Adolf Glaßbrenner
März-Almanach
Adolf Glaßbrenner

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Der neue deutsche Philister

Diese Species der großen Menschen-Menagerie des Vaterlandes ist ungemein verbreitet. Man findet sie in allen Städten zu Hunderten, oft zu Tausenden. Der eine Philister ist immer dummer als der andere: dies ist ihr merkwürdiges Hauptkennzeichen. Außer diesem sind aber noch folgende:

a) Der Philister ist entweder von Adel und thut sich auf diese Alfanzerei noch etwas zu Gute, oder Beamter, oder er hat ein Geschäft, welches ihn anständig ernährt.
aa. Auch hat er mehrere Jungen, von deren Klugheit er gern und oft erzählt.
b) Der Philister ist zufrieden und sieht deshalb nicht ein, wozu Neuerungen sind.
bb. Der Philister sagt sehr deutlich »Gesegnete Mahlzeit!«
c) Der Philister hat früher bei dem Worte Freiheit etwas Angenehmes empfunden; er hat sogar verbotene Bücher gelesen und sich heimlich gefreut, wenn die Despotie verdammt und verhöhnt wurde. Nachdem die Freiheit aber angebrochen, ist sie ihm viel zu unruhig.
d) Im innersten Herzen wünscht sich der neue deutsche Philister wieder unter den Soldaten-, Beamten- und Polizei-Schutz der absoluten Monarchie zurück. Er spricht dies aber, wie ein Ehrenmann, nicht offen aus, sondern fürchtet sich, daß man ihm in's Gesicht lache.
e) Der Philister lebt bereits in einem freien Staate, sieht sich aber bei dem Worte Freiheit noch immer um, ob es Niemand gehört hat.
ee. Unter Jemand versteht der Philister Polizei, weshalb er sich immer umsieht, ob es Niemand gehört hat.
f) Da der neue deutsche Philister zu leben hat, so hat er kein Herz für das Elend der Arbeiter, Landleute und kleinen Bürger.
ff. Trotzdem giebt er alle Monat zwei Groschen an die Armen.
g) Der Philister hält dieselbe Zeitung, welche sein Vater gehalten hat.
h) Unter Republik versteht der Philister Mord und Todtschlag.
i) Wenn der Philister von einer Volksversammlung hört, so vergräbt er sein Geld.
ii. Er hätte übrigens, wie er zu seiner Frau äußert, Nichts dagegen, wenn seinem reichen Concurrenten einmal die Fenster eingeworfen würden.
k) Er nennt Jeden Ausländer, der nicht »im Orte« geboren ist.
l) Falls der neue deutsche Philister gegen seinen Willen in ein politisches Gespräch geräth, so entscheidet er sich bei allen höheren Staatsfragen durch die einfachen Worte: »Nur keine Aufregung!«
m) Der Philister ist immer sicher. Sobald ihm Gegengründe fehlen, greift er zu seiner ausgebildeten Fähigkeit: grob und roh werden zu können.
n) Wenn der Philister irgend eine Satyre liest, so fühlt er immer sich getroffen.
nn. In Folge dieser Empfindung schimpft er.
o) Unter Freiheit der Presse versteht der Philister, daß Jeder so denken soll, wie Er.
oo. Daß er gar nicht denkt, daran denkt er nicht.
p) Er kann noch immer nicht die Juden für gleichberechtigt halten.
q) Unter Ordnung versteht der Philister die ganze volle Nichtswürdigkeit der alten Zustände.
qq. Seine Frau ist ganz derselben Meinung.
r) Wenn der Philister mit seinem Vetter allein ist, so leugnet er Diesem nicht, daß in der Regierung und in der Kommune noch viele Uebelstände sind.
s) In der Haushaltung des Philisters hat es der Hund viel besser als die Dienstboten.
t) Er ist immer sehr glücklich, wenn er vom »Pöbel« sprechen kann. Diesen sucht er unter sich.
u) Am widerwärtigsten ist dem Philister das Geniale, Poetische, dagegen ißt er Erbsen und Sauerkohl sehr gern.
v) Als Wähler ist er nur im Zweifel, welchen hochgestellten Beamten er wählen soll.
w) Der Staat ist dem Philister etwas Auswendiges. Er gilt ihm als Frack, den er nur bei feierlichen Gelegenheiten anzieht.
ww. Trotzdem fällt ihm nicht ein, daß ein alter Frack ausgeklopft und gebürstet werden und man zuletzt einen neuen haben muß.
x) Aus Besorgniß vor einer Unruhe macht der Philister Unruhen.
y) Der Philister ist gewöhnlich so trocken ernst, daß man in seiner Nähe nach Luft schnappt. Oder er lacht über Rohheiten.
yy. Thränen kennt er nicht.
z) Das Hauptkennzeichen bleibt aber: Ein Philister ist immer dummer als der andere.
zz. So ist es!

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