin schon beiläufig erwähnte, beträchtliche Sammlung radierter Ansichten Römischer Gegenden und Altertümer im Frauenholzischen Verlag zu Nürnberg herausgegeben, aus welcher sich Liebhaber von dem Gesagten zum Teil anschaulich überzeugen können.

Noch waren Kügelchen,Kügelchen ist nach Petersburg gegangen. aus der Rheingegend, Vogd, ein Niederländer, und Theodor Mattweff, ein Russe, geschickte Landschaftmaler; Koch,Vogd, Mattweff und Koch blieben in Rom. aus dem Tyrol, zeigte ein wildes und ungeregeltes Talent; schönere Früchte ließ RohdenRhoden entwich den Unruhen, und ging nach Cassel, ist aber seither wieder nach Italien zurückgekehrt. aus Cassel hoffen, ein noch junger Künstler, der bereits schon anmutige Erfindungen mit löblichem Fleiß und echtem Kunstsinne ausgeführt hat.

 

Untergeordnete Gattungen der Malerei

Der nachher in Wien als Geschichtsmaler berühmt gewordene UnterbergerUnterberger, den man von seinem oben erwähnten in Rom lebenden Bruder unterscheiden muß, ist vor einigen Jahren in Wien gestorben. soll früher (um 1780) in Rom Bambocciaten mit mattem graulichen Kolorit gemalt haben; wirklich zeigt man unter seinem Namen ein Paar dergleichen in der Villa Borghese, worin übrigens eine fröhliche Laune und ein geistreicher Ausdruck herrschen.

Sablet,Sablet starb in Madrit. aus dem Pays de Vaud, machte kleine Portraitfiguren mit teils landschaftlichen, teils andern Gründen und Nebenwerken, welche vornehmlich durch pikante Wirkung das Auge reizen; diese sowohl als verschiedene andere weitläufigere Kompositionen mit Figuren im Kostüm des gemeinen Römischen Volks, haben alle das Verdienst eines zarten gewandten Pinsels und gefälliger Farbengebung, kräftig und blühend zugleich; meistens sind es sogenannte Cabinetstücke, nur selten hat er größere Werke unternommen.

Peters,Peters ist in Rom ansässig geworden. ein Böhme, trefflicher Tiermaler, vereint in seinen Darstellungen mit reinem Natursinn noch die lockenden Eigenschaften einer schönen markigen Behandlung und glänzender Farbe. Wiewohl die Tiere als das Hauptfach unsers Künstlers zu betrachten sind, so hat er doch nebenher auch nicht ohne Lob historische Darstellungen und Bildnisse verfertigt.

Giani, ein Römer, stand im Ruf des vorzüglichsten Malers für Zimmer-Dekorationen. Seine Ornamente sind sehr mannigfaltig, mit Geschmack angegeben, leicht und gefällig behandelt.

Im letzten Viertel des 18ten Jahrhunderts wurde zu Rom viel in Hautelisse und Mosaik gearbeitet. Pius VI. zeigte sich vornehmlich als ein Liebhaber und Beschützer der letztern, und die Fabrik zu St. Peter verfertigte nicht nur große Altarblätter für Kirchen, sondern auch Bildnisse, ja sogar Landschaften, die gewöhnlich an vornehme Personen verschenkt wurden. Die Ausbesserung einiger neu aufgefundenen antiken Fußboden wurde mit vieler Geschicklichkeit vollbracht. Es gab auch, außer jener großen Fabrik bei St. Peter, noch verschiedene Privatwerkstätte für Mosaik, wo allerlei minder bedeutende Sachen, wie Ring- und Dosengemälde, Verzierungen auf Kamine, Tischblätter und dergleichen verfertigt wurden; endlich sah man in den letzten Jahren in einer solchen Werkstatt selbst den großen musivischen Fußboden im Clem. Museum, der zu Otricoli gefunden worden, nach verkleinertem Maßstab kopieren, so daß er für einen mäßig großen Saal passen konnte, eine Erscheinung, welche wenigstens das Eintreten mehrerer Zweckmäßigkeit in der Anwendung solcher Arbeiten zu verkünden schien.

 

Kupferstecherkunst

Vorbereitet durch Winkelmanns und Mengsens Schriften erhielt das Publikum, im Anfange des Zeitraums, welchen unsere Geschichte gegenwärtig zu beleuchten unternommen hat, Volpatos Kupferstiche nach Raphaels Gemälden im Vatikan, bald hernach die ersten Bände vom Clementinischen Museum und mit denselben eine bestimmtere, wenn auch nicht überall zureichende Anschauung dessen, worauf es durch jene Lehrer des guten Geschmacks hingewiesen worden. Der saubere Stich, die gute Wirkung, Fülle und Pracht der Kompositionen verschaffte besonders den Kupferstichen nach Raphaels Gemälden überall Eingang; man kann wohl sagen, Volpato habe durch dieselben kräftig mitgewirkt zur Ausbreitung des bessern Geschmacks durch alle Reiche der gesitteten Welt.

Die Verzierungen in den Vatikanischen Logen, ebenfalls von Volpato, und die Gemälde und Ornamente, welche noch in den Bädern des Titus übrig sind, von Mirri herausgegeben, haben ihrerseits die große, in den meisten Stücken zu billigende Umänderung des Geschmacks aller Verzierungen im innern unserer Wohnungen vollenden helfen.

Volpatos Schwiegersohn, Raphael Morghen, stach einige Stücke zu der Folge von Blättern nach Raphaels Gemälden im Vatikan, diesen folgte dann eine vortreffliche Platte von der Aurora des Guido Rheni, ein Paar andere nach Dominichino und Mengs, und zwei nach Poussin; später wurde Morghen nach Florenz berufen, wo er seine rühmlichen Beschäftigungen unermüdet fortsetzt. Die Madonna del Sacco, nach Andrea del Sarto, ist eine würdige Abbildung dieses vortrefflichen Kunstwerks, und eine größere Platte vom Abendmahl des L. da Vinci gilt mit Recht für ein Meisterstück chalkographischer Kunst. Alle diese Arbeiten sichern ihm einen der vornehmsten Plätze unter den besten jetzt lebenden Kupferstechern im Fach historischer Darstellungen.

In dieser letzten Zeit legten sich die Italiäner überhaupt mehr auf die Kupferstecherkunst, als vorher geschehen war, und Volpato so wie Morghen haben unter ihren Nationalen gute Schüler gezogen; doch konnte keiner derselben bis zur Geschicklichkeit und bis zum Ruhm der Meister gelangen.

Der schon oben angeführte H. LipsLips lebt in Zürich. stach während seiner zweimaligen Anwesenheit in Rom 1783 und 84, 86 und 87, ein Bachanal mit vielen Figuren, nach N. Poussin und eine kleinere Platte, Marius, nach dem Gemälde von Drouai; diese letztere ist besonders sehr reinlich und kräftig behandelt.

Des Calmücken Feodor,Feodor, begleitete eine Gesellschaft Engländer auf der Reise durch Griechenland und Kleinasien und ist im vorigen Jahr wieder glücklich zurückgekehrt. der vorzügliche Talente zur Kunst besitzt, aber sich weder zur Malerei, noch zum Zeichnen ausschließlich gehalten, können wir vielleicht am füglichsten hier unter den Kupferstechern erwähnen, denn er hat verschiedenes nach Antiken geistreich radiert; sein vornehmstes Werk aber besteht in 12 großen Blättern nach den halberhobenen Arbeiten der berühmten Türen des L. Ghiberti am Battisterium zu Florenz.

Als Kupferstecher, im Fach der Landschaft, machte sich Georg Hackert mit vielen nach seines Bruders Gemälden gestochnen Blättern bekannt; dieselben sind von den Kunstrichtern überhaupt einiger Härte und Trockenheit beschuldigt worden.

Bei Hackert arbeitete in Neapel einige Jahre Friedrich Gmelin,Während der Unruhen des Kriegs in Italien ging auch Gmelin nach Deutschland, kehrte aber bald wieder nach Rom zurück, wo er scheint seinen beständigen Aufenthalt nehmen zu wollen. dessen wir oben schon als Zeichner gedachten; derselbe hat seither in Rom mit immer steigender Geschicklichkeit verschiedene große Blätter gestochen, teils nach eigenen Zeichnungen würklicher Aussichten, teils nach vorzüglichen Gemälden des Claude Lorrain.

 

Plastik

Nach Cavaceppi war unter den Bildhauern jede Spur vom Geschmack des Bernini und Rusconi verschwunden. Trippel,Trippel starb zu Rom 1793. ein Schweizer, und Sergel,Sergel lebt in Stockholm. ein Schwede, waren, gegen 1780, zu Rom im Ruf als die geschicktesten Künstler dieses Fachs, und beide hatten sich ganz nach antiken Mustern gebildet. Trippeln, dessen sittlicher Charakter ernst, derb und kurz geschlossen war, gelangen, da er viel anatomische Kenntnisse besaß, Figuren von kräftig ausgesprochenem Charakter und Handlung am besten; dessen ungeachtet hat er, der immer allgemeiner werdenden Forderung des Naiven und Gefälligen nachgebend, meist zarte jugendliche Gestalten gebildet. Gewöhnlich sind seine Formen völlig und edel, zuweilen vorzüglich schön, im Anfange war er häufigen Falten günstig, und ging dann erst später zu breitern, weicher gebrochenen über. In der Erfindung zeigte er sich dem Allegorischen mehr als dem Symbolischen geneigt; auch trifft ihn der Vorwurf, einigemal dem Kontrast in der Anordnung das Ungezwungene in den Stellungen der Figuren aufgeopfert zu haben.

Unter Trippels vorzüglichste Arbeiten werden gezählt eine kleine Gruppe, Diana vom Amor geneckt; ein sitzender Apollo, die Flöte in der Hand; Daphnis und Mykon, Basrelief an einem dem Dichter Geßner bei Zürich errichteten Denkmal. Die Brustbilder von Goethe und Herder,Auf der Herzogl. Weimarischen Bibliothek befindlich. desgleichen eins des Östreichischen Generals Werneck etc.

Von Sergel ist uns ein auf seinem Schlauche liegender Faun, etwa halb lebensgroß, zu Gesichte gekommen, in welchem der Künstler sich als glücklicher Nachahmer des Styls der Antiken gezeigt hat.

Arbeiten von Zauner aus Wien kennen wir aus eigner Anschauung zwar nicht, derselbe soll aber ebenfalls die Antiken fleißig studiert, nachgeahmt und auf diesem Wege verdientermaßen den Ruhm erlangt haben, den er gegenwärtig genießt.

Zu gleicher Zeit fing Canova an als Künstler von vorzüglichen Verdiensten allmählig bekannt zu werden. In einer kleinen Gruppe, welche den Theseus mit dem erschlagenen Minotaur darstellt, hatte er den Geschmack der Antike mit glücklichem Erfolg nachgeahmt und erlangte kurz darauf noch größern Beifall durch eine andere Gruppe von Amor und Psyche, welche zwar fast malerisch lüftig und durchbrochen, aber gefällig komponiert ist, mit eleganten Formen bewundernswerten Fleiß und Glätte in Behandlung des Marmors verbindet; damit bahnte er sich den Weg zu den großen Arbeiten der beiden Grabmäler des Papsts Ganganelli in der Kirche St. Apostoli und des Papsts Rezonico in St. Peter.

Canova kann recht füglich mit Mengs zusammen gestellt werden; sein gleichgeartetes Talent hatte im Plastischen ohngefähr die Stufe erstiegen, auf welcher wir Mengs als Maler gesehen haben. Beide strebten nach der Schönheit in den Formen, durch Nachahmung der Antiken, und beide haben auch ihren Vorsatz in einzelnen Teilen und Gliedern gar oft erreicht, hingegen niemals zur Einheit des Ganzen gelangen mögen. Beide führten ihre Werke mit großer Sorgfalt aus, ordneten auch wohl einzelne Gruppen gut an, glänzen aber selten durch die Erfindung. Um diese Parallele noch anschaulicher darzutun, setzen wir hier eine an dem Platz abgefaßte Beurteilung des vorerwähnten Grabmals zu St. Peter bei, welches unter Canovas Arbeiten eine vorzügliche Stelle behauptet.

Über der Graburne kniet der Papst (Clem. XIII.) in andächtiger Stellung, zur Linken steht die Religion, das Kreuz und ein Strahlendiadem bezeichnet sie; zur Rechten sitzt ein Genius, traurend mit umgekehrter Fackel, unten liegen ein Paar Löwen. Einzelne Teile und Glieder der Figuren haben schöne Formen und sind wahrscheinlich Antiken nachgebildet, aber die Stellungen könnten besser gewählt sein; es fehlt der Zusammenhang der Teile unter sich, die Übereinstimmung des Ganzen; besonders gilt dieses vom Genius, dessen Stellung durchaus mißraten ist. Er soll nach der Absicht des Künstlers nachlässig, traurig, ermüdet dasitzen, gleichwohl scheinen seine Glieder alle in Bewegung, im übrigen ist der Kopf geistreich, der Leib vorzüglich schön. Die Figur der Religion hat ein gut angelegtes Gewand, welches besonders unter der Brust in simpeln Falten niederfällt; auch der Kopf dieser Figur ist schön, die um die Haare gelegte Binde läßt gut; aber der Schleier hätte mit besserm Geschmack gelegt werden können. Am Papst bemerkt man eine etwas grämliche Physiognomie und hangende Gesichtsmuskeln; sein gestickter Mantel hat gute Falten, dagegen ist das Untergewand zu bauschig. Auch war es ein kleinlicher, nicht lobenswerter Gedanke des Künstlers, die Figur des Papsts mit ihrem Sockel schief zu wenden, damit sie das Kreuz, welches die Religion hält, anzubeten scheine. An den beiden Löwen, welche vermutlich auf das Wappen des Papsts anspielen, ist der Charakter des Fells gut ausgedrückt. Die Anordnung des Ganzen verdient wenig Lob; sie ist zerstreut, ohne innern oder äußern Zusammenhang; die architektonischen Verhältnisse sind nicht gefällig, die Verzierungen klein und schwer.

DöllDöll ist gegenwärtig Hofbildhauer in Gotha. in Hildburghausen geboren, studierte einige Jahre zu Rom, wo er unter Mengs Aufsicht ein treffliches Brustbild von Winkelmann verfertigte, welches in der Rotonde demselben zum Denkmal aufgestellt wurde. Zwei größere Werke, die unser Künstler damals in Marmor gearbeitet, sind nach Rußland gekommen.

Mit guten Kopien nach Antiken und einigen wohlgleichenden Bildnissen erlangte etwas später BuschBusch war in seinem Vaterland, soll aber wieder nach Rom zurückgekehrt sein. aus dem Meckelnburgischen, Beifall.

Scheffauer und DanneckerScheffauer und Dannecker leben beide in Stuttgart. von Stuttgart, verfertigten um 1786 oder 1787, jener eine Flora, dieser einen Bacchus in Marmor, ohngefähr 4 Fuß hoch; zwei gefällige Figuren, glatt und fleißig ausgeführt.

Ohngefähr gleiche Größe und Kunstverdienst hatte die Figur eines verwundeten Achilles, welche fast um gleiche Zeit von RuhlRuhl in Cassel. aus Cassel, ebenfalls in Marmor vollendet wurde.

SchadowSchadow in Berlin.] aus Berlin, benutzte Trippels Lehren und stellte sich bei dem Concurs der Akademie von St. Luca unter die Preisbewerber, wo ihm auch für eine kleine Gruppe in gebrannter Erde der zweite Preis zu Teil wurde.

Während dieser Zeit hat sich kein französischer Bildhauer durch vorzügliche Verdienste ausgezeichnet.

Von Engländern wurden Flaxman und Hudson geschätzt. Flaxmans Hauptverdienst bestand, wie wir schon angemerkt, nicht in der Ausführung großer plastischer Werke. Ein Athamas, den er verfertigte, fand keinen Beifall. Von Hudson ist uns, außer verschiedenen wohlgeratenen Kopien und Restaurationen antiker Statuen, ein Hautrelief bekannt, die Landung des Julius Cäsar in Britannien darstellend, mit viel Bewegung und Getümmel und nicht übel gezeichneten Figuren.

Römer, oder in Rom ansässige Italiäner, brachten, Canovas Produkte abgerechnet, wenig merkwürdiges hervor. Penna war der bekannteste und hat eine große Statue Pius des VI. für die Sakristei zu St. Peter, wie auch zwei ohngefähr lebensgroße Figuren, Paris und Helena, in den obern Zimmern der Villa Borghese verfertigt. Jenes große Werk wurde vom Publikum nicht günstig aufgenommen und gewährt wirklich keine Befriedigung: Paris und Helena sind zwar schlanke Gestalten, sie zeichnen sich indessen weder durch bedeutende Handlung, oder Charakter, noch durch Schönheit der Formen so aus, daß sie dem Meister großes Lob verschaffen könnten.

Ceracchi bewies vornehmlich in Bildnissen eine mehr als mittelmäßige Geschicklichkeit. Das Brustbild des Churfürsten von Pfalz-Bayern, Carl Theodor, in Marmor, ist geistreich und fleißig ausgeführt. Dieser Bildhauer arbeitete auch mehrere Jahre an einem sehr großen nach Holland bestimmten Monument, welches in der Anlage wenig Gutes zu versprechen schien und, so viel wir wissen, auch unbeendigt blieb.

Franzoni war in Tiergestalten der geübteste plastische Künstler, ergänzte daher die meisten Antiken dieser Art im Clementinischen Museum. Als Arbeit von eigener Erfindung dieses Künstlers sahe man im Jahr 1796 einen eben fertig gewordenen sehr reich verzierten Kamin für den damaligen Nepoten des Papsts Duca Braschi bestimmt. Der Geschmack im Ganzen war zwar nicht gut, aber die Ausführung über die Maßen fleißig und geglättet; man hätte sagen mögen, es sei ein Netscher in Marmor, und Bernini selbst hat z. B. Seidenzeug wohl nirgend so wahrhaft dargestellt, als es hier an Fahnen zu sehen war; ebenfalls war auch das Glatte, Zarte, Fleischige, Weiche an Kindern sehr natürlich ausgedrückt, ihre Form hingegen verdiente wenig Lob. Dieser Künstler hat übrigens nicht nur antike Tierfiguren, sondern auch menschliche geschickt restauriert; indessen wurde ihm, was die letztern betrifft, der obenerwähnte Penna vorgezogen, nach unserm Bedünken aber war Carl Albacini, ein Bildhauer, der nie Werke von eigener Erfindung ausgeführt, derjenige, welcher mit Restaurationen, wenigstens an menschlichen Gestalten, am besten umzugehen wußte. Er vereinte mit Überlegung und Geschmack eine durch lange Übung erworbene Altertums-Kenntnis, oder vielmehr Altertums-Erfahrung; seine vortreffliche Sammlung von Gypsabgüssen setzte ihn in den Stand, an den zu restaurierenden Werken beinahe jedesmal das fehlende Alte durch Kopien nach ohngefähr ähnlichen Antiken zu ersetzen, und auf diesem Weg gelangen ihm manche Restaurationen wirklich sehr gut. Wir hegen übrigens die Meinung, daß gute sowohl als schlechte Restaurationen in den meisten Fällen überflüssig, ja, man mag sie nun mit Hinsicht auf das Studium der Kunst oder der Altertumskunde betrachten, verwirrend und schädlich sind.

 

Stein- und Stempelschneider

Marchant, ein Engländer, Hecker, ein Deutscher, Cades und Amastini, Römer, wurden nach Pichler als die besten Steinschneider angesehen.Marchant ist nach England zurückgegangen, Hecker in Rom gestorben, Cades und Amastini leben vermutlich noch daselbst.

Die Arbeiten des Erstern sind fleißig ausgeführt, meist antiken Kunstwerken nachgeahmt. Man hat ihnen nicht ohne Grund einige Härte und Steifigkeit vorgeworfen.

Hecker war Trippels Freund und arbeitete, von desselben Rat geleitet, überhaupt etwas weicher und runder als der Engländer, welcher hingegen seiner Seits mehr Geist und eine feinere Geschmacksbildung besitzt.

Cades scheint sich vornehmlich Pichler zum Muster ersehen zu haben; seine Arbeiten nähern sich im Geschmack, Form und Behandlung dieses Künstlers Werken.

Amastini ahmt die antiken Gemmen gut nach, daher es oft geschehen, daß seine Arbeiten für alt ausgegeben und zu hohen Preisen verkauft worden sind.

Der geachtetste Stempelschneider war Schwendimann,Schwendimann wurde zu Rom 1786 von einem Schlesier, der ihn berauben wollte, ermordet. ein Schweizer, der in früherer Zeit Hedlingers Unterricht genossen hatte. Seine Medaille auf Mengs, eine größere auf das Bündnis der Schweiz mit Frankreich, und eine noch größere auf den Kurfürsten von Pfalz-Bayern sind Zeugnisse seiner Geschicklichkeit.

Literatur, Methoden und Meinungen von 1775 bis 1800

Von den Geheimnissen der alten Kunst hatte Winkelmann den Schleier weggezogen und gleichsam eine neue Welt entdeckt. Die Bahn einer besseren Erkenntnis, die er gebrochen, betraten nach ihm Fea, Guatani und Visconti, alle drei gelehrte Römische Altertumsforscher. Sie haben, ruhiger forschend, und von spätern Entdeckungen unterstützt, manches berichtigt, manches alte Monument besser ausgelegt, und verdienen daher rühmliche Erwähnung; doch haben, außer daß durch die Kupferstiche in den Schriften der beiden letztern viel schön erfundene alte Kunstwerke bekannt geworden sind, Geschmack und Kunst durch sie eben keine wesentlichen Vorteile erlangt. Winkelmann war, möchte man sagen, mit dem Geist des Altertums verwandt; beseelt, durchdrungen von demselben, das große rechte Ziel vor Augen, berührte er überall bloß die höchsten Punkte, unbekümmert um alles, was dazwischen lag. Seinen Nachfolgern allen war dieser Geist in weit geringerm Maße zu Teil geworden, und selbst der treffliche, der kenntnisreiche Visconti irrte mehrmals, durch gelehrte Mutmaßungen verleitet, wo das Anschauen nach höhern Begriffen von der Kunst ihn hätte besser belehren können, wie solches z. B. mit seiner Hypothese von den Kopien der Knidischen Venus des Praxiteles, vom Capitolinischen Alexander, in welchem er den Sonnen-Gott zu sehen glaubte u. a. m. der Fall zu sein scheint.

Was Meyer aus Hamburg, Ramdohr, Bartels, Moritz, Heeren, Zoega, Hirt gewirket, überlassen wir andern Kunst- und Geschichtsfreunden zu erörtern; eines Mannes aber gedenken wir mit Mehrerem, welcher zwar weder Schriftsteller war, noch als Künstler oder Altertumsforscher vorzügliches leistete; allein bei seinen Verhältnissen durch Lehren und Meinungen auf manche Künstler und viele Liebhaber der Kunst Einfluß hatte: dieser Mann war Reifenstein. Schon zu Winkelmanns Zeit kam er nach Rom und wurde nach desselben Tode der angesehenste Führer der Fremden. In allem, was in das Fach der Altertumskunde einschlug, richtete er sich nach dem, was er von seinem gelehrten Vorfahr gehört und gelesen hatte; über die praktischen Regeln in der Kunst pflichtete er Mengs bei, so wie in Betreff einer besondern Hochschätzung Raphaels; andere seiner gehegten Meinungen mochten von dem Umgang mit Römischen Künstlern herrühren, denn sie schienen noch von der Marattischen und Sacchischen Schule abzustammen. Wenn es z. B. um die Frage zu tun war, welchen Weg der junge Künstler bei seinem Studieren einschlagen müsse, so riet Reifenstein eine stufenweis sich erhebende Methode an. Mit den Werken der Carracci in der Farnesischen Galerie sollte die Übung des jungen Künstlers beginnen und nach diesem zu den Raphaelischen Arbeiten im Vatican übergehen; so vorbereitet, möchte sich derselbe dann zu den Antiken wenden und unter diesen wieder zuerst mit dem Herkules anfangen, allmählig zum Gladiator, Laokoon und Torso fortschreiten und endlich mit dem Apollo, als dem vollendetesten höchsten Muster schöner Formen, schließen, denselben so oft abzeichnen, bis die ganze Gestalt sich dem Gedächtnis unverlöschlich eingeprägt, ja selbst der Hand zur Gewohnheit geworden wäre. Dieses ist, wie man leicht bemerken kann, wenig anders als die modernisierte Lehre der Plagiarier, wobei ein gemeiner Realismus zum Grunde liegt; denn was anders kann der Künstler auf diesem Wege mit Mühe und Fleiß erwerben, als bedingtes mechanisches Nachahmen der Formen, wenn nicht in seinem Innern die Ahndung höherer Kunstzwecke wie von ungefähr erwacht und ihm den wahren Geist und Sinn jener Muster ergründen hilft.

Reifenstein war, unparteiisch beurteilt, im Leben ein rechtlicher wackerer Mann, hülfreich und zu dienen bereit, so weit sein Vermögen und seine Einsichten reichten. Wir merken dieses an, weil viele, besonders Künstler, so lange er lebte, ja gar nach seinem Tode noch nicht gut auf ihn zu sprechen waren; denn da eine Menge, zuweilen wichtiger Bestellungen von Kunstprodukten nach dem Auslande durch ihn besorgt wurde, und er in deren Verteilung vielleicht manchmal die besten Freunde am besten bedacht hatte, so erhoben diejenigen, welche sich zurückgesetzt glaubten, heftige Klagen, ja einige haßten ihn recht bitterlich.

Der Malerei mit Wachsfarben, welcher schon so mancher Liebhaber und Halbkünstler seine Muße geschenkt, war auch Reifenstein günstig und wünschte sie in Aufnahme zu bringen; aber ungeachtet seiner Ermunterungen ließen es die bessern Künstler doch fast immer bei den ersten Versuchen in dieser Art bewenden, indem die innere Mangelhaftigkeit derselben sie ermüdete. Nur ein junger Mailänder, Namens de Lera, blieb, vielleicht durch die Aussicht auf guten Erwerb angereizt, standhafter und erhielt auch wirklich, von Reifenstein empfohlen, ansehnliche Bestellungen enkaustischer Gemälde für Rußland. Doch Gönner und Klient starben nicht lange nach einander, und seither hat in Rom niemand mehr die Wachsmalerei ernstlich geübt.

Liebhaber und Verteidiger der Malerei mit Wachsfarben behaupten, dieses wäre die echte Behandlungsweise, deren sich die Maler des Altertums bedient hätten. Ebenfalls wollen sie erprobt haben, daß Wachsgemälde bei weitem die dauerhaftesten sind; ingleichem sollen dieselben reinerer Farben und eines frischern Kolorits fähig sein als Ölgemälde, weil Öl an sich allemal schon etwas gelb ist, auch den Farbenton nach und nach immer gelber macht.

Diese gerühmten Vorzüge verdienen eine nähere Beleuchtung. Ob die noch übrigen antiken Malereien wirklich mit Wachsfarben gemalt sind, ist noch sehr ungewiß. Die aufmerksamste Betrachtung eines der vornehmsten Stücke, nämlich der Aldobrandinischen Hochzeit, macht uns vielmehr das Gegenteil wahrscheinlicher und also hat man überall noch keine evidenten Proben von der gerühmten Dauerhaftigkeit der Enkaustik, am wenigsten der neuern. Wäre dem aber auch wirklich also, wie wir zu glauben nicht abgeneigt sind, so müßte dagegen ebenfalls angemerkt werden, daß alle Gemälde, von welcher Art sie sein mögen, weniger von der Zeit als von der Sorglosigkeit der Menschen zu leiden pflegen; denn es sind bekanntlich in Leim und Freskofarben sehr alte Bilder noch in gutem Stand, desgleichen von Van Eyck, Antonello und Bellini vortrefflich erhaltene Ölgemälde; wir hätten demnach überhaupt keine Ursache, auf Vermehrung der Dauerhaftigkeit der Malereien zu denken, wohl aber tut es not, daß man die guten Kunstwerke aller Art besser schonen lerne. Die größere Lebhaftigkeit und Helle der Farben, welche die Enkaustik vor der Ölmalerei zum voraus haben soll, ist zwar ein scheinbarer, aber gewiß kein wichtiger Grund zu ihrer Empfehlung; denn wer etwas mehr als ein Anfänger in der Kunst ist, muß wissen, daß das gute Kolorit nicht bloß im Glanz der Farben besteht, und daß der gute Maler öfter ihre Lebhaftigkeit dämpft, als zu erhöhen sucht.Ludwig Carracci pflegte zu sagen, jeden Pinselstrich mit weißer Farbe sollte der Maler wohl hundertmal bedenken; auch Vandyck soll geäußert haben, wenn die weiße Farbe die teuerste wäre, so würde überhaupt besser gemalt werden.

Richtig ist es zwar, daß Öl an sich gelber ist als weißes Wachs, auch die mit Öl gemischten Farben einen etwas gelblichten Ton bekommen; wer weiß aber nicht, daß vollkommen reines Weiß in Gemälden wenig vorkömmt, und eben so bekannt ist es, daß Glanz, Klarheit und schöner Schein in den meisten Fällen durch Lasur erzweckt werden, diese aber ist in jeder andern außer der Ölmalerei nur auf eine unvollkommene Weise gedenkbar. Rechnet man zu allem diesem nun endlich noch die Vorteile sanfter Übergänge und zart verschmolzener Tinten, welche die Ölfarben so vorzüglich gewähren, und erwägt im Gegenteil, wie beim Einbrennen der Wachsmalereien manche Farben stärker, andere schwächer werden, daher zarte Nüanzierung der Farbentöne, Harmonie und Haltung immer mangelhaft bleiben müssen; so ist teils das Rätsel gelöst, warum gute gebildete Künstler zur Enkaustik nach der neuern Methode sich nie haben bequemen wollen, teils wird man der Ölmalerei den ihr gebührenden Vorzug ferner nicht bestreiten. Wer da glaubt, mit dem Wachsmalen sei nun auch die Verfahrungsweise der alten Maler wiedergefunden und die Kunst habe dadurch gewonnen oder könne noch gewinnen, hat nicht erwogen, daß Zeit, Zufall und Erfahrungen uns beinahe in allem, was Werkzeug heißen kann, Vorteile zugewandt, welche das Altertum nicht besaß, so auch in den mechanischen Teilen der Malerei. Darum ist es überflüssig zum eigentlichen Dienst der Kunst den Behandlungsweisen der alten Maler nachspüren zu wollen, denn die Mittel und Werkzeuge, deren man sich jetzt gewöhnlich bedient, lassen alle nur gedenkbare Vollkommenheit der Darstellung zu, und also hätten wir keinesweges den Mechanismus der alten Kunst, sondern ihren Geschmack und Geist zu beneiden; ja besäßen wir selbst die ganze Kunstfertigkeit der Griechen, was wäre damit Großes gewonnen, wenn ihr höherer Kunstsinn, ihr Geist unsern Werken mangelte? Diesen, aber zu erfassen, sollte der Künstler erstes und beständiges Streben sein.

Reifensteins Nachfolger im Geschäft Fremde in Rom zu führen war Hirt.Hirt (Hofrat) befindet sich seit mehreren Jahren in Berlin. Als gelehrter Antiquar hatten seine Forschungen vornehmlich die Architektur zum Zweck; da wir aber dieses Fach hier nicht berühren, so ist es genug, anzumerken, daß er selbst vielleicht bald seine Meinungen darüber dem Publikum in einem bereits weit gediehenen Werke vorlegen wird. Sonst wollte er, Winkelmann, Lessing und Mengs entgegen, nicht die Schönheit, sondern das Charakteristische als höchsten Zweck der Kunst angesehen wissen.

Die Anhänger dieser Lehre scheinen ihren Standpunkt um eine Stufe niedriger zu nehmen als diejenigen, welche schöne Formen für den Gipfel der Kunst halten. Denn die Schönheit schließt den Charakter keineswegs aus, sondern sie veredelt denselben. Die unmündige Kunst ging anfänglich von roher, unbeholfener Nachahmung menschlicher Gestalt im Allgemeinen aus, ohne Mannigfaltigkeit, Bedeutung oder Schönheit; besser geübt, wurde sie allmählig der Natur getreuer, also auch mannigfaltiger und in der Mannigfaltigkeit charakteristischer; mehr Herr über den Stoff fand sie alsdann die Proportionen und machte sich einen Kanon rein menschlicher Formen; durch zweckmäßiges Abweichen von demselben, durch Nehmen und Geben entstand nun das Große, das Starke, das Behende. Um aber die gefälligern Charaktere darzustellen, mußte man auch die Schönheit in den Gestalten suchen und die Kunst schwang sich dadurch bis zu ihrer obersten Höhe; was vorher roh, hart, gewaltsam, übertrieben ausgedrückt war, wurde jetzt gefälliger, mäßiger, edler; Schönheit und Anmut walteten; aber freilich so wie diese mehr gefordert, mehr als Zwecke betrachtet wurden, verloren die großen, die mächtigen Charaktere, gefälliger und weicher ausgesprochen, etwas von ihrer ursprünglichen Kraft, so wie hingegen die niedrigen sich veredelten. Charakter mit Schönheit vereint kann ohnmöglich anders als in Produkten vollendeter Kunst erscheinen, und insofern haben jene allerdings Recht, welche die Schönheit als ein Vorrecht und Zeichen des höchsten Flors der Kunst ansehen. Die aber, welche in Kunstwerken hauptsächlich auf das Charakteristische dringen, weisen den Künstler auf den rechten Weg. Denn aus dem Bedeutenden hat, wie so eben dargetan worden, das Schöne sich entwickelt; wer hingegen von der Schönheit ausgeht, wird, wie uns das Beispiel von Mengs und Canova gelehrt, schwerlich je ein charakteristisches Ganzes erzielen.

Hirt verdient ferner von denen, welche die Kunstgeschichte studieren, sowohl als von den Liebhabern der alten naiven Einfalt in Kunstwerken, großen Dank, weil er, nach vielem Bemühen, in dem Labyrinth Vatikanischer Kammern, endlich die vom Fra Angelico da Fiesole unter P. Nicolaus V. ausgemalte Kapelle noch wohl erhalten wieder aufgespürt, beinahe das einzige Werk von Bedeutung, welches in Rom aus der frühern Zeit der Florentinischen Schule noch übrig ist.

Um 1793 kam FernowAus Preußen, gegenwärtig Bibliothekar der verwitweten Frau Herzogin zu Weimar. nach Rom, der die Grundsätze kantischer Philosophie auf Gegenstände der Kunst anzuwenden versuchte, auch durch den Winter 1795 und 96 Vorlesungen in diesem Sinne hielt, welche von Künstlern und andern zahlreich besucht wurden. Es war das erstemal, daß Künstler in Rom auf das Allgemeine gewiesen und mit der neueren Philosophie bekannt gemacht wurden. Was diese Anfänge für Folgen gehabt und was von solchen Wirkungen ins neunzehnte Jahrhundert übergegangen, wird künftig näher zu entwickeln sein. Auch können wir hoffen, daß uns Fernow selbst Aufschlüsse geben werde, indem er die Geschichte des Lebens und der Bildung seines Freundes Karstens öffentlich mitzuteilen geneigt ist.

Was Winkelmann auf die zweite Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts gewirkt, haben wir nur beiläufig angeführt, und gedenken am Schlusse dieses Werkes besonders davon zu handeln. Indessen haben wir gesehen, wie unserm Mengs die Befreiung der Kunst und des Geschmacks von den Irrtümern der Plagiarier der Macchianten und Praktikanten gelang, und welch großes Verdienst er sich ferner dadurch erwarb, daß er, die Antiken nachahmend, schöne Formen suchte; wie nach ihm Hamilton für edle Darstellung günstigere und für den angenommenen griechischen Typus besser passende Gegenstände eingeführt; wie Reinolds, erst durch Lehre und Füeßli später mit der Tat, als Ketzer gegen diese Offenbarung aufgestanden und den Geschmack des Michel Angelo einführen wollen, aber das Publikum bei der einmal gefaßten Liebe zu Raphael und den Antiken beharrte.

Tischbein erging es ebenfalls nicht besser, als er die Kunst von dem Idealen und Poetischen, dessen sie sich ermächtigt, wieder auf wirkliche Begebenheiten zurückführen wollte, und überdem noch den bedingten Zweck deutsch patriotischer Darstellungen hatte. Die Neigung zur naiven Einfalt der frühern Florentinischen Meister konnte zwar erwachen und fortdauern, weil es wirklich den meisten Kunstprodukten am Natürlichen, Innigen, Gemütlichen und zart Empfundenen mangeln mochte: aber Nutzen für die Kunst entstand keiner daraus, weil diese rohe Unschuld mit der sonst an dem Künstler geforderten schönen Form, edlen Charakteren und gebildetem Geschmack unvereinbar ist. Dann entstand die kräftige Manier Davids und seiner Genossen, Darstellungen von Römertaten, die, gehoben durch Verwandtschaft mit den herrschenden politischen Tendenzen, mehr Beifall erhielten, als sie vielleicht ihrem innern Kunstgehalt nach hätten erhalten sollen. Wir möchten diesen Geschmack etwa den kriegerischen, oder noch passender den theatralischen nennen, weil in der Darstellung etwas maskenhaftes herrscht und die Figuren sich wie Schauspieler gebärden.

Obwohl man nicht sagen kann, daß dergleichen Manier völlig übergegriffen habe, indem vielmehr die Forderung naiver Motive und reiner Schönheit in den Formen immer allgemeiner wurde, so war doch damit gleichsam die Losung zu neuen Spaltungen und widerstreitenden Meinungen unter dem Chor der Künstler gegeben worden. Es trat jetzt im Wissen, Wollen und Urteilen ein etwas unsicherer, schwankender Zustand ein. Nur selten übte sich noch jemand nach Werken der Carracci oder des Guido, hingegen wurden neben Raphael und den Antiken Michel Angelo und Leonardo da Vinci mehr studiert als sonst geschehen war; man konnte überhaupt bemerken, daß besonders bei den Künstlern das Große, Kräftige, zugleich aber auch das Naive immer mehr galt; daher kam es denn, daß einige Antiken, z. B. Antinous von Belvedere, Apollino, Venus, die Ringer, etc. welche vormals als kanonische Muster angesehen wurden, an ihrem Ruhm einbüßten, hingegen die Kolossen auf Monte Cavallo, die Ludovisische Juno, überhaupt alle Werke von großem und hohem Styl mehr geachtet, ja von manchen unbedingt als die vortrefflichsten aller Kunstwerke verehrt wurden. Leonardo da Vinci ist, nicht allein wegen der Sorgfalt, womit seine Werke ausgeführt sind, in Gunst gekommen, sondern vornehmlich wegen der Verwandtschaft zur alten Einfalt und Naivetät, die man in manchen Teilen seiner Bilder noch bemerkt. Mehrerwähnte etwas zu weit getriebene Vorliebe zum Naiven enträtselt uns auch das sonderbare Phänomen, daß vom größern Teile der Künstler und Kunstrichter in der Beurteilung von Raphaels Werken eine den natürlichen und selbst augenscheinlichen Fortschritten seiner Kunst gerade entgegengesetzte Stufenfolge des Werts derselben angenommen wurde. Ihrer Meinung nach sind z. B. unter den Arbeiten dieses Künstlers die Grablegung und die Disputa über das Sakrament allen andern, besonders aber der Verklärung vorzuziehen. Da dieser Irrtum viele Anhänger gewonnen, so halten wir es der Mühe wert, eine Berichtigung davon zu unternehmen.

Jene frühern Werke des großen Meisters werden besonders wegen der zarten, innigen Empfindung, die sich in Motiven und Charakteren, in Handlungen und Mienen ausdrückt, wegen der anspruchslosen, unübertrefflichen Wahrheit der Darstellung gepriesen, und wir denken in diesem Punkt nicht minder günstig von ihnen als Jemand, darum haben wir für unsern Zweck nur über die Verdienste der Verklärung einiges zu sagen und die Vorwürfe, die man ihr macht, zu prüfen.

Niemand leugnet zwar, daß von allen Arbeiten des Raphael die Verklärung eine der sorgfältigst ausgeführten sei; desgleichen gilt dieses Werk auch in Rücksicht des Wissenschaftlichen in der Zeichnung, des edeln Styls in den Formen und geistreichen Ausdrucks unwidersprochen für eins der vorzüglichsten; hingegen will den Gegnern die Zusammenstellung zweier Haupthandlungen noch immer etwas mißlich scheinen, mehr für zwei Bilder als für eines geeignet; sie finden das Ganze nicht so naiv, so gefällig als manche von des Meisters frühern Arbeiten, desgleichen einige Falten nicht glücklich gelegt, einiges auch an der Anordnung zu tadeln.

Jene Zusammenstellung des Wunders der Verklärung und des mißlungenen Versuchs der Apostel, den besessenen Knaben zu heilen, ist nach unserer Ansicht der Sache ein höchst merkwürdiges Beispiel genialisch glücklicher Bearbeitung eines an sich wenig dankbaren Stoffs. Das Wunder auf dem Berge würde seine schönste Bedeutung, den nahen Bezug des göttlichen Mittlers zu den Menschen entbehren, ohne die Geschichte vom Besessenen, und diese wäre ein vollkommen widerstrebender Gegenstand, d. h. es ist nicht denkbar, wie sie deutlich sich selbst aussprechend dargestellt werden könnte, wenn sie allein ohne die Verklärung sollte gemalt werden; so aber, wie wenn Stahl und Stein zusammentreffen, ein lebendiger Funke entsprüht, so verbreitet auch die Berührung beider Teile oder Gegenstände des Bildes einen Strom von poetischer Klarheit über das Ganze, erhebt solches mit einmal in eine höhere, reinere Sphäre der Kunst.

Was nun das Detail der Motive betrifft, so möchte man fast glauben, keiner von den Tadlern der Verklärung habe dieselbe je mit ruhigem Ernst betrachtet, sonst wäre es unmöglich gewesen, die hohen Schönheiten dieser Art zu übersehen; denn, um von Vielen Eine nur als Beispiel anzuführen, wo hat Raphael seine Kunde der Menschen und Herzen besser bewährt als in dem unschätzbar feinen Zug, daß der jüngste der Apostel mit dem schönen sanften Gesicht von den Weibern angesprochen wird und ihnen antwortet, da die andern ältern Apostel teils unter sich, teils zu den Männern reden, welche um den Besessenen sind? Dem zuvörderst sitzenden Apostel wird eine etwas gesuchte Stellung vorgeworfen, wir aber glauben Ursache zu haben, denselben in Schutz zu nehmen und in mehr als einem Betracht als herrlich zu rühmen, musterhaft, sowohl der Anordnung als des Ausdrucks wegen, und eins von den großen Meisterstücken, wo die bildende Kunst sich gleichsam in der Zeit bewegt. Er hat gelesen und wurde in diesem Geschäft durch die, welche den Besessenen herbei brachten, unterbrochen, darum hält er nun das Buch weg und nimmt an der Handlung Teil. Wir müssen noch anmerken, daß auch sein Gewand vortreffliche Falten hat, beinahe eben so schön wie jene an dem im Vordergrunde des Bildes knieenden Mädchen, welche schon seit langem berühmt sind. Wir geben indessen zu, der Mantel des einen von den beiden Aposteln, die auf Christum weisen, sei nicht in dem Maße gelungen, wie jene eben angeführten Draperien; denn freilich sah die Welt noch kein Kunstwerk, an welchem alle Teile gleich vollkommen wären; aber es ist durchaus ungegründeter Tadel, daß eben die gegen den Berg erhobenen zwei Arme dieser Apostel, kunstgerechter Anordnung zuwider, in gleicher Linie laufen, weil diese Linie, wie jeder Kupferstich von der Verklärung zeigen kann, zur Symmetrie der Komposition erfordert wird. Durch das Hinaufdeuten verbindet sich der untere Teil des Gemäldes mit dem Obern, und diese Gebärde scheint uns mit gutem Bedacht wiederholt, damit sie mehr in die Augen falle; eben deswegen mag auch die rote Bekleidung für die beiden Arme gewählt worden sein. Der Anachronismus von den zwei Mönchen, die auf dem Berge dem Wunder der Verklärung zusehen, kann billigerweise dem Raphael nicht angerechnet werden, auch greifen diese Figuren in die Komposition nicht ein.

Aus derselben Quelle ungeordneter Kunstbegriffe entsprangen noch viel andere paradoxe Meinungen über den Wert von Künstlern und Kunstwerken, welche in der Reihe anzuführen ermüdend sein würde; wir erinnern also nur noch, daß auch Michel Angelo fast in gleichem Fall wie Raphael war. Sein jüngstes Gericht wurde von Manchen geringer geschätzt, als die Gemälde an der Decke der Sixtinischen Kapelle, auch die Malereien dieses Künstlers überhaupt seinen plastischen Arbeiten vorgezogen, wiewohl er doch selbst von denen, die ihn so beurteilten, nicht wegen des Kolorits oder der Beleuchtung, oder sonst einer Eigenschaft, die nur der Malerei eigen ist, sondern hauptsächlich um der Formen willen geschätzt wurde.

Alles dieses mußte natürlich Parteien und Parteigeist erregen. Die Gewalt entgegengesetzter Meinungen, welche um anderer Ursachen willen die Welt entzweite, bewirkte auch eine Spaltung in der Gesellschaft der Künstler. Die Partie der Atomisten, das ist derjenigen, deren Urteil mehr auf einzelne Teile gerichtet ist, als daß es sich zur Anschauung des Ganzen erhöbe, stellte sich denjenigen entgegen, welche eine Totalität, das ist einen durchgehenden Charakter und Übereinstimmung verlangen und sich weniger um das Einzelne bekümmern. Man verfolgte sich zwar nicht mit solchem Blutdurst, als in politischen Verhältnissen sich die verschiedenen Parteien verfolgten, aber es fehlte doch nicht an bitterm Haß und Schmähungen und Ungerechtigkeiten.

Nachdem 1793 die Franzosen aus Rom weichen mußten, spielte die Landsmannschaft der Deutschen die Hauptrolle daselbst, und Karstens als Anführer derer betrachtet, welche die Totalität forderten, erfuhr von den Gegnern sehr unbillige Anfechtungen,Man sehe des Maler Müllers Brief in den Horen, Jahrgang 1797. 3tes und 4tes Stück. die ihn auch mögen zu Grabe gefördert haben.

Unterdessen vollendete Canova, der nach Trippels Tode allgemein für den besten Bildhauer anerkannt wurde, verschiedene Werke, in denen er, wie wir schon bedeutet haben, auf eben dem Wege, den Mengs gegangen war, die Schönheit der Formen suchte, auch in seiner Art fast eben soviel leistete wie Mengs und vom Publikum gleichlauten Beifall dafür erhielt.

Obgleich Canova dem Charakter seiner Kunst nach eigentlich auch zu den Atomisten gehört, so widerfuhr ihm doch von denselben keine Gunst, sondern sie fanden unendlich vieles an seiner Arbeit auszusetzen; denen aber, die eine durchgehende Harmonie aller Teile eines Kunstwerks verlangen, hatte er es noch weniger zu Danke gemacht. Beide Sekten schienen sich tadelnd gegen ihn zu vereinigen, der Künstler aber an seiner Seite hatte sich des Beifalls der Liebhaber und – der Bezahler zu erfreuen. Wir sind bemüht gewesen, die auffallende Ähnlichkeit von der Kunst, dem Geschmack und den Talenten des erwähnten Canova mit denen von Mengs darzutun, glauben also denselben ohne weiteres für Mengs Nachfolger erklären zu dürfen. Durch den Beifall, den seine Werke teils vom Publikum, teils von unbefangenen Kennern, und teils von den Tadlern selbst erhalten, welche sie, aller Einwendungen ungeachtet, doch als die besten Kunstprodukte der Zeit gelten ließen, durch alles dieses halten wir uns für berechtigt, den Geschmack am Schönen als den Verbreitetesten, herrschendsten am Ende des achtzehnten Jahrhunderts anzugeben, und darauf zum Schluß der Übersicht alles dessen, was das Fach der Darstellung, besonders menschlicher Gestalten in der Kunst betrifft, noch einige Betrachtungen und Wünsche zu gründen.

Mengs und Canova beabsichtigten vor allem andern die Schönheit der Formen. Der Erste erwarb sich das große Verdienst, den Geschmack in der Kunst von schlimmen Irrwegen wieder zurückgeführt und besser geleitet zu haben; vom Zweiten erwartet man billig, daß er, was jener Gutes gestiftet, erhalten werde. Beide haben sich einen hohen Zweck vorgenommen und mit ungemeiner Kunstfertigkeit denselben auch teilweise erreicht, zum Einklang des Ganzen aber nie gelangen mögen; denn was uns nicht eigentümlich angehört, nicht aus dem Innersten heraus sich entwickelt, bleibt Stückwerk, kann zur lebendigen Einheit unmöglich gedeihen. Das Schicksal aller Nachahmer war von jeher einförmige Manier, und Manieristen würden vermutlich auch die erwähnten beiden Künstler geworden sein, hätten sie in den Werken der Alten nicht eine so große Mannigfaltigkeit, gleichsam eine andere Welt und Natur vor sich gehabt. Die ganze Geschichte zeigt, wie die Kunst immer nur stufenweise Fortschritte gemacht, und wenn wir ihren verfallenen Zustand unter Solimen, Conca und den Marattischen Schülern wohl betrachten; so begreift man leicht, daß ihr, auf einmal alle mittlern Stufen überspringend, die Ausübung des Höchsten nicht ganz gelingen konnte; aber der Geschmack, der nicht zu schaffen, sondern nur zu vergleichen und zu wählen braucht, hätte kaum besser gefördert werden können, wofür wir uns allerdings gegen Mengs Andenken hochverpflichtet finden müssen. Allein soll die Kunst selbst nun noch mehr verbessert werden; so muß sie von diesem Wege der Nachahmung, der sie schwerlich viel weiter führen würde, ablassen und tiefer und selbstständiger werden, sie muß in den Erfindungen dem Gemeinen, Flachen, Leeren ausweichen, das Hohe, Edle, Poetische der Gedanken suchen, in der Ausübung aber vornehmlich das Charakteristische bezwecken. Ohnfehlbar würde sie dadurch von dem teils Oberflächlichen, teils Falschen, dessen sie sich, als überall nachahmend, gegenwärtig zu oft schuldig macht, befreit, in die Tiefe ihrer selbst zurück geleitet, bald gleichsam neugeboren, verjüngt, reiner und lebendiger erscheinen. Geschieht hierzu die Doppelforderung gehaltvoller Erfindung und charakteristischer Darstellung, so ist dieses keineswegs ein doppelter Zweck, denn auf dem rechten Wege fließt unmittelbar eins aus dem andern. Erkennt der bildende Künstler nur die Natur und Grenzen seiner Kunst, schweift mit dem, was er unternimmt, nicht unnötig und unvorsichtig über dieselben hinaus, denkt zweckgemäß, würdig, deutlich, erhebt sich über das Gemeine, Flache hinweg zum Poetischen: so wird er, um seine Gedanken auf der Mauer, der Leinwand, in Erz oder Marmor deutlich darzustellen, zum Ausdruck, zum Charakteristischen so zu sagen genötigt sein. Das Gemüt, die Seele, voll von dem Gegenstand, der ausgebildet, vollendet vor ihr liegt, wird den Gestalten Leben, dem Ganzen Einklang verleihen; nur durch Überzeugung kann man überzeugen, durch Gefühl Mitgefühl erwecken. Dieselben Resultate werden sich ergeben, wenn wir es von der andern Seite ansehen und sagen, der Künstler suche in seinen Darstellungen vornehmlich die Deutlichkeit im Ausdruck und charakteristischer Darstellung: so wird ihn dieses nötigen, zweckgemäß, deutlich, vollendet, plastisch zu denken, ihn von allem Undarstellbaren ablenken, oder, was gleichviel ist, wenigstens zwingen, Gegenstände, die an sich ungünstig wären, gehörig zu bearbeiten. Er wird der Gefahr entgehen, ein bloßer Nachahmer zu werden, noch weniger in Manier verfallen. Raphael und Leonardo da Vinci besaßen zwar das Charakteristische in dem Maße, daß sie uns als Muster gelten; eigentliche Nachahmer aber in diesem Teile der Kunst haben sie nicht gehabt, weil das Charakteristische sich überhaupt nicht nachahmen, wohl aber erkennen, schätzen und fassen läßt; gedacht, empfunden und reproduziert werden muß. Man darf nicht befürchten, daß bei Befolgung dieser Grundsätze die Form aufgegeben werden müsse, vielmehr wird sie mit dem Kunstwerk sich inniger vereinen, nicht von außenher durch Nachahmung hinzugebracht, sondern von innen heraus entwickelt, erst wird was zur Bedeutung notwendig ist und dann das Schöne sich einfinden; also geschah es, wie schon angedeutet worden, bei den Alten auch. Sie ahmten zuerst mit kindlicher Einfalt, ja sogar Unbehülflichkeit Gestalten nach, das Auge war ihr einziger Führer, dann fingen sie an zu forschen, die Anatomie, die Verhältnisse wurden erspürt, es bildete sich allmählig die Wissenschaft, man unterwarf sich den Stoff mehr, die Kunst legte die Einförmigkeit ab, indem sie Charaktere zu bilden anfing und wuchs dadurch stufenweise zum Edlen, zum Großen, zum Höchsten empor; das Edle bedung edle Formen, die Schönheit entwickelte sich daraus allgefällig, wurde herrschend, mäßigte das Strenge, zierte das Schmucklose und verbreitete harmonische Anmut über die ganze Kunst, als dieselbe jetzt steigend ihre Vollendung erreicht hatte. Wir dürfen darum behaupten, die Kunst wird nur auf diesem, kann auf keinem andern Weg sich verbessern; vom Charakter kann sie zur Schönheit fortschreitend übergehen, schwerlich aber entgegengesetzt im bloßen Streben nach der Form und nachahmend zum Charakteristischen gelangen.

Alles gleichsam unter einem Brennpunkt zusammenfassend haben wir den bildenden Künstlern nur die wenigen Worte zuzurufen: Denkt gut und alle bessern Eigenschaften werden sich in euren Werken finden. Die schönsten Formen, der beste Geschmack und Kunstfertigkeit werden hingegen echte Kunstkenner nicht ganz zufrieden stellen, wenn es euch am Gehalt der Gedanken, an Charakter und Übereinstimmung mangelt!

Die Landschaftmalerei war von der schönen Höhe, zu welcher wir sie im siebzehnten Jahrhundert schnell emporsteigen sahen, wieder gesunken, die Erfindungen waren unbedeutend, die Ausführung manieriert geworden, Hackert wandte sich alsdann wieder zur schönen Natur und ahmte dieselbe mit großer Treue und Darstellung des Charakters im Detail nach, dadurch erregte er beim Publikum den Geschmack an wirklichen Aussichten lebhafter, und befriedigte ihn auch zugleich auf eine Weise, die wenig zu fordern übrig ließ. Nach seinem Beispiel wurde die Natur von den Landschaftmalern fleißiger studiert, und man kann wohl sagen, die Empirie nahm zu sehr überhand, viele schienen sich mit allem, was in der Kunst über die Fertigkeit des Auges und der Hand hinaus liegt, gar nicht befassen zu mögen. Die Werke des Engländers Moore abgerechnet, sah es um die Erfindung im Fach der Landschaftmalerei eine Weile sehr dürftig aus, man ermüdete jedoch bald an den bloß treuen Darstellungen, und nun suchten einige Künstler mit Hinzutun und Weglassen den Aussichten nach der Natur mehr Anziehendes zu verschaffen, andere wollten allerlei einzelne Teile der Natur nachgebildet in ein künstliches Ganze zusammen stellen, welches allerdings ein löbliches Verfahren ist, falls der Künstler dabei mit geschickter Wahl zu Werke geht, die verschiedenen Teile unter sich in Harmonie zu setzen weiß; ein Weg, welcher ihn bis zum Charakteristischen im ernsten oder gefälligen Geschmack, mit einem Wort ungefähr bis dahin bringen kann, wo die größten Landschaftmaler des XVII. Jahrhunderts wirklich hingelangt sind. Aber es gibt im Gebiet der Landschaftmalerei ohne Zweifel noch einige öde Stellen, deren Anbau die erheblichsten Vorteile verspricht; vornehmlich gilt dieses vom Schönen der Formen. Für landschaftliche Gegenstände müssen sich ja eben so gut wie für Architektur, menschliche oder andere Gestalt, Verhältnisse ausfinden lassen, nach welchen jeder Teil für sich oder in Bezug aufs Ganze am besten ins Auge fällt. Es kann z. B. unmöglich gleichgültig sein, wie der Stamm, die Äste und Blättermassen eines Baumes sich gegen einander verhalten, und so ist es wohl auch mit Bergen und Felsen, mit allem Darzustellenden in diesem Fach beschaffen. Der Umriß oder der Pinselstrich kann Charakter und Bedeutung erteilen, doch nur von den Verhältnissen hängt die Wohlgestalt ab. Wir begegnen dem Einwurf, daß unsere besten Landschaftmaler schon die hübschesten Bäume, Felsen, Berge etc. aufsuchen und in ihren Werken nachbilden, auf doppelte Weise: Erstlich, daß nach den bereits angeführten Gründen Ideale oder vollkommene Begriffe von der Form landschaftlicher Gegenstände nicht weniger möglich sein müssen, als Ideale von Menschen, Tieren und dergleichen, deren die bildende Kunst bekanntlich geschaffen hat; Zweitens, daß ohne Wissenschaft bestimmter Regeln bloß Augenmaß und Übung zur Darstellung schöner Formen nicht hinreichend sind, noch das Schönere von dem weniger Schönen gehörig unterschieden werden kann, besonders wo freie spielende Behandlung, wie eben bei der Landschaft der Fall eintritt, eine unerläßliche Bedingung ist. – Das Fach der Landschaftmalerei verdient, da es, seiner bessern Beschaffenheit nach, der neuern Kunst ganz angehört, sorgfältige Pflege, und man ist, um dasselbe weiter zu bringen, auch wirklich auf gutem Weg begriffen. Schon haben viele Künstler einsehen lernen, daß die Vernachlässigung des Poetischen in der Erfindung sie beschränke, und ließen daher von strengbedingter Nachahmung der Natur ab, desto fleißiger waren sie hingegen bedacht, den Charakter des Einzelnen möglichst getreu darzustellen, und wenn wir, wegen des tätigen Ernstes, der besonders in dem letzten Viertel des verflossenen Jahrhunderts gewaltet, auf fernere Dauer der Tätigkeit und des Strebens rechnen dürfen, wenn in den angeführten Fortschritten der Übergang vom Realen zum Idealen, vom bedungenen Nachahmen zum freien Denken, zur Anwendung der Natur nach reinen Kunstzwecken, sich hoffen läßt, wenn von der Darstellung des Charakters der Dinge bis zur Schönheit ihrer Formen nur noch ein Schritt zu tun übrig bleibt: so sind wir der Erfüllung unserer oben geäußerten Wünsche und Vorschläge bereits nahe, denn sie müssen sich im Verfolg der eingeschlagenen Bahn ergeben. Der Historienmalerei wie der Plastik legen sich heut zu Tage mancherlei Hindernisse in den Weg, sogar die großen, in gewissem Sinne vollkommenen Muster dieser Art hemmen den freien Flug des Genies, indem sie den Künstler zur Nachahmung reizen, ohne Hoffnung sie übertreffen, oder auch nur erreichen zu können. Den Fortschritten der Landschaftmalerei hingegen scheint sich nichts zu widersetzen. Dieses Fach genießt vielmehr jede Begünstigung, welche man für dasselbe verlangen kann, es ist beliebt, vorgezogen, wird verhältnismäßig am besten bezahlt. Die Wissenschaft der Luft- und Linearperspektive ist bereits auf sichere Regeln gebracht; die Landschaftmaler besitzen auch im Durchschnitt mehr als die andern technische Fertigkeit zur Nachahmung der ihrem Sprengel angehörigen Gegenstände: demnach kömmt es nur darauf an, die tief im Wesen der gesamten Kunst begründeten Maximen, durch welche das Fach der Darstellung belebter Natur ehemals so hoch gestiegen, auch auf diejenige Abteilung der bildenden Kunst anzuwenden, welche sich mit der Darstellung lebloser Gegenstände beschäftigt. Vielleicht ist jetzt der Moment freier Wahl noch vorhanden, der, verständig benutzt, uns zum Besten leiten wird; vielleicht sind wir eben an den bedeutenden Scheidepunkt gelangt, zu welchem einmal verfehlten Pfad keine Wiederkehr statt fände und alsdann das rechte Ziel auf immer unerreicht bleiben würde.

Am Ende der Erzählung von dem, was Kunst und Geschmack während des vergangenen Jahrhunderts hauptsächlich in Rom für Veränderungen erfahren, gedenken wir billig auch noch der, in Folge des verderblichen großen Kriegs, vorgefallnen Versetzung der berühmtesten alten und neuern Kunstwerke aus Italien nach Frankreich, wobei vornehmlich Rom den größten und ihm wohl auf immer unersetzlichen Verlust litt. Welchen Einfluß diese Begebenheit auf Kunst und Geschmack überhaupt haben werde, liegt im Schoß der Zukunft verborgen; wir aber glauben, daß er weder im Guten noch im Schlimmen so groß sein dürfte, als Parteiischgesinnte etwa meinen möchten. Kunst oder Künstler, die sich bloß von abfallenden Tropfen dieser großen Lichter nähren müssen, werden schwerlich je kräftig und hell aufleuchten; auch sind die vollkommensten Kunstwerke für sich unvermögend, den guten Geschmack irgendwo zu fixieren. In Constantinopel waren die göttlichsten Produkte der alten griechischen Künstler noch erhalten und versammelt, als schon die Barbarei herrschte; ja man findet manche derselben in Schnitzwerken sowohl als Musiv-Arbeiten des neunten und zehnten Jahrhunderts ungeschickt nachgeahmt. Beweise von neuerm Datum können, was wir behaupten, ebenfalls unterstützen. Rom selbst hat, wie oben erwähnt worden, Zeiten gesehen, da trotz der Gegenwart kanonischer Meisterstücke des Raphael und der Antiken, Bernini vergöttert wurde und Luca Giordano, Solimena, Pozzo und Currado belobte Meister waren; daraus erhellet deutlich, daß beides, der gute Geschmack sowohl als der echte hohe Geist der Kunst, keineswegs an die Nähe der schönsten Muster gebunden sind, und also ist es in Rücksicht auf Malerei und Plastik völlig gleichgültig, ob Paris oder Rom den Laokoon, den Apollo, den Torso, die Verklärung etc. aufbewahrt. Für die Altertumskunde hingegen kann aus der geschehenen Versetzung leicht eine schädliche Hemmung entstehen. Der Vervollkommnung dieser Wissenschaft war das Beisammensein so unzähliger Monumente, als Rom aufzuweisen hatte, vornehmlich günstig; wenn aber die Masse derselben mehr und mehr aus einander geht, so müssen die wissenschaftlichen Fortschritte der Altertumskunde notwendig sehr erschwert werden; denn die Bequemlichkeit, die bedeutendsten Monumente zu vergleichen und aus der Vergleichung Schlüsse zu ziehen, fällt größtenteils weg. So betrachtet, erscheinen alle Versetzungen, besonders antiker Kunstwerke von Rom, dieselben seien nun durch Krieg oder Kauf, nach Frankreich oder in andere Länder bewirkt worden, überhaupt als schädliche Eingriffe in die Fortschritte zur Erweiterung wissenschaftlicher Kenntnisse, welche jedem Wohldenkenden um soviel schmerzlicher fallen müssen, weil nach obigem Erweis kaum zu hoffen steht, daß Geschmack oder Kunst irgendwo einen positiven Nutzen davon ziehen.

Was nun noch ferner den Zustand der Kunst in Italien und besonders in Rom betrifft, nach der Entführung der erwähnten Meisterstücke durch die Franzosen und völligem Ablauf des XVIII. Jahrhunderts, so hat man bisher noch keine bedeutenden Veränderungen wahrgenommen. Die vorzüglichsten Landschaftmaler verfolgen immerfort den Zweck charakteristischer Darstellung im Detail und halten sich deswegen mit Ernst und Fleiß, nach ihrer verschiedenen Neigung, auf verschiedene Weise an das Studium der Natur.

In der Geschichtsmalerei ist das Hauptaugenmerk der besten Künstler noch die schöne Form, aber auch zugleich Großheit und Energie, Dinge, welche alle zugleich schwer erreicht werden dürften. Die herrschende Feinheit und Ausbildung des Geschmacks begünstigen den großen Styl nicht sehr, und die allgemeine Liebe, ja Sehnsucht für das Zart-Naive verträgt sich zwar wohl mit dem Schönen und Sanften, weniger mit dem Großen, und ist dem Derben und Kräftigen in Formen und Farben gerade zuwider; daher scheint, wenn doch der Charakter von Größe durchgesetzt werden soll, eine Nötigung zum Kolossalen entstehen zu müssen, und Kolossalgestalten erscheinen auch wirklich häufiger als sonst in den Werken der Maler so wie der Bildhauer.

Noch gereicht den neuesten besten Produkten der beiden Hauptzweige bildender Kunst der mangelnde Einklang des Ganzen zum Vorwurf, wie solches seit Mengs immer der Fall gewesen; man kann aber sagen, die Forderung der Totalität und besonders des Charakteristischen, wodurch jene herbeigeführt werden müßte, sei fort und fort lauter und dringender geworden, daher entstehe nun der weite Abstand zwischen dem, was der Kunstrichter begehrt und was der Künstler leistet. Die Kritik fordert mehr streng als billig nach einem Maßstab, den die allerhöchsten Kunstprodukte ihr gereicht, und ist deswegen mit den neuentstehenden Werken meist unzufrieden: allein wenn gesteigerte Forderungen größeres Anstrengen erzeugen, und ernstlicher Anstrengung besseres Gelingen zu folgen pflegt; so darf man hoffen, aller Widerstreit werde sich ins Gute und Harmonische auflösen und die noch obwaltenden Irrtümer selbst das Rechte befördern helfen.

Skizzen zu einer Schilderung Winkelmanns

Vorwort

Die nachstehenden Aufsätze von drei Freunden verfaßt, welche sich in ihrer Gesinnung über die Kunst im allgemeinen sowohl als über die Verdienste Winkelmanns glücklich begegnen, sollten einem Aufsatz über diesen merkwürdigen Mann zum Grunde liegen und zum Stoff einer Arbeit dienen, die zugleich das Verdienst der Mannigfaltigkeit und der Einheit hätte.

Wie aber im Leben gar mancher Unternehmung vielerlei Hindernisse im Wege stehen, welche kaum erlauben, den möglichen Stoff zu sammeln, geschweige demselben die gewünschte Form zu geben; so erscheint auch hier nur die Hälfte des entworfenen Ganzen.

Weil jedoch in gegenwärtigem Falle die Hälfte vielleicht mehr als das Ganze geschätzt werden dürfte, indem der Leser durch Betrachtung dreier individueller Ansichten desselben Gegenstandes mehr gereizt und zu eigener Herstellung dieses bedeutenden Lebens und Charakters aufgefordert wird, welche mit Beihülfe der älteren und neueren Hülfsmittel bequem gelingen möchte; so glauben wir Dank zu verdienen, wenn wir, anstatt auf spätere Gelegenheit zu hoffen und eine künftige Ausführung zu versprechen, nach Winkelmanns eigner frischen Weise, eben das was gerade bereit ist, wenn es auch nicht fertig wäre, freundlich hingeben, damit es nach seiner Art in dem großen Umkreis des Lebens und der Bildung zeitig mitwirke.

 

I.

Einleitung

Das Andenken merkwürdiger Menschen, so wie die Gegenwart bedeutender Kunstwerke, regt von Zeit zu Zeit den Geist der Betrachtung auf. Beide stehen da als Vermächtnisse für jede Generation, in Taten und Nachruhm jene, diese wirklich erhalten als unaussprechliche Wesen. Jeder Einsichtige weiß recht gut, daß nur das Anschaun ihres besonderen Ganzen einen wahren Wert hätte, und doch versucht man immer aufs neue durch Reflexion und Wort ihnen etwas abzugewinnen.

Hiezu werden wir besonders aufgereizt, wenn etwas neues entdeckt und bekannt wird, das auf solche Gegenstände Bezug hat; und so wird man unsre erneuerte Betrachtung über W., seinen Charakter und sein Geleistetes in dem Augenblicke schicklich finden, da die eben jetzt herausgegebenen Briefe über seine Denkweise und Zustände ein lebhafteres Licht verbreiten.

 

Eintritt

Wenn die Natur gewöhnlichen Menschen die köstliche Mitgift nicht versagt, ich meine jenen lebhaften Trieb, von Kindheit an die äußere Welt mit Lust zu ergreifen, sie kennen zu lernen, sich mit ihr in Verhältnis zu setzen, mit ihr verbunden ein Ganzes zu bilden; so haben vorzügliche Geister öfters die Eigenheit, eine Art von Scheu vor dem wirklichen Leben zu empfinden, sich in sich selbst zurückzuziehen, in sich selbst eine eigene Welt zu erschaffen, und auf diese Weise das Vortrefflichste nach innen bezüglich zu leisten.

Findet sich hingegen in besonders begabten Menschen jenes gemeinsame Bedürfnis, eifrig, zu allem, was die Natur in sie gelegt hat, auch in der äußeren Welt die antwortenden Gegenbilder zu suchen und dadurch das Innere völlig zum Ganzen und Gewissen zu steigern; so kann man versichert sein, daß auch so ein für Welt und Nachwelt höchst erfreuliches Dasein sich ausbilden werde. Unser Winkelmann war von dieser Art. In ihn hatte die Natur gelegt, was den Mann macht und ziert. Dagegen verwendete er sein ganzes Leben ein ihm Gemäßes, Treffliches und Würdiges im Menschen und in der Kunst, die sich vorzüglich mit dem Menschen beschäftigt, aufzusuchen.

Eine niedrige Kindheit, unzulänglicher Unterricht in der Jugend, zerrissene, zerstreute Studien im Jünglingsalter, der Druck eines Schulamtes, und was in einer solchen Laufbahn ängstliches und beschwerliches erfahren wird, hatte er mit vielen Andern geduldet. Er war dreißig Jahr alt geworden, ohne irgend eine Gunst des Schicksals genossen zu haben; aber in ihm selbst lagen die Keime eines wünschenswerten und möglichen Glücks.

Wir finden schon in diesen seinen traurigen Zeiten die Spur jener Forderung, sich von den Zuständen der Welt mit eigenen Augen zu überzeugen, zwar dunkel und verworren, doch entschieden genug ausgesprochen. Einige nicht genugsam überlegte Versuche, fremde Länder zu sehen, mißglückten ihm. Er träumte sich eine Reise nach Ägypten; er begab sich auf den Weg nach Frankreich; unvorhergesehene Hindernisse wiesen ihn zurück. Besser geleitet von seinem Genius, ergriff er endlich die Idee, sich nach Rom durchzudrängen. Er fühlte, wie sehr ihm ein solcher Aufenthalt gemäß sei. Dies war kein Einfall, kein Gedanke mehr, es war ein entschiedener Plan, dem er mit Klugheit und Festigkeit entgegenging.

 

Antikes

Der Mensch vermag gar Manches durch zweckmäßigen Gebrauch einzelner Kräfte, er vermag das Außerordentliche durch Verbindung mehrerer Fähigkeiten; aber das Einzige, ganz Unerwartete leistet er nur, wenn sich die sämtlichen Eigenschaften gleichmäßig in ihm vereinigen. Das letzte war das glückliche Los der Alten, besonders der Griechen in ihrer besten Zeit; auf die beiden ersten sind wir Neuern vom Schicksal angewiesen.

Wenn die gesunde Natur des Menschen als ein Ganzes wirkt, wenn er sich in der Welt als in einem großen, schönen, würdigen und werten Ganzen fühlt, wenn das harmonische Behagen ihm ein reines, freies Entzücken gewährt; dann würde das Weltall, wenn es sich selbst empfinden könnte, als an sein Ziel gelangt aufjauchzen und den Gipfel des eigenen Werdens und Wesens bewundern. Denn wozu dient alle der Aufwand von Sonnen und Planeten und Monden, von Sternen und Milchstraßen, von Kometen und Nebelflecken, von gewordenen und werdenden Welten, wenn sich nicht zuletzt ein glücklicher Mensch unbewußt seines Daseins erfreut?

Wirft sich der Neuere, wie es uns eben jetzt ergangen, fast bei jeder Betrachtung ins Unendliche, um zuletzt, wenn es ihm glückt, auf einen beschränkten Punkt wieder zurückzukehren, so fühlten die Alten, ohne weitern Umweg, sogleich ihre einzige Behaglichkeit innerhalb der lieblichen Grenzen der schönen Welt. Hieher waren sie gesetzt, hiezu berufen, hier fand ihre Tätigkeit Raum, ihre Leidenschaft Gegenstand und Nahrung.

Warum sind ihre Dichter und Geschichtschreiber die Bewunderung des Einsichtigen, die Verzweiflung des Nacheifernden, als weil jene handelnden Personen, die aufgeführt werden, an ihrem eigenen Selbst, an dem engen Kreise ihres Vaterlandes, an der bezeichneten Bahn des eigenen sowohl als des mitbürgerlichen Lebens einen so tiefen Anteil nahmen, mit allem Sinn, aller Neigung, aller Kraft auf die Gegenwart wirkten; daher es einem gleichgesinnten Darsteller nicht schwer fallen konnte, eine solche Gegenwart zu verewigen.

Das, was geschah, hatte für sie den einzigen Wert, so wie für uns nur dasjenige, was gedacht oder empfunden worden, einigen Wert zu gewinnen scheint.

Nach einerlei Weise lebte der Dichter in seiner Einbildungskraft, der Geschichtschreiber in der politischen, der Forscher in der natürlichen Welt. Alle hielten sich am Nächsten, Wahren, Wirklichen fest, und selbst ihre Phantasiebilder haben Knochen und Mark. Der Mensch und das Menschliche wurden am wertesten geachtet, und alle seine innern, seine äußern Verhältnisse zur Welt mit so großem Sinne dargestellt als angeschaut. Noch fand sich das Gefühl, die Betrachtung nicht zerstückelt, noch war jene kaum heilbare Trennung in der gesunden Menschenkraft nicht vorgegangen. Aber nicht allein das Glück zu genießen, sondern auch das Unglück zu ertragen, waren jene Naturen höchlich geschickt: denn wie die gesunde Faser dem Übel widerstrebt, und bei jedem krankhaften Anfall sich eilig wieder herstellt; so vermag der jenen eigene gesunde Sinn sich gegen innern und äußern Unfall geschwind und leicht wieder herzustellen. Eine solche antike Natur war, insofern man es nur von einem unsrer Zeitgenossen behaupten kann, in Winkelmann wieder erschienen, die gleich anfangs ihr ungeheures Probestück ablegte, daß sie durch dreißig Jahre Niedrigkeit, Unbehagen und Kummer nicht gebändigt, nicht aus dem Wege gerückt, nicht abgestumpft werden konnte. Sobald er nur zu einer ihm gemäßen Freiheit gelangte, erscheint er ganz und abgeschlossen, völlig im antiken Sinne. Angewiesen auf Tätigkeit, Genuß und Entbehrung, Freude und Leid, Besitz und Verlust, Erhebung und Erniedrigung, und in solchem seltsamen Wechsel immer mit dem schönen Boden zufrieden, auf dem uns ein so veränderliches Schicksal heimsucht.

Hatte er nun im Leben einen wirklich altertümlichen Geist, so blieb ihm derselbe auch in seinen Studien getreu. Doch, wenn bei Behandlung der Wissenschaften im Großen und Breiten die Alten sich schon in einer gewissen peinlichen Lage befanden, indem zu Erfassung der mannigfaltigen, außermenschlichen Gegenstände eine Zerteilung der Kräfte und Fähigkeiten, eine Zerstückelung der Einheit fast unerläßlich ist; so hat ein Neuerer im ähnlichen Falle ein noch gewagteres Spiel, indem er bei der einzelnen Ausarbeitung des mannigfaltigen Wißbaren sich zu zerstreuen, in unzusammenhängenden Kenntnissen sich zu verlieren in Gefahr kömmt, ohne, wie es den Alten glückte, das Unzulängliche durch das Vollständige seiner Persönlichkeit zu vergüten.

So vielfach W. auch in dem Wißbaren und Wissenswerten herumschweifte, teils durch Lust und Liebe, teils durch Notwendigkeit geleitet; so kam er doch früher oder später immer zum Altertum, besonders zum griechischen, zurück, mit dem er sich so nahe verwandt fühlte, und mit dem er sich in seinen besten Tagen so glücklich vereinigen sollte.

 

Heidnisches

Jene Schilderung des altertümlichen, auf diese Welt und ihre Güter angewiesenen Sinnes, führt uns unmittelbar zur Betrachtung, daß dergleichen Vorzüge nur mit einem heidnischen Sinne vereinbar seien. Jenes Vertrauen auf sich selbst, jenes Wirken in der Gegenwart, die reine Verehrung der Götter als Ahnherren, die Bewunderung derselben gleichsam nur als Kunstwerke, die Ergebenheit in ein übermächtiges Schicksal, die in dem hohen Werte des Nachruhms selbst wieder auf diese Welt angewiesene Zukunft gehören so notwendig zusammen, machen solch ein unzertrennliches Ganze, bilden sich zu einem von der Natur selbst beabsichtigten Zustand des menschlichen Wesens, daß wir in dem höchsten Augenblicke des Genusses, wie in dem tiefsten der Aufopferung, ja des Untergangs eine unverwüstliche Gesundheit gewahr werden.

Dieser heidnische Sinn leuchtet aus Ws Handlungen und Schriften hervor, und spricht sich besonders in seinen frühern Briefen aus, wo er sich noch im Konflikt mit neuern Religionsgesinnungen abarbeitet. Diese seine Denkweise, diese Entfernung von aller christlichen Sinnesart, ja seinen Widerwillen dagegen muß man im Auge haben, wenn man seine sogenannte Religionsveränderung beurteilen will. Diejenigen Parteien, in welche sich die christliche Religion teilt, waren ihm völlig gleichgültig, indem er, seiner Natur nach, niemals zu einer der Kirchen gehörte, welche sich ihr subordinieren.

 

Freundschaft

Waren jedoch die Alten, so wie wir von ihnen rühmen, wahrhaft ganze Menschen, so mußten sie, indem sie sich selbst und die Welt behaglich empfanden, die Verbindungen menschlicher Wesen in ihrem ganzen Umfange kennen lernen, sie durften jenes Entzückens nicht ermangeln, das aus der Verbindung ähnlicher Naturen hervorspringt.

Auch hier zeigt sich ein merkwürdiger Unterschied alter und neuer Zeit. Das Verhältnis zu den Frauen, das bei uns so zart und geistig geworden, erhob sich kaum über die Grenze des gemeinsten Bedürfnisses. Das Verhältnis der Eltern zu den Kindern scheint einigermaßen zarter gewesen zu sein. Statt aller Empfindungen aber galt ihnen die Freundschaft unter Personen männlichen Geschlechtes, obgleich auch Chloris und Thyia noch im Hades als Freundinnen unzertrennlich sind.

Die leidenschaftliche Erfüllung liebevoller Pflichten, die Wonne der Unzertrennlichkeit, die Hingebung eines für den andern, die ausgesprochene Bestimmung für das ganze Leben, die notwendige Begleitung in den Tod setzen uns bei Verbindung zweier Jünglinge in Erstaunen, ja man fühlt sich beschämt, wenn uns Dichter, Geschichtschreiber, Philosophen, Redner, mit Fabeln, Ereignissen, Gefühlen, Gesinnungen solchen Inhaltes und Gehaltes überhäufen.

Zu einer Freundschaft dieser Art fühlte W. sich geboren, derselben nicht allein sich fähig, sondern auch im höchsten Grade bedürftig; er empfand sein eigenes Selbst nur unter der Form der Freundschaft, er erkannte sich nur unter dem Bilde des durch einen dritten zu vollendenden Ganzen. Frühe schon legte er dieser Idee einen vielleicht unwürdigen Gegenstand unter, er widmete sich ihm, für ihn zu leben und zu leiden, für denselben fand er selbst in seiner Armut Mittel reich zu sein, zu geben, aufzuopfern, ja er zweifelt nicht, sein Dasein, sein Leben zu verpfänden. Hier ist es, wo sich W. selbst mitten in Druck und Not, groß, reich, freigebig und glücklich fühlt, weil er dem etwas leisten kann, den er über alles liebt, ja dem er sogar, als höchste Aufopferung, Undankbarkeit zu verzeihen hat.

Wie auch die Zeiten und Zustände wechseln, so bildet W. alles Würdige, was ihm naht, nach dieser Urform zu seinem Freund um, und wenn ihm gleich Manches von diesen Gebilden leicht und halb vorüberschwindet; so erwirbt ihm doch diese schöne Gesinnung das Herz manches Trefflichen und er hat das Glück, mit den besten seines Zeitalters und Kreises in dem schönsten Verhältnisse zu stehen.

 

Schönheit

Wenn aber jenes tiefe Freundschaftsbedürfnis sich eigentlich seinen Gegenstand erschafft und ausbildet; so würde dem altertümlich gesinnten dadurch nur ein einseitiges, ein sittliches Wohl zuwachsen, die äußere Welt würde ihm wenig leisten, wenn nicht ein verwandtes, gleiches Bedürfnis und ein befriedigender Gegenstand desselben glücklich hervorträte, wir meinen die Forderung des sinnlich Schönen und das sinnlich Schöne selbst: denn das letzte Produkt der sich immer steigernden Natur, ist der schöne Mensch. Zwar kann sie ihn nur selten hervorbringen, weil ihren Ideen gar viele Bedingungen widerstreben, und selbst ihrer Allmacht ist es unmöglich, lange im Vollkommnen zu verweilen und dem hervorgebrachten Schönen eine Dauer zu geben. Denn genau genommen kann man sagen, es sei nur ein Augenblick, in welchem der schöne Mensch schön sei.

Dagegen tritt nun die Kunst ein, denn indem der Mensch auf den Gipfel der Natur gestellt ist, so sieht er sich wieder als eine ganze Natur an, die in sich abermals einen Gipfel hervorzubringen hat. Dazu steigert er sich, indem er sich mit allen Vollkommenheiten und Tugenden durchdringt, Wahl, Ordnung, Harmonie und Bedeutung aufruft, und sich endlich bis zur Produktion des Kunstwerkes erhebt, das neben seinen übrigen Taten und Werken einen glänzenden Platz einnimmt. Ist es einmal hervorgebracht, steht es in seiner idealen Wirklichkeit vor der Welt, so bringt es eine dauernde Wirkung, es bringt die höchste hervor: denn indem es aus den gesamten Kräften sich geistig entwickelt, so nimmt es alles herrliche, verehrungs- und liebenswürdige in sich auf und erhebt, indem es die menschliche Gestalt beseelt, den Menschen über sich selbst, schließt seinen Lebens- und Tatenkreis ab und vergöttert ihn für die Gegenwart, in der das Vergangene und Künftige begriffen ist. Von solchen Gefühlen wurden die ergriffen, die den olympischen Jupiter erblickten, wie wir aus den Beschreibungen, Nachrichten und Zeugnissen der Alten uns entwickeln können. Der Gott war zum Menschen geworden, um den Menschen zum Gott zu erheben. Man erblickte die höchste Würde und ward für die höchste Schönheit begeistert. In diesem Sinne kann man wohl jenen Alten Recht geben, welche mit völliger Überzeugung aussprachen: es sei ein Unglück zu sterben, ohne dieses Werk gesehen zu haben.

Für diese Schönheit war Winkelmann, seiner Natur nach, fähig, er ward sie in den Schriften der Alten zuerst gewahr; aber sie kam ihm aus den Werken der bildenden Kunst persönlich entgegen, aus denen wir sie erst kennen lernen, um sie an den Gebilden der lebendigen Natur gewahr zu werden und zu schätzen.

Finden nun beide Bedürfnisse der Freundschaft und der Schönheit zugleich an einem Gegenstande Nahrung, so scheint das Glück und die Dankbarkeit des Menschen über alle Grenzen hinauszusteigen, und alles, was er besitzt, mag er so gern als schwache Zeugnisse seiner Anhänglichkeit und seiner Verehrung hingeben.

So finden wir W. oft in Verhältnis mit schönen Jünglingen, und niemals erscheint er belebter und liebenswürdiger, als in solchen, oft nur flüchtigen Augenblicken.

 

Katholizismus

Mit solchen Gesinnungen, mit solchen Bedürfnissen und Wünschen frönte W. lange Zeit fremden Zwecken. Nirgend um sich her sah er die mindeste Hoffnung zu Hülfe und Beistand.

Der Graf Bünau, der als Particulier nur ein bedeutendes Buch weniger hätte kaufen dürfen, um W. einen Weg nach Rom zu eröffnen, der als Minister Einfluß genug hatte, dem trefflichen Mann aus aller Verlegenheit zu helfen, mochte ihn wahrscheinlich als tätigen Diener nicht gern entbehren, oder hatte keinen Sinn für das große Verdienst, der Welt einen tüchtigen Mann zugefördert zu haben. Der Dresdner Hof, woher allenfalls eine hinlängliche Unterstützung zu hoffen war, bekannte sich zur römischen Kirche, und kaum war ein anderer Weg zu Gunst und Gnade zu gelangen, als durch Beichtväter und andre geistliche Personen.

Das Beispiel des Fürsten wirkt mächtig um sich her, und fordert mit heimlicher Gewalt jeden Staatsbürger zu ähnlichen Handlungen auf, die in dem Kreise des Privatmanns irgend zu leisten sind, vorzüglich also zu sittlichen. Die Religion des Fürsten bleibt, in gewissem Sinne, immer die herrschende, und die römische Religion reißt, gleich einem immer bewegten Strudel, die ruhig vorbeiziehende Welle an sich und in ihren Kreis.

Dabei mußte W. fühlen, daß man, um in Rom ein Römer zu sein, um sich innig mit dem dortigen Dasein zu verweben, eines zutraulichen Umgangs zu genießen, notwendig zu jener Gemeine sich bekennen, ihren Glauben zugeben, sich nach ihren Gebräuchen bequemen müsse. Und so zeigte der Erfolg, daß er, ohne diesen früheren Entschluß, seinen Zweck nicht vollständig erreicht hätte, und dieser Entschluß ward ihm dadurch gar sehr erleichtert, daß ihn, als einen gründlich gebornen Heide, die protestantische Taufe zum Christen einzuweihen nicht vermögend gewesen.

Doch gelang ihm die Veränderung seines Zustandes nicht ohne heftigen Kampf. Wir können nach unserer Überzeugung, nach genugsam abgewogenen Gründen, endlich einen Entschluß fassen, der mit unserm Wollen, Wünschen und Bedürfen völlig harmonisch ist, ja zu Erhaltung und Förderung unserer Existenz unausweichlich scheint, so daß wir mit uns völlig zur Einigkeit gelangen. Ein solcher Entschluß aber kann mit der allgemeinen Denkweise, mit der Überzeugung vieler Menschen im Widerspruch stehen; dann beginnt ein neuer Streit, der zwar bei uns keine Ungewißheit, aber eine Unbehaglichkeit erregt, einen ungeduldigen Verdruß, daß wir nach außen hie und da Brüche finden, wo wir nach innen eine ganze Zahl zu sehen glauben.

Und so erscheint auch W. bei seinem vorgehabten Schritt, besorgt, ängstlich, kummervoll und in leidenschaftlicher Bewegung, wenn er sich die Wirkung dieses Unternehmens, besonders auf seinen ersten Gönner, den Grafen, bedenkt. Wir schön, tief und rechtlich sind seine vertraulichen Äußerungen über diesen Punkt!

Denn es bleibt freilich ein Jeder, der die Religion verändert, mit einer Art von Makel bespritzt, von der es unmöglich scheint, ihn zu reinigen. Wir sehen daraus, daß die Menschen den beharrenden Willen über alles zu schätzen wissen und um so mehr schätzen, als sie sämtlich in Parteien geteilt, ihre eigene Sicherheit und Dauer beständig im Auge haben. Hier ist weder von Gefühl, noch von Überzeugung die Rede. Ausdauern soll man, da, wo uns mehr das Geschick als die Wahl hingestellt. Bei einem Volke, einer Stadt, einem Fürsten, einem Freunde, einem Weibe festhalten, darauf alles beziehen, deshalb alles wirken, alles entbehren und dulden, das wird geschätzt; Abfall dagegen bleibt verhaßt, Wankelmut wird lächerlich. War dieser nun die eine schroffe, sehr ernste Seite, so läßt sich die Sache auch von einer andern ansehn, von der man sie heiterer und leichter nehmen kann. Gewisse Zustände des Menschen, die wir keinesweges billigen, gewisse sittliche Flecken an dritten Personen haben für unsre Phantasie einen besondern Reiz. Will man uns ein Gleichnis erlauben, so möchten wir sagen, es ist damit, wie mit dem Wildbret, das dem feinen Gaumen mit einer kleinen Andeutung von Fäulnis weit besser als frisch gebraten schmeckt. Eine geschiedene Frau, ein Renegat machen auf uns einen besonders reizenden Eindruck. Personen, die uns sonst vielleicht nur merkwürdig und liebenswürdig vorkämen, erscheinen uns nun als wundersam, und es ist nicht zu leugnen, daß die Religionsveränderung Winkelmanns das Romantische seines Lebens und Wesens vor unserer Einbildungskraft merklich erhöht.

Aber für W. selbst hatte die katholische Religion nichts anzügliches. Er sah in ihr bloß das Maskenkleid, das er umnahm, und drückt sich darüber hart genug aus. Auch später scheint er an ihren Gebräuchen nicht genugsam festgehalten, ja vielleicht gar durch lose Reden sich bei eifrigen Bekennern verdächtig gemacht zu haben, wenigstens ist hie und da eine kleine Furcht vor der Inquisition sichtbar.

 

Gewahrwerden griechischer Kunst

Von allem literarischen, ja selbst von dem höchsten was sich mit Wort und Sprache beschäftigt, von Poesie und Rhetorik, zu den bildenden Künsten überzugehen, ist schwer, ja fast unmöglich: denn es liegt eine ungeheure Kluft dazwischen, über welche uns nur ein besonders geeignetes Naturell hinüberhebt. Um zu beurteilen, inwiefern dieses Winkelmannen gelungen, liegen der Dokumente nunmehr genugsam vor uns.

Durch die Freude des Genusses ward er zuerst zu den Kunstschätzen hingezogen; allein zu Benutzung, zu Beurteilung derselben bedurfte er noch der Künstler als Mittelspersonen, deren mehr oder weniger gültige Meinungen er aufzufassen, zu redigieren und aufzustellen wußte, woraus denn seine noch in Dresden herausgegebene Schrift: über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst, nebst zwei Anhängen, entstanden ist.

So sehr W. schon hier auf dem rechten Wege erscheint, so köstliche Grundstellen diese Schriften auch enthalten, so richtig das letzte Ziel der Kunst darin schon aufgesteckt ist; so sind sie doch, sowohl dem Stoff als der Form nach, dergestalt barock und wunderlich, daß man ihnen wohl vergebens durchaus einen Sinn abzugewinnen suchen möchte, wenn man nicht von der Persönlichkeit der damals in Sachsen versammelten Kenner und Kunstrichter, von ihren Fähigkeiten, Meinungen, Neigungen und Grillen näher unterrichtet ist; weshalb diese Schriften für die Nachkommenden ein verschlossenes Buch bleiben werden, wenn sich nicht unterrichtete Liebhaber der Kunst, die jenen Zeiten näher gelebt haben, bald entschließen sollten, eine Schilderung der damaligen Zustände, insofern es noch möglich ist, zu geben oder zu veranlassen.

Lippert, Hagedorn, Oeser, Diterich, Heinecke, Oesterreich liebten, trieben, beförderten die Kunst jeder auf seine Weise. Ihre Zwecke waren beschränkt, ihre Maximen einseitig, ja öfters wunderlich. Geschichten und Anekdoten kursierten, deren mannigfaltige Anwendung nicht allein die Gesellschaft unterhalten, sondern auch belehren sollte. Aus solchen Elementen entstanden jene Schriften Winkelmanns, der diese Arbeiten gar bald selbst unzulänglich fand, wie er es denn auch seinen Freunden nicht verhehlte.

Doch trat er endlich, wo nicht genugsam vorbereitet, doch einigermaßen vorgeübt, seinen Weg an, und gelangte nach jenem Lande, wo für jeden Empfänglichen die eigenste Bildungsepoche beginnt, welche sich über dessen ganzes Wesen verbreitet und solche Wirkungen äußert, die eben so reell als harmonisch sein müssen, weil sie sich in der Folge als ein festes Band zwischen höchst verschiedenen Menschen kräftig erweisen.

 

Rom

Winkelmann war nun in Rom, und wer konnte würdiger sein, die Wirkung zu fühlen, die jener große Zustand auf eine wahrhaft empfängliche Natur hervorzubringen im Stande ist. Er sieht seine Wünsche erfüllt, sein Glück begründet, seine Hoffnungen überbefriedigt. Verkörpert stehn seine Ideen um ihn her, mit Staunen wandert er durch die Reste eines Riesenzeitalters, das Herrlichste, was die Kunst hervorgebracht hat, steht unter freiem Himmel; ohnentgeltlich, wie zu den Sternen des Firmaments, wendet er seine Augen zu solchen Wunderwerken empor, und jeder verschlossene Schatz öffnet sich für eine kleine Gabe. Der Ankömmling schleicht wie ein Pilgrim unbemerkt umher, dem Herrlichsten und Heiligsten naht er sich in unscheinbarem Gewand, noch läßt er nichts Einzelnes auf sich eindringen, das Ganze wirkt auf ihn unendlich mannigfaltig, und schon fühlt er die Harmonie voraus, die aus diesen vielen, oft feindselig scheinenden Elementen zuletzt für ihn entstehen muß. Er beschaut, er betrachtet alles, und wird, auf daß ja sein Behagen vollkommener werde, für einen Künstler gehalten, für den man denn doch am Ende so gerne gelten mag.

Wie uns ein Freund die mächtige Wirkung, welche jener Zustand ausübt, geistvoll entwickelte, teilen wir unsern Lesern statt aller weitern Betrachtungen mit.

 

Rom ist der Ort, in dem sich für unsere Ansicht das ganze Altertum in Eins zusammenzieht, und was wir also bei den alten Dichtern, bei den alten Staatsverfassungen empfinden, glauben wir in Rom mehr noch als zu empfinden, selbst anzuschauen. Wie Homer sich nicht mit andern Dichtern, so läßt sich Rom mit keiner andern Stadt, römische Gegend mit keiner andern vergleichen. Es gehört allerdings das Meiste von diesem Eindruck uns und nicht dem Gegenstande; aber es ist nicht bloß der empfindelnde Gedanke, zu stehen, wo dieser oder jener große Mann stand, es ist ein gewaltsames Hinreißen in eine von uns nun einmal, sei es auch durch eine notwendige Täuschung, als edler und erhabener angesehene Vergangenheit; eine Gewalt, der selbst, wer wollte, nicht widerstehen kann, weil die Öde, in der die jetzigen Bewohner das Land lassen, und die unglaubliche Masse von Trümmern selbst das Auge dahin führen. Und da nun diese Vergangenheit dem innern Sinne in einer Größe erscheint, die allen Neid ausschließt, an der man sich überglücklich fühlt, nur mit der Phantasie Teil zu nehmen, ja an der keine andre Teilnahme nur denkbar ist, und dann den äußern Sinn zugleich die Lieblichkeit der Formen, die Größe und Einfachheit der Gestalten, der Reichtum der Vegetation, die doch wieder nicht üppig ist, wie in noch südlichern Gegenden, die Bestimmtheit der Umrisse in dem klaren Medium, und die Schönheit der Farben in durchgängige Klarheit versetzt; so ist hier der Naturgenuß reiner, von aller Bedürftigkeit entfernter Kunstgenuß. Überall sonst reihen sich Ideen des Kontrastes daran, und er wird elegisch oder satyrisch. Freilich indes ist es auch nur für uns so. Horaz empfand Tibur moderner, als wir Tivoli. Das beweist sein beatus ille, qui procul negotiis. Aber es ist auch nur eine Täuschung, wenn wir selbst Bewohner Athens und Roms zu sein wünschten. Nur aus der Ferne, nur von allem Gemeinen getrennt, nur als vergangen muß das Altertum uns erscheinen. Es geht damit, wie wenigstens mir und einem Freunde mit den Ruinen. Wir haben immer einen Ärger, wenn man eine halb versunkene ausgräbt; es kann höchstens ein Gewinn für die Gelehrsamkeit auf Kosten der Phantasie sein. Ich kenne für mich nur noch zwei gleich schreckliche Dinge, wenn man die Campagna di Roma anbauen und Rom zu einer polizierten Stadt machen wollte, in der kein Mensch mehr Messer trüge. Kommt je ein so ordentlicher Papst, was denn die 72 Kardinäle verhüten mögen, so ziehe ich aus. Nur wenn in Rom eine so göttliche Anarchie, und um Rom eine so himmlische Wüstenei ist, bleibt für die Schatten Platz, deren einer mehr wert ist, als dies ganze Geschlecht.

 

Mengs

Aber W. hätte lange Zeit in den weiten Kreisen altertümlicher Überbleibsel nach den wertesten, seiner Betrachtung würdigsten Gegenständen umhergetastet, hätte das Glück ihn nicht sogleich mit Mengs zusammengebracht. Dieser, dessen eigenes großes Talent auf die alten und besonders die schönen Kunstwerke gerichtet war, machte seinen Freund sogleich mit dem Vorzüglichsten bekannt, was unserer Aufmerksamkeit wert ist. Hier lernte dieser die Schönheit der Formen und ihrer Behandlung kennen, und sah sich sogleich aufgeregt, eine Schrift vom Geschmack der griechischen Künstler zu unternehmen.

Wie man aber nicht lange mit Kunstwerken aufmerksam umgehen kann, ohne zu finden, daß sie nicht allein von verschiedenen Künstlern, sondern auch aus verschiedenen Zeiten herrühren, und daß sämtliche Betrachtungen des Ortes, des Zeitalters, des individuellen Verdienstes zugleich angestellt werden müssen; also fand auch Winkelmann mit seinem Geradsinne, daß hier die Achse der ganzen Kunstkenntnis befestigt sei. Er hielt sich zuerst an das Höchste, das er in einer Abhandlung von dem Stile der Bildhauerei in den Zeiten des Phidias darzustellen gedachte. Doch bald erhob er sich über die Einzelheiten zu der Idee einer Geschichte der Kunst, und entdeckte, als ein neuer Kolumbus, ein lange geahndetes, gedeutetes und besprochenes, ja man kann sagen, ein früher schon gekanntes und wieder verlornes Land.

Traurig ist immer die Betrachtung, wie erst durch die Römer, nachher durch das Eindrängen nordischer Völker, und durch die daraus entstandene Verwirrung das Menschengeschlecht in eine solche Lage gekommen, daß alle wahre, reine Bildung in ihren Fortschritten für lange Zeit gehindert, ja beinahe für alle Zukunft unmöglich gemacht worden.

Man mag in eine Kunst oder Wissenschaft hineinblicken, in welche man will, so hatte der gerade, richtige Sinn dem alten Beobachter schon manches entdeckt, was durch die folgende Barbarei und durch die barbarische Art sich aus der Barbarei zu retten, ein Geheimnis ward, blieb, und für die Menge noch lange ein Geheimnis bleiben wird, da die höhere Kultur der neuern Zeit nur langsam ins Allgemeine wirken kann.

Vom Technischen ist hier die Rede nicht, dessen sich glücklicherweise das Menschengeschlecht bedient, ohne zu fragen, woher es komme, und wohin es führe.

Zu diesen Betrachtungen werden wir durch einige Stellen alter Autoren veranlaßt, wo sich schon Ahndungen, ja sogar Andeutungen einer möglichen und notwendigen Kunstgeschichte finden.

Vellejus Paterculus bemerkt mit großem Anteil das ähnliche Steigen und Fallen aller Künste. Ihn als Weltmann beschäftigte besonders die Betrachtung, daß sie sich nur kurze Zeit auf dem höchsten Punkte, den sie erreichen können, zu erhalten wissen. Auf seinem Standorte war es ihm nicht gegeben, die ganze Kunst als ein Lebendiges (ζῷον) anzusehen, das einen unmerklichen Ursprung, einen langsamen Wachstum, einen glänzenden Augenblick seiner Vollendung, eine stufenfällige Abnahme, wie jedes andre organische Wesen, nur in mehreren Individuen notwendig darstellen muß. Er gibt daher nur sittliche Ursachen an, die freilich als mitwirkend nicht ausgeschlossen werden können, seinem großen Scharfsinn aber nicht genug tun, weil er wohl fühlt, daß eine Notwendigkeit hier im Spiel ist, die sich aus freien Elementen nicht zusammensetzen läßt.

 

Daß wie den Rednern es auch den Grammatikern, Malern und Bildhauern gegangen, wird jeder finden, der die Zeugnisse der Zeiten verfolgt; durchaus wird die Vortrefflichkeit der Kunst von dem engsten Zeitraume umschlossen. Warum nun mehrere, ähnliche, fähige Menschen sich in einem gewissen Jahreskreis zusammenziehen und sich zu gleicher Kunst und deren Beförderung versammeln, bedenke ich immer, ohne die Ursachen zu entdecken, die ich als wahr angeben möchte. Unter den wahrscheinlichen sind mir folgende die wichtigsten. Nacheiferung nährt die Talente, bald reizt der Neid, bald die Bewunderung zur Nachahmung und schnell erhebt sich das mit so großem Fleiß geförderte auf die höchste Stelle. Schwer verweilt sich's im Vollkommenen und was nicht vorwärts gehen kann, schreitet zurück. Und so sind wir anfangs unsern Vordermännern nachzukommen bemüht, dann aber, wenn wir sie zu übertreffen oder zu erreichen verzweifeln, veraltet der Fleiß mit der Hoffnung, und was man nicht erlangen kann, verfolgt man nicht mehr, man strebt nicht mehr nach dem Besitz, den andre schon ergriffen, man späht nach etwas Neuem, und so lassen wir das, worin wir nicht glänzen könnten, fahren und suchen für unser Streben ein ander Ziel. Aus dieser Unbeständigkeit, wie mich dünkt, entsteht das größte Hindernis vollkommene Werke hervorzubringen.

Auch eine Stelle Quintilians, die einen bündigen Entwurf der alten Kunstgeschichte enthält, verdient als ein wichtiges Denkmal in diesem Fache ausgezeichnet zu werden.

Quintilian mag gleichfalls, bei Unterhaltung mit römischen Kunstliebhabern, eine auffallende Ähnlichkeit zwischen dem Charakter der griechischen, bildenden Künstler mit dem der römischen Redner gefunden und sich bei Kennern und Kunstfreunden deshalb näher unterrichtet haben, so daß er bei seiner gleichnisweisen Aufstellung, da jedesmal der Kunstcharakter mit dem Zeitcharakter zusammenfällt, ohne es zu wissen oder zu wollen, eine Kunstgeschichte selbst darzustellen genötigt ist.

 

Man sagt, die ersten berühmten Maler, deren Werke man nicht bloß des Altertums wegen besucht, seien Polygnot und Aglaophon. Ihr einfaches Kolorit findet noch eifrige Liebhaber, welche dergleichen rohe Arbeiten und Anfänge einer sich entwickelnden Kunst den größten Meistern der folgenden Zeit vorziehen, wie mich dünkt, nach einer eigenen Sinnesweise.

Nachher haben Xeuxis und Parrhasius, die nicht weit auseinander lebten, beide ungefähr um die Zeit des peloponnesischen Kriegs, die Kunst sehr befördert. Der erste soll die Gesetze des Lichtes und Schattens erfunden, der andre aber sich auf genaue Untersuchung der Linien eingelassen haben. Ferner gab Xeuxis den Gliedern mehr Inhalt und machte sie völliger und ansehnlicher. Er folgte hierin, wie man glaubt, dem Homer, welchem die gewaltigste Form auch an den Weibern gefällt. Parrhasius aber bestimmte alles dergestalt, daß sie ihn den Gesetzgeber nennen, weil die Vorbilder von Göttern und Helden, wie er sie überliefert hat, von andern als nötigend befolgt und beibehalten werden.

So blühte die Malerei um die Zeit des Philippus bis zu den Nachfolgern Alexanders, aber in verschiedenen Talenten. Denn an Sorgfalt ist Protogenes, an Überlegung Pamphilus und Melanthius, an Leichtigkeit Antiphilus, an Erfindung seltsamer Erscheinungen, die man Phantasien nennt, Theon der Samier, an Geist und Anmut Apelles von Niemanden übertroffen worden. Euphranorn bewundert man, daß er in Rücksicht der Kunsterfordernisse überhaupt unter die besten gerechnet werden muß, und zugleich in der Maler- und Bildhauerkunst vortrefflich war.

Denselben Unterschied findet man auch bei der Plastik. Denn Kalon und Hegesias haben härter und den Toskanern ähnlich gearbeitet, Kaiamis weniger streng, noch weicher Myron.

Fleiß und Zierlichkeit besitzt Polyklet vor Allen. Ihm wird von Vielen der Preis zuerkannt; doch damit ihm etwas abgehe, meint man, ihm fehle das Gewicht. Denn wie er die menschliche Form zierlicher gemacht, als die Natur sie zeigt, so scheint er die Würde der Götter nicht völlig auszufüllen, ja er soll sogar das ernstere Alter vermieden, und sich über glatte Wangen nicht hinausgewagt haben.

Was aber dem Polyklet abgeht, wird dem Phidias und Alkamenes zugestanden. Phidias soll Götter und Menschen am vollkommensten gebildet, besonders in Elfenbein seinen Nebenbuhler weit übertroffen haben. Also würde man urteilen, wenn er auch nichts als die Minerva zu Athen oder den olympischen Jupiter in Elis gemacht hätte, dessen Schönheit der angenommenen Religion, wie man sagt, zu Statten kam, so sehr hat die Majestät des Werks dem Gotte sich gleichgestellt.

Lysippus und Praxiteles sollen, nach der allgemeinen Meinung, sich der Wahrheit am besten genähert haben; Demetrius aber wird getadelt, daß er hierin zu viel getan; er hat die Ähnlichkeit der Schönheit vorgezogen.

 

Literarisches Metier

Nicht leicht ist ein Mensch glücklich genug, für seine höhere Ausbildung von ganz uneigennützigen Gönnern die Hülfsmittel zu erlangen. Selbst wer das Beste zu wollen glaubt, kann nur das befördern, was er liebt und kennt, oder noch eher, was ihm nutzt. Und so war auch die literarisch-bibliographische Bildung dasjenige Verdienst, das W. früher dem Grafen Bünau und später dem Kardinal Passionei empfahl.

Ein Bücherkenner ist überall willkommen und er war es in jener Zeit noch mehr, als die Lust merkwürdige und rare Bücher zu sammeln lebendiger, das bibliothekarische Geschäft noch mehr in sich selbst beschränkt war. Eine große deutsche Bibliothek sah einer großen römischen ähnlich. Sie konnten mit einander im Besitz der Bücher wetteifern. Der Bibliothekar eines deutschen Grafen war für einen Kardinal ein erwünschter Hausgenosse und konnte sich auch da gleich wieder als zu Hause finden. Die Bibliotheken waren wirkliche Schatzkammern, anstatt daß man sie jetzt, bei dem schnellen Fortschreiten der Wissenschaften, bei dem zweckmäßigen und zwecklosen Anhäufen der Druckschriften, mehr als nützliche Vorratskammern und zugleich als unnütze Gerümpelkammern anzusehen hat, so daß ein Bibliothekar, weit mehr als sonst, sich von dem Gange der Wissenschaft, von dem Wert und Unwert der Schriften zu unterrichten Ursache hat, und ein deutscher Bibliothekar Kenntnisse besitzen muß, die fürs Ausland verloren wären.

Aber nur kurze Zeit, und nur so lange als es nötig war, um sich einen mäßigen Lebensunterhalt zu verschaffen, blieb W. seiner eigentlichen literarischen Beschäftigung getreu, so wie er auch bald das Interesse an dem was sich auf kritische Untersuchungen bezog, verlor, weder Handschriften vergleichen noch deutschen Gelehrten, die ihn über Manches befragten, zur Rede stehen wollte.

Doch hatten ihm seine Kenntnisse schon früher zu einer vorteilhaften Einleitung gedient. Das Privatleben der Italiäner überhaupt, besonders aber der Römer, hat aus mancherlei Ursachen etwas geheimnisvolles. Dieses Geheimnis, diese Absonderung, wenn man will, erstreckte sich auch über die Literatur. Gar mancher Gelehrter widmete sein Leben im Stillen einem bedeutenden Werke, ohne jemals damit erscheinen zu wollen oder zu können. Auch fanden sich häufiger, als in irgend einem Lande, Männer, welche, bei mannigfaltigen Kenntnissen und Einsichten, sich schriftlich oder gar gedruckt mitzuteilen nicht zu bewegen waren. Zu solchen fand W. den Eintritt gar bald eröffnet. Er nennt unter ihnen vorzüglich Giacomelli und Baldani, und erwähnt seiner zunehmenden Bekanntschaften, seines wachsenden Einflusses mit Vergnügen.

 

Kardinal Albani

Über alles förderte ihn das Glück, ein Hausgenosse des Kardinal Albani geworden zu sein. Dieser, der bei einem großen Vermögen und bedeutendem Einfluß, von Jugend auf eine entschiedene Kunstliebhaberei, die beste Gelegenheit sie zu befriedigen, und ein bis ans Wunderbare glänzendes Sammlerglück gehabt hatte, fand in späteren Jahren in dem Geschäft diese Sammlung würdig aufzustellen, und so mit jenen römischen Familien zu wetteifern, die früher auf den Wert solcher Schätze aufmerksam gewesen, sein höchstes Vergnügen, ja den dazu bestimmten Raum nach Art der Alten zu überfüllen, war sein Geschmack und seine Lust. Gebäude drängten sich an Gebäude, Saal an Saal, Halle zu Halle, Brunnen und Obelisken, Karyatiden und Basreliefe, Statuen und Gefäße fehlten weder im Hof- noch Gartenraum, indes große und kleinere Zimmer, Galerien und Kabinette die merkwürdigsten Monumente aller Zeiten enthielten.

Im Vorbeigehen gedachten wir, daß die Alten ihre Anlagen durchaus gleicher Weise gefüllt. So überhäuften die Römer ihr Capitol, daß es unmöglich scheint, alles habe darauf Platz gehabt. So war die Via sacra, das Forum, der Palatin überdrängt mit Gebäuden und Denkmälern, so daß die Einbildungskraft kaum noch eine Menschenmasse in diesen Räumen unterbringen könnte, wenn ihr nicht die Wirklichkeit ausgegrabener Städte zu Hülfe käme, wenn man nicht mit Augen sehen könnte, wie eng, wie klein, wie gleichsam nur als Modell zu Gebäuden, ihre Gebäude angelegt sind. Diese Bemerkung gilt sogar von der Villa des Hadrian, bei deren Anlage Raum und Vermögen genug zum Großen vorhanden war.

In einem solchen überfüllten Zustande verließ W. die Villa seines Herrn und Freundes, den Ort seiner höhern und erfreulichsten Bildung. So stand sie auch lange noch, nach dem Tode des Kardinals, zur Freude und Bewunderung der Welt, bis sie in der alles bewegenden und zerstreuenden Zeit ihres sämtlichen Schmuckes beraubt wurde. Die Statuen waren aus ihren Nischen und von ihren Stellen gehoben, die Basreliefe aus den Mauern herausgerissen und der ungeheure Vorrat zum Transport eingepackt. Durch den sonderbarsten Wechsel der Dinge führte man diese Schätze nur bis an die Tiber. In kurzer Zeit gab man sie dem Besitzer zurück, und der größte Teil, bis auf wenige Juwelen, befindet sich wieder an der alten Stelle. Jenes erste traurige Schicksal dieses Kunstelysiums und dessen Wiederherstellung durch eine abenteuerliche Wendung der Dinge, hätte Winkelmann erleben können. Doch wohl ihm, daß er dem irdischen Leid, so wie der zum Ersatz nicht immer hinreichenden Freude, schon entwachsen war.

 

Glücksfälle

Aber auch manches äußere Glück begegnete ihm auf seinem Wege, nicht allein, daß in Rom das Aufgraben der Altertümer lebhaft und glücklich von Statten ging; sondern es waren auch die Herculanischen und Pompejischen Entdeckungen teils neu, teils durch Neid, Verheimlichung und Langsamkeit unbekannt geblieben, und so kam er in eine Ernte, die seinem Geiste und seiner Tätigkeit genugsam zu schaffen gab.

Traurig ist es, wenn man das Vorhandne als fertig und abgeschlossen ansehen muß. Rüstkammern, Galerien und Museen, zu denen nichts hinzugefügt wird, haben etwas Grab- und Gespensterartiges; man beschränkt seinen Sinn in einem so beschränkten Kunstkreis, man gewöhnt sich solche Sammlungen als ein Ganzes anzusehen, anstatt daß man durch immer neuen Zuwachs erinnert werden sollte, daß in der Kunst, wie im Leben, kein Abgeschlossenes beharre, sondern ein Unendliches in Bewegung sei.

In einer so glücklichen Lage befand sich W. Die Erde gab ihre Schätze her, und durch den immerfort regen Kunsthandel bewegten sich manche alte Besitzungen ans Tageslicht, gingen vor seinen Augen vorbei, ermunterten seine Neigung, erregten sein Urteil und vermehrten seine Kenntnisse.

Kein geringer Vorteil für ihn war sein Verhältnis zu dem Erben der großen Stoschischen Besitzungen. Erst nach dem Tode des Sammlers lernte er diese kleine Kunstwelt kennen, und herrschte darin nach seiner Einsicht und Überzeugung. Freilich ging man nicht mit allen Teilen dieser äußerst schätzbaren Sammlung gleich vorsichtig um, wiewohl das Ganze einen Katalogen, zur Freude und zum Nutzen nachfolgender Liebhaber und Sammler, verdient hätte. Manches ward verschleudert; doch um die treffliche Gemmensammlung bekannter und verkäuflicher zu machen, unternahm W. mit dem Erben Stosch, die Fertigung eines Katalogs, von welchem Geschäft und dessen übereilter und doch immer geistreicher Behandlung uns die überbliebene Korrespondenz ein merkwürdiges Zeugnis ablegt.

Bei diesem auseinanderfallenden Kunstkörper, wie bei der sich immer vergrößernden und mehr vereinigenden albanischen Sammlung, zeigte sich unser Freund geschäftig, und alles was zum Sammeln oder Zerstreuen durch seine Hände ging, vermehrte den Schatz, den er in seinem Geiste angefangen hatte aufzustellen.

 

Unternommene Schriften

Schon als W. zuerst in Dresden der Kunst und den Künstlern sich näherte, und in diesem Fach als Anfänger erschien, war er als Literator ein gemachter Mann. Er übersah die Vorzeit, so wie die Wissenschaften in manchem Sinne. Er fühlte und kannte das Altertum, so wie das Würdige der Gegenwart, des Lebens und des Charakters, selbst in seinem tiefgedrücktem Zustande. Er hatte sich einen Stil gebildet. In der neuen Schule, die er betrat, horchte er nicht nur als ein gelehriger, sondern als ein gelehrter Jünger seinen Meistern zu, er horchte ihnen ihre bestimmten Kenntnisse leicht ab, und fing sogleich an alles zu nutzen und zu verbrauchen.

Auf einem höhern Schauplatze als zu Dresden, in einem höhern Sinne, der sich ihm geöffnet hatte, blieb er derselbige. Was er von Mengs vernahm, was die Umgebung ihm zurief, bewahrte er nicht etwa lange bei sich, ließ den frischen Most nicht etwa gären und klar werden, sondern, wie man sagt, daß man durch Lehren lerne, so lernte er im Entwerfen und Schreiben. Wie manchen Titel hat er uns hinterlassen, wie manche Gegenstände benannt, über die ein Werk erfolgen sollte, und diesem Anfang glich seine ganze antiquarische Laufbahn. Wir finden ihn immer in Tätigkeit, mit dem Augenblick beschäftigt, ihn dergestalt ergreifend und festhaltend, als wenn der Augenblick vollständig und befriedigend sein könnte, und ebenso ließ er sich wieder vom nächsten Augenblicke belehren. Diese Ansicht dient zu Würdigung seiner Werke.

Daß sie so, wie sie da liegen, erst als Manuskript auf das Papier gekommen, und sodann später im Druck für die Folgezeit fixiert worden, hing von unendlich mannigfaltigen, kleinen Umständen ab. Nur einen Monat später, so hätten wir ein anderes Werk, richtiger an Gehalt, bestimmter in der Form, vielleicht etwas ganz Anderes. Und eben darum bedauern wir höchlich seinen frühzeitigen Tod, weil er sich immer wieder umgeschrieben, und immer sein ferneres und neustes Leben in seine Schriften eingearbeitet hätte.

Und so ist alles, was er uns hinterlassen, als ein Lebendiges für die Lebendigen, nicht für die im Buchstaben Toten geschrieben. Seine Werke, verbunden mit seinen Briefen, sind eine Lebensdarstellung, sind ein Leben selbst. Sie sehen, wie das Leben der meisten Menschen, nur einer Vorbereitung, nicht einem Werke gleich. Sie veranlassen zu Hoffnungen, zu Wünschen, zu Ahndungen; wie man daran bessern will, so sieht man, daß man sich selbst zu bessern hätte; wie man sie tadeln will, so sieht man, daß man demselbigen Tadel, vielleicht auf einer höhern Stufe der Erkenntnis, selbst ausgesetzt sein möchte: denn Beschränkung ist überall unser Los.

 

Philosophie

Da bei dem Fortrücken der Kultur nicht alle Teile des menschlichen Wirkens und Umtreibens, an denen sich die Bildung offenbaret, in gleichem Wachstum gedeihen, vielmehr, nach günstiger Beschaffenheit der Personen und Umstände, einer dem andern voreilen und ein allgemeineres Interesse erregen muß; so entsteht daraus ein gewisses eifersüchtiges Mißvergnügen bei den Gliedern der so mannigfaltig verzweigten großen Familie, die sich oft um desto weniger vertragen, je näher sie verwandt sind.

Zwar ist es meistens eine leere Klage, wenn sich bald diese oder jene Kunst- und Wissenschaftsbeflissene beschweren, daß gerade ihr Fach von den Mitlebenden vernachlässigt werde: denn es darf nur ein tüchtiger Meister sich zeigen, so wird er die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Raphael möchte nur immer heute wieder hervortreten, und wir wollten ihm ein Übermaß von Ehre und Reichtum zusichern. Ein tüchtiger Meister weckt brave Schüler, und ihre Tätigkeit ästet wieder ins Unendliche.

Doch haben freilich von jeher die Philosophen besonders den Haß, nicht allein ihrer Wissenschaftsverwandten, sondern auch der Welt- und Lebensmenschen auf sich gezogen und vielleicht mehr durch ihre Lage, als durch eigene Schuld. Denn da die Philosophie, ihrer Natur nach, an das Allgemeinste, an das Höchste Anfoderung macht; so muß sie die weltlichen Dinge als in ihr begriffen, als ihr untergeordnet ansehen und behandeln.

Auch verleugnet man ihr diese anmaßlichen Forderungen nicht ausdrücklich, vielmehr glaubt Jeder ein Recht zu haben, an ihren Entdeckungen Teil zu nehmen, ihre Maximen zu nutzen, und was sie sonst reichen mag, zu verbrauchen. Da sie aber, um allgemein zu werden, sich eigener Worte, fremdartiger Kombinationen und seltsamer Einleitungen bedienen muß, die mit den besondern Zuständen der Weltbürger und mit ihren augenblicklichen Bedürfnissen nicht eben zusammenfallen; so wird sie von denen geschmäht, die nicht gerade die Handhabe finden können, wobei sie allenfalls noch anzufassen wäre.

Wollte man aber dagegen die Philosophen beschuldigen, daß sie selbst den Übergang zum Leben nicht sicher zu finden wissen, daß sie gerade da, wo sie ihre Überzeugung in Tat und Wirkung verwandeln wollen, die meisten Fehlgriffe tun und dadurch ihren Kredit vor der Welt selbst schmälern; so würde es hiezu an mancherlei Beispielen nicht fehlen.

W. beklagt sich bitter über die Philosophen seiner Zeit und über ihren ausgebreiteten Einfluß; aber mich dünkt, man kann einem jeden Einfluß aus dem Wege gehen, indem man sich [in] sein eigenes Fach zurückzieht. Sonderbar ist es, daß W. die Leipziger Akademie nicht bezog, wo er unter Christs Anleitung, und ohne sich um einen Philosophen in der Welt zu bekümmern, sich in seinem Hauptstudium bequemer hätte ausbilden können.

Doch steht, indem uns die Ereignisse der neuern Zeit vorschweben, eine Bemerkung hier wohl am rechten Platze, die wir auf unserm Lebenswege machen können, daß kein Gelehrter ungestraft jene große philosophische Bewegung, die durch Kant begonnen, von sich abgewiesen, sich ihr widersetzt, sie verachtet habe, außer etwa die echten Altertumsforscher, welche durch die Eigenheit ihres Studiums vor allen andern Menschen vorzüglich begünstigt zu sein scheinen.

Denn indem sie sich nur mit dem besten, was die Welt hervorgebracht hat, beschäftigen, und das Geringe, ja das Schlechtere nur im Bezug auf jenes Vortreffliche betrachten; so erlangen ihre Kenntnisse eine solche Fülle, ihre Urteile eine solche Sicherheit, ihr Geschmack eine solche Konsistenz, daß sie innerhalb ihres eigenen Kreises bis zur Verwunderung, ja bis zum Erstaunen, ausgebildet erscheinen.

Auch W. gelang dieses Glück, wobei ihm freilich die bildende Kunst und das Leben kräftig einwirkend zu Hülfe kamen.

 

Poesie

So sehr Winkelmann bei Lesung der alten Schriftsteller auch auf die Dichter Rücksicht genommen; so finden wir doch, bei genauer Betrachtung seiner Studien und seines Lebensganges, keine eigentliche Neigung zur Poesie, ja man könnte eher sagen, daß hie und da eine Abneigung hervorblicke; wie denn seine Vorliebe für alte gewohnte luthersche Kirchenlieder, und sein Verlangen ein solches unverfälschtes Gesangbuch selbst in Rom zu besitzen, wohl von einem tüchtigen, wackern Deutschen, aber nicht eben von einem Freunde der Dichtkunst zeuget.

Die Poeten der Vorzeit schienen ihn früher als Dokumente der alten Sprachen und Literaturen, später als Zeugnisse für bildende Kunst interessiert zu haben. Desto wunderbarer und erfreulicher ist es, wenn er selbst als Poet auftritt, und zwar als ein tüchtiger, unverkennbarer in seinen Beschreibungen der Statuen, ja beinahe durchaus in seinen spätern Schriften. Er sieht mit den Augen, er faßt mit dem Sinn unaussprechliche Werke, und doch fühlt er den unwiderstehlichen Drang mit Worten und Buchstaben ihnen beizukommen. Das vollendete Herrliche, die Idee woraus diese Gestalt entsprang, das Gefühl, das in ihm beim Schauen erregt ward, soll dem Hörer, dem Leser mitgeteilt werden, und indem er nun die ganze Rüstkammer seiner Fähigkeiten mustert, sieht er sich genötigt, nach dem Kräftigsten und Würdigsten zu greifen, was ihm zu Gebote steht. Er muß Poet sein, er mag daran denken, er mag wollen oder nicht.

 

Erlangte Einsicht

So sehr W. überhaupt auf ein gewisses Ansehn vor der Welt achtete, so sehr er sich einen literarischen Ruhm wünschte, so gut er seine Werke auszustatten und sie durch einen gewissen feierlichen Stil zu erheben suchte; so war er doch keinesweges blind gegen ihre Mängel, die er vielmehr auf das schnellste bemerkte, wie sich's bei seiner fortschreitenden, immer neue Gegenstände fassenden und bearbeitenden Natur notwendig ereignen mußte. Je mehr er nun in irgend einem Aufsatze dogmatisch und didaktisch zu Werke gegangen war, diese oder jene Erklärung eines Monuments, diese oder jene Auslegung und Anwendung einer Stelle behauptet und festgesetzt hatte, desto auffallender war ihm der Irrtum, sobald er durch neue Data sich davon überzeugt hielt, desto schneller war er geneigt, ihn auf irgend eine Weise zu verbessern.

Hatte er das Mskpt. noch in der Hand, so ward es umgeschrieben; war es zum Druck abgesendet, so wurden Verbesserungen und Nachträge hinterdrein geschickt, und von allen diesen Reuschritten machte er seinen Freunden kein Geheimnis: denn auf Wahrheit, Geradheit, Derbheit und Redlichkeit stand sein ganzes Wesen gegründet.

 

Spätere Werke

Ein glücklicher Gedanke ward ihm, zwar auch nicht auf einmal, sondern nur durch die Tat selbst klar, das Unternehmen seiner monumenti inediti.

Man sieht wohl, daß jene Lust neue Gegenstände bekannt zu machen, sie auf eine glückliche Weise zu erklären, die Altertumskunde in so großem Maße zu erweitern, ihn zuerst angelockt habe; dann tritt das Interesse hinzu, die von ihm in der Kunstgeschichte einmal aufgestellte Methode auch hier an Gegenständen, die er dem Leser vor Augen legt, zu prüfen, da denn zuletzt der glückliche Vorsatz sich entwickelte, in der vorausgeschickten Abhandlung das Werk über die Kunstgeschichte, das ihm schon im Rücken lag, stillschweigend zu verbessern, zu reinigen, zusammenzudrängen und vielleicht sogar teilweise aufzuheben.

Im Bewußtsein früherer Mißgriffe, über die ihn der Nicht-Römer kaum zu recht weisen durfte, schrieb er ein Werk in italiänischer Sprache, das auch in Rom gelten sollte. Nicht allein befleißigt er sich dabei der größten Aufmerksamkeit, sondern wählt sich auch freundschaftliche Kenner, mit denen er die Arbeit genau durchgeht, sich ihrer Einsicht, ihres Urteils auf das klügste bedient und so ein Werk zu Stande bringt, das als Vermächtnis auf alle Zeiten übergehen wird. Und er schreibt es nicht allein, er besorgt es, unternimmt es und leistet als ein armer Privatmann das, was einem wohlgegründeten Verleger, was akademischen Kräften Ehre machen würde.

 

Papst

Sollte man so viel von Rom sprechen, ohne des Papstes zu gedenken, der doch W.n wenigstens mittelbar manches Gute zufließen lassen!

W.s Aufenthalt in Rom fiel zum größten Teil unter die Regierung Benedict des XIV Lambertini, der als ein heiterer, behaglicher Mann lieber regieren ließ, als regierte; und so mögen auch die verschiedenen Stellen, welche W. bekleidete, ihm durch die Gunst seiner hohen Freunde mehr, als durch die Einsicht des Papstes in seine Verdienste geworden sein.

Doch finden wir ihn einmal auf eine bedeutende Weise in der Gegenwart des Hauptes der Kirche; ihm wird die besondre Auszeichnung dem Papste aus den monumenti inediti einige Stellen vorlesen zu dürfen, und er gelangt auch von dieser Seite zur höchsten Ehre, die einem Schriftsteller werden kann.

 

Charakter

Wenn bei sehr vielen Menschen, besonders aber bei Gelehrten, dasjenige was sie leisten, als die Hauptsache erscheint, und der Charakter sich dabei wenig äußert; so tritt im Gegenteil bei W. der Fall ein, daß alles dasjenige, was er hervorbringt, hauptsächlich deswegen merkwürdig und schätzenswert ist, weil sein Charakter sich immer dabei offenbart. Haben wir schon unter der Aufschrift vom Antiken und Heidnischen, vom Schönheits- und Freundschaftssinne einiges Allgemeine zum Anfang ausgesprochen; so wird das mehr Besondere hier gegen das Ende wohl seinen Platz verdienen.

W. war durchaus eine Natur, die es redlich mit sich selbst und mit andern meinte, seine angeborne Wahrheitsliebe entfaltete sich immer mehr und mehr, je selbstständiger und unabhängiger er sich fühlte, so daß er sich zuletzt die höfliche Nachsicht gegen Irrtümer, die im Leben und in der Literatur so sehr hergebracht ist, zum Verbrechen machte.

Eine solche Natur konnte wohl mit Behaglichkeit in sich selbst zurückkehren, doch finden wir auch hier jene altertümliche Eigenheit, daß er sich immer mit sich selbst beschäftigte, ohne sich eigentlich zu beobachten. Er denkt nur an sich, nicht über sich, ihm liegt im Sinne was er vorhat, er interessiert sich für sein ganzes Wesen, für den ganzen Umfang seines Wesens und hat das Zutrauen, daß seine Freunde sich auch dafür interessieren werden. Wir finden daher in seinen Briefen, vom höchsten moralischen bis zum gemeinsten physischen Bedürfnis, alles erwähnt, ja er spricht es aus, daß er sich von persönlichen Kleinigkeiten lieber, als von wichtigen Dingen unterhalte. Dabei bleibt er sich durchaus ein Rätsel, und erstaunt manchmal über seine eigene Erscheinung, besonders in Betrachtung dessen, was er war und was er geworden ist. Doch so kann man überhaupt jeden Menschen als eine vielsylbige Charade ansehen, wovon er selbst nur wenige Sylben zusammenbuchstabiert, indessen andre leicht das ganze Wort entziffern.

Auch finden wir bei ihm keine ausgesprochenen Grundsätze; sein richtiges Gefühl, sein gebildeter Geist dienen ihm im Sittlichen, wie im Ästhetischen, zum Leitfaden. Ihm schwebt eine Art natürlicher Religion vor, wobei jedoch Gott als Urquell des Schönen und kaum als ein auf den Menschen sonst bezügliches Wesen erscheint. Sehr schön beträgt sich W. innerhalb der Grenzen der Pflicht und Dankbarkeit.

Seine Vorsorge für sich selbst ist mäßig, ja nicht durch alle Zeiten gleich. Indessen arbeitet er aufs fleißigste, sich eine Existenz aufs Alter zu sichern. Seine Mittel sind edel; er zeigt sich selbst auf dem Wege zu jedem Zweck redlich, gerade, sogar trotzig und dabei klug und beharrlich. Er arbeitet nie planmäßig, immer aus Instinkt und mit Leidenschaft. Seine Freude an jedem Gefundenen ist heftig, daher Irrtümer unvermeidlich, die er jedoch bei lebhaftem Vorschreiten eben so geschwind zurücknimmt, als einsieht. Auch hier bewährt sich durchaus jene antike Anlage, die Sicherheit des Punktes von dem man ausgeht, die Unsicherheit des Zieles wohin man gelangen will, so wie die Unvollständigkeit und Unvollkommenheit der Behandlung, sobald sie eine ansehnliche Breite gewinnt.

 

Gesellschaft

Wenn er sich, durch seine frühere Lebensart wenig vorbereitet, in der Gesellschaft anfangs nicht ganz bequem befand; so trat ein Gefühl von Würde bald an die Stelle der Erziehung und Gewohnheit, und er lernte sehr schnell sich den Umständen gemäß betragen. Die Lust am Umgang mit vornehmen, reichen und berühmten Leuten, die Freude von ihnen geschätzt zu werden dringt überall durch, und in Absicht auf die Leichtigkeit des Umgangs hätte er sich in keinem bessern Elemente als in dem römischen befinden können.

Er bemerkt selbst, daß die dortigen besonders geistlichen Großen, so zeremoniös sie nach außen erscheinen, doch nach innen gegen ihre Hausgenossen bequem und vertraulich leben; allein er bemerkte nicht, daß hinter dieser Vertraulichkeit sich doch das orientalische Verhältnis des Herrn zum Knechte verbirgt. Alle südlichen Nationen würden eine unendliche lange Weile finden, wenn sie gegen die ihrigen sich in der fortdauernden, wechselseitigen Spannung erhalten sollten, wie es die Nordländer gewohnt sind. Reisende haben bemerkt, daß die Sklaven sich gegen ihre türkischen Herren mit weit mehr Aisance betragen, als nordische Hofleute gegen ihre Fürsten, und bei uns Untergebene gegen ihre Vorgesetzten; allein wenn man es genau betrachtet, so sind diese Achtungsbezeigungen eigentlich zu Gunsten der Untergebenen eingeführt, die dadurch ihren Obern immer erinnern, was er ihnen schuldig ist.

Der Südländer aber will Zeiten haben, wo er sich gehn läßt, und diese kommen seiner Umgebung zu gut. Dergleichen Szenen schildert W. mit großem Behagen, sie erleichtern ihm seine übrige Abhängigkeit, und nähren seinen Freiheitssinn, der mit Scheu auf jede Fessel hinsieht, die ihn allenfalls bedrohen könnte.

 

Fremde

Wenn W. durch den Umgang mit Einheimischen sehr glücklich ward; so erlebte er desto mehr Pein und Not von Fremden. Es ist wahr, nichts kann schrecklicher sein, als der gewöhnliche Fremde in Rom. An jedem andern Orte kann sich der Reisende eher selbst suchen und auch etwas ihm Gemäßes finden; wer sich aber nicht nach Rom bequemt, ist den wahrhaft römisch Gesinnten ein Greuel.

Man wirft den Engländern vor, daß sie ihren Teekessel überall mitführen, und sogar bis auf den Ätna hinaufschleppen; aber hat nicht jede Nation ihren Teekessel, worin sie, selbst auf Reisen, ihre von Hause mitgebrachten, getrockneten Kräuterbündel aufbraut?

Solche nach ihrem engen Maßstab urteilende, nicht um sich her sehende, vorübereilende, anmaßliche Fremde verwünscht W. mehr als einmal, verschwört sie nicht mehr herumzuführen, und läßt sich zuletzt doch wieder bewegen. Er scherzt über seine Neigung zum Schulmeistern, zu unterrichten, zu überzeugen, da ihm denn auch wieder in der Gegenwart durch Stand und Verdienste bedeutender Personen gar manches Gute zuwächst. Wir nennen hier nur den Fürsten von Dessau, die Erbprinzen von Mecklenburg-Strelitz und Braunschweig, so wie den Baron von Riedesel, einen Mann, der sich in der Sinnesart gegen Kunst und Altertum ganz unseres Freundes würdig erzeigte.

 

Welt

Wir finden bei W. das unnachlassende Streben nach Ästimation und Konsideration; aber er wünscht sie durch etwas Reelles zu erlangen. Durchaus dringt er auf das Reale der Gegenstände, der Mittel und der Behandlung; daher hat er eine so große Feindschaft gegen den französischen Schein.

So wie er in Rom Gelegenheit gefunden hatte mit Fremden aller Nationen umzugehen, so erhielt er auch solche Konnexionen auf eine geschickte und tätige Weise. Die Ehrenbezeigungen von Akademien und gelehrten Gesellschaften waren ihm angenehm, ja er bemühte sich darum.

Am meisten aber förderte ihn das im Stillen mit großem Fleiß ausgearbeitete Dokument seines Verdienstes, ich meine die Geschichte der Kunst. Sie ward sogleich ins Französische übersetzt, und er dadurch weit und breit bekannt.

Das, was ein solches Werk leistet, wird vielleicht am besten in den ersten Augenblicken anerkannt, das Wirksame desselben wird empfunden, das Neue lebhaft aufgenommen, die Menschen erstaunen, wie sie auf einmal gefördert werden; dahingegen eine kältere Nachkommenschaft mit eklem Zahn an den Werken ihrer Meister und Lehrer herumkostet und Forderungen aufstellt, die ihr gar nicht eingefallen wären, hätten jene nicht so viel geleistet, von denen man nun noch mehr fordert.

Und so war W. den gebildeten Nationen Europens bekannt geworden, in einem Augenblicke, da man ihm in Rom genugsam vertraute, um ihn mit der nicht unbedeutenden Stelle eines Präsidenten der Altertümer zu beehren.

 

Unruhe

Ungeachtet jener anerkannten und von ihm selbst öfters gerühmten Glückseligkeit, war er doch immer von einer Unruhe gepeinigt, die, indem sie tief in seinem Charakter lag, gar mancherlei Gestalten annahm.

Er hatte sich früher kümmerlich beholfen, später von der Gnade des Hofs, von der Gunst manches Wohlwollenden gelebt, wobei er sich immer auf das geringste Bedürfnis einschränkte, um nicht abhängig, oder abhängiger zu werden. Indessen war er auch auf das tüchtigste bemüht, sich für die Gegenwart, für die Zukunft aus eigenen Kräften einen Unterhalt zu verschaffen, wozu ihm endlich die gelungene Ausgabe seines Kupferwerks die schönste Hoffnung gab.

Allein jener ungewisse Zustand hatte ihn gewöhnt, wegen seiner Subsistenz bald hierhin bald dorthin zu sehen, bald sich mit geringen Vorteilen im Hause eines Kardinals, in der Vaticana und sonst unterzutun, bald aber, wenn er wieder eine andre Aussicht vor sich sah, großmütig seinen Platz aufzugeben, indessen sich doch wieder nach andern Stellen umzusehen, und manchen Anträgen ein Gehör zu leihen.

Sodann ist einer, der in Rom wohnt, der Reiselust nach allen Weltgegenden ausgesetzt. Er sieht sich im Mittelpunkt der alten Welt, und die für den Altertumsforscher interessantesten Länder nah um sich her, Groß-Griechenland und Sicilien, Dalmatien, der Peloponnes, Jonien und Ägypten, alles wird den Bewohnern Roms gleichsam angeboten, und erregt in einem, der wie W. mit Begierde des Schauens geboren ist, von Zeit zu Zeit ein unsägliches Verlangen, welches durch so viele Fremde noch vermehrt wird, die auf ihren Durchzügen bald vernünftig, bald zwecklos jene Länder zu bereisen Anstalt machen, bald, indem sie zurückkehren, von den Wundern der Ferne zu erzählen und aufzuzeigen nicht müde werden.

So will denn unser W. auch überall hin, teils aus eigenen Kräften, teils in Gesellschaft solcher wohlhabender Reisenden, die den Wert eines unterrichteten, talentvollen Gefährten mehr oder weniger zu schätzen wissen.

Noch eine Ursache dieser innern Unruhe und Unbehaglichkeit macht seinem Herzen Ehre, es ist das unwiderstehliche Verlangen nach abwesenden Freunden. Hier scheint sich die Sehnsucht des Mannes, der sonst so sehr von der Gegenwart lebte, ganz eigentlich konzentriert zu haben. Er sieht sie vor sich, er unterhält sich mit ihnen durch Briefe, er sehnt sich nach ihrer Umarmung und wünscht die früher zusammenverlebten Tage zu wiederholen.

Diese besonders nach Norden gerichteten Wünsche hatte der Friede aufs Neue belebt. Sich dem großen König darzustellen, der ihn schon früher eines Antrags seiner Dienste gewürdigt, war sein Stolz, den Fürsten von Dessau wiederzusehen, dessen hohe ruhige Natur er als von Gott auf die Erde gesandt betrachtete, den Herzog von Braunschweig, dessen große Eigenschaften er zu würdigen wußte, zu verehren, den Minister von Münchhausen, der so viel für die Wissenschaften tat, persönlich zu preisen, dessen unsterbliche Schöpfung in Göttingen zu bewundern, sich mit seinen Schweizer Freunden wieder einmal lebhaft und vertraulich zu freuen, solche Lockungen tönten in seinem Herzen, in seiner Einbildungskraft wieder, mit solchen Bildern hatte er sich lange beschäftigt, lange gespielt, bis er zuletzt unglücklicherweise diesem Trieb gelegentlich folgt und so in seinen Tod geht.

Schon war er mit Leib und Seele dem italiänischen Zustand gewidmet, jeder andere schien ihm unerträglich, und wenn ihn der frühere Hineinweg durch das bergigte und felsigte Tyrol interessiert, ja entzückt hatte, so fühlte er sich auf dem Rückwege in sein Vaterland wie durch eine cimmerische Pforte hindurch geschleppt, beängstet und mit der Unmöglichkeit, seinen Weg fortzusetzen, behaftet.

 

Hingang

So war er denn auf der höchsten Stufe des Glücks, das er sich nur hätte wünschen dürfen, der Welt verschwunden. Ihn erwartete sein Vaterland, ihm streckten seine Freunde die Arme entgegen, alle Äußerungen der Liebe, deren er so sehr bedurfte, alle Zeugnisse der öffentlichen Achtung, auf die er so viel Wert legte, warteten seiner Erscheinung, um ihn zu überhäufen. Und in diesem Sinne dürfen wir ihn wohl glücklich preisen, daß er von dem Gipfel des menschlichen Daseins zu den Seligen emporgestiegen, daß ein kurzer Schrecken, ein schneller Schmerz ihn von den Lebendigen hinweggenommen. Die Gebrechen des Alters, die Abnahme der Geisteskräfte hat er nicht empfunden, die Zerstreuung der Kunstschätze, die er, obgleich in einem andern Sinne vorausgesagt, ist nicht vor seinen Augen geschehen, er hat als Mann gelebt, und ist als ein vollständiger Mann von hinnen gegangen. Nun genießt er im Andenken der Nachwelt den Vorteil, als ein ewig Tüchtiger und Kräftiger zu erscheinen: denn in der Gestalt, wie der Mensch die Erde verläßt, wandelt er unter den Schatten, und so bleibt uns Achill als ewig strebender Jüngling gegenwärtig. Daß W. früh hinwegschied, kommt auch uns zu Gute. Von seinem Grabe her stärkt uns der Anhauch seiner Kraft, und erregt in uns den lebhaftesten Drang, das, was er begonnen, mit Eifer und Liebe fort und immer fortzusetzen.

II.

In dem vorhergehenden Entwurf einer Kunstgeschichte des XVIII. Jahrhunderts ist nur beiläufig Erwähnung von Winkelmann geschehen, weil wir uns vorgenommen hatten, seinen Einfluß, sein Wirken und seine Verdienste in der Kunde der Altertümer eigens ausführlich zu betrachten.

Es wird zu diesem Endzweck erforderlich sein, daß wir erstlich untersuchen, welche Meinungen und Begriffe über die vorhandenen Monumente der alten Kunst im Gange waren, ehe noch Winkelmann als der glücklichste Forscher in diesem Fach auftrat, das heißt, ehe seine Kunstgeschichte erschien, und werden zweitens zu zeigen unternehmen, in welchen wesentlichen Punkten sein Bemühen bessere Erkenntnis aufgebracht oder eingeleitet habe.

In Italien galten um die Mitte des verflossenen Jahrhunderts Gori, Passeri, wie auch Bracci für die trefflichsten Altertumsforscher, besonders war der zuerstgenannte rühmlich bekannt. Alle drei waren Männer von gründlicher Gelehrsamkeit, aber nicht eben so vorzüglich in Hinsicht auf Kunstkenntnisse und Geschmacksbildung, daher im Urteil über die Monumente, welche sie zu erklären gedachten, in der Vergleichung derselben mit Andern, und in den daraus gezogenen Schlüssen gar manchen Fehlgriffen ausgesetzt.

Die in früherer Zeit schon aufgebrachte, aber von den erwähnten Gelehrten ebenfalls angenommene und fortgepflanzte viel zu gute Meinung vom Kunstvermögen der alten Etrurier, von der Anzahl so wie vom Gehalt der ihnen zuzurechnenden Monumente war ein äußerst schädliches Vorurteil, welches den Fortschritten der Altertumskunde auf mancherlei Weise Hindernisse in den Weg legte.

Vielleicht besaß der französische Graf Caylus weniger gelehrte Kenntnisse, als einer der genannten Italiäner, er vergütete aber solches durch lebhaftere Neigung für Kunstwerke, durch ein mehr heiteres gewandtes Denk- und Urteilsvermögen; auch ist seine Schreibart gefälliger, unterhaltender, welches nebst Sprache, Vermögen, Stand, Einfluß, Bekanntschaften etc. seine Schriften zu den gelesensten, seine Meinungen zu den geltendsten jener Zeit machte. Wenn wir uns daher bemühen, diese Meinungen näher auseinander zu setzen, so sprechen wir im gelingenden Falle auch zugleich den in der Altertumskunde herrschenden Glauben aus, ehe die hellere Aufklärung durch Winkelmann statt gefunden.

Den alten Etruriern war man, wie oben bereits angemerkt worden, überhaupt allzu günstig, und auch Caylus schrieb denselben eine Menge Denkmale zu, welche ganz andern Völkern angehören. In noch größerer Achtung aber standen bei diesem Altertumsforscher die alten Ägypter, denen er die anfängliche Erfindung der bildenden Künste zum hohen Verdienst anrechnete und vermeinte, daß Etrurier und Griechen dieselben aus Ägypten erhalten hätten.

Wir vermuten nicht, daß eine so falsche Ansicht, welche geistlos handwerksmäßiges Nachahmen von eigentlicher Kunst und Genie nicht unterscheidet, vom Grafen Caylus selbst ursprünglich herrühre, wo und wann aber dieselbe ihren Anfang genommen, ist auszumachen außer den Grenzen unsers gegenwärtigen Vorhabens. Desgleichen mögen andere untersuchen, ob der Wahn, die Griechen hätten aus Eitelkeit, und um den Ägyptern den Ruhm der Erfindung der bildenden Künste undankbar zu entreißen, ihre ältesten Kunstprodukte, als Zeugnisse welche gegen sie gesprochen haben würden, absichtlich unterdrückt; ob, sagen wir, dieser Wahn ebenfalls ein älterer und verbreiteter war, oder ein bloßer Notbehelf, zu welchem sich Graf Caylus gedrungen sah, um das einmal angenommene System von etrurischer Kunst und Kunstwerken zu stützen.

Über die in Geschmack, Styl und Behandlung so verschiedenen Epochen in der Kunst, so wie auch über das Eigentümliche des Geschmacks der Kunstwerke verschiedener Völker, walteten sehr unsichere Begriffe. In den Geist der Kunst eindringende Beobachtungen anzustellen, wurde zu derselben Zeit beinahe gänzlich versäumt; man begnügte sich gewöhnlich mit Wahrnehmung äußerer Kennzeichen, doch wurden auch diese höchst selten mit gehöriger Schärfe und Genauigkeit aufgesucht. Daher finden sich von Caylus wahrscheinlich etrurische Denkmale unter den ägyptischen aufgeführt, ja sogar altgriechische den römischen aus Zeiten sinkender Kunst beigemischt.

In solchem Zustande befand sich derjenige Teil der Altertumskunde, der sich über Denkmale der bildenden Kunst erstreckt. Man ging meist, wie z. B. bei den obengenannten drei italiänischen Gelehrten der Fall war, mit dürftigem Geschmack und noch ärmer an Kunstkenntnissen, einseitig vom Studium alter Sprachen, Geschichte und Fabel aus. Als aber ein durch seine Reisen und Umgang, durch Neigung und Talent zur Kunst mehrseitig gebildeter und fähiger Mann, wie Graf Caylus war, sich der Sache angenommen; so geschahen zwar einige Vorschritte, doch war der Ort seines Aufenthalts, Paris, damals noch weniger als jetzt für den Altertumsforscher der günstigste. Zudem wirkten die Vorurteile einer manierierten Malerschule nachteilig auf seinen Geschmack und Kunstsinn; es mußte ihm also wohl unmöglich fallen, sich über alle alten, festgewurzelten Irrtümer zur freien und klaren Erkenntnis zu erheben.

Wir kommen nun auf Winkelmann, und werden, unserm Zwecke gemäß, die Resultate seiner für Geschmack, Kunst und Altertumskunde wohltätigen Bemühungen anzugeben versuchen.

Winkelmann erschien zu Rom als ein mit Kenntnis alter Sprachen wohl ausgerüsteter Gelehrter. Unter den Kunstschätzen zu Dresden hatte er sich vorher einige Zeit umgesehen, und ohne Zweifel durch dieselben seine natürlichen Anlagen geweckt. Die Gunst des Kardinals Alexander Albani, die ihm in Rom bald zu Teil wurde, nebst den freundschaftlichen Verhältnissen mit Mengs, müssen der Entwickelung und Ausbildung des Kunstsinnes in ihm sehr vorteilhaft gewesen sein. Unterdessen ist es wahrscheinlich, die Neigung zu schönen Formen, wodurch, wie bereits angemerkt worden, Mengs als Künstler sich auszeichnete, habe überwiegenden Einfluß auf Winkelmannen gewonnen, und ihn vermocht, die Schönheit unbedingt als das Hauptprinzip der alten Kunst aufzustellen;Siehe die Monum. inediti Tratt. preliminare Cap. IV. eine Behauptung, welche allerdings wahr ist, solange man sie auf den ganzen Begriff von der Kunst ausdehnt, und hingegen eine höchst schädliche Wirkung haben muß, sobald man sie engherzig auf die Formen allein einschränkt, wie leider noch von Manchen geschieht. Im Übrigen ist es gar nicht unwahrscheinlich, Winkelmann selbst sei dieses Unterschieds sich nicht mit völliger Klarheit bewußt gewesen, weil überall, wo er in seinen Schriften von der Schönheit der Teile spricht, es das Ansehen hat, als wäre er ausschließlicherweise der Form gewogen. Wird hingegen von einem vorzüglichen Kunstwerke überhaupt gehandelt, dann erglüht nicht selten sein großer, den Alten verwandter Geist, und verkündet mit poetischer Ergießung die hohen innern Schönheiten, die Idee, welche der Künstler durch das Mittel edler abgewogener Formen zur Erscheinung gebracht hat.

Der irrigen Meinung, Etrurier sowohl als Griechen hätten die bildenden Künste von den Ägyptern erhalten, widersprach Winkelmann mit überzeugenden Gründen, und zeigte dagegen, daß solche aus dem allen Menschen inwohnenden Bildungs- und Nachahmungstrieb überall entsprungen sind.Monum. inediti Tratt. prelim. Cap. I.

Die Monumente von ägyptischem Geschmack, über welche, wie oben angemerkt worden, bloß allgemeine und dazu unbestimmte Begriffe herrschten, ordnete er in drei Klassen, nämlich in echtägyptische Arbeiten, in griechische und in römische Nachahmungen derselben, nach Kennzeichen, die von jedem kunstgeübten Auge unfehlbar erkannt werden können. Ist man ihm dafür schon Dank schuldig, so erwarb er sich doch bei weitem noch größere Verdienste durch seine Aufklärungen über die Monumente der etrurischen Kunst. Dieses Fach diente im Bezirk der antiquarischen Wissenschaften gleichsam zur Polterkammer, wohin alles, was schwer zu deuten oder sonst nicht gut zu gebrauchen war, bei Seite geschafft wurde. Die altgriechischen Werke von Erz und Marmor wurden sämtlich dahin verwiesen, ein Gleiches geschähe auch mit den Vasen von gebrannter Erde, ohne Ausnahme; ja man findet bei Caylus sogar ägyptische Arbeiten für etrurische ausgegeben, und eben dieser sonst verdiente Altertumsforscher tadelt einen Pater Pankratius, der von sizilianischen Altertümern schrieb, und ein bei Girgenti ausgegrabenes Gefäß von gebrannter Erde für griechisch und nicht für etrurisch hielt.Tom. II. p. 54.

Diese alten, schädlichen Vorurteile, die immer neue Irrtümer hervortrieben, beschnitt Winkelmann so zu sagen an ihren Lebenswurzeln dadurch, daß er nachwies, die mehrerwähnten, bis dahin für etrurisch gehaltenen, bemalten Gefäße in gebrannter Erde seien nicht zu bezweifelnde Arbeiten der in Italien angesiedelten Griechen. Ebenfalls mutmaßte er, daß auch die plastischen Werke vom sogenannten etrurischen Geschmack, oder wenigstens einige derselben, altgriechische Monumente sein könnten.Monum. ined. Tratt. prelim. p. XXXIV. et seq. Wenn er hierüber nicht bis zur klaren, vollkommnen Erkenntnis gelangte, so geschahe solches, wie wir nicht zweifeln dürfen, aus der zufälligen Ursache, weil ihm zur Zeit seiner reifern Bildung keine günstige Gelegenheit sich darbot, zahlreiche Sammlungen echtetrurischer Arbeiten, wie z. B. gegenwärtig die florentinische Galerie eine aufweisen kann, mit gehöriger Muße zu durchforschen.

Wahr ist es freilich, daß durch die seither angestellten genauern Beobachtungen der alte Wahn von einstmaliger Blüte der etrurischen Kunst und ihrer weiten Ausbreitung immer mehr eingeschränkt, hingegen den Griechen ihre frühern Denkmale wieder zugeeignet worden sind. Aber man muß ebenfalls gestehen, dieser Gewinn sei bloß mit dem uns von Winkelmann nachgelassenen Kapital erworben; denn was taten seine Nachfolger anders, als in seine Fußtapfen treten, und was er begonnen, etwas vorwärts rücken?

Die schönen in Griechenland und später zu Rom entstandenen Monumente betrachtete Winkelmann zuerst unter kunsthistorischen Beziehungen, nach Kennzeichen des verschiedenen Geschmacks und Arbeit der verschiedenen Zeiten. Wir behaupten zwar keineswegs, daß solches jedesmal mit unverbesserlichem Erfolge geschehen; doch zeigte er, und zeigte zuerst, wie die Antiken, nach offenbaren Merkmalen, in einer steigenden und sinkenden, von dem Geschmack, dem Styl und der Arbeit geregelten Folge, zu ordnen sind; auf welchem Wege allein die in schriftlichen Nachrichten so mangelhaft auf uns gekommene Geschichte der alten Kunst nicht nur vollständiger, sondern auch – und dieses dürfte der wesentlichste Nutzen und Vorzug derselben sein – gleichsam lebendig in den Monumenten selbst dargestellt werden kann.

Solche unschätzbare Erweiterungen erhielt die Kunde der alten Denkmale durch unsers Winkelmanns Bemühungen. Liest man indessen seine Schriften mit prüfender Aufmerksamkeit, so mag ohne Zweifel jede derselben, auch die letzten sogar, in manchen einzelnen Punkten zu Erinnerungen Gelegenheit geben, und zwar von Seiten des artistischen weder minder noch mehr gegründete, als von Seiten des literarischen Teils gegen dieselben gemacht worden sind. Allein es wäre unbillige Strenge, sie auf diese Weise richten zu wollen. Ernste, aufs Allgemeine gehende Betrachtungen über Winkelmanns Hauptwerk, die Geschichte der Kunst des Altertums, müssen vielmehr jeden Gerechtdenkenden von der Unmöglichkeit überzeugen, daß ein Mensch allein eine solche große, nicht vorbereitete Unternehmung, in wenigen Jahren, für den Gelehrten sowohl als für den Kunstkenner durchaus fleckenlos sollte vollenden können. Wäre demnach jemand, der, was Winkelmann getan, nur für Anfänge halten wollte, so widersprechen wir demselben nicht geradezu; aber wir sagen, es sind große Grundlagen, welche unbeweglich feste stehen, und behaupten überdem laut, in den größten wichtigsten Punkten, welche die Kunde der schönen alten Denkmale fördern können, mag man Winkelmannen keck vertrauen, denn er hat, mehr als kein anderer im Geist mit den Alten verwandt, immer das Rechte geahndet, wenn auch nicht allemal deutlich ausgesprochen, und obwohl Widersacher gegen ihn aufgetreten sind, hat man sich dennoch genötigt gesehen, seinen Lehren zu folgen.

Zum Beschluß wollen wir noch einige Blicke auf den gegenwärtigen Zustand der Altertumskunde werfen, doch nur in dem artistischen Sinne, in welchem wir bisher Winkelmanns Bemühungen und Verdienste um dieselbe betrachtet haben.

In Hinsicht auf bessere Kenntnis der alten Monumente, zu nähern kunstgeschichtlichen Bestimmungen, sind im Allgemeinen keine bedeutenden Schritte bisher geschehen. Noch werden die Werke des ägyptischen Geschmacks in drei Klassen, nämlich in echt ägyptische, und ferner in griechische und römische Nachahmungen des ägyptischen Geschmacks abgeteilt; die Kennzeichen aber der frühern und spätern Werke jener ersten Klasse sind noch immer nicht erforscht.

Beinahe stillschweigend bequemte man sich, die Denkmale der uralten steifen, sonst für etrurisch gehaltenen Manier als altgriechische Kunstwerke zu betrachten; allein der Ruhm dieser bessern Erkenntnis darf Winkelmanns Nachfolgern nicht sehr hoch angerechnet werden, weil, wie wir oben gezeigt, durch das Hinüberweisen der bemalten Gefäße in gebrannter Erde zu den griechischen Monumenten, ein solches Vorrücken, man möchte wohl sagen, unvermeidlich geworden war.

Bedenken wir endlich noch, was zur bessern Kunde der schönen griechischen und römischen Kunstdenkmale geschehen oder unternommen worden; so findet sich, daß auch hierin seit Winkelmanns Zeit überhaupt keine beträchtlichen Vorschritte getan worden sind. Zwar haben die stimmeführenden gelehrten Forscher die Darstellungen einiger alten Monumente, mit achtungswerten Kenntnissen ihrer Art, gut und wahrscheinlicher ausgelegt; aber da, wo das Urteil aus innern Gründen hervorgehen soll, wo Kunstwert, Zeitgeschmack und Styl zu erkennen, zu würdigen waren, leisteten sie wenig Nutzbares; ja bei genauer Rechnung dürfte die Summe des verdunkelten vielleicht nicht geringer, als die des aufgeklärten, ausfallen. Viel zu oft ließ man sich von unsichern, äußern Kennzeichen oder von zufälligen Ähnlichkeiten der Monumente zu Trugschlüssen und Sünden wider den Geist der Kunst verleiten, der doch vor allem andern erwogen und geehrt werden sollte. Denn wo ließe sich mit mehrerer Sicherheit ein Maßstab zu Beurteilung der Kunstwerke finden, als in der Kunst selbst? Hieraus folgt aber keineswegs, daß andere Merkzeichen als solche, die aus dem Inneren, Geistigen alter Kunstdenkmale abgeleitet werden, ohne weitere Bedingung verwerflich seien. Kein Verständiger wird Nachrichten, von welcher Art sie sein mögen, oder Bemerkungen, die dem Stoff gelten, oder andere Umstände, welche Licht und Leitung gewähren können, verschmähen; er wird vielmehr jeden Nebenumstand in Erwägung ziehen, prüfen und vorsichtig benutzen, aber den höherbegründeten Ansichten auch jedesmal den höhern und entscheidenden Wert zugestehen.

Der große Vorzug, den Winkelmann als Altertumsforscher über seine Vorgänger, Zeitgenossen und berühmtesten Nachfolger behauptet, die Ursache warum, ungeachtet einseitiger Anfechtungen, seine Schriften ernst meinenden Freunden des Altertums immer noch vor Andern nutzbar und wert geblieben sind, besteht in dem Zusammenwirken gelehrter Kenntnisse mit lauterm Kunstsinn; Eigenschaften, die sich in solchem Maße sonst nie vereint gefunden, und zugleich Eigenschaften, die keinem Altertumsforscher zu erlassen sein dürften, welcher mit glücklichem Erfolg auf der von Winkelmann gebrochenen Bahn fortzuschreiten gedenkt. Ein geübter Geschmack allein wird, ohne hinlängliche Bekanntschaft mit der alten Literatur, nicht überall ausreichen, noch weniger sind bloß gelehrte Kenntnisse zulänglich, wenn sie nicht durch richtigen Geschmack unterstützt und von der Fähigkeit begleitet sind, den Geist der Alten, den höhern poetischen Gehalt ihrer vorzüglichsten Kunstgebilde aufzufassen. Hätte Mengs literarische Kenntnisse besessen, und minder ängstlich die Formen verehrt, wahrscheinlich würde mehr Harmonie zwischen seinen frühern und spätern Meinungen, über die berühmtesten antiken Statuen, zu bemerken sein, oder deutlicher gesagt, er würde, was er unter Winkelmanns Einfluß gut und richtig begriffen zu haben schien, durch spätere Äußerungen nicht aufheben. Hätten die seit Winkelmann aufgetretenen gelehrten Forscher einer an den alten Monumenten geschärften Unterscheidungsgabe der Verschiedenheiten des Styls, der Arbeit und des Geschmacks nicht gar zu oft ermangelt, hätten sie sich vom Stoff oder vom Wort weniger bestechen lassen; so würde mancher, den Gang der antiquarischen Wissenschaften aufhaltende Irrtum entweder unterblieben sein, oder doch weniger Teilnehmer und Verbreiter gefunden haben.

III.

Die mir von Ihnen mitgeteilten Briefe Winkelmanns ergänzen vortrefflich das Bild, das man sich von dem großen und liebenswürdigen Menschen aus den früher gedruckten machen konnte. Gewiß werden Ihnen für dies lange vorenthaltene Geschenk alle Freunde der Kunst und einer künstlerisch betriebenen Gelehrsamkeit danken. Mir gaben diese Briefe nach vieler abstumpfenden Arbeit der letztern Monate einen innigen Genuß, zu welchem ich bald und öfter zurückzukehren wünsche. Dazu wird die von Ihnen vorgehabte Nachweisung der Zeitfolge aller seiner nunmehr bekannt gemachten Briefe eine neue Einladung werden; weshalb ich Sie angelegentlich und, ich wage zu sagen, im Namen vieler Leser ersuche, die Zugabe ja nicht außer Acht zu lassen. Erst so wird es recht angenehm werden, den Mann von dem Austritt aus Nöthenitz an, auf seiner schönen Bahn teilnehmend zu begleiten, um ihn durch alle seine gelungenen und unvollendeten Entwürfe dahin gelangen und das werden zu sehen, was ihm das Schicksal erlaubte, das über jeden Schritt seines Lebens mit sichtbarer Macht gebot.

Zu bedauern ist es indessen, daß wir nur allzuwenige Data zur Kenntnis seiner ersten Bildung haben. Denn, seitdem es den Erziehungskünstlern gelungen ist, dem Genius der Zeit gehorchend, die meisten zur Veredlung und Würde des Geistes führenden Studien zu verseichten, und die besten Kräfte fast allein solchen Wissenschaften zuzuwenden, wodurch Gewerbe und Finanzen und Krieg zu Lande und zu Wasser gedeihen, seitdem bleibt für jemand, der hie und da den unverdorbenen Jüngling mit fremder Stimme in ein edleres Leben rufen möchte, außer den Alten, die man aus ihren Schulwinkeln noch nicht ganz verdrängte, nichts anderes übrig, als Geschichte der Erziehung und Bildung von Männern, die im Kampf mit den Hindernissen der Zeit und den innern Schwierigkeiten der Sachen durch angestrengte Kraft das Höchste in dem gewählten Kreise erstrebten. So etwas gab uns vor kurzem über sich selbst der geistvolle Historiker Schlözer, in einer Schrift, die in gewissen Sachen das Handbuch jedes künftigen Gelehrten sein sollte. Auch leben noch etliche andere Männer, von welchen sich einst etwas Ähnliches erwarten läßt, nämlich getreue Darstellung des Ganges ihrer Studien und der Bildungsmittel, wodurch sie sich den Bezauberungen des gewaltigen Genius entrissen und über ihr Zeitalter erhoben.

Wer, der Winkelmann und das Altertum liebt, wünschte nicht etwas der Art von dessen eigener Hand geschrieben? Seine Kindheit, das entscheidende Alter des Lebens, fiel in den Zeitraum, wo in Deutschland bei fest bestehenden Einrichtungen öffentlicher Schulen die mangelhaften Einsichten vieler Lehrer weniger schädlich wurden, wo in den Häusern des mittlern und gemeinen Standes noch alle die Tugenden in Ehren waren, woraus echte kräftige Charaktere erwachsen; wo das Geschäft, Menschen zu bilden, noch nicht mit Ansprüchen spekulativer Wissenschaft erschienen, von manchem gewöhnlichen Handwerksmanne neben der täglichen Arbeit, fast ohne die dunkelste Idee von Kunst trefflich ausgeübt wurde.

Mag jedoch die erste Bildung, die W. erhielt, mehr darauf gegangen sein, in seiner herrlichen Natur nur nichts zu verderben: es ist sehr wahrscheinlich bei den leichten Anstalten, die damals die Erziehung machte: und vielleicht nur desto glücklicher für ihn. Denn Seelen, die eine höhere Weihe mit ins Leben bringen, bedürfen, wie Platon sagt, gleich dem Golde der Athenischen Burg, bloß sorgsame Aufbewahrung, welche dem Erziehungskünstler, der selbst dem Göttlichsten seinen gemeinnützigen Stempel aufzwingt, nicht ohne Gefahr anvertraut wird. An W's gelehrten Kenntnissen aber scheint fremde Pflege den geringsten Anteil gehabt zu haben. Der blind gewordene Rektor, dessen Führer er wurde, ließ ihn für diesen Dienst in seiner kleinen Bibliothek schalten, woraus er nach dem Antriebe seiner gutartigen Laune las, am meisten alte Sprachen. Er vernachlässigte darüber, wie man uns berichtet, fast alle Übungen in der Muttersprache, d. i. in dem modischen Deutsch oder Undeutsch vor A. 1740. So weit war damals noch die Pädagogik zurück, dergleichen Unheil geschehen zu lassen; obwohl schon einige zu Stendal, vermutlich die Gelehrten des Orts, die Abneigung des jungen Menschen strafbar fanden. Bei ihm selbst lesen wir hier die Äußerung, daß er beinahe in Allem sein eigener Lehrer gewesen. Die allgemeinern Vorkenntnisse in Geschichte und alten Sprachen mag er bald durch Unterweisung jüngerer Schüler erweitert und lebendiger gemacht haben; zu welchem vorzüglichen Hülfsmittel der Selbstbildung ihn glücklicherweise seine Umstände nötigten. Eine kurze Zeit vor den akademischen Jahren ging er noch, wie gleichfalls erzählt wird, auf eines der Berlinischen Gymnasien, und setzte dabei jenen Unterricht fort; doch erwähnt Niemand, ob er zu Berlin Lehrer gefunden, die ihn mit den klassischen Sprachen und mit alter Literatur vertrauter gemacht, etwa solche, wie die fleißigen Verfasser der Märkischen Sprachlehren waren. Wie es scheint, war es nicht der Fall, indem bereits damals solche Schulmänner an den meisten Orten seltner wurden.

Eben so unbedeutend und von schwachem Einfluß auf seine Entwickelung muß sein Hallisches Leben gewesen sein, besonders in Ansehung der Kenntnisse, auf denen die Unsterblichkeit seines Namens beruht. Es muß ein seltsam planloses und zerstücktes Studieren gewesen sein, das er hier ins dritte Jahr fortsetzte. In Fridericiana, schreibt er dem Grafen Bünau, parum suppetiarum fuit ad manum, Graeca auro cariora. Eigentlich bekannte er sich nach dem Wunsche seiner Angehörigen zum Theologen; allein so wenig er sich den der Armut behülflichen Anstalten des Waisenhauses näherte, eben so selten scheint er die theologischen Hörsäle besucht zu haben. Nur einen einzigen Gelehrten erwähnt er, wenn ich mich recht erinnere, unter den damaligen hiesigen Lehrern als den seinigen. Dies ist ein gewisser Gottfr. Sellius,S. 70. dieser Briefe. ein schon längst in Deutschland verschollener Mann, von mannichfacher und achtungswerter Gelehrsamkeit, der in der Welt, wie in den Wissenschaften, etwas wild umherschwärmte, und durch mancherlei böse Gerüchte ging, wozu auch jenes bei W. gehört; endlich beschloß er seine Laufbahn nach der Mitte des Jahrhunderts zu Paris als französischer Schriftsteller und Lohn-Übersetzer. Es hat viele Wahrscheinlichkeit, daß er derselbe sei, den W. in einem Briefe an WaltherS. 325. Daßdorf. Samml. als einen ihm ganz unbekannten Namen behandelt. Zu Halle, wohin W. im Jahr 1738 kam, stand dieser Sellius auf ein paar Jahre als Professor der juristischen und philosophischen Fakultät; vorher hatte er sich in Holland aufgehalten, wo er 1733 die gerühmte Schrift, Historia naturalis teredinis schrieb, worauf er teils weniges Juristisches, teils 1738 eine Experimentalphysik herausgab. Ob er vielleicht in dieser Wissenschaft, oder in welcher sonst er unsern W. zum Zuhörer hatte, ist unbekannt: aber es hat das Ansehen, als ob der Jüngling nur solche Vorlesungen gehört habe, wo ihn entweder Gelehrsamkeit oder Geist der Untersuchung anzog, gleichviel, auf was für Gegenstände sie gingen. So versichert er von seinem folgenden Aufenthalt zu Jena, daß er sich dort den mathematischen und medizinischen Studien ergeben (zu den letztern hatte er gleich anfangs die meiste Neigung) und dem Jenaischen Hamberger, der als Prof. der Physik und Medizin eben in seiner Blüte stand, vieles verdanke. Noch verdient von Halle nicht vergessen zu werden, daß hier die Ludwigsche Bibliothek, die mehrmals, wie es bei fleißigen Gelehrten geht, in Unordnung geriet, W. ein ganzes halbes Jahr hindurch die erste Gelegenheit gab, sich im Ordnen von Büchern zu üben, wobei er das Vergnügen hatte, aus dem Munde des berühmten Besitzers einige Brocken (principia) von Feudal- und deutschem Staatsrecht zu empfangen.

Kaum sollte man meinen, es könnte Jemand nach solchen Studien ein ehrsames Zeugnis von der Universität mitnehmen, sofern dergleichen Papiere auf den Besuch von Vorlesungen gehen, um wo möglich, ein handwerksmäßiges Studieren unter öffentlichem Ansehen zu begründen. Reif war W. vollends wohl zu keinem landüblichen Berufe, am wenigsten zu dem seinigen, der ihm selbst noch verborgen war. Wahrscheinlich aber würde er auf keiner andern hohen Schule von Deutschland für die Elemente seiner nachmaligen Lieblingskenntnisse viel mehr gewonnen haben, außer etwa zu Leipzig, wo Gelehrsamkeit und Gründlichkeit im Studieren Ton war, und wo damals, neben andern Lehrern der klassischen Literatur, Christ eine kleine Anzahl von Zuhörern auch mit den Überbleibseln alter Kunst bekannt machte, und durch Vortrag besser als durch seine helldunkeln Schriften wirkte. Vielleicht machte indes W., als er beim Grafen Bünau war, oder zunächst während des Aufenthalts zu Dresden, Gebrauch von den Handschriftlich herumgehenden Heften des Christischen sogenannten Collegium litterarium, woraus er manche nutzbare Notiz, selbst über das Technische der Kunstwerke, aber freilich keinen allgemeinen Geist des Altertums ziehen konnte. Gegen die später auftretenden Kunstschwätzer stand aber jener Mann wirklich sehr hoch; auch bezeigt ihm hie und da W. seine Hochachtung, wie ihm von den Schülern des engern Kreises, z. B. einem Reiz, der mich oft von ihm unterhielt, warme Liebe und Achtung nach dem Tode (1756) zu Teil wurde.

Wer lange auf einer Universität lebte, und das Getreibe der Wissenschaften mit ansah, oder auch selbst nähern Teil daran nahm, muß auf unangenehme Betrachtungen geraten, wenn er bemerkt, wie selten die vorzüglichsten Köpfe dadurch in die rechten Wege gewiesen wurden. W. scheint seiner eigentlichen Bestimmung erst in den acht Jahren, die er teils als Hofmeister, teils als Konrektor der Schule zu Seehausen verlebte, um etwas näher getreten zu sein. In der letztern Stelle fing er zuerst ein eifrigeres Studium der Griechen an; so daß er dem Gr. Bünau rühmen konnte, er lege den Sophokles nicht aus der Hand, und habe sein Exemplar mit vielen Bemerkungen und Vorschlägen zur Verbesserung des Textes beschrieben. Hierbei mußten gleichwohl der Lernbegier des gedrückten Schulmanns alle jene Hülfsmittel abgehen, die damals von den Gelehrten in England und Holland für griechische Literatur erschienen, und er sah sich ohne Zweifel auf die Heroen dieser Wissenschaften aus dem 15ten Jahrhundert eingeschränkt. Denn in Deutschland gab es eigentlich kein Studium des Altertums anders, als in dem gemeinen Dienste von Brot erwerbenden Disziplinen. Glaubte man doch noch viel später nicht, daß solche Kenntnisse als unabhängig und für sich bestehend auftreten könnten; einer der lautesten Stimmführer meinte ganz neuerlich, es würde völlig um sie geschehen sein, wenn sich endlich die moderne Kultur andere Kanäle als durch Bibel und Corpus Juris eröffnete. So las und erklärte man denn damals die Alten, um sich besser zur Auslegung des göttlichen und des Justinianischen Wortes vorzubereiten, wiewohl einige hervorstechende Männer die Sache wenigstens gründlicher trieben, und selbst im Latein korrekter schrieben, als in der letzten Hälfte des Jahrhunderts, seit dem Aufkommen der deutschen Geschmackslehre (Ästhetik von αἴσϑω, ich schmecke, wie Meier ableitete) von den meisten Philologen geschah.

W. erlebte die Frankfurter Ästhetik noch in Deutschland (1750), welcher zwei Jahre später die erste Basedowische Ankündigung der Inusitata et optima methodus erudiendae juventutis honestioris nachfolgte. Beide den Alten unbekannte, und noch jetzt nicht weit über unsere Grenzen gekommene Wissenschaften haben seitdem in Deutschland so viel Papier gefüllt, und so viele Köpfe leer gemacht, daß die Anfänge derselben wohl ein beiläufiges Andenken verdienen, wenn gleich W. an keiner von beiden Anteil nahm. Ihm wäre eher zu wünschen gewesen, daß er den Mut gehabt hätte, wie zwei andere Deutsche um jene Zeit taten, auf einige Zeit nach Leyden zu wandern, um nach älterer guter Methode die Schönheiten der alten Sprachen kennen zu lernen, die er der Seehäuser Jugend mit gar nicht allgemeinem Beifall lehrte. Allein das Schicksal zeigte W. einen andern Weg, auf dem er, unter Gefahr weniger gelehrt zu werden, bald eine Gattung von Studien neu beleben oder vielmehr schaffen sollte, die von den Besten vorhin einseitig, von wenigen stillen Kennern mit Geschmack, von niemand mit dem Inbegriff der dazu notwendigen Fähigkeiten und Vorkenntnisse, mit Einsicht in die Kunst, und mit einem dem Altertum gleichgestimmten Gefühl getrieben wurden.

Die Jahre, welche er seit seinem dreißigsten in der Nöthenitzer Bibliothek des Grafen B. hinbrachte, waren für ihn die einzige Zeit gelehrter Muße. Hier erst lernte er ohne Zweifel die bessern Subsidien in Ausgaben und Kommentaren kennen, und legte den Grund zu den weitläuftigen Kenntnissen der Literatur, die man überall bei ihm antrifft. Was ihn aber als Bibliothekar am meisten auszeichnet, ist die nüchterne Selbstständigkeit, womit er sich den Verführungen entzog, denen der Überfluß gelehrter Hülfsmittel den gewöhnlichen Kopf aussetzt. Er wurde hier weder ein Literator, der, ohne sich um den Gehalt von Büchern zu bekümmern, Titel, Format, Insignien der Buchdrucker und andere typographische Merkwürdigkeiten dem Gedächtnis aufladet, und darüber die Denkwürdigkeiten der Literatur versäumt, kurz ein lebendiger Bücher-Katalog, noch ein aufgedunsener Kompilator, der höchstens in der Altertumskunde sich dem kleinen Dienste widmet, um hie und da ein historisches Datum ins Klare zu bringen, oder ein Häufchen Materialien für einen das Ganze umfassenden Schriftsteller zu bereiten. W. scheint seinen subalternen Bibliothek-Dienst, außerdem daß er ihm das Fortkommen in der Welt erleichterte, zur Einsammlung weniger und gediegener, übrigens gar nicht pedantisch einseitiger Kenntnisse genutzt zu haben. Pflichtliebe und Dankbarkeit gegen den Mann, der ihn aus dem Schulstaube gezogen, machte ihm dabei solche Arbeiten erträglich, wie Exzerpten für dessen Reichsgeschichte, für deutsches Staatsrecht etc. aus Büchern, deren Titel ihm kaum des Behaltens wert sein konnten. Aber in den Stunden, die ihm die Berufs-Arbeiten übrig ließen, muß er sich nicht bloß vielerlei Auszüge zu eigenem künftigen Gebrauch gemacht, sondern auch einige der großen Schriftsteller Griechenlands im Zusammenhange gelesen haben. Zu dem erstern Zweck mußten ihm vornehmlich die Schriften der Akademie der Inschriften nützlich sein, in deren Mitte auch Caylus seine antiquarische Laufbahn begann. Überall darf das Verdienst dieser gelehrten Gesellschaft um die fruchtbare und den Bedürfnissen neuerer Zeit gemäße Behandlungsart des Altertums nicht verkannt werden, um so weniger, da deutsche Philologen der letzten Dezennien, die den Strom solcher Kenntnisse auch zu den Weltleuten leiteten und weniger tief machten, das Muster der Franzosen mehr als irgend eines andern Volks befolgten. W's wohlgeordnete Lektüre zeigte sich demnach gleich in den ersten Schriften, mit welchen er auftrat, bald nachher aber, als er zum Schauen alles dessen gelangte, worüber er bisher nur Bücher befragen konnte, mit welcher literarischen Kunde aller Zeitalter sieht man ihn hervortreten und sich bei den gelehrten Antiquaren Italiens Achtung oder Neid verdienen! Wenn die meisten derselben, wie auch der Graf Caylus, mühsam zusammentrugen, was zur Erläuterung eines Gegenstandes diente, fließt W. aus den öfter besuchten Quellen alles zu, was zur Sache gehört; selten entgeht ihm auf lange Zeit etwas des wirklich Brauchbaren: das Überflüssige hingegen verschmäht er und allen Zitaten-Prunk, den der Unbelesene so leicht aus den rückwärts durchmusterten Büchern (wie Cacus die gestohlenen Rinder in seine Höhle schleppte) zur Blendung blöder Augen zusammenführt. Seine Maxime, nicht zwei Worte zu gebrauchen, wo sich mit Einem ausreichen ließe, diente ihm auch in dieser Hinsicht zur Richtschnur und gibt allen seinen Schriften ein schönes Maß und eine würdige Einfalt, die wenige Arbeiten der Neuern haben.

Bedenke man zunächst, daß seine mehresten Werke ihm nicht lange unter Händen waren, wie schon die Menge verrät, die er in 13 Jahren herausgab, und daß er oft im Jahre der Wegsendung einer Handschrift weit gelehrter war, als sein Buch, manchmal gar vor dem Abdrucke, der sich meistens unangenehm verzögerte, ohne ihm doch Zusätze und Verbesserungen zu gestatten. Nicht jeder möchte unter diesen Umständen gern geschrieben haben. Was würde er, der besonders zur Aufklärung der Zeitgenossen jenseits der Alpen arbeitete, in spätern Jahren getan haben, wenn eine auf die Nachwelt ganz gerichtete, sorgsam glättende Kritik dem Aufschwunge der Begeisterung nicht mehr Eintrag tun konnte, zumal wenn er die Hülfe einer mit allen neu erschienenen Forschungen über das literarische Altertum versehenen Bibliothek gehabt hätte. Denn gerade diese günstigere Lage war es ja, was manchem Gegner W's die Feder in die Hand gab. Die besten unter ihnen hätte sich W. zu Herbeischaffung tüchtigen Stoffes für die Geschichte der Kunst wünschen mögen; so aber bearbeitete er daran einen Boden, worauf er so wenige Vorgänger hatte, daß eine kältere Überlegung vor einer solchen Arbeit erschrocken wäre. Denn welche Masse einzelner kleiner Data müssen wohl durchforscht beisammensein, um in diesem Teile von Geschichte etwas Vollendetes hervorzubringen! Allein schwerlich gedachte er selbst ein Werk zu verfassen, dessen Wert in durchgängiger Fehlerlosigkeit aller historischen Angaben bestände, wenn er auch manchmal den Mund etwas voll nimmt: es gibt eine Menge fleckenloser Bücher, in denen just so viel Gutes ist, als ein Kompilator wieder ausziehen mag; und treffend ist auch bei jener Art von Werken, was Longin von den poetischen sagt, daß ein hoher Geist, der mitunter nicht geringe Fehler begeht, den Vorzug vor dem geistlosen Fleiß verdiene, der jeden Irrtum verhütet.

Allerdings fodern die Gesetze geschichtlicher Untersuchungen, so wie die philologische Kritik, die Basis derselben, eine seltene Mischung von Geistes-Kälte und kleinlicher unruhiger Sorge um hundert an sich geringfügige Dinge, mit einem alles beseelenden, das Einzelne verschlingenden Feuer und einer Gabe der Divination, die dem Ungeweihten ein Ärgernis ist. Unserm W, man muß es gestehen, fehlte jenes gemeinere Talent, oder es kam vielmehr bei dem Mangel vollständiger Vorbereitung zu seiner Kunstgeschichte nicht recht zur Tätigkeit, indem er bald nach seinem Eintritt in Italien sich in dem Meere von Schönheit verlor, das den verwandten Sinn, ohne irgend einen Blick auf die Geschichte, ganz hinzunehmen vermag. Jetzt fing er an, den Gelehrten, dessen Kenntnisse bloße Notizen sind, als Schriftgelehrten zu verachten, und sich nicht einmal um die historischen Hülfsmittel zu bekümmern, die das Ausland darbot. Man hat hierin einen undeutschen Stolz erkannt, und ich werde ihn deshalb nicht eben loben. Aber sehr verzeihlich dünkt mich diese Denkart bei einem Manne, der viele mit Hülfsmitteln besser ausgerüstete Archäologen, teils unter Kleinigkeiten und Schutt, in Diptychen und Sandsteinen wühlen sah, teils solche, die sich gern zu Forschungen über die edlern Denkmäler erhoben hätten, von dem Anschauen derselben ausgeschlossen, ihres Zwecks verfehlen, und sich in das Philosophieren über Gegenstände, die man nicht genug kannte, zurückziehen. Denn so halfen sich damals einige bessere Köpfe außer Italien, während andre bloß Nachrichten von Kunstwerken sammelten, wie jemand deren über Geschichte der Poesie und Beredsamkeit sammeln kann, der niemals einen der großen Schriftsteller aus langer kunstgerechter Betrachtung, sondern aus fremden Erzählungen, höchstens aus untreuen Übersetzungen kennen lernte, oder wie man über den Styl eines Cicero, Livius, Tacitus ein Breites reden kann, ohne ein Bild davon in sich selbst, oder den vollen Geist in sein eigenes Wesen aufgenommen zu haben.

Indem W. dieses tat, war es ihm möglich sich zu dem zu erheben, was die Blume aller geschichtlichen Forschung ist, zu den großen und allgemeinen Ansichten des Ganzen und zu der tiefsinnig aufgefaßten Unterscheidung der Fortgänge in der Kunst und der verschiedenen Style, worüber ihm nur dürftige Wahrnehmungen anderer Beobachter vorgegangen waren. Doch über dieses Hauptverdienst W's maße ich mir keine entscheidende Stimme an, da mir meine bisherige Lage den Weg zu dem Innern dieses Studiums, nach meiner Art zu arbeiten, verschloß. Nur von W. als Gelehrten wollte ich einiges sagen, worauf mich die Lesung dieser Briefe führte. Mehr jedoch hierüber in das Einzelne zu gehen, ist meine Absicht nicht; sonst würde ich, neben einigen wenigen mißlungenen Konjekturen und Auslegungen der Alten, eine weit größere Anzahl glücklicher, aus trefflicher Sprach- und Sachkenntnis geschöpfter Erklärungen und Kritiken als Muster aufstellen. Auch ist es der Erwähnung wert, daß er niemals den auf alte Sprachen verwandten Fleiß selbst aufgab, während er fremde Beiträge gleichgültig entbehrte; daß er noch in Rom, wo kaum der Ort dazu war, vollständige Wortregister über die griechischen Tragiker anlegte; daß er ausdrücklich einer Sammlung Conjectanea in Graecorum auctt. et monumenta, als von ihm angefangen, gedenkt. Allein dann mißkannte er offenbar seinen Beruf, wenn er von Zeit zu Zeit den Vorsatz faßte, an die philologisch-kritische Bearbeitung eines Griechen zu gehen. Einmal hatte er dazu den Platon im Sinn. Gewiß mochte er den Weltweisen, der ihn früher zu dem Idealischen in allen seinen Studien begeistert hatte, anders lesen, als Nachbar Fischer mit seinem Möris, Thomas Magister und allen übrigen Magistern, die das attische und gemeine Griechisch bei ihm unterschieden. Gleichwohl scheint es nicht, als ob ein Kommentar von W. über Platon, in philologischer Hinsicht, beider Namen würdig genug hätte ausfallen können. Doch die ganze Idee mochte ihm in Rom von leichterer Ausführung dünken, gegenüber einem Giacomelli, den Stadt und Land den gelehrtesten Kenner des Griechischen nannte. Der Mann hatte wirklich eine ziemliche Kenntnis der Sprache und gesunde Beurteilung; aber gegen einen Markland oder gar Valkenaer, die um dieselbe Zeit, wo jener ein paar Stücke des Äschylus und Sophokles herausgab, über den Euripides arbeiteten, ist er eigentlich nur ein lobenswerter Anfänger. Kaum konnte er von solchen Schätzen altertümlicher Gelehrsamkeit einen hellen Begriff haben, dergleichen dort ausgebreitet wurden.

W. hatte Einmal, seitdem er die Alten genauer zu studieren begann, sein ganzes Augenmerk auf dasjenige gerichtet, was auf Kunst und Künstler mehr oder weniger bezüglich ist; er hatte selbst hierin lange nicht alles erschöpft, wozu ein weit gemächlicheres Sammeln und Prüfen nötig war; aber er hatte etwas aus den Alten gewonnen, was die Philologen von der Gilde gewöhnlich zuletzt oder gar nicht lernen, weil es sich nicht aus, sondern an ihnen lernen läßt – ihren Geist. Mit diesem Geist schrieb er alles, vornehmlich die Geschichte der Kunst, dieser zeigte sich auch in den Unvollkommenheiten des Werks; die meisten Fehler sind, möchte man sagen, von der Art, wie sie gerade ein Grieche vor der alexandrinischen Periode, d. i. vor der Ausartung des griechischen Genius hätte begehen können, und an deren Verbesserung sich die nachherigen Grammatiker in den Museen müßig üben mochten. Indessen wer sollte nicht wünschen, daß den W. Schriften ein Gleiches von Sprachgelehrten und Geschichtforschern widerführe, daß sich sogar mehrere verbänden, jede Abweichung von der strengsten Wahrheit ohne Leidenschaft anzuzeigen, wenn W. bald etwas anderes aus Stellen der Alten entwickelt, als sie enthalten, bald sonst den Sachen etwas zu viel oder zu wenig zu tun scheint. Auch verdiente beigetragen zu werden, was sich aus der Münzkunde, der er den wenigsten Fleiß widmete, zuweilen zur Widerlegung, öfter vielleicht zur Bestätigung seiner Ideen ergibt. Es sollte überall geschehen, was W. selbst, in Verbindung mit Lessing, in den Jahren des ruhigen Überblicks seiner Laufbahn hätte tun können, um seine Grundsätze zu größerer Klarheit zu bringen, alle Bedingungen derselben genauer abzuwägen, und da, wo er wie ein Seher so viele größere und kleinere Erscheinungen in Einen Blick aufnimmt, als Deuter und Dolmetscher ihm nachzugehen.

Oft habe ich mich mit einem Gedanken getragen, den ich beifügen will. Sollte nicht endlich der Wunsch einer vollständigen Sammlung der Schriften Winkelmanns unter dem Volke rege werden, das ihm so vielen National-Ruhm bei den Ausländern verdankt? Und wäre es dann nicht ratsam und der Wissenschaft förderlich, sowohl das, was Andere bereits gegen seine Behauptungen mit Grund erinnert haben, als was eine tiefer eingehende Prüfung jeder Schrift an die Hand gäbe, in Supplementen hinzuzutun? Geschähe dies in Verbindung mit echten Freunden und Kennern der Kunst, so wäre jede Foderung begnügt, und es würde dann deutlich werden, wie sich das durch ihn gewonnene gegen das, was etwa abzuziehen oder umzuprägen wäre, verhielte.

Möge das in diesem Bande dem Publikum vorgelegte hiezu Veranlassung, Lust und Mut geben!


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