Johann Wolfgang Goethe
Claudine von Villa Bella
Johann Wolfgang Goethe

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Gegen Morgen, vor der Herberge zu Sarossa

Crugantino den Degen unterm Arm
So hatte Basko recht? Man stellt mir nach? Wo er nur stickt? Sie sind an mir vorbei gesprengt und gelaufen. Ha! ich kenn die Büsche besser als ihr, und ihr habt keine sonderlichen Spürhunde, und die besten beißen uns nicht.
Klopft an die Türe der Herberge.

Ein Knabe kömmt.

Knabe.
Gnädiger Herr!

Crugantino.
Ist Basko zu Haus kommen?

Knabe.
Ja, gnädiger Herr, mit einem Blessierten, der liegt in ihrer Stube. Hernach ist er gleich fort und hat mir befohlen zu wachen, wenn etwa der Fremde schellte. Und Ihnen soll ich sagen, er sei nach Mirmolo. Ich kenn zwar so keinen Ort; ich glaubte, er spaßte.

Crugantino.
Gut! Geh hinein und halt dich munter!
Junge ab.
Mirmolo! Unsre Losung für Villa Bella! Nach Villa Bella, Basko! Ich versteh! – Sebastian! Wer ist der Sebastian? Was hat er gegen mich? – Das wird sich all entwickeln, das wird all zu verbeißen sein; hättst du nur deine Zither nicht im Stich gelassen! Das ist ein schurkischer Streich, darüber du Ohrfeigen verdient hättest von einem Hundsfutt! Deine Zither! Ich möchte rasend werden. Was sollte man von dem Kerl sagen, der in ein Gedränge käm mit seinem Freund; und sich durchschlüg und seinen Freund im Stich ließ? Pfui! über den Kerl! Pfui! Und deine Zither, mehr wert als zehn Freunde; deine Gesellin Gespielin, Buhlerin; die noch all deine Liebsten ausgehalten hat! Wie wär's, ich kehrte zurück? denn die Spürhunde sind fort! Wohl! kein Mensch vermutet mich dort! Wohl! ich weiß die Schliche! Das wär ein Streich! in der Verwirrung, in der das Haus ist – Ach, und die arme Claudine! Dies Abenteuer sieht windig aus. Doch, allons! erst die Zither befreit, und das übrige gibt sich!

Er die eine Seite der Straße hinauf, Claudine in Mannskleidern an der andern.

Claudine.
Da bin ich! Götter, das ist Sarossa! Und nun die Herberge! Mir zittern meine Knie; ich kann nicht mehr.

Auf eine Hausbank sich setzend, der Herberge gegenüber.

Crugantino.
Eine Erscheinung! Was will der geputzte Bube die Nacht hier? Abenteuer über Abenteuer! Wollen's doch besehen.

Claudine.
Weh, ich höre jemand!

Crugantino.
Mein Herr!

Claudine.
Ich bin verloren!
Crugantino.
Keine Furcht! Sie haben mit einer redlichen braven Seele zu tun. Kann ich was dienen?

Claudine.
Ich bitte! Ich weiß schon! Ich bitte, lassen Sie mich!

Crugantino.
Welche Stimme?
Bei der Hand nehmend.
Himmel, welche Hand!

Claudine.
Lassen Sie mich!

Crugantino.
Claudine!

Claudine aufspringend.
Ha! Señor! bei der Gastfreiheit meines Vaters! Ich beschwöre Sie! – Himmlische Geister!

Crugantino.
Schönste! Wie, Schönste,
Hier find ich dich wieder?

Claudine.
Himmel! Ach Himmel!
Ich sinke darnieder!

Crugantino.
Bietest den nächtgen
Gefahren so Trutz?

Claudine.
Götter, ihr guten!
Gewähret mir Schutz!

Crugantino sie bei der Hand fassend.
So allein! so Nacht! so schön!

Claudine ihn wegstoßend.
Laß mich gehn! laß mich gehn!

Crugantino.
Darf ich fragen,
Darf ich wissen,
Wie du dich dem
Haus entrissen,
Mir so auf den Füßen nach?
Dürft ich hoffen?

Claudine.
Welche Schmach!

Zusammen.
Darf ich hoffen?
Welche Schmach!

Pedro am Fenster horchend.
Himmel! ich träume;
Ich hörte Claudinen!

Crugantino kniend.
Göttin der Erde!

Claudine ihn zurückstoßend.
Du darfst dich erkühnen?

Crugantino.
Höre, Schöne! nur ein Wort!
Komm, hier ist ein sichrer Ort.

Claudine.
Aus den Augen, Bösewicht!
Ha, du kennst dies Herz noch nicht!

Crugantino auf sie losgehend.
Dich ergeben!
Nicht so getan!

Claudine den Degen ziehend und ihn vorhaltend.
Nicht ums Leben!
Komm heran!

Crugantino sie anfassend und forttragend.
O schöne Wut!
Mein ist die Beute!

Claudine in seinen Armen sich wehrend.
Bei Gottes Blut!
Helft mir, ihr Leute!

Pedro vom Fenster weg und herab.
Sie ist's! Sie ist's!

Crugantino, ihn hörend. Basko!

Claudine Crugantino will sie eben in die Herberge tragen.
Gewalt! Gewalt!

Pedro unter der Türe den Degen in der Linken.
Halt! Halt!

Claudine.
Pedro!

Pedro.
Claudine!

Beide.
Welches Glück!

Crugantino der Claudinen niedersetzt, aber an der Hand behält, den Degen zieht und weicht und ihr ihn auf die Brust setzt.
Nicht so eilig!
Zurück, du! Zurück!

Beide.
Götter!

Crugantino.
Mäß'ge die Hitze!
Sonst ist's um sie geschehn!

Pedro.
Wende die Spitze!
Wag's, mir zu stehn!

Crugantino.
Zurück! Zurück!

Beide.
Götter!

Crugantino.
Du siehst ihr Blut
Aus diesem Herzen fließen!

Pedro.
Schreckliche Wut!
Sieh mich zu deinen Füßen!

Crugantino.
Mäß'ge die Hitze!

Pedro.
Wende die Spitze!

Crugantino.
Es ist um sie geschehn!

Pedro.
Höre mein Flehn!

Crugantino.
Zurück! Zurück!

Beide.
Götter!

Basko von ferne.
Hör ich ein Lärmen,
Hör ein Getöse?
Säufer, die schwärmen
Feindlich so böse?

Crugantino ihn hörend.
Basko!

Basko antwortet mit einer Fratze und füllt den Rhythmus mit dem Nachtigallenschlag.
Tarasko!
Titilirtirerireli!

Crugantino.
Führ den Verwundten!
Er irrt uns hie.

Pedro Basko drohend.
Laß mich hinüber!

Crugantino Claudinen wegführend.
Er raset im Fieber.

Basko, Pedro den Degen aus der Hand schlagend.
Allons zu Bette!

Claudine von Crugantino mit Gewalt entführt.
Rette mich! Rette!

Tutti.

Während des Tutti hätte fast Crugantino Claudinen weggeführt. Pedro, rasend, springt ungefähr dem Basko an Kopf, wirft ihn zu Boden, über ihn hinaus und auf Crugantino los, der den Degen Claudinen auf die Brust hält. Sie stehn, und die Musik macht eine Pause.

Wache von ferne.
Hierher! hierher
Hör ich ein Lärmen!

Ein Anderer.
Lumpen und Schurken!
Hör! wie sie schwärmen!

Crugantino Claudinen loslassend. Basko und er fechten gegen die Wache.
Basko, zu Degen!

Wache zuschlagend.
Ha, so verwegen!

Pedro zu Claudinen, sie anfassend.
Eilig von hinnen!

Claudine Pedro in die Arme sinkend.
Weh, meine Sinnen!

Wache Pedro und Claudine anhaltend.
Haltet!

Pedro und Claudine.
O weh!

Wache entwaffnend den Crugantino und Basko.
Gib dich!

Crugantino und Basko.
O Schmach!

Tutti.

Wache führt alle weg.
Folget mir nach!

Pedro und Claudine.
Weh! Weh!

Wache.
Frevler, ergib dich!

Crugantino und Basko.
Schmach! Schmach!


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