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XIV.

UNRUHEN NACH DER ABDANKUNG DIOCLETIANS · TOD DES CONSTANTIUS · THRONBESTEIGUNG DES CONSTANTIN UND MAXENTIUS · SECHS KAISER ZU EINER ZEIT · TOD DES MAXIMIAN UND GALERIUS · CONSTANTIN BESIEGT MAXENTIUS UND LICINIUS · WIEDERVEREINIGUNG DES REICHES UNTER CONSTANTIN · SEINE GESETZE · ALLGEMEINER FRIEDEN

 

BÜRGERKRIEGE A.D. 305 – 323

Das von Diocletian entworfene System des Machtgleichgewichts erwies sich genau solange als leistungsfähig, wie sein Stifter seine schirmende Hand darüber hielt. Es setzte eine glückliche Mischung von bestimmten Charakteren und Fähigkeiten voraus, wie man sie ein zweites Mal wohl kaum finden oder auch nur erhoffen durfte: zwei Kaiser ohne Gefühle der Eifersucht füreinander; zwei Cäsaren ohne niedere Machtgelüste; und vier voneinander unabhängige Herrscher, denen das Gemeinwohl in gleicher Weise am Herzen lag. Auf Diocletians und Maximians Abdankung folgten achtzehn Jahre Zwietracht und Unruhe. Fünf verschiedene Bürgerkriege erschütterten nacheinander das Imperium; und die Zeit zwischen den Konflikten war nicht etwa eine Zeit des Friedens, sondern lediglich der Waffenruhe unter verschiedenen Herrschern, welche sich mit Hass und Furcht beargwöhnten und darüber hinaus bemüht waren, ihre jeweilige Kriegsmacht auf Kosten der Untertanen hochzurüsten.

 

CONSTANTIUS...

Sobald Diocletian und Maximian zurückgetreten waren, nahmen entsprechend den neuen Verfassungsgrundsätzen die beiden Cäsaren Constantius und Galerius deren Stellung ein und legten sich auch unverzüglich den Augustustitel zu. Herr de Montesquieu (Considerations sur la Grandeur et la Decadence des Romains, c. 17) meint, gestützt auf Orosius und Eusebius, dass das Imperium erst jetzt zum ersten Male wirklich geteilt worden sei. Es ist allerdings schwer auszumachen, in welchen Punkten Galerius' Plan von dem des Diocletian abwich. Dem älteren der beiden Herrscher stand das Vorrecht des Alters zu, und er fuhr fort, unter geändertem Namen wie ehedem Gallien, Spanien und Britannien zu verwalten. Mit der Regentschaft über diese umfangreichen Provinzen waren seine Möglichkeiten ausgereizt und sein Ehrgeiz befriedigt. Milde, Mäßigung und Bescheidenheit zeichneten Constantius' liebenswerten Charakter aus, und seine glücklichen Untertanen hatten des Öfteren Gelegenheit, die Vorzüge ihres Herrschers mit den Maßlosigkeiten des Maximian oder sogar den Ränken des Diocletian zu vergleichen. Hic non modo amabilis, sed etiam venerabilis Gallis fuit; praecipue quod Diocletiani suspectam prudentiam, et Maximiani sanguinariam violentiam imperio eius evaserant. Eutropius, 10,1. [Er wurde von den Galliern nicht nur geliebt, sondern geradezu verehrt; dies vor allem, weil sie von Diocletians berechnender Hinterlist und Maximinians bluttriefender Gewalttätigkeit nichts zu leiden hatten]. Anstelle ihre orientalische Prunk- und Prahlsucht nachzuäffen, blieb Constantius zurückhaltend wie ein echter römischer Herrscher. Mit ungeheuchelter Aufrichtigkeit erklärte er, dass sein kostbarster Schatz in den Herzen seiner Untertanen liege und dass er blind auf ihre Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft rechnen könne, wann immer Thron oder Vaterland außergewöhnlicher Hilfeleistungen bedürftig seien. Divitiis provincialium ac privatorum studens, fisci commoda non admodum affectans; ducensque melius publicas opes a privatis haberi, quam intra unum claustrum reservari. (Er war nicht so sehr um den Staatsschatz besorgt als vielmehr darum, die Provinzler und die Privatleute wohlhabend zu machen; besser erschien es ihm, das Staatsvermögen in Privathand als im Gewölbe aufzuheben.) Eutropius a.a.O. Er ging so weit mit dieser Maßregel, dass er sich silbernes Geschirr ausleihen musste, wann immer er selbst ein Gastmahl veranstaltete. Die Bewohner Galliens, Spaniens und Britanniens waren sich seiner Ehrlichkeit und ihrer eigenen Glücksumstände durchaus bewusst und dachten mit ängstlicher Spannung an die nachlassende Gesundheit ihres Herrschers Constantius, das zarte Alter seiner zahlreichen Familie und seine zweite Ehe mit der Tochter des Maximian.

 

...GALERIUS

Da war Galerius aus einem anderen Holz geschnitzt; weil er des Respektes seiner Untertanen gewiss war, verzichtete er darauf, um ihre Wertschätzung zu buhlen. Sein Waffenruhm und ganz besonders sein Triumph im Perserkrieg hatten seinen hochfahrenden Geist noch stolzer gemacht, dem naturgemäß ein überlegener oder selbst gleichwertiger zuwider sein musste. Könnten wir uns auf das parteiische Zeugnis eines recht unbedarften Schreibers verlassen, dann ginge Diocletians Abdankung auf Rechnung der Drohgebärden des Galerius, und wir müssten jetzt von den Details einer streng geheimen Unterhaltung berichten, in welcher der erstgenannte ebensoviel Kleinmut offenbart haben muss wie der andere Undankbarkeit und Unverschämtheit. Lactantius, de Mortibus persecutorum 18. Würden die Details dieses Gespräches näher an der Grenze zu Wahrheit und Schicklichkeit liegen, so bliebe immer noch die Frage offen, wie ein so obskurer Rhetor davon erfahren haben sollte. Aber viele Historiker erinnern uns hier an die treffenden Bemerkung des Condé an den Kardinal de Retz: "Ces coquins nous font parler et agir comme ils auraient fait eux-memes à notre place." (Diese Spitzbuben lassen uns so sprechen und handeln, wie sie es an unserer Stelle getan hätten.) Ein unbefangener Blick auf Diocletians Wesensart und Verhalten genügt, um die Haltlosigkeit solcher läppischen Anekdoten zu erweisen. Welche Absichten auch immer er anderweitig verfolgt haben mag: hätte er von Galerius' Gewaltbereitschaft irgendeine Gefahr befürchtet, dann hätte ihn sein gesunder Menschenverstand vermocht, diesen würdelosen Streit abzubrechen; und er würde das Szepter, mit so viel Ruhm geführt, schwerlich in Schanden niedergelegt haben.

 

SEVERUS UND MAXIMINUS WERDEN CAESAREN

Nach der Erhöhung des Constantius und Galerius zu Augusti wurden zwei Caesaren gesucht, ihren Platz einzunehmen und dadurch das neue kaiserliche Regierungssystem vollständig zu machen. Diocletian verlangte von ganzem Herzen danach, sich von der Welt zurückzuziehen; er betrachtete Galerius, der inzwischen seine Tochter geheiratet hatte, als die zuverlässigste Stütze seiner Familie und des Reiches; und auch hiermit war er ohne Vorbehalte einverstanden, dass sein Nachfolger die Vorzüge wie auch die Neidgefühle auskosten solle, die dieser bedeutenden Stellung zugehörten. Er wurde also eingesetzt, ohne dass man die Interessen oder die Stimmung der Herrscher des Westens, Maximianus und Constantius Chlorus, erkundet hätte. Beide hatten Söhne im mannbaren Alter, und man hätte sie als die natürlichsten Kandidaten für die vakanten Stellungen ansehen können. Es brauchte sich niemand mehr vor Maximianus' ohnmächtigem Zorn zu fürchten, und der sanfte Constantius war gegen die Kalamitäten eines etwaigen Bürgerkrieges durchaus empfindlich, wenn ihm dessen Gefahren auch gleichgültig gewesen sein mochten. Die beiden Männer, welche Galerius zu Caesaren erhob, waren seinen Zielsetzungen dienlicher; sie scheinen sich wesentlich durch das Fehlen von Verdiensten oder persönlichem Ansehen empfohlen zu haben. Der erste der beiden war Daia oder, wie er später hieß, Maximinus, dessen Mutter Galerius' Schwester war. Durch Sprache und Auftreten verriet er immer noch in naiver Jugendhaftigkeit seine ländliche Herkunft, als er zu seiner und der Welt Überraschung zum Caesar ernannt wurde und Ägypten und Syrien regieren durfte. Sublatus nuper a pecoribus et silvis (sagt Lactantius de mortibus 19) statim scutarius, continuo Protector, mox tribunus, postridie Caesar, accepit Orientem. [Vor kurzem erst von den Rinderherden und aus den Wäldern geholt, sofort Soldat, dann zur Leibgarde, alsbald Tribun, andern Tags Caesar, teilt man ihm heute den Orient zu]. Indem er ihm den ganzen Anteil Diocletians zuschiebt, erweist Aurelius Victor sich als zu spendabel. Zur gleichen Zeit wurde Severus nach Mailand geschickt, um aus der Hand des widerstrebenden Maximian die Caesar-Insignien und die Herrschaftsrechte über Italien und Afrika zu empfangen; Seinen Eifer und seine Treue erkennt selbst Lactantius an (de mortibus 18). Severus war eine brave Beamtennatur, die zwar eher dem Vergnügen zugetan, aber der Verwaltungsarbeit durchaus nicht abgeneigt war; den Verfassungsgrundsätzen entsprechend gehorchte Severus den Maßregeln des westlichen Herrschers, doch er war absolut an die Weisungen seines Gönners Galerius gebunden, welcher sich selbst die Herrschaft über die Länder zwischen Italien und Syrien sicherte und so mit fester Hand drei Viertel des römischen Reiches regierte. Im festen Vertrauen auf das baldige Ableben des Constantius Chlorus, was ihm zum Alleinherrscher gemacht hätte, hatte er sich bereits eine lange Reihe künftiger Herrscher ausgemalt, und wir wissen zuverlässig, dass er für sich selbst den Rücktritt nach zwanzig ruhmreichen Herrscherjahre vorgesehen hatte. Diese Pläne beruhen indessen aus Lactantius' höchst zweifelhafter Autorität (de mortibus 20).

Indessen, diese ehrgeizigen Entwürfe des Galerius gingen binnen achtzehn Monaten infolge zweier unerwarteter Umwälzungen zu Schanden. Die Hoffnung auf die Wiedervereinigung der westlichen Provinzen scheiterten infolge des Aufstieges von Constantin; und Italien und Afrika gingen ihm verloren auf Grund der erfolgreichen Revolte des Maxentius.

 

HERKUNFT UND ERZIEHUNG DES CONSTANTIN A.D. 274

I. Der Ruhm des Constantin hat die Aufmerksamkeit der Nachwelt noch für die winzigsten Nebenumstände seines Lebens und Wirkens geschärft. Sein Geburtsort war ebenso wie die Herkunft seiner Mutter Helena Gegenstand nicht nur wissenschaftlicher, sondern auch national gefärbter Debatten. Ungeachtet der jüngeren Tradition, die einen britischen Stammeskönig Diese Überlieferung, die den Zeitgenossen des Constantin unbekannt war, wurde in der Finsternis der Klöster ausgeheckt, wurde ausgeschmückt von Jeffrey of Monmouth und den Schreibern des XII. Jhdts. Sie wurde von den Altertumsforschern noch der jüngsten Zeit verteidigt und fand schließlich in der umfänglichen Englischen Geschichte von Herrn Carte (Band 1, p.147) Aufnahme. Er verlegt jedoch das Königtum des Coil, Helenas angeblichem Vater, von Essex an den Antoniuswall. zu ihrem Vater macht, sind wir genötigt anzuerkennen, dass Helena die Tochter eines Gastwirtes war; zugleich aber möchten wir die Rechtmäßigkeit ihrer Ehe gegen den Vorwurf in Schutz nehmen, sie sei nur die Konkubine und nicht die Frau des Constantius Chlorus gewesen. Eutropius (10,2) spricht in wenigen Worten die Wahrheit und den Grund für den Irrtum aus: ›dessen Sohn unbestimmter Herkunft war.‹ Zosimos (2,78) griff dies üble Gerücht bereitwillig auf und Orosius schloss sich ihm an (7,25); dessen Auskunft – merkwürdig genug – der unermüdliche, aber voreingenommene Tillemont übersehen hat. Constantin der Große wurde nach aller Wahrscheinlichkeit in Naissus in Dacien Zum Geburtsort von Constantin gibt es drei unterschiedliche Auffassungen. 1: Unsere englischen Altertumsforscher verweilen mit Entzücken bei diesem Satz seines Panegyrikers: ›Britannias illic oriendo nobiles fecisti.‹ (Du hast Britannien durch deine Herkunft von dort geadelt.) Aber diese berühmte Stelle kann sich genauso gut darauf beziehen, dass Constantin hier die Macht übernommen hat wie darauf, dass er hier geboren wurde. 2. Einige moderne Griechen haben dem Ort Drepanum die Ehre seiner Geburt zugeschrieben; diese Stadt liegt am Golf von Nicomedia und wurde von Constantin mit dem Namen Helenopolis beehrt sowie von Justinian mit vielen Prunkgebäuden verschönert (Prokopios de Aed.5,2). Es ist durchaus vorstellbar, dass Helenas Vater in Drepanum ein Gasthaus geführt hat; und als Constantius unter Aurelians Herrschaft von einer Gesandtschaft nach Persien zurückkehrte, kann er dort ohne weiteres genächtigt (und Helena kennen gelernt) haben. Aber das unstete Leben eines Soldaten bringt es mit sich, dass der Ort seiner Eheschließung nicht notwendig mit dem Geburtsort seiner Kinder übereinstimmt. 3: Ein unbekannter Schreiber (Anonym. Val. 2) unterstützt den Anspruch von Naissus, wie am Ende von Ammianus Marcellinus (p.710) zu lesen ist. Dieser hat im Allgemeinen nur zuverlässige Quellen benutzt und wird außerdem von Julius Firmicus bestätigt (De Astrologia 1,4), welcher direkt unter Constantin gelebt hat. Man hat verschiedentlich Einwände gegen die Integrität des Textes erhoben sowie gegen die Verwendung der Textpassage bei Firmicius; aber ersterer ist nach den besten mss. erstellt, und die Passage wird geschickt von Lipsius verteidigt (de magnitudine Romana 4,11 und Supplement). geboren, und es überrascht nicht, dass der Jugendliche aus solchem waffenberühmten Geschlecht und Land wenig Neigung zeigte, sich durch Erwerb von Kenntnissen den Horizont zu erweitern. ›Literis minus instructus.‹ [Mit den Wissenschaft kaum vertraut]. (Anonymus Valesii 2,2).

 

A.D. 292

Als er achtzehn Jahre alt war, wurde sein Vater Chlorus in den Caesarenrang befördert; aber dieser Glücksumstand wurde überschattet durch dessen Scheidung von seiner Mutter; und der Glanz, der dieser kaiserlichen Stellung innewohnte, brachte dem Sohn der Helena zunächst nur Verdruss und Demütigung. Anstelle seinem Vater in den Westen nachzufolgen, verblieb er in den Diensten des Diocletian, legte im Krieg gegen Ägypten und Persien Proben von Talent ab und arbeitete sich allmählich zu der ehrenvollen Stellung eines Tribunen erster Klasse empor. Er war von hoher und kräftiger Statur, war geschickt in allen seinen Unternehmungen, furchtlos im Krieg und in Friedenszeiten umgänglich; in allen seinen Aufführungen zeigte er ein lebendig-jugendliches Temperament, welches unter der Kontrolle einer reifen Besonnenheit stand; und obwohl er von Ehrgeiz durchdrungen war, wirkte er äußerlich kühl und war für Zerstreuungen unempfänglich. Seine Beliebtheit beim Volk und den Soldaten, was ihn für den Caesarenrang würdig machte, bewirkte zunächst nur, dass in Galerius verstärkte Neidgefühle aufkeimten; und obwohl dieser von offener Gewalt wohlbedacht Abstand nahm: ein absoluter Monarch ist ja selten in Verlegenheit, wenn er ungefährdet und unauffällig Rache nehmen will. Galerius oder vielleicht sein eigener kühner Entschluss ließen ihn einen Zweikampf mit einem Samarten (Anonymus Valesii 2,3) und einem gewaltigen Löwen eingehen. Siehe auch Praxagoras bei Photios, p.63. Praxagoras war ein Philosoph aus Athen und hat eine Biographie Constantins in zwei Büchern verfasst, die uns verloren sind. Er war Zeitgenosse. Mit jeder Stunde vergrößerten sich die Gefahren für Constantin und die Sorgen seines Vaters, welcher in wiederholten Briefen sein dringendes Verlangen geäußert hatte, endlich seinen Sohn umarmen zu dürfen. Eine Zeitlang gelang es Galerius, ihn mit Redensarten und schicklichen Ausflüchten hinzuhalten, aber auf die Dauer war es unmöglich, diesen natürlichen Wunsch seines Kollegen auszuschlagen, ohne dies durch die Waffe geltend zu machen. So gab er, wenn auch widerstrebend, Urlaub; aber welche Vorkehrungen der Herrscher auch immer getroffen haben mochte, um das Wiedersehen zu verhindern, weil er beste Gründe hatte, sich vor dessen Folgen zu fürchten, so machte Constantin mit nahezu unglaublicher Vorsicht alle seine Anschläge zunichte. Zosimos 2,8; Lactantibus de mortibus 24. Ersterer erzählt ein haltloses Märchen, dass Constantin alle Postpferde, die er benutzt hatte, durch Anschneiden der Kniesehnen lähmen ließ. Diese blutige Maßnahme hätte zwar nichts verhindert, aber Verdacht erregt und seine Reise möglicherweise sogar aufgehalten. Er verließ den Palast zu Nicomedia bei Nacht, durchquerte Bithynien, Thrakien, Dacien, Pannonien, Italien, Gallien und kam, vom Volk umjubelt, genau in dem Augenblick in Boulogne an, als sein Vater Constantius sich anschickte, von hier nach Britannien überzusetzen. Anonymus Valesii p. 710; Panegyrici 7,4. Aber Zosimos 2,9, Eusebios de Vita Constantini 1, 21, und Lactantius de Mortibus 24 vermuten indessen, wenig überzeugend, er habe seinen Vater auf dem Totenbett gefunden.

 

TOD DES CONSTANTIUS CHLORUS A.D. 30

Der Feldzug nach Britannien, der mit einem leichten Sieg über die kaledonischen Barbaren endete, war die letzte Unternehmung des Constantius. Er starb im Kaiserpalast zu York, fünfzehn Monate nach seiner Ernennung zum Augustus und beinahe vierzehneinhalb Jahre, seit er den Caesarenrang eingenommen hatte. Unmittelbar auf seinen Tod folgte die Ernennung des Constantin. Die Idee der Nachfolge und Erblichkeit ist ja so allgegenwärtig, dass die Menschheit sie nicht nur als ein Verstandes- sondern als ein Naturgebot ansieht. Gern sind wir dann bereit, diese Vorstellung vom privaten Bereich auf Regierungsverhältnisse zu übertragen: und hinterlässt ein tüchtiger Vater einen Sohn, dessen Verdienste die Wertschätzung und vielleicht sogar die Hoffnungen des Volkes zu rechtfertigen scheinen, dann wird die vereinte Wirkmacht von Volkes Meinung und Zuneigung unwiderstehlich. Die Blüte der westlichen Legionen war Constantius nach Britannien gefolgt, und die römischen Truppen waren noch durch ein starkes Truppenkontingent von Alamannen verstärkt worden, welche unter dem Kommando des Crocus Cunctis qui aderant annitentibus, sed praecipue Croco (alii Eroco) Alemannorum Rege, auxilii gratia Constantium comitato, imperium capit. Victor iun. 41. [Unter Zustimmung aller Anwesenden und besonders des Alamannenhäuptlings Crocus (Andere: Erocus), der Constantin zwecks Hilfeleistung begleitet hatte, nahm er das Heft in die Hand]. Es ist dieses das erste Beispiel für einen Barbarenhäuptling, welcher die Waffen Roms mit unabhängigen Truppen seiner eigenen Untertanen unterstützte. Diese Praxis setzte sich allmählich durch, mit verhängnisvollem Ausgang. standen, einem ihrer Erbhäuptlinge.

Constantins Anhänger flößten den Legionen einen hohen Begriff von ihrer Bedeutung ein und versicherten, dass Britannien, Gallien und Spanien ihrer Kaiserwahl stillschweigend zustimmen würden. Man legte ihnen die Frage vor, ob sie denn auch nur einen Augenblick zögern würden angesichts der Alternative, entweder in Ehren den verdienstvollen Sohn ihres geliebten verstorbenen Herrschers zum Kaiser zu ernennen oder in Schanden tatenlos auf einen hergelaufenen Fremdling zu warten, dem es womöglich noch einfallen könne, den Legionen und Provinzen des Westens einen asiatischen Regenten vorzusetzen. Auch ward ihnen eingeblasen, dass Dankbarkeit und Freigebigkeit unter Constantins Tugenden die erste Stelle einnähmen; er selbst ließ sich in berechneter Zurückhaltung solange bei den Truppen nicht blicken, bis er sicher sein konnte, dass sie ihn zum Caesar und Augustus ernennen würden. Nach dem Thron verlangte ihm von ganzem Herzen; hätte ihn der Ehrgeiz nicht angestachelt, so hätte in der Thronbesteigung zumindest noch eine Art Lebensversicherung gelegen. Er war mit der Natur und den Absichten des Galerius so weit vertraut, um zu wissen, dass er, wollte er noch ein wenig am Leben bleiben, sich zum Regieren entschließen musste. Sein berechnetes und wohldosiertes Weigern, das zu simulieren Sein Panegyriker Eumenius (7.8) entblödet sich nicht, sogar in Gegenwart Constantins zu behaupten, dass dieser seinem Pferd die Sporen gegeben und, wenngleich vergeblich, versucht habe, seinen Soldaten durch Flucht zu entkommen. er sich entschlossen hatte, war darauf angelegt, seine Usurpation achtbar zu machen. Auch gab er den Akklamationen der Armee nicht nach, solange nicht alles geeignete Material für einen Brief an den Herrscher des Ostens vorlag, den er denn auch unverzüglich abschickte. Constantin berichtete ihm hierin von dem traurigen Ereignis, dem Tod seines Vaters, bekräftiget in aller Bescheidenheit seinen natürlichen Anspruch auf die Thronfolge und beweinte zugleich submissest die draufgängerische Ungeduld seiner Soldaten, die es ihm unmöglich gemacht habe, auf die gehörige und verfassungskonforme Art um den kaiserlichen Purpur nachzusuchen. Galerius reagierte zunächst mit Überraschung, Enttäuschung und Wut; dann schlug er großen Lärm – er war von jeher unfähig, seinen Wallungen zu gebieten – und drohte beide, Brief und Briefes Überbringer, dem Feuer zu überantworten.

 

CONSTANTIN WIRD ZUM CAESAR ERNANNT UND ANERKANNT

Allgemach aber fand er zur Vernunft zurück; er imaginierte die Unwägbarkeiten eines Bürgerkrieges, die Entschlossenheit und die Truppenstärke seines Gegners, um sich dann freudevoll in die ehrenhafte Ämterteilung dareinzufinden, die ihm Constantin klüglich angeboten hatte. Weder missbilligte noch bestätigte er die Wahl der britannischen Legionen, aber er akzeptierte den Sohn seines verstorbenen Kollegen als den Herrscher über die Provinzen jenseits der Alpen; er verlieh ihm allerdings nur den Caesarentitel und die vierte Stellung unter den römischen Kaisern, während er den vakanten Ausgustustitel seinem Günstling Severus übertrug. So blieb die Harmonie des Reiches bewahrt und Constantin, der bereits de facto die Oberherrschaft innehatte, wartete mit Geduld auf eine passende Gelegenheit, wo dies auch de jure der Fall sein würde. Lactantius de mortibus 25. Eumenius 7,8 gibt dem ganzen Vorgang eine rhetorische Wendung.

 

CONSTANTINS KINDER

Constantius Chlorus hatte aus zweiter Ehe sechs Kinder, drei von jedem Geschlecht, und deren kaiserliche Abkunft hätte eine Anwartschaft eigentlich besser begründet als die denn doch sehr volksnahe Herkunft des Sohnes der Helena. Aber Constantin war zweiunddreißig Jahre alt, stand körperlich und geistig in der Blüte seiner Jahre, als der älteste seiner Halbrüder schwerlich mehr als dreizehn Jahre sein konnte. Sein Anspruch wurde von dem sterbenden Kaiser bestätigt und unterschrieben. Die Wahl Constantins durch seinen sterbenden Vater wurde durch die Vernunft diktiert; Eumenius deutet den Vorgang nur an, aber er wird durch die unanfechtbarsten Autoritäten betätigt: Lactantius (de mortibus 24), Libanius (Oratio1), Eusebius (Vita Constantini 1,21) und Iulian (Oratio 1). In seinen letzten Augenblicken übertrug Constantius seinem Ältesten die Verantwortung für die Sicherheit und die Ehre seiner Familie; und er beschwor ihn, auch gegenüber den Kindern der Theodora Vatersstelle einzunehmen. Ihre liberale Erziehung, ihre vorteilhaften Eheschließungen, ihr Leben in gesicherter Würde, die ersten Staatsämter, die sie bekleideten: dies alles legt Zeugnis ab für das brüderliche Wohlwollen des Constantin; und da die Prinzen von sanfter und dankbarer Wesensart waren, fügten sie sich klaglos seinem überlegenen Geist und glücklichem Schicksal. Von den drei Schwestern des Constantin heiratete die eine, Constantia, den Kaiser Licinius, die zweite, Anastasia, den Caesaren Bassianus, und Eutropia schließlich den Konsul Nepotianus. Die drei Brüder waren Dalmatianus, Julius Constantius und Annibalianus, von denen zu berichten wir später noch Gelegenheit haben werden.

 

VERDROSSENHEIT IN ROM ÜBER STEUERN

II. Galerius' ambitionierter Sinn hatte das Scheitern seiner Pläne bezüglich der gallischen Provinzen kaum verschmerzt, als der Verlust von Italien seinen Stolz und seine Machtposition neuerlich und weitaus empfindlicher dämpfte. Infolge der langen Abwesenheit der Kaiser von Rom hatten sich dort Unzufriedenheit und Verdrossenheit angesammelt; es hatte sich nämlich mit der Zeit der Bevölkerung enthüllt, dass die Vorzugsstellung von Nikomedia und Mailand nicht einer Marotte des Diocletian zu danken war, sondern der von ihm eingeführten neuen und endgültigen Verfassung. Da war es von geringem Nutzen, dass seine Nachfolger nur wenige Monate nach seiner Abdankung in seinem Namen jene gigantischen Bäder eröffneten, deren Ruinen sogar heute noch Boden und Baumaterial für Kirchen und Klöster Siehe Gruter, Inscriptiones 149, 6. Alle sechs Fürsten wurden genannt, Diocletian und Maximian als die älteren Augusti und Väter der Kaiser. Sie übergaben die gewaltigen Anlagen gemeinsam zum Nutzen ihrer Römer. Architekten haben aus den Ruinen diese Therme rekonstruiert; und Altertumsforscher, namentlich Donatus und Nardini, haben das Gelände durchforscht, auf dem sie errichtet wurden. Eine der großen Säle ist heute eine Karthäuserkirche; und noch die Dienstwohnung eines der Pförtner gibt Raum für eine Kirche des Barfüßerordens. abgeben.

Die Ruhe dieser eleganten Inseln für Wohlleben und Luxus wurde empfindlich durch das ungeduldige Scharren der Römer aufgestört; und dann ging noch unwiderlegt das Gerücht um, dass man die Kosten für diese Anlagen über ein Kleines den Römern selbst aufhalsen würde. Um diese Zeit sah sich nämlich Galerius veranlasst, sei es aus Habgier, sei es aufgrund einer staatlichen Notlage, eine sehr genaue und strenge Vermögensschätzung bei seinen Untertanen vornehmen zu lassen zum Zwecke einer allgemeinen Land- und Vermögenssteuer. Man zog die genauesten Erkundigungen über ihren Vermögensstand ein; und wann immer auch nur der leiseste Verdacht bestand, es sei etwas verhehlt worden, wurde von der Folter der ausgiebigste Gebrauch gemacht, um von den Eigentümern aufrichtige Angaben bezüglich ihrer Besitzverhältnisse zu erzwingen. Siehe Lactantius de mortibus 26 und 31. Die Vorzugsstellung, die Italien bis dahin gegenüber den Provinzen innegehabt hatte, war dahin: die Finanzbeamten begannen mit einer Volkszählung und der Festlegung der neuen Abgaben. Doch selbst dort, wo der Geist der Freiheit schon längst und gründlich abgestorben ist, unterwindet sich zuweilen noch der apathischste Untertan, gegen einen solchen ungeheuerlichen Zugriff auf sein Eigentum aufzubegehren; in diesem Falle aber kam zum Unrecht noch der Schimpf hinzu, und das Gefühl des Eigennutzes wurde durch Fragen der nationalen Ehre befeuert:

Nach der Eroberung Makedoniens nämlich wurde das römische Volk, wie wir früher gesehen haben, von allen persönlichen Steuern befreit. Es hatte inzwischen alle Formen des Despotismus erfahren, sich aber wenigstens dieser Ausnahmestellung über fünfhundert Jahre freuen dürfen; so kam es ihnen unerträglich vor, dass ein illyrischer Bauerntrampel in seiner fernen Residenz in Asien sich nicht entblödete, Rom zu den zinspflichtigen Städten des Reiches zu zählen. Der wachsende Zorn des Volkes wurde, wenn schon nicht durch die Autorität, so doch wenigstens durch das stillschweigende Einverständnis des Senates befördert; und selbst die eingeschüchterten Prätorianer, die die Auflösung ihrer Truppe zu fürchten Gründe genug hatten, griffen bereitwillig nach diesem schicklichen Vorwand und kündigten ihre Bereitschaft an, ihr Schwert zum Besten ihrer unterdrückten Heimat zu ziehen. Es war zunächst der allgemeine Wunsch und schon bald die allgemeine Hoffnung jedes Bürgers, dass man sich, wenn man erst einmal die fremdländischen Tyrannen aus Italien verjagt hätte, anschließend einen Herrscher würde wählen können, welcher sich durch die Wahl der Residenzstadt und durch seine Regierungsgrundsätze erneut den Titel eines römischen Kaisers verdienen würde. Der Name und die Stellung des Maxentius waren es, die die populären Hoffnungen auf sich zogen.

 

MAXENTIUS ZUM KAISER ERNANNT A.D. 306 MAXIMIAN GREIFT ERNEUT NACH DEM PURPUR

Maxentius war Sohn der Kaisers Maximian und hatte die Tochter des Galerius zur Frau. Seine Geburt und sein Anhängerschaft eröffneten ihm die schönsten Aussichten auf die Thronfolge; aber seine Laster und seine Unfähigkeit schlossen ihn mit dem gleichen Nachdruck von der Caesarenwürde aus, wie andererseits Constantins fast schon bedrohlichen Verdienste diesen für den Thron empfohlen hatten. Die Politik des Galerius hingegen bevorzugte Kollegen von solcher Art, dass sie weder ihrem Gönner Schande machen noch seine Anweisungen in Frage stellen würden. Also platzierte er einen dubiosen Fremdling auf den Thron Italiens, und dem Sohn des verstorbenen Kaisers des Westens wurde zugestanden, einige Meilen von der Hauptstadt entfernt auf einem Landsitz seines Privatvermögens zu genießen. Die finsteren Leidenschaften seiner Seele, Scham, Verärgerung und Zorn: alles dieses fachte nun der Neid an, als er von Constantins Erfolg hören musste. Aber die wachsende öffentliche Unruhe belebte Maxentius' Hoffnungen wieder, und leicht ließ er sich bereden, sein persönlich erlittenes Unrecht und seine Ambitionen mit der Sache des römischen Volkes zu vereinen. Zwei Tribunen der Prätorianergarde und ein Versorgungsbeauftragter stellten sich an die Spitze der Verschwörung; und da alle Beteiligten vom gleichen Geiste beseelt waren, konnte der Ausgang weder zweifelhaft oder schwierig sein. Der Stadtpräfekt und ein paar Magistrate, die in Treue fest zu Severus standen, wurden von den Wachen ermordet; und Maxentius, angetan mit dem Kaiserpurpur, wurde unter dem Beifall von Senat und Volk als der Bewahrer von Roms Freiheit und Würde ausgerufen. Es ist unbekannt, ob Maxentius vorher von der Verschwörung gewusst hatte; sobald aber die Fahne der Empörung über Rom aufgezogen war, hielt es den alten Kaiser nicht mehr auf seinem Landsitz, auf welchem seine letzten Jahre in Melancholie zu verdämmern Diocletians Machtwort ihn verurteilt hatte, aber zunächst verhehlte er seine neubelebten Herrschergelüste noch hinter der Maske väterlicher Hingabe. Erst auf dringendes Ersuchen des Senates und seines Sohnes legte er gnädig den Purpur an. Seine frühere Herrscherwürde, seine Erfahrung, sein Waffenruhm verliehen der Sache des Maxentius Gewicht und Würde. Der 6. Panegyrikus stellt Maximians Verhalten in sehr gutem Licht dar; und der mehrdeutige Ausdruck des Aurelius Victor ›retractate diu‹ (lange sich widersetzend) kann bedeuten, dass er die Verschwörung einfädelte oder sich ihr widersetzte. Zosimus, 2,9 und Lactantius de mortibus 26.

 

SEVERUS' ENDE A.D. 307

Dem Rat, oder vielmehr Befehl seines Mitkaisers gehorsamend, hastete Severus ohne Verzug nach Rom in der sicheren Erwartung, dass er durch sein jähes Erscheinen den Krawall eines kriegsungewohnten Pöbels beilegen würde, zumal er nur von einem lasterhaften Buben befehligt wurde. Indessen fand er bei seiner Ankunft die Stadttore verschlossen, die Mauern besetzt von Männern in Waffen, einen gestandenen General an der Spitze der Rebellen und seine eigene Truppen ohne rechte Lust und Neigung. Ein ganzes Kontingent Mauren desertierte, verlockt durch großzügige Geldversprechungen; und wenn es denn stimmt, dass Maximian sie während seines Afrikafeldzuges rekrutiert hatte, gehorchten sie eher dem natürlichen Gefühl der Dankbarkeit als dem erzwungenen eines pflichtmäßigen Gehorsams. Der Prätorianerpräfekt Anulinus erklärte sich für Maxentius und führte ihm den größten Teil seiner Truppen zu, die sogar die Gewohnheit hatten, ihm zu gehorchen. Nach den Worten eines Redners hatte Rom wieder zu seinen Waffen gefunden, und der glücklose Severus ging, oder besser: floh in Eile nach Ravenna.

Hier mochte er wohl für einige Zeit sicher sein. Die Festungsanlagen von Ravenna würden den Angriffen der italienischen Armeen widerstehen, und die Sümpfe im Umkreis der Stadt ihrem Vormarsch beschwerlich werden. Die See, über die Severus vermittels einer mächtigen Flotte befehligte, stellte ihm einen unerschöpflichen Nachschub an Verpflegung sicher und ermöglichte außerdem den Legionen freien Zugang, die im nächsten Frühjahr zu seiner Entlastung aus Illyrien und dem Osten zu ihm stoßen würden. Maximian leitete zwar die Belagerung höchstpersönlich, überzeugte sich aber bald davon, dass er seine Zeit und seine Kräfte bei diesem fruchtlosen Unternehmen für nichts vergeudete und dass er von Gewalt ebensowenig zu erhoffen habe wie vom Aushungern. Mit Kunstgriffen, die eher Diocletian als ihm angestanden hätten, richtete er deshalb seine Angriffe nicht gegen Ravennas Stadtmauern als vielmehr gegen Severus' Gemütslage. Die Treulosigkeit, mit der dieser unglückselige Herrscher aufgewachsen war, machte es ihm unmöglich, selbst seinen aufrichtigsten Freunden und Anhängern zu vertrauen. Die Emissäre des Maximian überzeugten den Argwöhnischen leichthin, dass sich eine Verschwörung zusammenbraue, ihn und die Stadt zu verraten; so beredeten sie ihn dahingehend, sich nicht der Willkür eines aufgebrachten Eroberers auszusetzen, sondern in eine ehrenhafte Kapitulation einzuwilligen. Zunächst wurde er denn auch mit Menschlichkeit und allem gebührendem Respekt aufgenommen. Maximian brachte seinen Gefangenen nach Rom und versicherte ihm mit Nachdruck, dass er sein Leben durch Abdankung retten könne. Das einzige, was Severus erreichte, war ein milder Tod und ein fürstliches Begräbnis. Nachdem das Urteil verkündet war, durfte er sich immerhin die Todesart selbst wünschen; er zog die bei den Alten bevorzugte Methode vor, das Öffnen der Pulsadern: und sobald er gestorben war, wurde sein Leichnam in der Grabanlage beigesetzt, welche für die Familie des Gallienus gebaut worden war. Die näheren Umstände dieses Krieges und Severus' Tod werden in den alten Fragmenten unpräzise und widerspruchsvoll erzählt. Siehe Tillemont, Histoire des Empereurs Bd.4, Teil 1, p. 555. Ich habe mich bemüht, daraus eine zusammenhängende und glaubwürdige Geschichte zu gestalten.

 

FAUSTA MIT CONSTANTIN VERHEIRATET

Constantin und Maxentius hatten zwar wenig miteinander gemein, ihre Machtposition und ihre Interessen jedoch waren dieselben; und so schien es lediglich ein Vernunftgebot, ihre Kräfte gegen den gemeinsamen Feind zu einen. Trotz seines fortgeschrittenen Alters und seiner kaiserlichen Stellung überquerte der unermüdliche Maximian die Alpen, suchte um ein persönliches Gespräch mit dem Herrscher Galliens und hatte seine Tochter Fausta als Unterpfand für das neue Bündnis gleich mitgebracht. Die Hochzeit ward zu Arles mit jederart Prachtentfaltung gefeiert; und Diocletians alter Mitregent, der erneut seinen Anspruch auf den Thron des Westens geltend machte, übertrug seinem Schwiegersohn und gleichzeitigem Verbündeten den Augustustitel. Dadurch, dass er sich diesen Titel von Maxentius verleihen ließ, schien Constantin die Sache des Senats und Roms zu der seinen gemacht zu haben; aber er legte nur Lippenbekenntnisse ab, und sein Beistand war zögerlich und wirkungslos. Dafür beobachtete er mit größter Aufmerksamkeit den aufkeimenden Konflikt zwischen den Herren Italiens und des Ostens und zeigte sich wohlvorbereitet, für seine eigene Sicherheit zu sorgen oder seine politischen Ziele an den jeweiligen Kriegsverlauf anzuschmiegen. Der 6. Panegyricus wurde vorgetragen, die Thronbesteigung Constantins zu bejubeln; indessen vermeidet der Redner klüglich jede Erwähnung des Galerius und Maxentius. Lediglich je eine zarte Anspielung auf die gegenwärtigen Probleme und auf Roms Majestät sind eingeflochten.

 

GALERIUS SCHEITERT IN ITALIEN

Die Angelegenheit war wichtig und erheischte die Anwesenheit und die Fähigkeiten des Galerius. An der Spitze einer machtvollen Armee, die er in Illyrien und dem Osten rekrutiert hatte, rückte er in Italien ein, entschlossen, den Tod des Severus zu rächen und die aufsässigen Römer zu züchtigen; oder, wie er seine Absichten in der bilderstarken Sprache des Barbaren ausdrückte, den Senat mit der Wurzel auszurotten und das Volk mit dem Schwert zu vertilgen. Allerdings hatte Maximian vorsorglich ein wirkungsvolles Verteidigungssystem arrangiert. Also fand der Eindringling jeden Ort feindlich, befestigt, uneinnehmbar; und ob er sich gleich bis nach Narni, etwa sechzig Meilen von Rom entfernt, vorgearbeitet hatte, reichte seine eigentliche Machtsphäre in Italien nicht weiter als bis zu den Lagerwällen. Als ihm die wachsenden Schwierigkeiten seines Unternehmens immer spürbarer wurden, sann der dünkelhafte Galerius zunächst auf Versöhnung und entsandte zwei seiner besten Offiziere; sie sollten die römischen Herrscher durch den Vorschlag zu einer Friedenskonferenz versuchen und gleichzeitig Maxentius seiner väterlichen Nachsicht versichern, von der er mehr zu erwarten habe, als er von den unsicheren Wendungen des Krieges auch nur erhoffen durfte. Zu diesen Verhandlungen konsultiere man die Fragmente eines unbekannten Historikers, die Valesius am Schluss seiner Ammian-Ausgabe (p. 711) herausgegeben hat. Wir werden hier mit einigen interessanten und, wie es scheint, authentischen Anekdoten versehen.

Dieses Ansinnen des Galerius wurde mit Entschiedenheit zurückgewiesen, sein arglistiges Freundschaftsangebot mit Verachtung bestraft, und bald darauf musste er entdecken, dass er gute Gründe habe, das Schicksal des Severus zu gewärtigen, wenn er nicht rasch um seine eigene Sicherheit besorgt sei. Das Geld, das die Römer gegen seine Raubsteuern verteidigt hatten, gaben sie freudig dahin, ihn zu vernichten. Allein der Name Maximian, die Popularität seines Sohnes Maxentius, die heimliche Verteilung großer Geldgeschenke und die Aussicht auf noch größere machte die Begeisterung der illyrischen Legionen schwanken und lockerte ihre Treue; und als Galerius schließlich das Signal zum Rückzug geben ließ, hatte er ernstliche Probleme, wenigstens seine Veteranen bei der Fahne zu halten, unter der er sie doch sooft zu Sieg und Ehre geführt hatte. Ein zeitgenössischer Schreiber verrät uns noch zwei weitere Gründe für das Scheitern seines Feldzuges; sie sind indessen so geartet, dass ein vorsichtiger Historiker kaum wagen darf, sie ernst zu nehmen. Galerius, so vernehmen wir, hatte von der Größe Roms nur eine sehr ungenaue Vorstellung gehabt, da er bloß mit den Siedlungen des Ostens vertraut war; deshalb befand er, dass seine Truppen für die Belagerung dieser Riesenstadt viel zu schwach seien. Aber die Größe einer Stadt macht sie einem Feinde doch nur umso leichter zugänglich; Rom hatte sich später oft genug einem Eroberer gebeugt; außerdem konnten kurzatmige patriotische Wallungen des Volkes gegen die Disziplin und Kampfstärke einer Legion nicht lange durchhalten. Ferner hören wir, dass die Legionen davor zurückschauderten und als fromme Söhne der Republik sich schlechterdings geweigert hätten, die Heiligkeit ihrer Stammesmutter anzutasten. Lactantius, de mortibus 27. Die erste Ursache ist wohl Vergils Hirtengedicht entnommen: ›Illam...ego huic nostrae similem, Melboee, putavi &c.‹ [Ich habe sie, Melboeus, unserer Stadt für ähnlich befunden]. Lactantius hatte an solchen poetischen Anspielungen seine Freude.

Wenn wir uns jedoch vergegenwärtigen, mit welcher Leichtigkeit in den früheren Bürgerkriegen der Parteienhass und die militärische Gehorsamspflicht die Bürger selbst zu Roms schlimmsten Feinden gemacht hatte, dann neigen wir dazu, bei Fremden und Barbaren solche Herzensgüte nicht zu vermuten, zumal sie Italien vor ihrer feindlichen Annäherung noch nie zu Gesicht bekommen hatten. Hätten sie nicht niedere Motive davon abgehalten, hätten sie Galerius vermutlich mit den Worten von Caesars Veteranen geantwortet: ›Wenn uns unser General zu den Ufern des Tiber führen will, so findet er uns vorbereitet, sein Lager abzustecken. Welche Mauern auch immer nach seinem Willen dem Erboden gleichgemacht werden sollen, unsere Hände sind zu diesem Werk bereit: wir würden nicht einmal zögern, wenn die vorgesehene Stadt Rom wäre.‹ Dies sind zwar nur die Worte eines Dichters; eines Dichters jedoch, den man für seine Liebe zur historischen Wahrheit gleichermaßen gerühmt und getadelt hat. Castra super Tusci si ponere Tybridis undas ( jubeas) / Hesperios audax veniam metator in agros./ Tu quoscunque voles in planum effundere muros, / His aries actus disperget saxa lacertis;/ Illa licet penitus tolli quam jusseris urbem Roma sit. [Wenn ich an den Wellen des tuscischen Tiber ein Lager aufschlagen soll/werde ich kühn in Italien einfallen/ wo du nur Mauern zu stürzen vorhast/werden diese Arme den Rammbock führen, die Steine zu zersprengen/und wenn die Stadt, deren Untergang du beschlossen hast, Rom wäre]. Lucanus, Pharsalalia. 1,381ff.

 

GALERIUS ARMEE PLÜNDERT ITALIEN

Während ihres Rückzuges bewiesen die Legionen des Galerius durch ihr Verhalten eine äußerst verrohte Gemütslage: Sie mordeten, vergewaltigten, plünderten, stahlen die Schaf- und Viehherden der Italiener, verbrannten ihre Dörfer, durch die sie zogen: sie entblödeten sich nicht, das Land, welches sie nun einmal nicht erobern konnten, wenigstens zu verwüsten. Während des ganzen Marsches setzte Maxentius ihrer Nachhut zu; aber einer entscheidenden Schlacht mit den tapferen und zum Äußersten entschlossenen Veteranen ging er wohlweislich aus dem Wege. Sein Vater war ein zweites Mal nach Gallien abgereist in der vagen Hoffnung, Constantin, der seine Armee an der Grenze versammelt hatte, für sein Unternehmen zu gewinnen und den Sieg zu vollenden. Aber Constantins Handeln war durch Vernunft und nicht durch Rachegelüste bestimmt. Unbeirrt bestand er auf der weisen Vereinbarung, dass in dem geteilten Reich ein Machtgleichgewicht bestehen müsse; auch konnte er gegen Galerius keine Hassgefühle mehr hegen, seit dieser strebsame Herrscher aufgehörte hatte, ein Schrecknis zu sein. Lactantius, de mortibus 27; Zosimos, 2,10. Letzterer deutet an, dass Constantin während seines Gesprächs mit Maximinian zugesichert habe, Galerius den Krieg zu erklären.

 

MAXIMIANS AUSGANG LICINIUS WIRD ZUM AUGUSTUS ERHOBEN 11. November A.D. 307

Galerius war zu den heftigsten Leidenschaften imstande und dennoch zu einer aufrichtigen und dauerhaften Freundschaft fähig. Licinius, dessen Auftreten und Veranlagung der seinen recht ähnlich war, scheint jedenfalls sein Wohlwollen und seine Wertschätzung errungen zu haben. Ihre Freundschaft wurzelte vermutlich in den glücklichen Tagen ihrer Jugend und Anonymität; sie hatte sich nahezu zeitgleich die Karriereleiter emporgearbeitet; und sobald Galerius die kaiserliche Würde empfangen hatte, scheint er den Plan gefasst zu haben, seinen Gefährten in den gleichen Rang zu erheben. Auf dem Gipfel seiner Größe fiel es ihm bei, dass der Caesarenrang dem Alter und den Verdiensten des Licinius unangemessen sei, und so er beschloss, für ihn den Platz des Constantin und die Herrschaft über den Westen bereitzuhalten. Für die Zeit seiner italienischen Campagne vertraute er seinem Freund den Schutz der Donaugrenze an; und unmittelbar nach der Rückkehr von jenem fehlgeschlagenen Feldzug legte er Licinius den vakanten Purpur des Severus an und unterstellte die illyrischen Provinzen seinem direkten Kommando. Herr de Tillemont (Histoire des Empereurs 4,1, p 559) hat nachgewiesen, dass Licinius ohne die Zwischenstufe des Caesaren am 11. November 307 nach der Rückkehr des Galerius aus Italien zum Augustus ernannt wurde.

Kaum war die Nachricht von seiner Erhebung in den Osten gelangt, als auch schon Maximinus, der Ägypten und Syrien regierte, oder genauer: unterdrückte, sich neidisch und missgünstig erzeigte, mit dem nachgeordneten Range eines Caesar durchaus unzufrieden war und, der Argumente, ja des Flehens des Galerius ungeachtet, den gleichwertigen Augustustitel nachgerade handgreiflich für sich einforderte. Lactantius, de mortibus 32. Als Galerius den Licinius zum Mitaugustus ernannte, versuchte er, seine jüngeren Kollegen ruhig zu stellen, indem er sich für Constantin und Maximinus (nicht Maxentius, vgl. Baluze, 4,81) den neuen Titel ›Sohn des Augustus‹ erdachte. Als jedoch Maximinus ihn in Kenntnis setzte, dass die Truppen ihn bereits mit Augustus gegrüßt hätten, sah sich Galerius genötigt, ihn und Constantin als gleichberechtigte Kollegen in der Kaiserwürde anzuerkennen. So wurde also die römische Welt zum ersten und letzten Male von sechs Kaisern gleichzeitig regiert. Im Westen inszenierten Constantin und Maxentius gegenüber ihrem Vater Maximian Respektserweisungen; im Osten zeigten sich Licinius und Maximinus ihrem Gönner Galerius dankbar. Die Interessengegensätze und der jüngst beendete Krieg spaltete das Reich in zwei große, verfeindete Blöcke; aber ihre gegenseitige Angst stiftete einen zumindest äußerlichen Frieden und eine – allerdings nur gespielte – Versöhnung, bis der Tod der älteren Herrscher, des Maximian und ganz besonders des Galerius, den politischen Zielen und den Leidenschaften ihrer überlebenden Nachfolger eine neue Orientierung wies.

 

WEITERES SCHICKSAL DES MAXIMIAN 310 A.D.

Als Maximian zähneknirschend abgedankt hatte, zollten die Jubelredner seiner Zeit seiner philosophischen Gesinnung den gehörigen Beifall. Als sein Ehrgeiz einen Bürgerkrieg ausgelöst oder doch wenigstens mitverschuldet hatte, sparten sie nicht mit Dank für seinen beherzten Patriotismus und tadelten allenfalls mit milden Worten jene Liebe zum behaglichen Ruhestand, die ihn seinen öffentlichen Pflichten entfremdet habe. S. Panegyrici 6,9. ›Audi doloris nostri liberam vocem.‹ [Höre unserer Qual unverstellte Stimme]. Der ganze Abschnitt ist mit gekünstelter Schmeichelei und leichtfließender Sprachkunst versehen. Aber es war Gemütern vom Schlage eines Maximian und seines Sohnes nicht in die Wiege gelegt, sich lange und in Frieden der ungeteilten Macht zu erfreuen. Maxentius selbst sah in sich den legalen Herrscher Italiens, erwählt vom Senat und Volk Roms; auch war ihm die Aufsicht durch seinen Vater ärgerlich, welcher selbstgefällig erklärte, dass allein durch seinen Ruhm und seine Geschicklichkeit die kecke Jugend auf dem Thron Platz nehmen konnte. Der Fall wurde in allem Ernste den Prätorianergarden vorgetragen, und da diese Truppen die strenge Hand des alten Mannes fürchteten, schlugen sie sich auf die Seite des Maxentius. Lactantius, de mortibus 28; Zosimos 2,11. Es wurde das Gerücht gestreut, dass Maxentius der Sohn eines unbedeutenden Syrers sei und von der Frau des Maximian als ihr eigenes Kind ausgegeben worden. S. Aurelius Victor, Anonymus Valesii 3,6 und Panegyrici 9,3f. Leben und Freiheit blieben Maximian jedoch, und er selbst zog sich aus Italien nach Illyrien zurück, beklagte sich vernehmlich über die jüngsten Vorkommnisse und ging doch schon wieder mit neuen Ränken schwanger. Indessen war Galerius mit dem Charakter des Mannes nur zu gut vertraut, nötigte ihn zum Verlassen seines Herrschaftsbereiches, und zur letzten Zuflucht des verbitterten Maximians wurde der Hof seines Schwiegersohnes Constantin. Ab urbe pulsum, ab Italia fugatum, ab llyrico repudiatum, tuis provinciis, tuis copiis, tuo palatio recepisti. Eumenius in Panegyrici 7,14. [Dem aus Rom Vertriebenen, dem aus Italien Geflohenen, dem von Illyricum Zurückgewiesenen hast du in deiner Provinz, in deinen Besitztümern, in deinem Palast Unterkunft gewährt]. Der Herrscher empfing ihn mit gehörigem Respekt, die Kaiserin Fausta mit der Zärtlichkeit einer Tochter. Auf dass er jeden Verdachtes überhoben sei, legte er den kaiserlichen Purpur zum zweiten Lactantius de mortibus 29. Aber selbst nach der Abdankung vergönnte Constantin dem Maxentius Prunk und Zeremonie einer kaiserlichen Stellung; und bei öffentlichen Auftritten saß sein Schwiegervater zu seiner Rechten. Panegyrici 7,15. Male ab und bekannte, dass er über die Eitelkeit von Größe und Ehrgeiz nun hinlänglich zur Einsicht gekommen sei.

Wäre es bei dieser Einstellung geblieben, dann hätte er sein Leben zwar in geringerer Würdestellung als nach der ersten Abdankung beendet, aber wenigstens in aller Behaglichkeit und Würde. Aber die unmittelbare Nähe zu einem kaiserlichen Thron rief in ihm immer wieder schmerzliche Erinnerungen wach an die Höhe, von der er niederwärts gefallen war, und so beschloss er, einen Verzweiflungsschlag zu wagen und entweder zu regieren oder unterzugehen. Ein Frankeneinfall hatte Constantin mit einem Teil seiner Armee an den Rhein gerufen; die restlichen Truppen wurden in Südgallien stationiert, welches nun dem Zugriff des italienischen Kaisers ausgesetzt war, und zusätzlich wurde in Arles ein beträchtlicher Schatz hinterlegt. Maximian setzte das Gerücht von Constantins Tod in die Welt, oder er glaubte einem solchen ohne Nachprüfung, bestieg ohne Zögern den Thron, beschlagnahmte den Schatz und verteilte ihn mit seiner üblichen Freigebigkeit unter die Soldaten, um in ihnen die Erinnerung an seine vergangenen Heldentaten wachzurufen. Bevor er jedoch seine Autorität festigen konnte oder die Verhandlungen beendet hatte, in die er offenbar mit seinem Sohn Maxentius eingetreten war, machte die Schnelligkeit des Constantin alle seine Hoffnungen mit einem Schlage zunichte.

Auf die erste Nachricht von seinem Verrat und Undank kehrte der Kaiser in zornigen Eilmärschen vom Rhein an die Saone zurück, ging bei Chalon an Bord, traute sich bei Lyon der reißenden Rhone an, landete vor Arles und hatte eine Streitmacht bei sich, der Maximian unmöglich Widerstand leisten konnte und die ihm kaum die Flucht ins benachbarte Marseilles ermöglicht hätte. Der enge Landkorridor, der die Stadt mit dem Festland verbindet, war gegen die Belagerer befestigt worden, während der Zugang über See offen stand, so dass Maximian hier entweder entkommen oder Maxentius zu Hilfe eilen konnte, wenn er sich denn zu einem Einfall nach Gallien entschließen sollte unter dem schicklichen Vorwand, er wolle einem verzweifelten – er hätte wohl hinzusetzen können: einem gekränkten – Vater zu Hilfe eilen. Constantin war sich der fatalen Konsequenzen eines Zögerns bewusst und gab Order zum sofortigen Sturmangriff; aber die Sturmleitern waren für die Mauern zu kurz. Und so hätte Marseille, wie einst gegen Caesar, eine lange Belagerung aushalten können, wenn den Garnisonen ihre Gefahr oder ihr Fehlverhalten nicht zum Bewusstsein gekommen wären und sie Pardon durch die Auslieferung der Stadt und des Maximian für sich erwirkt hätten.

 

MAXIMIANS TOD A.D. 310

In einem Geheimverfahren wurde ein unanfechtbares Todesurteil gegen der Usurpator verhängt; nur wurde ihm dieselbe Gnade gewährt wie vormals Severus, und die Welt erfuhr, dass er, von der Reue für seine ungezählten Missetaten überwältigt, Hand an sich selbst gelegt habe. Seitdem er nicht mehr mit Diocletian zusammengearbeitet hatte und er für dessen mäßigende Ratschläge taub geworden war, wurde die zweite Hälfte seines politischen Lebens eine einzige Serie von Rückschlägen und Peinlichkeiten, welche nach drei Jahren mit einem schmachvollen Tod endigte. Er hatte sein Schicksal verdient; aber wir hätten mehr Anlass Constantins Milde zu loben, wenn er den alten Mann begnadigt hätte, der doch immerhin der Wohltäter seines Vaters und Vater seiner Gattin war. Während dieser trübseligen Vorgänge scheint Faustina jedenfalls die Gebote der Natur ihren Pflichten als Ehefrau nachgeordnet zu haben. Zosimos 2,11; Eumenius in Panegyrici 7, 16-21. Letzterer hat die Angelegenheit zweifellos in einem für seinen Herren äußerst vorteilhaftem Licht dargestellt. Dennoch können wir aus dieser parteiischen Darstellung schließen, dass Constantins wiederholte Milde und Maximians wiederholter Verrat so, wie sie von Lactantius (de mortibus 29,30) beschrieben und von den modernen Autoren übernommen werden, jeder historischen Grundlage entbehren.

 

ENDE DES GALERIUS A.D. 311 REICHSTEILUNG

Galerius' letzte Jahre gestalteten sich minder beschämend und unglücklich; und wenn er auch den nachgeordneten Rang eines Caesar mit mehr Ruhm ausfüllte als den höherrangigen des Augustus, so blieb er doch bis zum Ende seiner Tage der erste des römischen Kaiserkollegiums. Nach seinem Rücktritt vom italienischen Thron lebte er noch vier Jahre; seine Visionen von einem Universalreich hatte er einsichtsvoll aufgegeben und seine verbleibende Lebensspanne kleineren Ablenkungen und Tätigkeiten von öffentlichem Nutzen gewidmet; hierunter finden wir auch die Ableitung der immensen Wassermassen des Pelso-Sees in die Donau und die Rodung der angrenzenden Wälder, durch welche königliche Anstrengung seinen pannonischen Untertanen viel Ackerland geschenkt ward. Aurelius Victor, Caesares 40. Aber der See lag im oberen Pannonien nahe der Grenze zu Noricum; die Provinz Valeria (diesen Namen gab die Frau des Galerius dem trockengelegten Lande) lag unbestritten zwischen Drau und Donau (Sextus Rufus 9). Ich habe deshalb den Verdacht, dass Victor den Pelso-See mit den voloceischen Sumpfland (heute Sabaton-See genannt) verwechselt hat. Er liegt mitten in Valeria, und heute ist er nicht länger als zwölf ungarische Meilen (etwa 70 englische Meilen) und zwei Meilen breit. Siehe Severini, Pannonia 1, 9. Er starb an einer sehr schmerzhaften und langwierigen Krankheit. Sein Körper, als Folge einer maßlosen Lebensführung zu unförmiger Missgestalt angeschwollen, war mit Schwären übersäht und wurde von zahllosen jener Schädlinge zerfressen, die dieser ekelhaften Krankheit den Namen gegeben haben; Lactantius de mortibus 33 und Eusebios 8,16 beschreiben die Symptome und den Verlauf des Leidens [Hautkrebs] mit äußerster Detailfreude und unübersehbarem Vergnügen. da aber Galerius während seiner Regentschaft seine Untertanen in großer Zahl und zu großem Hass gegen sich aufgebracht hatte, löste sein Leiden wenig Mitleid aus, vielmehr wurde sie als sichtbares Zeichen göttlicher Gerechtigkeit überall mit Genugtuung bemerkt. Falls jemand wie etwa der verstorbene Dr. Jortin, (Remarks on Ecclesiastical History, Bd.2, p. 307-356) sich immer noch an einer Schilderung der herzerhebenden Todesumstände von Verfolgern des Glaubens laben möchte, kann ich ihm zur Lektüre einen bewunderungswürdigen Abschnitt bei Grotius (Annales et Historiae de rebus Belgicis, Bd.7, p.332) andienen, in welchem die letzte und tödliche Krankheit des Philipp II von Spanien ausgemalt wird.

Kaum hatte er in seinem Palast zu Nicomedia den letzten Atemzug getan, als auch schon die beiden Herrscher, die ihm ihren Purpur zu verdanken hatten, ihre Truppen sammelten, um das herrenlose Reich unter sich aufzuteilen oder darum zu kämpfen. Sie kamen überein, von dem zweiten Plane abzustehen und sich für die Teilung zu entscheiden. Die Provinzen Asiens fielen Maximinus zu, während die europäischen Licinius' Anteil vergrößerten. Der Hellespont und der thrakische Bosporus bildete die gemeinsame Grenze, und die Ufer dieser engen Gewässer, im Herzen der römischen Welt, waren mit Truppen, Arsenalen und Festungsanlagen zugepflastert. Nach dem Tode des Maximian und Galerius gab es nur noch vier Herrscher. Licinius und Constantin waren durch das Bewusstsein ihrer wahren Interessen geeint; auch zwischen Maximinus und Maxentius hatte stillschweigendes Einvernehmen bestanden, und ihre leidgeprüften Untertanen bangten den blutigen Folgen ihres Zerwürfnisses entgegen, welches zuverlässig eintreten musste, sobald sie nicht mehr durch Respekt oder Furcht vor Galerius zurückgehalten wurden. S. Eusebius 9,6 und 10; Lactantius, de mortibus 36. Zosimos ist weniger genau und verwechselt Maximinianus und Maximinus.

 

ZUSTÄNDE IN GALLIEN

Bei so vielen Verbrechen und Unglücksfällen, die die römischen Kaiser in ihrer Willkür verschuldet hatten, ist es eine rechte Lust, auch einmal von einem Ereignis zu berichten, das man auf Rechnung ihrer Tugenden setzen könnte. Im sechsten Jahre seiner Regierung besuchte Constantin die Stadt Autun, erließ großherzig die Steuerrückstände und verringerte bei dieser Gelegenheit die Steuerschätzung proportional von fünfundzwanzig auf achtzehntausend Einwohner entsprechend der realen Kopfzahl. Siehe den 8. Panegyricus, in welchem Eumenius in Anwesenheit von Constantin ein Bild vom Elend und der Dankbarkeit der Stadt Autun entwirft. Doch gerade diese Nachsicht liefert den eindringlichsten Beweis für das öffentliche Elend. Denn selbst diese Steuer war so unglaublich belastend, aus sich selbst heraus oder durch die Art, wie sie eingezogen wurde, dass, während sie einerseits durch Erpressung anwuchs, sie zugleich infolge von Verzweiflung abnahm: ein beträchtlicher Teil des Landes um Autun bleib unbearbeitet, und ein ansehnlicher Anteil der Bevölkerung zog es vor, im Exil oder unter freiem Himmel zu leben als die Last der bürgerlichen Gesellschaft mitzutragen.

Es ist indessen nur zu wahrscheinlich, dass der spendable Herrscher durch diesen vereinzelten Akt von Großherzigkeit lediglich eines der zahlreichen Übel milderte, die er selbst durch die Grundsätze für seine Verwaltung verschuldet hatte. Doch selbst diese Grundsätze waren nicht durch freie Entscheidung, sondern durch die Notwendigkeit diktiert. Und doch scheint, abgesehen von der Hinrichtung des Maximian, die Regierungszeit in Gallien der unschuldigste und sogar erfolgreichste Lebensabschnitt Constantins gewesen zu sein. Die Provinzen waren, solange er anwesend war, durch keinen Barbareneinfall bedroht, da sie seine Stärke fürchteten oder bereits kennen gelernt hatten. Nach einem glorreichen Sieg über die Franken und Alamannen wurden mehrere ihrer Stammeshäuptlinge auf sein Geheiß im Amphitheater zu Trier den wilden Bestien vorgeworfen; das Volk ergötzte sich an diesem Schauspiel, wobei es ihm offenbar verborgen blieb, dass in dieser Art der Behandlung von königlichen Gefangenen etwas mit dem Völker- und Menschenrecht entschieden Unvereinbares liege. Zahlreiche fränkische Jugendliche erlitten denselben grausamen und ehrlosen Tod. Eutropius 9,2; Panegyrici 8,10-12.

 

MAXENTIUS' TYRANNEI IN ITALIEN UND AFRIKA A.D. 306-312

Constantins Tugenden erhöhten sich noch vor dem Hintergrund der Verbrechen des Maxentius. Während die gallischen Provinzen sich eines Glückes erfreuten, wie dies die obwaltenden Umstände überhaupt nur erlaubten, stöhnten Italien und Afrika unter der Willkür eines Tyrannen, der ebenso unwürdig wie verhasst war. Parteiengunst und -hass haben allerdings viel zu oft die Tugenden des Besiegten dem Ruhme ihres siegreichen Gegners geopfert; aber selbst die Autoren, die umfassend und genüsslich die Verfehlungen Constantins aufgedeckt haben, geben einmütig zu, dass Maxentius grausam war, habgierig und lasterhaft. Julian schließt Maxentius mit Abscheu und Verachtung vom Bankett der Caesaren aus, und Zosimos (2,14) unterstellt ihm jede Grausamkeit und jedes Laster. Er hatte das Glück, eine unbedeutende Rebellion in Afrika unterdrücken zu können. Der Statthalter und ein paar seiner Anhänger wurden für schuldig befunden, und die ganze Provinz musste für sie leiden. Die blühenden Städte Cirtha und Carthago und das fruchtbare Land ringsum wurden durch Feuer und Schwert verwüstet. Auf den Missbrauch des Sieges folgte der Missbrauch von Gesetz und Recht. Eine entsetzliche Heerschar von Sykophanten und Berufsdenunzianten nistete sich in Afrika ein; leicht war den Reichen und den Adligen eine Verbindung zu den Rebellen nachgewiesen; und die, denen der Herrscher gnädig war, hatten nur die Beschlagnahme ihres Besitzes zu erleiden. Zosimos 2,12; Aurelius Victor, Caesares 40. Ein Sieg von solcher Größe musste durch einen angemessenen Triumph gekrönt werden, und Maxentius präsentierte dem staunenden Volk Beute und Gefangene aus einer römischen Provinz.

Mitgefühl, nicht weniger als Afrika, gebührte auch Italien. Der Reichtum Roms lieferte einen unerschöpflichen Fundus für seine sinn- und maßlosen Ausgaben, und seine Finanzbeamten hatten es in der Kunst des Raubes zur Meisterschaft gebracht. Unter seiner Regierung wurde auch die Methode ausgeheckt, von den Senatoren freiwillige Spenden einzutreiben; und so, wie die Summe allmählich angehoben wurde, so wurden proportional dazu auch die Vorwände vervielfältigt: ein Sieg, eine Geburt, eine Hochzeit oder ein Konsulat des Kaisers. Die Textstelle bei Aurelius Victor l.c. sollte wie folgt gelesen werden: ›Primus instituto pessimo, munerum specie, Patres Oratoresque pecuniam conferre prodigenti sibi cogeret.‹ (Er war der erste, der durch eine entwürdigende Maßnahme den Senat und die Redner zwang, ihm für seine Verschwendungen Geld zu beschaffen und dies Geschenk zu nennen.) Maxentius war von der gleichen tiefempfundenen Abneigung gegen den Senat durchtränkt wie die meisten früheren Tyrannen Roms. Und ebenso war es seiner undankbaren Gemütsart unmöglich, die bedingungslose Treue zu verzeihen, die ihm auf den Thron verholfen und gegen alle seine Feinde geschützt hatte. Das Leben der Senatoren war seinem neidvollen Misstrauen ausgeliefert, und die Schande ihrer Frauen oder Töchter erhöhte ihm den Genuss seiner sinnlichen Leidenschaften. Panegyrici 9,3; Eusebios Historia 8,14 und Vita Constantini 1,33 und 34; Rufinus 17. Die tugendreiche Matrone, die sich erdolchte, um einer Vergewaltigung durch Maxentius zu entgehen, war Christin mit dem Namen Sophronia und zugleich Frau des Stadtpräfekten. Unter Kasuistikern ist es nach wie vor umstritten, ob eine solche Gelegenheit Suizid rechtfertigt.

Man darf wohl unterstellen, dass kaiserliche Liebhaber nur selten vergebliche Liebes-Seufzer taten; und dass sie zur Gewalt griffen, wenn ihre Überredungskünste wirkungslos blieben; und dann finden wir nur ein denkwürdiges Beispiel für eine Frau von Adel, die ihre Ehre durch einen freiwilligen Tod erkauft hat. Die Soldaten waren offenbar die einzige Klasse Mensch, der er Respekt entgegenbrachte oder der gefällig zu sein er sich bemühte. Er überschwemmte Rom und Italien mit bewaffneten Truppen, leistete ihren Krawallen stillschweigend Vorschub, unternahm nichts gegen ihr Marodieren und noch nicht einmal gegen ihre Mordtaten, die sie an der schutzlosen Bevölkerung verübten; ›Praetorianis caedem vulgi quondam annuerit.‹ [Den Prätorianern erlaubte er einst, das Volk nieder zu machen], so die unscharfe Formulierung des Aurelius Victor. Siehe hierzu den detailreicheren, wenngleich abweichenden Bericht von einem Aufruhr nebst Massaker zu Rom bei Eusebios (8,14) und Zosimos (2,13). und da Maxentius ihnen dieselben Freiheiten einräumte wie er sie sich selbst herausnahm, verschenke er an seine Lieblinge unter den Militärs auch schon mal die Villa oder die Frau eines Senators. Ein Herrscher von solchem Zuschnitt, der zu den Geschäften des Friedens und des Krieges in gleicher Weise unfähig war, konnte sich vielleicht die Unterstützung der Armee erkaufen, aber gewiss niemals ihre Wertschätzung erwerben. Aber seine Selbstüberschätzung hatte dasselbe Format wie seine anderen Laster. Während er so in Trägheit dahinlebte, im Palast oder in den Gärten des Sallust, hörte man ihn wiederholt erklären, er allein sei der Kaiser, die anderen Herrscher nur seine Adjutanten, auf die er glücklich die Verteidigung der Grenzprovinzen abgewälzt habe, auf dass er ungestört der eleganten Freuden der Hauptstadt genießen könne. Rom, wo man einst die Abwesenheit der Kaiser beklagt hatte, verfluchte nun sechs Jahre lang die Anwesenheit dieses einen. Siehe (Panegyricus 9,14) die anschauliche Schilderung der Trägheit und des hohlen Stolzes von Maxentius. An anderer Stelle merkt der Redner an, dass die im Laufe von 1060 Jahren in Ron angesammelten Reichtümer von diesem Tyrannen und seinen Söldnerbanden verschleudert worden seien: redemptis ad civile latrocinium manibus ingesserat.

 

KRIEG ZWISCHEN MAXENTIUS UND CONSTANTIN

Constantin hat die Aufführungen des Maxentius gewiss mit Schaudern und die Lage der Römer mit Anteilnahme gewahrt, aber wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass er zu den Waffen griff, das Erstere zu bestrafen und das Zweite abzustellen. Aber Italiens Tyrann trug keine Bedenken, sich mit Constantin einen fürchterlichen Feind zu machen, dessen Ambitionen bisher mehr durch die Gebote der Klugheit und weniger die Grundsätze des Rechtes geleitet worden waren. Nach Constantins Sieg war es allgemein gebilligt, dass das Motiv, die Republik von einem elenden Tyrannen zu befreien, zu allen Zeiten einen Feldzug nach Italien gerechtfertigt hätte. Eusebios, Vita Constantini 1,26; Panegyrici 9,2. Nach dem Tode des Maximian wurden seine Inschriften, wie es der Brauch wollte, getilgt und seine Statuen mit Schimpf zertrümmert. Sein Sohn, der ihn zu dessen Lebezeiten wahlweise bekämpft oder verraten hatte, hielt nun die Heiligung seines Andenkens für fromme Sohnespflicht und gab Anweisung, allen Statuen in Italien und Afrika, die dort zu Ehren Constantins errichtet waren, ein Gleiches zu tun. Dieser Herrscher wünschte in seiner Weisheit nichts aufrichtiger als einen Krieg abzuwenden, mit dessen Schwierigkeiten und Bedeutung er hinreichend vertraut war; so übersah er zunächst die Beleidigung und suchte um Beilegung auf dem zweckdienlicheren Wege der Verhandlung, bis er endlich zu der Einsicht gelangte, dass die kriegerisch-ehrgeizigen Pläne des italischen Herrschers es ihm abnötigten, zum Zwecke der Selbstverteidigung zu den Waffen zu greifen.

Maxentius, der seinen Anspruch auf die gesamte westliche Reichshälfte überall hatte anschlagen lassen, hatte in Rätien bereits eine beträchtliche Streitmacht für seinen Überfall auf Gallien zusammengestellt, und wenn er von Licinius auch keine Hilfe erwarten durfte, so redete er sich doch ein, dass die illyrischen Legionen, durch seine Geschenke und Versprechen schwankend geworden, die Fahne seines Gegners im Stiche lassen und sich einmütig zu seinen Kriegern und Untertanen erklären würden. Zosimos, 2,14; Nazarius in Panegyrici 10, 7-13. Constantin seinerseits zögerte nicht länger. Er hatte sich mit allem Bedacht entschieden und schlug zu mit aller Macht. Er gewährte den Gesandten eine Geheimaudienz, die ihn im Namen des Senats und des Volkes beschworen, Rom von dem fluchwürdigen Tyrannen zu befreien; und ohne die ängstlichen Einwände seiner Ratgeber weiter zu beachten, beschloss er, dem Feinde zuvorzukommen und den Krieg mitten in das Herz Italiens zu tragen. Siehe Panegyrici 9,2. Omnibus fere tuis comitibus et ducibus non solum tacite mussantibus, sed etiam aperte timentibus; contra consilia hominum, contra Haruspicum monita, ipse per temet liberandae urbis tempus venisse sentires. [Als nun alle deine Gefährten und Befehlshaber sich nicht nur mit schweigendem Widerspruch, sondern sogar mit offenen Furcht reagierten, hast du – gegen den Rat der Männer und der Haruspices – eingesehen, dass die Zeit gekommen sei, die Stadt zu befreien]. Die Gesandtschaft der Römer erwähnen nur Zonaras (13,1) und Kedrenos (Synopsis 70); aber diese modernen Griechen hatten die Gelegenheit, viele Autoren zu konsultieren, die uns seitdem verloren gegangen sind und zu denen wir auch die Biographie ›Das Leben des Constantin‹ von Praxagoras rechnen müssen. Photios hat von diesem Geschichtswerk einen kurzen Auszug verfertigt.

 

KRIEGSVORBEREITUNGEN

Das Unternehmen barg Gefahr und Ruhm; und der Ausgang zweier vorangegangener, aber erfolgloser Feldzüge genügte vollauf, um dumpfe Vorahnungen ins Leben zu rufen. Die Veteranen, die Maximian verehrten, hatten in diesen beiden Kriegen auf Seiten seines Sohnes gestanden und wurden durch so etwas wie ein Ehrgefühl und wohl auch aus Eigeninteresse davon abgehalten, dem Gedanken an eine zweite Fahnenflucht nachzuhängen. Maxentius, der die Prätorianergarde für die zuverlässigste Stütze seines Thrones hielt, hatte ihnen ihre frühere Bedeutung wiedergegeben; und so bildeten sie, zusammen mit den übrigen eingezogenen Italienern, eine furchterregende Truppe von achtzigtausend Mann. Außerdem waren vierzigtausend Mauren und Karthager seit der Niederwerfung Afrikas unter Waffen gestellt worden. Selbst Sizilien steuerte seine Truppenkontingent bei; und so belief sich Maxentius Armee auf einhundertsiebzigtausend Mann Infanterie und vierzigtausend Mann Reiterei. Für die Kosten des Krieges musste Italiens Wohlstand aufkommen; und die angrenzenden Provinzen wurden ausgesaugt, um gewaltige Magazine für Getreide und anderen Proviant anzulegen. Constantins Armee hingegen bestand aus lediglich neunzigtausend Mann Infanterie und achttausend Mann Kavallerie, Zosimos (2,15) hat uns diese sonderbaren Truppenstärken der beteiligten Gegner überliefert. Er erwähnt keine Marine, obwohl uns andernorts zugesichert wird (Panegyrici 9,25), dass der Krieg zu Wasser und zu Lande geführt ward; und dass die Flotte des Constantin Sardinien besetzt habe, ferner Korsika und einige italienische Häfen. und da die Rheingrenze während der Abwesenheit des Kaisers besondere Aufmerksamkeit erheischte, war es ihm unmöglich, mehr als die Hälfte der regulären Truppen aus Gallien auf seinen Italienfeldzug mitzunehmen, wenn er nicht die öffentliche Sicherheit seiner privaten Fehde zum Opfer bringen wollte.

An der Spitze von etwa vierzigtausend Mann marschierte er einem Feind entgegen, dessen Truppen die seinen beinahe um das Vierfache übertrafen. Panegyrici 9,3. Es kommt nicht überraschend, dass der Redner die Zahl der Truppen verkleinert, mit denen sein Herrscher Italien eroberte; aber es ist kurios, dass er das Heer des Tyrannen auf nicht mehr als 100 000 Mann veranschlagte. Aber Roms Armee war stets in sicherer Entfernung von allen Gefahren stationiert gewesen und durch schlaffe Disziplin und Luxus verweichlicht. Sie war an die Bäder und Theater Roms gewöhnt, zog nicht gern ins Feld und bestand zum Teil aus Veteranen, die den Umgang mit Waffen fast schon vergessen hatten und zum anderen Teil aus Rekruten, die hierin keine nennenswerte Praxis besaßen. Die winterfesten Legionen Galliens hingegen hatten lange die Reichsgrenzen verteidigt gegen die Barbaren des Nordens; in diesem harten Dienst wurden ihre Kräfte lebendig gehalten und ihre Disziplin gestählt. Die Unterschiede, die zwischen den beiden Armeen bestanden, fanden sich auch zwischen den beiden Feldherren wieder. Grillen und Schmeicheleien hatten Maxentius mit Siegeshoffnungen erfüllt; aber diese haltlosen Hoffnungen wichen schon bald vor seinem Hang zum Vergnügen zurück. Constantins unerschütterlicher Mut hingegen war von frühester Jugend an Krieg, Kampf und Kommandieren gewöhnt.

 

CONSTANTINS ALPENÜBERQUERUNG

Als Hannibal von Gallien nach Italien einmarschierte, musste er zunächst einmal den Weg über die Alpen entdecken und dann freikämpfen und dieses gegen feindliche Bergstämme, die noch niemals einer regulären Armee den Durchgang gestattet hatten. Die drei wichtigsten Wege über die Alpen zwischen Gallien und Italien sind über den St Bernhard-Pass, den Mt Cenis und den Mt Genevre. Tradition und eine gewisse Namensähnlichkeit ( Alpes Penninae) verlegen Hannibals Marsch auf den ersten der drei Wege. Der Chevalier de Folard (Polybios, Bd. 4) und Herr d'Anville sprechen sich für den Mt Genevre aus. Der Autorität eines erfahrenen Offiziers und eines ausgewiesenen Geographen ungeachtet wird die Anwartschaft des Mt Cenis auf bestechende, um nicht zu sagen überzeugende Weise von Herrn Grosley unterstützt. Damals waren die Alpen eine Festung von Natur aus, heutzutage sind sie durch Menschenwitz befestigt. Zitadellen, die mit ebensoviel Kunstfertigkeit wie Mühen und Kosten errichtet wurden, beherrschen jeden Weg in die Ebene und machen Italien von dieser Seite für die Feinde des Königs von Sizilien praktisch unangreifbar. La Brunette bei Suse, Demont, Exiles Fenestrelles, Coni, etc. Seither jedoch haben Generäle auf ihren Alpenüberquerungen selten Probleme oder Widerstand erlebt. Zur Zeit Constantins waren die Gebirgsbauern kultivierte und brave Untertanen; das Land war voll mit Proviantlagern, und die ingeniösen Straßen, die die Römer über die Alpen angelegt hatten, stellten diverse Verbindungen zwischen Gallien und Italien her. Siehe Ammianus Marcellinus 15,10. Seine Beschreibung der Alpenstraßen ist klar, lebendig und exakt. Constantin entschied sich für den Weg über die Cottischen Alpen oder den Mt Cenis, wie er heute genannt wird, und führte seine Truppen mit einer derart zielstrebigen Umsicht, dass er in die Ebene von Piemont hinabgestiegen war, bevor der Hof des Maxentius überhaupt nur eine zuverlässige Nachricht von seinem Abmarsch aus der Rheinprovinz erhalten hatte.

 

SCHLACHT VON TURIN VERONA

Die Stadt Susa am Fuße des Mt Cenis war befestigt und enthielt eine starke Garnison, die dem Vormarsch jeder Invasionsarmee Schwierigkeiten zu machen imstande gewesen wäre; aber Constantins Truppen waren ungeduldig und dem zähflüssigen Belagerungshandwerk abgeneigt. Schon am Tage ihrer Ankunft vor Susa legten sie Feuer an die Stadttore und Leitern an die Wallanlagen; trotz eines Hagels von Wurfgeschossen und Pfeilen berannten sie die Stadt, stürmten sie mit dem Schwert in der Hand und hieben die Garnison zusammen. Das entstandene Feuer ließ Constantin löschen und rettete auf diese Weise Susa vor der völligen Zerstörung. Eine Bewährungsprobe ernsterer Art wartete vierzig Meilen weiter auf ihn. Auf der Ebene vor Turin stand unter Maxentius' Unterfeldherren eine mächtige italienische Armee. Ihre Hauptschlagkraft bezog sie von einer besonderen Art schwerer Kavallerie, welche sich die Römer von den Nationen des Ostens abgesehen hatten, seit es mit ihrer Disziplin bergab gegangen war. Pferd und Reiter waren vollständig gepanzert, und die Gelenke an den Rüstungen waren auf sinnreiche Weise den Bewegungen angepasst. Der Anblick der Kavallerie war für sich genommen schon erschreckend genug, ihre Schlagkraft aber unwiderstehlich. Und da bei dieser Gelegenheit ihre Generäle sie in kompakter Keilform mit starken Flanken hatten aufmarschieren lassen, bildeten sie sich wohl ein, dass sie Constantins Armee leicht zerschlagen und zu Boden trampeln könnten. Sie hätten mit ihrem Vorhaben wohl auch Erfolg gehabt, wenn nicht ihr vielerfahrener Gegner sich derselben Verteidigungsmethoden bedient hätte wie bei ähnlichen Gelegenheiten schon Aurelian. Die geschickten Truppenbewegungen Constantins zersplitterten und verwirrten die massierten Kavallerieabteilungen; aufgelöst flohen die Truppen des Maxentius nach Turin; und da ihnen die Stadttore verschlossen blieben, entkamen nur wenige lebend dem Schwert des siegreichen Gegners. Durch diese entscheidende Maßnahme verdiente Turin sich die Milde und sogar die Gunst des Eroberers. Er zog in den Kaiserpalast von Mailand ein, und nahezu alle Städte zwischen Alpen und Rom erkannten nicht nur die Herrschaft Constantins an, sondern schlugen sich zusätzlich mit Eifer auf seine Seite. Zosimos drängt – wie auch Eusebios – vom Alpenübergang sofort zur Entscheidungsschlacht nach Rom. Wegen der Gefechte Constantins auf dem Weg dorthin müssen wir auf die Panegyriker zurückgreifen.

 

NIEDERLAGE DES GENERALS POMPEIANUS

Von Mailand nach Rom gelangt man auf der Via Aemilia und Via Flaminia in bequemen Märschen von etwa vierhundert Meilen; und obwohl Constantin begierig war, dem Tyrannen zu begegnen, griff er klugberechnet zunächst eine andere italienische Armee an, weil sie wegen ihrer Größe und günstigen Stellung seinem Vormarsch hinderlich oder im Fall einer Niederlage seinem Rückzug hätte gefährlich werden können. Ruricius Pompeianus, ein durchaus befähigter und energischer General, hatte die Stadt Verona und sämtliche in der Provinz Venetien stationierten Legionen unter seinem Kommando. Sobald er von Constantins Angriff hörte, bildete er ein Korps Kavallerie, welches zuvor in einem Gefecht bei Brescia eine Niederlage erlitten hatte und von den gallischen Legionen bis vor die Tore Veronas verfolgt worden war. Die Notwendigkeit, die Wichtigkeit und die Schwierigkeiten der Belagerung Veronas überblickte der einsichtige Constantin im Augenblick. Der Marquis Maffei hat die Belagerung und die Schlacht von Verona mit derjenigen Aufmerksamkeit und Genauigkeit untersucht, die ein solches Ereignis im eigenen Lande abverlangen. Die von Gallienus erbauten Befestigungsanlagen waren kleiner als die modernen Wälle und das Amphitheater lag außerhalb ihrer Mauern. Siehe dessen Verona illustrata Teil 1, p. 142 und 150. Die Stadt war lediglich über eine enge Halbinsel im Westen zugänglich, die anderen drei Seiten wurden von der Adige umströmt, einem reißenden Fluss, der die Provinz Venetien begrenzte und durch den die Belagerten unerschöpflichen Nachschub an Soldaten und Verpflegung beziehen konnten. Nur unter große Schwierigkeiten und erst nach mehreren fruchtlosen Versuchen fand Constantin Mittel, den Fluss oberhalb der Stadt zu überqueren, dort, wo die Strömung weniger reißend war. Dann erst umfasste er Verona mit starken Belagerungslinien und schlug die Angriffe des Pompeianus sowie einen Verzweiflungsausfall mit überlegener Stärke zurück.

Nachdem nun dieser standhafte General sämtliche Mittel der Verteidigungskunst ausgeschöpft hatte, zu der die Festung und die Garnison irgend imstande waren, entwich er heimlich aus Verona, besorgt nicht so sehr um sich als vielmehr um die öffentliche Sicherheit. Mit unermüdlicher Sorgfalt stellte er ein neues Heer zusammen, welches Constantin im Felde begegnen oder seine Armee angreifen sollte, falls er immer noch vor Verona liegen sollte. Der Herrscher, der über die Bewegungen und so auch über die Annäherung seines gefährlichen Feindes wohlunterrichtet war, ließ einen Teil seiner Legionen vor Verona die Belagerung fortsetzen, während er in eigener Person an der Spitze einer Armee, auf deren Zuverlässigkeit er nun auf Gedeih und Verderb angewiesen war, den General des Maxentius angriff.

Die gallische Armee war, den Kriegsgepflogenheiten entsprechend, in zwei Linien aufmarschiert; als ihr erfahrener Feldherr jedoch bemerkte, dass die Zahl der italienischen Soldaten die seine deutlich übertraf, änderte er überraschend seine Dispositionen und erweiterte die erste Linie auf Kosten der zweiten so, dass ihre Breite der des Feindes gleichkam. Solche Truppenbewegungen, die nur Veteranenarmeen ohne Konfusion ausführen können, entscheiden in der Regel über den Ausgang der Schlacht: da aber dieses Gefecht erst am späten Nachmittag begann und während der ganzen Nacht mit vieler Verbissenheit weitergeführt wurde, blieb für angewandte Feldherrenkunst weniger Raum als für den persönlichen Mut des einzelnen Soldaten. Der Sonnenaufgang beschien den Sieg des Constantin und ein mit tausenden von Leichen übersätes Schlachtfeld. Unter den Toten fand man auch Pompeianus; Verona ergab sich auf Gnade und Ungnade, und die Garnison wurde gefangen gesetzt. Man benötigte Ketten für eine so groß Anzahl Gefangener; der Kriegsrat war ratlos; aber der findige Eroberer verfiel auf den Notbehelf, die Schwerter der Besiegten zu Eisenfesseln umschmieden zu lassen. Panegyrici 9,11. Als die Offiziere ihrem Feldherren zu seinem bedeutenden Erfolg gratulierten, wagten sie gleichwohl, mit allem Respekt Vorstellungen zu machen, an denen selbst der argwöhnischste Alleinherrscher keinen Anstoß genommen hätte. Sie stellten Constantin dar, dass er, mit seinen Feldherrenpflichten offenbar nicht ausgelastet, sich und sein Leben mit einem Wagemut einsetze, der schon fast an Tollkühnheit grenze; und so beschworen sie ihn, künftighin mehr auf das eine Leben acht zu geben, von welchem schließlich auch Roms und des Reiches Sicherheit abhänge. Panegyrici 9, 10.

 

MAXENTIUS' LETHARGIE UND FEIGHEIT

Während Constantin im Felde also Mut und Talent bewährte, blieb der Herrscher Italiens blind gegen die Katastrophen und Gefahren des Bürgerkrieges, welcher nun schon inmitten seines Landes tobte. Frohsinn blieb trotz alledem Maxentius einziges Anliegen. Die Niederlagen seiner Legionen verheimlichte er der Öffentlichkeit oder versuchte es doch wenigstens, ›Literas calamitatum suarum indices supprimebat.‹ Panegyrici 9,15. [Hörte er von Niederlagen der Seinen, dann verschwieg er die Nachrichten]. und er selbst kultivierte jenes leere Selbstvertrauen, welche die Heilung eines herannahenden Übels aufschiebt, ohne dadurch die Katastrophe selbst abwenden zu können. ›Remedia malorum potius quam mala differebat,‹ [Er zögerte die Beseitigung des Übels stärker hinaus als das Übel selbst], so Tacitus' subtiler Tadel für Vitellius' unbedarftes Phlegma. Constantins Der Marquis Maffei hat es äußerst wahrscheinlich gemacht, dass Constantin am 1. September 312 A.D. noch in Verona gewesen ist und dass die berühmte Ära der Indictionen seit seiner Eroberung von Gallia Cisalpina datiert. [Indictio: Zeitrechnung, die mit 15-Jahres-Zyklen rechnet, A.d.Ü.] Erfolgsserie war nicht geeignet, ihn aus seiner verhängnisvollen Lethargie aufzurütteln; er redete sich ein, dass seine wohlbewährte Freigebigkeit, ferner Roms großer Name – dies hatte ihm schon zweimal eine Invasion vom Halse geschafft – auch diesmal mit Leichtigkeit die rebellische Armee Galliens zerstreuen werde. Offiziere mit Erfahrung und Weitblick, die bereits unter Maximians Fahne gedient hatten, hatten sich schon längst veranlasst gesehen, seinem unfähigen Sohn die unmittelbar drohende Gefahr vorzustellen; und ihn mit einer Freimütigkeit, die ihn befremdete und daher überzeugte, zu drängen, seinem Untergang durch Anstrengung aller seiner verbliebenen Kräfte gegenzusteuern. Maxentius' Reserven an Soldaten und Kriegsmaterial waren immer noch beträchtlich. Den Prätorianern selbst begann es aufzudämmern, wie innig doch ihr Schicksal mit dem seinen verflochten war; und eine dritte Armee wurde aufgestellt, stärker noch als die zwei, welche vor Turin und Verona untergegangen waren. Allerdings lag es den Intentionen des Kaisers ferne, seine Truppen persönlich anzuführen. Da er in den Kriegskünsten ungeschickt war, bebte er vor den Gefahren des bevorstehenden Waffenganges zurück; und da Furcht eine Verwandte des Aberglaubens ist, lauschte er mit banger Aufmerksamkeit auf die Gerüchte von Vorzeichen und Gesichten, die sein Leben und sein Reich umdrohten. Schließlich aber trat die Scham an die Stelle des Mutes und nötigte ihn, den Kampfplatz zu betreten. Er ertrug die Verachtung der römischen Bevölkerung nicht mehr. Der Zirkus zitterte unter ihrem empörten Gegröle, sie rottete sich vor den Toren des Palastes zusammen, höhnte über das Hasenherz ihres Kaisers und bejubelten Constantins Heldenmut. Siehe Pangyrici 9,16; Lactantius, de mortibus 44. Bevor er Rom verließ, befragte er noch die Sibyllinischen Bücher. Die Hüter dieser uralten Orakelbücher waren mit den Läufen der Welt ebenso vertraut, wie ihnen andererseits das geheimen Walten des Schicksals unbekannt war; und so erteilten sie ihm eine wohldurchdachte Antwort, welche sich geschmeidig an das kommende Ereignis anpassen ließ und zugleich ihre Reputation nicht beschädigte, gleichgültig wie der Waffengang auch ausgehen mochte. ›Illo die hostem Romanorum esse periturum.‹ [An jenem Tag wird Roms Feind untergehen]. Der ›Feind Roms‹ war naturgemäß der jeweils unterlegene Fürst.

 

CONSTANTINS SIEG VOR ROM A.D.312

Die Schnelligkeit von Constantins Vormarsch ist bisweilen verglichen worden mit Caesars rascher Eroberung Italiens zu Beginn des Bürgerkrieges; diese schmeichelhafte Parallele steht in keinem Widerspruch zu der historischen Wahrheit, denn seit dem Fall Veronas vergingen bis zur endgültigen Entscheidung noch nicht achtundfünfzig Tage. Constantin hatte immer besorgt, der Tyrann möchte sich dem Diktat der Furcht und gegebenenfalles sogar der Klugheit beugen und, anstelle in einer letzten Entscheidungsschlacht alles auf eine Karte zu setzen, sich hinter Roms Mauern verkriechen. Seine üppigen Magazine hätten ihn dann für lange Zeit gegen die Gefahren des Aushungerns geschützt; und da andererseits Constantins Lage keinen Aufschub gestattete, wäre er vor die traurige Notwendigkeit gestellt gewesen, die Kaiserstadt mit Feuer und Schwert zu vernichten, seines Sieges edelste Trophäe, deren Befreiung den Grund, oder sollte man besser sagen, den Vorwand für den Bürgerkrieg geliefert hatte. Siehe Panegyrici 9,16 und 10,27. Der erste Redner rühmt die Getreidelager, die Maxentius aus Africa und den Insel hatte zusammenbringen lassen. Und wenn an der von Eusebios (Vita Constantini 36) überhaupt etwas Wahres ist, müssen die imperialen Kornvorräte ausschließlich den Soldaten offen gestanden haben. Und so war er denn gleichermaßen überrascht wie erfreut, dass er bei seiner Ankunft auf der Saxa Rubra, Maxentius…tandem urbe in ›Saxa Rubra‹, millia ferme novem aegerrime progressus. Aurelius Victor, Caesares 40. [Maxentius...rückte schließlich unter massiven Anstrengungen von Rom zum ›Roten Felsen‹ aus]. Vgl. Cellarius, Geographia antiqua, p. 463. Saxa Rubra lag in der Nähe der Cremera, einem besseren Rinnsal, welches berühmt wurde durch den Kampf und den glorreichen Untergang der dreihundert Fabier. neun Meilen vor Rom, das Heer seines Feindes Maxentius zur Schlacht bereit fand. Die Stellung Maxentius' mit dem Rücken zum Tiber wird klar von den zwei Panegyricern beschrieben (9,16 u 10,28). Ihre breite Front erstreckte sich quer durch die weite Ebene, und in der Tiefe reichte ihre Aufstellung beinahe bis an das Tiberufer, wodurch sie im Rücken gedeckt wurden, gleichzeitig aber auch keine Fluchtmöglichkeit mehr hatten.

Wir hören davon und glauben es gerne, dass Constantin seine Truppen mit unüberbietbarer Meisterschaft aufstellte und für sich selbst den Posten der Ehre und Gefahr vorbehielt. Er persönlich führte, erkennbar an der Pracht seiner Bewaffnung, den Angriff gegen die Kavallerie seines Feindes; und dieser unwiderstehliche Angriff entschied den Tag. Maxentius Kavallerie bestand wesentlich aus schwerfälligen Panzerreitern und leichtbewaffneten Numidern und Mauren. Sie brach unter dem Druck der gallischen Reiterei ein, welche beweglicher als jene und stabiler als diese war. Diese Niederlage an den Flügeln ließ die Infanterie im Zentrum ohne jeden Flankenschutz, und so ließen die wankelmütigen Italiener die Fahne ihres Tyrannen im Stich, den sie immer schon gehasst hatten und nun nicht länger fürchten mussten. Lediglich die Prätorianer waren in dem Bewusstsein, dass es für ihre Vergehen keine Gnade geben könne, von Rachsucht und Verzweiflung beseelt. Trotz wiederholter Angriffe war es diesen tapferen Veteranen unmöglich, die Niederlage abzuwenden: so starben sie wenigstens einen ehrenhaften Soldatentod; und es wurde allgemein bemerkt, dass sie genau dort lagen, wo man sie aufgestellt hatte. Exceptis latrocinii illius primis auctoribus, qui desperata venia, locum quem pugnae sumpserant texere corporibus. Panegyr. 9,17. [...abgesehen von den ersten Verursachern dieser Insurrektion, die den Kampfplatz mit ihren Leibern deckten, da sie auf Gnade nicht rechnen konnten]. Die Auflösung wurde nun allgemein, und die entmutigten Truppen des Maxentius flohen zu Tausenden vor ihrem mörderischen Feind in den tiefen und reißenden Tiber. Der Kaiser selbst versuchte über die Milvische Brücke in die Stadt zu fliehen, aber die Massen, die sich auf dieser engen Passage quetschten, drängten ihn in den Fluss, wo er sofort durch das Gewicht seiner Rüstung in die Tiefe gezogen wurde. Es kam dann rasch das kindische Gerücht auf, dass Maxentius, unbesorgt um seinen eigenen Rückzug, eine raffinierte Kriegslist ersonnen habe, die Armee seines Feindes zu verderben, dass nämlich die Holzbrücke, welche beim Angriff Constantins zu diesem Zwecke gelockert werden sollte, unglücklicherweise unter dem Gewicht der fliehenden Italiener zusammengebrochen sei. Herr de Tillemont (Histoire des Empereurs 4, p.576) untersucht aufs gründlichste, ob das dem gesunden Menschenverstand widersprechende Zeugnis des Eusebios und Zosimos dem Schweigen des Lactantius und Nazianz und des anonymen, aber wenigstens zeitgenössischen Redners, Verfassers des 9. Panegyrikos, vorzuziehen sei. Sein Körper lag tief im Schlamm versunken und wurde erst anderntags mit einigen Schwierigkeiten geborgen. Der Anblick seines Hauptes, das dem Volk zur Besichtigung präsentiert wurde, überzeugte sie von ihrer Befreiung und veranlasste sie, mit Beifalls- und Ergebenheitsrufen den glücklichen Constantin zu begrüßen, welcher durch persönlichen Mut und Überlegenheit den größten Erfolg seines Lebens errungen hatte. Zosimos 2,15-17 und die beiden Panegyriken, deren erste ein paar Monate später gehalten wurde, vermitteln eine sehr anschauliche Vorstellung vom der großen Schlacht. Lactantius, Eusebios und selbst die Epitome geben hilfreiche Winke.

 

CONSTANTIN NACH DEM SIEG

Bei der Ausbeutung seines Sieges war es Constantin weder um einen Ruhmestitel für besondere Milde zu tun, noch konnte man ihm den Vorwurf maßloser Brutalität machen. Zosimos, der ›Feind‹ Constantins, konzediert (2,17), dass nur einige wenige Anhänger von Maxentius hingerichtet wurden, wir aber verweisen auf eine bemerkenswerte Stelle bei Nazianz (10,6) hin: ›Omnibus qui labefactare statum eius poterant cum stirpe deletis.‹ [...als alle, die seine Stellung erschüttern konnten, völlig ausgerottet waren...]. Der andere Panegyriker (9, 20 und 21) beschränkt sich auf den Hinweis, dass Constantin bei seinem Einmarsch in Rom die furchtbaren Massaker des Cinna, Marius oder Sulla nicht nachgeahmt habe. Seine Gegner erfuhren die gleiche Behandlung, die im Falle seiner Niederlage ihm und seiner Familie zuteil geworden wäre: die zwei Sohne des Tyrannen wurden hingerichtet und seine ganze Familie systematisch ausgelöscht. Die exponiertesten Anhänger des Maxentius erwarteten, an seinem Schicksal teil zu haben, so wie sie an seinen Verbrechen und seinem Glück teil hatten: als aber das römische Volk nach mehr Opfern verlangte, widerstand der Eroberer mit Stärke und Menschlichkeit diesem elenden Ansinnen, das lediglich von niederer Gesinnung und Rachegefühlen diktiert war. Denunzianten wurden bestraft und von weiterem Tun angehalten; wer unschuldig unter dem verstorbenen Tyrannen hatte leiden müssen, wurde aus dem Exil zurückgerufen und erneut in seine alten Rechte eingesetzt. Ein allgemeines Vergessen beruhigte allgemach die Gemüter und ordnete die Eigentumsverhältnisse, in Italien ebenso wie in Afrika. Siehe die beiden Panegyriker und die Gesetze dieses und des folgenden Jahres im Codex Theodosianus.

Gleich beim ersten Male, als Constantin den Senat mit seiner Anwesenheit beehrte, brachte er in einer anspruchslosen Rede seine Verdienst und Heldentaten zur Sprache, versicherte jene edelerlesene Versammlung seiner aufrichtigsten Verehrung und sicherte ihnen zu, ihre alten Vorrechte erneut zu begründen. Der Senat bedankte sich für diese unverbindlichen Versprechen mit ein paar ebenso leeren Ehrentiteln, die zu verleihen er gegenwärtig noch die Befugnis hatte; und ohne sich zu vermessen, die Kaiserwürde des Constantin zu bestätigen, anerkannten sie doch seinen ersten Rang unter den drei Augusti, welche damals die römische Welt regierten. Panegyrici 9,20 und Lactantius, de mortibus 44. Maximinus, der offenbar der älteste der Caesaren war, beanspruchte für sich mit gutem Grund den ersten Rang. Spiele und Festivitäten wurden gestiftet, die Erinnerung an seinen Sieg wach zu halten, und mehrere Gebäude, die auf Kosten des Maxentius errichtet wurden waren, weihte man nun im Namen und zu Ehren seines erfolgreichen Gegners.

Der Triumphbogen des Constantin steht noch heute; er ist ein trauriger Beweis für den Niedergang der Künste und ein einmaliges Zeugnis für die sinnloseste Dünkelhaftigkeit. Da es nicht möglich war, in der Hauptstadt der Welt einen Bildhauer zu finden, der in der Lage gewesen wäre, dieses Staatsmonument angemessen zu verzieren, beraubte man den Trajansbogen ohne irgendeine Achtung für das Andenken dieses Herrschers seiner schönsten Figuren. Um die Unterschiede von Zeit und Menschen, von Ereignissen und Charakteren kümmerte man sich nicht im Geringsten. Die kriegsgefangenen Parther lagen hingestreckt vor einem Herrscher, der in seinem Leben nicht den Euphrat überschritten hatte, und der Liebhaber der Antike kann noch heute den Kopf des Trajan unter den Beutestücken des Constantin ausmachen. Die schmückenden Verbindungsstücke, die notgedrungen in den Lücken zwischen den alten Skulpturen angebracht werden mussten, sind klobig und kunstlos ausgeführt. ›Adhuc cuncta opera quae magnifice construxerat, urbis fanum, atque basilicam, Flavii meritis patres sacravere.‹ Aurelius Victor Casares 40. [Außerdem weihte der Senat alle von ihm errichteten Prachtbauten, den Roma-Tempel und eine Basilika den Verdiensten des Flavius.] Bezüglich des Diebstahls von Traians Trophäen konsultiere man Flaminius Vacca, apud Montfaucon, Diarium Italicum, p. 250 und l'Antiquité Expliquée of the latter, Band. 4, p. 171.

 

WEITERE MASSNAHMEN CONSTANTINS

Die endgültige Auflösung der Prätorianergarden war ein Gebot der Staatsraison und der Rache. Diese selbstbezogene Truppe, deren Zahl und Vorrechte Maxentius wiederhergestellt und sogar noch vermehrt hatte, wurde von Constantin für alle Zeiten aufgelöst. Ihr festes Lager wurde abgerissen, und die wenigen Prätorianer, die in der Schlacht an der Milvischen Brücke mit dem Leben davongekommen waren, wurden auf verschiedene Legionen verteilt und an die äußersten Reichsgrenzen versetzt, wo sie von Nutzen sein konnten, ohne jemals wieder gefährlich zu werden. ›Praetoriae legiones ac subsidia factionibus aptiora quam urbi Roma, sublata penitus, simul arma atque usus indumenti militaris.‹ [Die Praetorianer-Legionen, die zur Unterstützung von Faktionen mehr taugten als zum Schutz Roms, wurden vollständig aufgelöst und ihre Waffen und Ausrüstung eingezogen.] Aurelius Victor. Zosimos (2,17) erwähnt dies historisch-nüchtern, im 9. Panegyricus wird es lebhaft gefeiert. So löste also Constantin die Einheiten auf, die normalerweise in Rom lagen; aber er gab dadurch der Würde des Senates und Volkes den letzten Stoß, und die wehrlose Hauptstadt war schutzlos den Beleidigungen und der Vernachlässigung durch ihren abwesenden Herren ausgeliefert.

Wir durften feststellen, dass die Römer bei ihren letzten Anstrengungen, ihre ersterbende Freiheit zu retten, aus Sorge vor einer Steuer Maxentius auf den Thron erhoben. Er zog unter dem Namen einer freiwilligen Spende Steuern vom Senat ein. Da gingen sie Constantin um Hilfe an. Er stürzte den Tyrannen und machte aus der freiwilligen Spende eine dauernde Steuer. Die Senatoren wurden jetzt nämlich entsprechend den Angaben, die sie zu ihrem Vermögen hatten machen müssen, in verschieden Klassen unterteilt. Die Reichsten unter ihnen zahlten pro Jahr acht Pfund Gold, die nächst Klasse zahlte vier, die letzte zwei, und diejenigen, deren Armut eigentlich einen Dispens gerechtfertigt hätte, mussten sieben Goldstücke beibringen. Neben den eigentlichen Senatsmitgliedern erfreuten sich auch ihre Söhne, ihre Nachkommen und selbst ihre Verwandten der pompösen Vorrechte des Senatorenstandes, wofür sie natürlich handfest zu zahlen hatten; und so wird es uns denn auch nicht eben höchlich überraschen, wenn wir vernehmen, dass Constantin beständig darauf sann, diesen Personenkreis zu vergrößern, um ihn unter so einem ergiebigen Etikett zu subsumieren. ›Ex omnibus provinciis optimates viros Curiae tuae pigneraveris; ut Senatus dignitas ... ex totius orbis flore consisterat.‹ Nazarius in Panegyr: 10,35. [Aus allen Provinzen hast du dir die besten Männer für die Curie geholt, so dass die Würde des Senates sich aus der Blüte des Weltkreises konstituieren wird]. Das Wort ›pigneraveris‹ [zum Pfand nehmen] ist wohl mit berechneter Bosheit gewählt; über die senatorische Steuer s. Zosimos 2,38, den zweiten Titel im sechsten Buch des Codex Theodosianus nebst Gothofreds Kommentare; und Mémoires de l'Academie des Inscriptions, Band 28, p.726. Nach der Niederlage des Maxentius blieb der Sieger nicht mehr als zwei oder drei Monate in Rom und besuchte die Stadt während seines verbleibenden Lebens nur noch zweimal und auch nur, um sein zehn- und zwanzigjähriges Regierungsjubiläum festlich zu begehen. Constantin war fast immer unterwegs, um die Legionen oder den Zustand der Provinzen zu inspizieren. Trier, Mailand, Aquileia, Sirmium, Naissus und Thessaloniki waren Gelegenheitsresidenzen, bis er schließlich an der Schwelle von Europa nach Asien ein NEUES ROM begründete. Die Kaiserlichen Reisen können wir von nun an mit dem cod. Theodosianus verfolgen; aber Zeit- und Ortsangaben sind wegen der Sorglosigkeit mancher Abschreiber oftmals verändert worden.

 

SEINE ALLIANZ MIT LICINIUS A.D. 313 MAXIMINUS' NIEDERLAGE UND ENDE

Vor seinem Einmarsch nach Rom hatte sich Constantin der Freundschaft oder doch wenigstens der Neutralität des illyrischen Kaisers Licinius versichert. Er hatte diesem Herrscher seine Schwester Constantia zur Ehe versprochen; aber die Hochzeitszeremonien mussten bis zum Ende des Bürgerkrieges warten; das Gespräch der beiden Kaiser zu Mailand, welches zur Erörterung dieses Vorhabens angesetzt worden war, scheint die Bande zwischen den beiden Familien und ihren Interessen nur gefestigt zu haben. Zosimos (2,17) merkt an, dass Constantins Schwester bereits vor dem Krieg dem Licinius anverlobt war. Diocletian war zu der Hochzeitsfeier eingeladen, wenn wir dem jüngeren Victor glauben dürfen; da er aber so kühn war, sein Alter und dessen Gebrechen vorzuschieben, erhielt er einen zweiten Brief, in welchem ihm wegen seiner unterstellten Parteinahme für Maxentius und Maximinus heftige Vorwürfe gemacht wurden. Epitome 39. Inmitten der öffentlichen Festivitäten sahen sich beide unvermittelt genötigt, Rom zu verlassen. Ein Einfall der Franken rief Constantin an den Rhein, auch näherte Asiens Herrscher sich feindlich und machte unverzüglich Licinius' Anwesenheit erforderlich: Maximinus war der heimliche Verbündete des Maxentius gewesen, und ohne sich von dessen Schicksal bange machen zu lassen, beschloss auch er, in einem Bürgerkrieg sein Glück zu probieren. Mitten im Winter verließ er Syrien und marschierte an die Grenze zu Bithynien. Es war bitterkalt und stürmisch; Ross und Reiter kamen im Schnee in großer Zahl ums Leben; und da die Straßen infolge des widrigen Wetters unpassierbar geworden waren, musste er notgedrungen große Mengen des schweren Gepäcks zurücklassen, da der Tross mit seinem stürmischen Gewaltmärschen nicht Schritt halten konnte. Dank dieser gigantischen Anstrengung erreichte er mit einer zwar erschöpften, aber immer noch schlagkräftigen Armee das Ufer des thrakischen Bosporus, bevor die Unterfeldherren des Licinius von seinen feindseligen Absichten auch nur gehört hatten.

Nach nur elftägiger Belagerung ergab sich Byzanz der Armee des Maximinus. Dann hielt er sich einige Tage vor den Toren Heracleas auf; kaum hatte er diese Stadt in seinen Besitz genommen, als ihn die Nachricht aufschreckte, dass Licinius achtzehn Meilen entfernt sein Lager aufgeschlagen habe. Nach einer ergebnislosen Unterredung, in deren Verlauf die beiden Herrscher sich gegenseitig den Anhang abspenstig zu machen versucht hatten, griff man wieder zu den Waffen. Der Kaiser des Ostens befehligte eine funktionsfähige Veteranenarmee von etwa siebzigtausend Mann, und Licinius, der etwa dreißigtausend illyrische Soldaten rekrutiert hatte, wurde zunächst von der schieren Überzahl bedrängt. Nur seine militärische Tüchtigkeit und die Standhaftigkeit seiner Truppen retteten ihm den Tag mit einem entscheidenden Sieg. Die unfassliche Schnelligkeit, die Maximinus auf seiner Flucht entwickelte, hat mehr zu seinem Ruhm beigetragen als sein Mannesmut auf dem Schlachtfeld. Vierundzwanzig Stunden später ward er blass, bebend und seiner imperialen Abzeichen ledig zu Nicomedia gesichtet, einhundertundsechzig Meilen vom Ort seiner Niederlage entfernt. Asiens Möglichkeiten waren noch nicht ausgeschöpft; und wenn auch die Elite seiner Veteranen in der Schlacht gefallen war, hätte er gleichwohl die Gelegenheit gehabt, in Syrien und Ägypten neue Aushebungen vorzunehmen, wenn ihm denn nur die Zeit dazu geblieben wäre.

Aber er überlebte seine Niederlage nur um drei, vier Monate. Als Todesursache – er starb in Tharsus – wurde unterschiedlich auf Selbstmord, Vergiftung oder göttliche Gerechtigkeit geraten. Da Maximinus ebenso unfähig wie unwürdig war, rief sein Tod unter den Soldaten und dem Volk keine eigentliche Trauer hervor. Und die Provinzen des Ostens, die nun endlich von den Schrecknissen des Bürgerkrieges befreit waren, anerkannten freudig die Herrschaft des Licinius. Niederlage und Tod des Maximinus sind für Zosimos trivial, Lactantius indes schreibt sie himmlischer Intervention zu.

 

LICINIUS NACH SEINEM SIEG

Der besiegte Herrscher hinterließ zwei Kinder, einen Knaben von acht und ein Mädchen von sieben Jahren. Ihr unschuldiges Alter hätte wohl Mitleid hervorrufen können; aber das Mitleid des Licinius war eine sehr zerbrechliche Größe, und vor allem hielt es ihn nicht davon ab, Name und Gedächtnis seiner Gegner auszulöschen. Der Tod des Severianus ist noch weniger zu entschuldigen, denn er war weder der Rache noch der Staatsraison geschuldet. Der Sieger hatte von dem Vater dieses unglücklichen jungen Mannes niemals irgendein Unrecht erfahren, und die ephemere Herrschaft des Severus in einem abgelegenen Winkel des Reiches war schon längst vergessen. Die Hinrichtung des Candidianus schließlich war ein Akt der finstersten Grausamkeit und Undankbarkeit. Er war der natürliche Sohn des Galerius, dem Freund und Gönner des Licinius. Sein Vater hatte ihn weislich für zu jung erklärt, das Kaiserdiadem zu tragen; aber das wenigstens erhoffte er: dass unter dem Schutze von Herrschern, die ihm zu Dank verpflichtet waren, Candidianus ein ruhiges und ehrbares Leben würde führen können. Er näherte sich seinem zwanzigsten Lebensjahr, und obwohl er sich weder durch Verdienst oder Ehrgeiz verdächtig machte, genügte bereits seine königliche Abkunft, in Licinius Misstrauen zu erzeugen. Lactantius des mortibus 50. Aurelius Victor streift die unterschiedliche Art und Weise, in der Licinius und Konstantin ihren Sieg ausgebeutet haben.

 

DAS SCHICKSAL DER VALERIA UND PRISCA

Zu den unschuldigen und angesehenen Schlachtopfern vom Licinius' Brutalitäten müssen wir noch die Frau und die Tochter des Diocletian rechnen. Als dieser Kaiser dem Galerius den Caesarentitel übertrug, hatte er ihn zugleich mit seiner Tochter Valeria verheiratet, deren unglückselige Lebensumstände den Stoff für ein wahres Trauerspiel abgeben würden. Sie hatte die Pflichten einer Frau erfüllt und übererfüllt. Da sie selbst keine Kinder hatte, erklärte sie sich bereit, den illegitimen Sohn ihres Gatten zu adoptieren und war zu diesem glückverlassenen Candidianus zärtlich und liebevoll wie eine leibliche Mutter. Nach dem Tode des Galerius jedoch erweckten ihre weitläufigen Besitztümer die Habgier und die Schönheit ihres Körpers die niederen Instinkte seines Nachfolgers im Amte, Maximinus. Maximinus ließ seine Untertanen bezahlen, um seine sinnlichen Gelüste zu beruhigen. Seine Eunuchen, die Frauen und Jungfrauen geraubt hatten, untersuchten ihre nackten Reize mit banger Neugierde, ob nicht etwa ein Teil ihres Körpers der kaiserlichen Umklammerung unwert sein möchte. Scheu und Widersetzlichkeit galten als Hochverrat und die abgeneigte Schöne wurde ertränkt. Auch kam die Sitte auf, dass niemand ohne kaiserliche Lizenz heiraten durfte, ›ut ipse in omnibus nuptiis praegustator esset.‹ [Damit er persönlich bei allen Hochzeiten Vorkoster sei]. Lactantius, de mortibus 38. Er war ebenfalls verheiratet; aber Scheidung war nach römischen Recht möglich, und die unbeherrschten Gelüste des Tyrannen drängten nach sofortiger Willfahrung.

Die Antwort der Valeria war die einer kaiserlichen Tochter und Witwe; lediglich ihre schutzlose Stellung, die zu beachten ihr die Klugheit eingab, wirkte auf ihre Erwiderung mäßigend. Sie stellte den Beauftragten, die Maximinus zu diesem Zwecke entsandt hatte, dar, ›dass selbst dann, wenn die Ehre es einer Frau ihren Ranges erlaubte, einen Gedanken an eine zweite Eheschließung zu verwenden, die Schicklichkeit es ihr verbiete, sein Ansinnen freundlich aufzunehmen zu einem Zeitpunkt, an welchem die Asche ihres Gatten und seines Wohltäters noch nicht erkaltet sei und die Befindlichkeit ihrer Seele durch Trauerkleidung zum Ausdruck käme. Sie wage zu erklären, dass sie nur wenig Zutrauen zu einem Manne empfinden könne, dessen skrupellose Unbeständigkeit ihn vermocht habe, sein eigenes treuliebendes Weib zu verstoßen. Lactantius, de mortibus 39.‹ Diese Zurückweisung verwandelte die Gelüste des Maximinus zu Hass; und da ihm Zeugen und Richter jederzeit gehorsamst zu Diensten standen, war es ihm ein leichtes, seiner Wut den Schein des Rechts zu geben und zum Angriff auf Valerias Ansehen und Glück zu blasen. Ihr Besitz wurde eingezogen, ihre Eunuchen und Hausdiener bestialisch gefoltert, und zahlreiche unschuldige und respektable Matronen aus ihrer Freundschaft wurden hingerichtet aufgrund erlogener Ehebruch-Vorwürfe. Die Kaiserin selbst wurde mit ihrer Mutter Prisca verbannt; und da beide in Schanden von Ort zu Ort gejagt wurden, bevor sie endlich in einem elenden Dorf in Syriens Wüste ihre Ruhe fanden, wurden ihre Schmach und ihr Unglück in allen Provinzen des Ostens vorgeführt, über die sie dreißig Jahre lang mit allem Ansehen und aller Würde geherrscht hatten.

Diokletian machte einige hilflose Versuche, das Unglück seiner Tochter zu mildern; und da er von Maximinus noch so etwas wie eine letzte Dankesschuld für die Übertragung des Kaiserpurpurs erhoffte, bat er ihn dringend darum, er möge es Valeria erlauben, mit ihrem verzweifelten Vater die Einsamkeit in Salerno zu teilen und ihm im Sterben die Augen zu schließen. Diokletian sandte schließlich cognatum suum, quendam militarem ac potentem virum, [einen Verwandten, kriegserprobt und robust], um für seine Tochter zu intervenieren. (Lactantibus de mortibus 41) Wir kennen die Geschichte jener Zeit nicht genau genug, um die fragliche Person benennen zu können. Er flehte darum, aber da ihm mittlerweile das Drohen unmöglich war, wurden seine Bitten kaltherzig und verächtlich aufgenommen; und Maximinus genoss es offenbar, Diokletian wie einen Bittsteller und seine Tochter wie eine Kriminelle behandeln zu können. Der plötzliche Tod des Maximinus gab der Kaiserin die Hoffnung zurück, ihr Schicksal möchte sich zum Besseren wenden. Die öffentlichen Unruhen lenkten die Aufmerksamkeit der Wachen ab, und so fanden sie Wege, aus dem Ort ihres Exils zu entweichen und, wenn auch nur auf Schleichwegen und verkleidet, an den Hof des Licinius zurückzukehren. Sein Auftreten in seinen ersten Regierungstagen und der ehrenvolle Empfang für den jungen Candidianus erfüllte Valeria mit heimlicher Hoffnung für ihren Adoptivsohn und für sich selbst. Bald aber wurden diese optimistischen Erwartungen durch blankes Entsetzen abgelöst; und die blutigen Hinrichtungen, die den Palast zu Nicomedia besudelten, überzeugten sie hinreichend, dass der Thron des Maximinus nunmehr von einem Tyrannen besetzt sei, der noch schlimmer als jener selbst war. Valeria brachte sich durch eine hastige Flucht in Sicherheit und zog, immer noch von ihrer Mutter Prisca begleitet, beinahe fünfzehn Monate lang im Plebejerhabit durch die Provinzen. ›Valeria quoque per varias provincias quindecim mensibus plebeio cultu pervagata.‹ Lactantius de mortibus 51. [Valeria durchwanderte fünfzehn Monate in Volkstracht verschiedene Provinzen]. Wir wissen nicht, ob die 15 Monate vom Beginn ihrer Verbannung oder ihrer Flucht gezählt werden sollten. Das ›pervagare‹ deutet eher auf das Letztere; aber dann müssen wir auch anzunehmen, dass Lactantius seine Abhandlung nach dem ersten Bürgerkrieg zwischen Licinius und Konstantin geschrieben hat. Siehe. Cuper, p. 254. Schließlich wurden beide zu Thessaloniki aufgegriffen; und da ihr Todesurteil schon längst gefällt war, wurden sie unverzüglich enthauptet und ihre Leichen in die See geworfen. Das Volk gaffte nur zu diesem Trauerspiel; denn sein Kummer und seine Empörung wurden durch den Terror bewaffneter Milizen unterdrückt. Dieses also war das unverdiente Schicksal der Frau und der Tochter des Diocletian. Wir beweinen ihr Unglück, ein Verbrechen können wir an ihnen nicht finden; und welche Meinung wir zu der Grausamkeit des Licinius auch haben mögen, es bleibt unerfindlich, weshalb er sich nicht mit einer diskreteren Art der Rache zufrieden gab. ›Ita illis pudicitia et conditio exitio fuit.‹ [So wurden den beiden ihre Keuschheit und ihr Rang zum Verderben]. Lactantius de mortibus 51. Er erzählt die Tragödie von Diokletians unschuldiger Frau und deren Tochter in einer verständlichen Mischung aus Mitleid und Bewunderung.

 

ENTFREMDUNG ZWISCHEN CONSTANTIN UND LICINIUS

So war die römische Welt aufgeteilt zwischen Constantin und Licinius, von denen der erste der Herr des Westens, der zweite der des Ostens war. Man hätte nun erwarten können, dass die beiden Herrscher, müde des Bürgerkrieges und darüber hinaus privat wie auch staatsrechtlich aufeinander angewiesen, allen ferneren Anwandlungen von Ehrgeiz abgeschworen oder sie wenigstens vorübergehend ausgesetzt haben würden. Und doch war seit dem Tode des Maximinus noch nicht ein Jahr verstrichen, als die beiden Sieger erneut und diesmal gegeneinander zu den Waffen griffen. Das Genie, der Erfolg und das lebhafte Temperament des Constantin sind geeignet, um in ihm den Angreifer zu sehen; aber der feige und heimtückische Charakter des Licinius gibt noch dem hässlichsten Verdacht Nahrung, und so glauben wir in dem schwachen Licht, das die Geschichte auf seine Umtriebe wirft, erkennen zu können, wie er ränkesüchtig eine Verschwörung gegen seinen kaiserlichen Kollegen stiftete. Der aufmerksame Leser, der hier die Valesianischen Fragmente (5, 14-15, p.713) konsultiert, wird mich möglicherweise einer kühnen, ja zügellosen Paraphrase zeihen; wenn er die Stelle indessen mit Aufmerksamkeit studiert, wird er anerkennen müssen, dass meine Auslegung einige Wahrscheinlichkeit für sich hat und stimmig ist. Constantin hatte erst kürzlich seine Schwester Anastasia dem Bassianus zur Frau gegeben, einem Manne, unverächtlich durch Familie und Vermögen, und er hatte seinen neuen Verwandten in den Rang eines Caesaren erhoben. Entsprechend den von Diocletian eingeführten Verfassungsgrundsätzen waren Italien und vielleicht auch noch Afrika für ihn zur Regierung vorgesehen.

Als es jedoch zur Ausführung dieses Versprechens kommen sollte, gab es so viele Verzögerung und unerwartete Schwierigkeiten, dass die Treue des Bassianus in leises Schwanken geriet, anstelle dass sie sich durch die ehrenvolle Auszeichnung gefestigt hätte. Licinius hatte dessen Ernennung schriftlich zugestimmt, doch fand dieser schlichenreiche Herrscher bald Wege, über seine Emissäre mit dem neuen Caesar in eine geheime und riskante Korrespondenz einzutreten, dessen Unzufriedenheit zu steigern und ihn zu dem kühnen Unternehmen zu drängen, sich mit Gewalt das zu holen, was er von Constantin durch Bitten wohl nicht erhalten werde. Aber der wachsame Herrscher entdeckte die Verschwörung, bevor sie zur Reife gediehen war; und nachdem er die Allianz zu Bassianus feierlich aufgekündigt hatte, setzte er ihn ab und verhängte die gerechte Strafe über seinen Verrat und Undank. Die hochmütige Weigerung des Licinius, die Mitverschworenen auszuliefern, die in seinem Hause Zuflucht gefunden hatten, nährten den Verdacht, den man auch gegen seine Untreue hegte; und die Denkmalsschändung endlich, die man an den Statuen des Constantin in Aemona an der italienischen Grenze verübte, gaben das Signal zu endgültigen Bruch zwischen den beiden Herrschern. Die Lage von Aemona oder Laybach (Ljubljana) im Herzogtum Krain, wie es heute genannt wird, (d'Anville, Géographie Ancienne, Bd. 1, p. 187) gibt Anlass zu einer Konjektur. Da die Stadt nordwestlich der Julischen Alpen liegt, konnte dieser wichtige Landstrich zu einem natürlichen Gegenstand des Zwistes zwischen den Herren von Italien und Illyrien werden.

 

ERSTER BÜRGERKRIEG ZWISCHEN CONSTANTIN UND LICINIUS

Die erste Schlacht wurde in der Nähe der pannonischen Stadt Cibalis an der Save ausgetragen, etwa fünfzig Meilen von Sirmium entfernt. Cibalis oder Cibalae (deren Name noch in der vergessenen Ruinenstätte Swilei fortlebt) lag etwa fünfzig Meilen von Sirmium entfernt, der Hauptstadt von Illyricum und etwa hundert von Taurunum oder Belgrad, und dem Zusammenfluss von Donau und Save. Die römischen Standorte und Städte an diesen Flüssen beschreibt vorzüglich Herr d'Anville in den Mémoires de l'Académie des Inscriptions, Bd. 28. Die beiden Herrscher brachten nur vergleichsweise kleine Streitkräfte zu diesem doch recht bedeutenden Gefecht zusammen, und hieraus mag man schließen, dass der eine unversehens herausgefordert hatte und der andere jählings überrascht worden war. Der Herr des Westens verfügte nur über zwanzigtausend und der Kaiser aus dem Osten über fünfunddreißigtausend Mann. Die zahlenmäßige Unterlegenheit wurde jedoch durch Geländevorteile wettgemacht. Constantin hatte in einer Schlucht von etwa einer halben Meile Breite Stellung beziehen lassen, zwischen steilen Hügeln und tiefem Sumpf; und in dieser unangreifbaren Position wartete er den ersten Angriff seiner Feinde in aller Ruhe ab und schlug ihn erfolgreich zurück. Er verfolgte seinen Sieg und drang in die Ebene vor. Aber die illyrischen Veteranen kämpften unter der Standarte eines Feldherren, der bei Diocletian und Probus das Waffenhandwerk erlernt hatte. Die Wurfgeschosse waren auf beiden Seiten bald aufgebraucht; die beiden gleichstarken Armeen gingen jetzt mit Spieß und Schwert zum Nahkampf über, und der Kampf hatte mit unentschiedenem Verlauf von Sonnenaufgang bis in die frühen Abendstunden gedauert, als endlich der rechte Flügel unter Constantin zum entscheidenden Angriff vorging. Licinius zog sich mit seinen Truppen vernünftigerweise zurück und rettete so den Rest seines Heeres vor völliger Vernichtung; als er jedoch seine Verluste abschätzte – sie betrugen immerhin zwanzigtausend Mann! – hielt er es für unklug, in der Nacht am Feinde zu lagern, welcher siegreich und noch sehr aktiv war. Er gab sein Lager und die Magazine verloren, entfernte sich heimlich und eilig an der Spitze seiner Kavallerie und befand sich bald nicht mehr in der Gefahr einer Verfolgung. Dieses Manöver rettete sein Weib, seinen Sohn und seine Kriegskasse, die er alle in Sirmium zurückgelassen hatte. Licinius hatte auch diese Stadt bald wieder verlassen, ließ die Savebrücke einreißen und sammelt in Eile eine neue Armee in Dakien und Thrakien. Auf der Flucht verlieh er noch an Valens, einen illyrischen Frontgeneral, den Caesarentitel. Zosimos 2,18 beschreibt diese Schlacht sehr eingehend, aber seine Schilderungen sind eher von rhetorischem als von militärgeschichtlichem Wert.

 

SCHLACHT BEI MARDIA FRIEDENSSCHLUSS

Die Ebene von Mardia in Thrakien war der Schauplatz der zweiten Schlacht, die um nichts weniger verbissen und blutig geführt wurde als die erste. Die Truppen zeigten auf beiden Seiten denselben Mut und Durchhaltewillen; und wieder entschied Constantins überlegenes Feldherrentalent über den Sieg. Er führte ein Kommando von fünftausend Mann auf eine günstig gelegene Höhe, von wo sie im Laufe des Gefechtes den Feind von hinten angriffen und ihm beträchtliche Verluste zufügten. Licinius' Truppen machten zwar eine zweite Front auf und standen unerschüttert, aber schließlich setzte die Nacht dem Gefecht ein Ende und deckte zugleich ihren Rückzug in die Berge Makedoniens. Nach zwei verlorenen Schlachten und dem Tod so vieler tapferer Veteranen war Licinius' hochfliegender Sinn endlich zu Friedensunterhandlungen bereit. Zosimos 2,19; Anonymus Valesii 5, 17 und 18. Die Epitome bieten einige Details, oft aber werden die beiden Kriege zwischen Licinius und Constantin verwechselt. Sein Emissär Mistrianus wurde von Constantin zu einer Audienz vorgelassen. Es ließ sich weitläufig über Mäßigung und Humanität aus, welche Topoi bei den Besiegten zum üblichen Arsenal der Beredsamkeit gehören; er gab bescheiden und fein zu verstehen, dass der Krieg keineswegs entschieden sei, während seine unabwendbaren Nöte schon jetzt beiden Parteien gleich verderblich seien; und erklärte endlich, dass er bevollmächtigt sei, im Namen der beiden Herrscher, seiner Herren, einen dauer- und ehrenhaften Frieden vorzuschlagen.

Die Erwähnung des Valens nahm Constantin mit Unmut und Verachtung auf. ›Es geschah nicht zu dem Zwecke,‹ so seine finstere Replik, ›dass wir von den Küsten des Westmeeres in einer ununterbrochenen Kette von Gefechten vorgerückt sind, um jetzt, nach der Niederwerfung eines undankbaren Verwandten, einen elenden Sklaven als unseren Kollegen zu akzeptieren. Die Abdankung des Valens ist der erste Artikel des Friedensvertrages.‹ Petros Patricius in den Excerpta legationum, p. 27. Nimmt man an, dass gr. »ambros« eigentlich Schwiegersohn bedeutet, dann ist auch die Konjektur zulässig, dass Constantin, unter Übernahme von Vaternamen und -pflichten, seine jüngeren Brüdern und Schwestern, die Kinder Theodoras, adoptiert habe. Aber »ambros« bezeichnet bei den besten Autoren mal den Ehemann, mal den Schwiegervater und mal auch ganz allgemein einen männlichen Verwandten. Siehe hierzu Spanheim Observationes ad Juliani Orator, opera Bd.1, p. 72. Diese demütigende Bedingung war unumgänglich, und der unglückliche Valens verlor nach einigen Tagen Regierung beides, Purpur und Leben. Sobald dieses Hindernis beseitigt war, kehrte Ruhe ein in die römische Welt. Die Kette von Niederlagen hatte die Truppen des Licinius dezimiert, aber sie hatten auch Mut und Stärke bewiesen. Seine Situation war verzweifelt, aber Verzweiflung vermag oftmals Fürchterliches; und Constantins gesunder Menschenverstand gab einem günstigen Friedensschluss den Vorzug vor einem dritten Waffengang.

 

FRIEDENSVERTRAG

Er war einverstanden, dass sein Feind, oder sein Freund und Bruder, wie er Licinius neuerdings wieder nannte, im Besitz von Thrakien, Kleinasien, Syrien und Ägypten blieb; setzte aber durch, dass Pannonien, Dalmatien, Dacien, Makedonien und Griechenland der westlichen Reichshälfte zugeschlagen wurden, so dass der Herrschaftsbereich des Constantin von der schottischen Grenze bis an die südlichen Ausläufer der Peloponnes reichte. Derselbe Friedensvertrag legte auch fest, dass drei jugendliche Prinzen, die Söhne der Kaiser, für die Nachfolge vorgesehen werden sollten. Crispus und der jüngere Constantin wurden kurz darauf zu Caesaren des Westens ernannt, und dieselbe Würde erhielt Licinius der Jüngere im Osten. Durch diese doppelte Ehre wurde die Vorrangstellung des Eroberers bestätigt. Zosimos, 2,20; Anonym. Valesian, 5, 18-19; Eutropius, 10,5;. Aurelius Victor; Eusebios Chronica anno 318; Sozomen, 1,2. Vier dieser Autoren bekräftigen nun, dass die Erhebung der Caesaren ein Artikel des Friedensvertrages war. Es steht indessen fest, dass der jüngere Constantin und Licinius noch gar nicht geboren waren; und es ist sehr wahrscheinlich, dass die Erhebung am 1. Mai A.D. 317 stattfand. Es war wohl vertraglich vereinbart, dass zwei der Caesaren vom westlichen und nur einer vom östlichen ernannt werden sollten; aber jeder behielt die Wahl sich selbst vor.

 

GESETZGEBUNG CONSTANTINS 315-323 A.D.

Die Aussöhnung zwischen Constantin und Licinius war zwar getrübt durch gegenseitige Abneigung und Scheelsucht, durch die Erinnerung an zurückliegendes Unrecht und durch die Angst vor künftigen Auseinandersetzungen; dennoch dauerte sie beinahe acht Jahre, für die römische Welt eine Friedensperiode. Da am Beginn dieser Epoche eine rege gesetzgeberische Tätigkeit des Kaisers stand, würde es ein Leichtes sein, alle Regularien niederzuschreiben, mit denen Constantin seine Mußestunden füllte. Aber die mit Abstand wichtigste Neuerung steht im engen Zusammenhang mit seinem neuen System von Politik und Religion, welches erst in den letzten Jahren seiner langen und friedlichen Regierungszeit sich etablieren konnte. Viele dieser Gesetze gehören, soweit sie Rechte und Besitz von Einzelpersonen betreffen oder etwa die Prozessordnung, eher zum Privat- als zum Staatsrecht; und viele Edikte waren zeitlich und räumlich so begrenzt, dass sie in einer allgemeinen Geschichte nur schwerlich Platz beanspruchen dürfen. Zwei Gesetze jedoch müssen aus der übrigen Masse hervorgehoben werden; das eine wegen seiner Bedeutung und das andere wegen seiner Einmaligkeit; das erste wegen seiner bemerkenswerten Milde, das zweite wegen seiner übersteigerten Strenge.

1. Die grauenhafte und den Alten doch ganz geläufige Praxis, neugeborene Kinder auszusetzen oder umzubringen, griff in den Provinzen und besonders in Italien täglich mehr um sich. Der Anlass war die blanke Not; und die Not hatte ihre erste Ursache in den unerträglich hohen Steuern sowie den Grausamkeiten der Finanzbeamten, mit denen sie zahlungsunfähigen Schuldnern nachstellten. Anstelle dass die ärmeren oder erfolgloseren Menschen sich wenigstens einer wachsenden Familie erfreuen durften, hielten sie in einem Akt väterliche Fürsorge dafür, ihre Kinder vor dem drohenden Elend zu bewahren, welches zu ertragen sie sich selbst kaum imstande fühlten. Und so gebot denn Constantin in seiner Menschlichkeit, veranlasst möglicherweise durch einige jüngst vergangene, besonders üble Vorkommnisse, dass in allen italienischen und später auch afrikanischen Städten allen denen Eltern unverzüglich und ausreichend Steuernachlass zu gewähren sei, welche vor den Behörden die Kinder vorwiesen, welche sie infolge ihrer Armut selbst nicht aufziehen konnten. Leider waren das Versprechen zu großzügig und die Mittel zu karg, als dass dauerhafte Besserung erfolgt wäre. Codex Theodosian, 11,27; mit Godefroy's Anmerkungen. Siehe auch 5,7, und 8. Das Gesetz, so lobenswert es auch war, diente eher dazu, die Notlage des Volkes offen zu legen als ihr abzuhelfen. Für uns bleibt nur die Aufgabe, jene Lohnredner zu widerlegen, die von ihrer eigenen Stellung so entzückt waren, dass sie für die Verbrechen und die Not unter ihrem großzügigen Herrscher blind waren. Omnia foris placida domi prospera, annonae ubertate, fructuum copia, etc. [Draußen ist alles friedlich, hier drinnen alles üppig, mit einem Überfluss an Nahrung und Früchten in Fülle], Panegyrici 10,38. Diese Rede des Nazarius wurde am Tage der Quinquennalien der Caesaren (1. März A.D. 321) gehalten.

2. Die Gesetze Constantins gegen Entführung wurden von äußerst geringer Nachsicht gegen die verzeihlichste aller menschlichen Schwächen diktiert; denn das Gesetz bedrohte nicht nur die Gewalt mit Strafe, mit der etwa eine unverheiratete, noch nicht fünfundzwanzigjährige Frau zum Verlassen ihrer elterlichen Wohnung gezwungen worden sein mochte, sondern auch die zärtlich-liebevolle Verführung, die sie dazu verlockt haben mochte. ›Der Entführer wurde mit dem Tode bestraft; und als ob der einfache Tod noch zu wenig wäre für seine übergroße Schuld, wurde er lebendig verbrannt oder von wilden Tieren im Zirkus in Stücke gerissen. Die Einrede der Jungfrau, sie sei aus freien Stücken gefolgt, rettete ihrem Liebhaber nicht nur nicht das Leben, sondern bedrohte noch ihr eigenes. Die öffentliche Strafverfolgung wurde den Eltern der unglückseligen Jungfrau auferlegt; und wenn die Stimme der Natur sie anstiftete, das Geschehene zu vergessen und durch eine anschließende Heirat die Familienehre wieder herzustellen, so drohten ihnen dennoch Verbannung und Konfiszierung. Männlich und weibliche Sklaven, die überführt wurden, bei der Ent- oder Verführung Beihilfe geleistet zu haben, wurden lebendig verbrannt, oder durch unmenschliche Qualen getötet, indem man ihnen geschmolzenes Blei in die Kehle goss. Da es sich um ein öffentliches Delikt handelte, durften sogar Fremde Anklage führen. Verjähren konnte das Delikt niemals, und selbst der unschuldige Nachwuchs einer solchen illegitimen Beziehung hatte noch unter den Folgen des Urteils zu leiden.‹ Siehe das an das römische Volk adressierte Edikt Constantins im Codex Theodosianus 9,24. Indessen: immer wenn ein Vergehen weniger schwer wiegt als die angedrohte Strafe, setzt sich zwangsläufig irgendwann das normale Rechtsempfinden gegen die Brutalität des Strafrechtes durch. Unter den nachfolgenden Regierungen wurden die allerschlimmsten Partien des Erlasses zurückgenommen oder abgemildert; Sein Sohn verrät mit großer Aufrichtigkeit den wahren Grund des Widerrufes: ›Ne sub specie atrocioris iudicii aliqua in ulciscendo crimine dilatio nasceretur.‹ [Damit nicht in Ansehung des grausamen Urteils bei der Verfolgung des Verbrechens irgendeine Verzögerung sich ereigne]. Codex Theodosianus, 9,27. und selbst Constantin hat des Öfteren durch besondere Gnadenakte der Strenge seines Erlasses die Spitze genommen. Dieses also war die eigentümliche Launenhaftigkeit eines Herrschers, welcher sich in der Durchführung seiner eigenen Gesetze ebenso nachsichtig, ja nachlässig erzeigte, wie er sich andererseits bei ihrer Ausgestaltung streng und sogar grausam gebärdete. Ein treffenderes Beispiel für die Laxheit eines Herrschers oder die Inkompetenz einer Regierung findet sich nicht sobald. Eusebios (Vita Constantini 3,1) befindet es für gut uns mitzuteilen, dass während der Regierungszeit seines Helden ›das Schwert müßig war in den Händen der Magistrate.‹ Eusebios selbst (4,29 und 24) und der Codex des Theodosius können uns darüber belehren, dass diese außerordentliche Milde jedenfalls nicht auf den Mangel von Kriminellen oder Strafrechtsbestimmungen zurückzuführen ist.

 

ZWEITER BÜRGERKRIEG 323 A.D.

Gelegentlich wurde der allgemeine Geschäftsgang durch kriegerische Wechselfälle aufgestört. Crispus, ein junger Mann von durchaus liebenswertem Charakter, hatte zusammen mit der Caesarenwürde das Oberkommando über die Rheinlegionen erhalten, in verschiedentlichen Siegen über Franken und Alemannen Proben von persönlichem Mut abgelegt und die Barbaren jener Grenzregionen gelehrt, bei dem Namen von Constantins ältestem Sohn und Constantius' Enkel zu erbeben. Nazarius, Panegyrici 10, 36. Der Sieg des Crispus über die Alemannen ist auf einigen Medaillen verewigt. Der Kaiser selbst hatte sich die heiklere und wichtigere Donauprovinz vorbehalten. Die Goten, welche im Zeitalter eines Claudius und Aurelian Roms Waffenstärke spüren mussten, hegten vor dem Imperium selbst dann noch Respekt, als dieses sich gerade selbst zerfleischte. Aber nach fünfzig Jahren Friedenszeit hatte sich die Stärke dieser kriegsgewohnten Nation erneuert; ein anderes Geschlecht war herangewachsen, das von den Kalamitäten vorvergangener Tage nichts wusste: die Sarmaten vom Maeotis-See folgten den gotischen Fahnen, freiwillig oder genötigt, und ihr vereinter Heeresbann überflutete die Länder Illyriens. Campona, Margus, Bononia: hier fanden verschiedene denkwürdige Schlachten und Belagerungen statt. Siehe Zosimos 2,21, wenngleich der Bericht dieses Historiographen weder klar noch widerspruchsfrei ist. Die Preisrede des Optatianus 23 erwähnt das Bündnis mit Carpen und Geten und weist auf die verschiedenen Schlachtfelder hin. Man glaubt, dass die Sarmatischen Spiele, die im November abgehalten werden, auf Siege in diesem Krieg zurückzuführen sind. Und obwohl Constantin auf äußerst hartnäckigen Widerstand stieß, obsiegte er am Ende, während die Goten sich den schimpflichen Rückzug durch Auslieferung der Beute und Kriegsgefangenen erkaufen mussten.

Doch war dieser Erfolg noch nicht hinreichend, den Zorn ihrer kaiserlichen Majestät beizulegen. So beschloss er, die kecken Barbaren, die in römisches Territorium einzudringen gewagt hatten, mit gleicher Strenge zu züchtigen und zurückzuwerfen. An der Spitze seiner Legionen überquerte er die Donau, nachdem er die von Trajan erbaute Brücke hatte erneuern lassen, drang in die entlegensten Winkel Daciens vor In Iulians Caesares p. 329, Commentaire de Spanheim p. 252. Constantin rühmt sich, er habe die Provinz [Dacia] wiedererobert, die vorher Traian unterworfen habe. Aber Silenus lässt durchblicken, dass die Eroberungen Constantins den Gärten des Adonis vergleichbar seien, welche kurz nach ihrem Erblühen auch schon wieder welken und vergehen müssten. und war, nachdem er ausgiebig Rache genommen hatte, zu einem Friedensschluss mit den unterworfenen Goten bereit unter der Bedingung, dass sie, wann immer man ihrer bedürfe, mit vierzigtausend Fußsoldaten seine Legionen unterstützen sollten. Iordandes, Getica 21. Ich bin mir nicht sicher, ob wir diesem Autoren unbesehen trauen dürfen. Ein Bündnis dieser Art klingt sehr neuzeitlich und fügt sich nicht zu den Gebräuchen des beginnenden IV Jahrhunderts. Heldentaten dieser Art trugen Constantin zweifellos Ehre und dem Staat Nutzen ein; dennoch sei die Frage gestattet, ob sie wirklich die übertriebene Versicherung des Eusebius rechtfertigen können, dass nämlich das ganze Skythien, hinauf bis in den äußersten Norden, so, wie es in die unterschiedlichsten Stämme mit den unterschiedlichsten Namen und abgestuft barbarischen Gebräuchen zergliedert war, durch seine siegreichen Waffen dem römischen Reiche einverleibt werden musste. Eusebios, Vita Constantini 1,8. Diese Stelle ist indessen einer Rede entliehen, welche die Größe Constantins im Allgemeinen zum Gegenstand hat und nicht einer speziellen Darstellung des Gotenkrieges.

Bei so himmelwärts steigendem Ruhme war es unmöglich, dass Constantin noch länger irgendeinen Kollegen im Reich sollte neben sich dulden. Im Vertrauen auf sein Genie und seine militärische Überlegenheit beschloss er, ohne dass das Geringste vorgefallen wäre, sie zur Vernichtung des Licinius aufzubieten, dessen fortgeschrittenes Alter und geringe Popularität leichten Sieg versprachen. ›Constantinus tamen, vir ingens, et omnia efficere nitens quae animo praeparasset, simul principatum totius orbis affectans, Licinio bellum intulit.‹ [Gleichwohl zog Constantin, ein überragender Mann, der alles durchzusetzen entschlossen war, was er sich einmal vorgesetzt hatte und zugleich nach der Weltherrschaft griff, gegen Licinius in den Krieg]. Eutropios, 10, 5; Zosimos, 2,18. Jedoch enttäuschte der alternde Kaiser, aufgeschreckt durch die drohende Gefahr, die Befürchtungen seiner Freunde genauso wie die Hoffnungen seiner Feinde. Er reaktivierte jenen Geist und jene Könnerschaft, mit denen er einst die Freundschaft des Galerius und den Kaiserpurpur gewonnen hatte, bereitete sich so auf die Auseinandersetzung vor, sammelte Truppen des Ostens und füllte bald die Ebene von Adrianopel mit seinen Legionen und den Hellespont mit seiner Flotte. Einhundertfünfzigtausend Mann zu Fuß und fünfzigtausend Reiter stark war seine Heeresmacht; und da die Kavallerie zum größten Teil aus Phrygien und Kappadokien rekrutiert war, werden wir uns von der Schönheit der Pferde ein günstigeres Bild machen als von dem Mannesmut und dem Geschick ihrer Reiter. Die Flotte bestand aus dreihundertfünfzig Dreiruderern. Einhundertdreißig von diesen wurden von Ägypten und den benachbarten Küsten Afrikas gestellt. Einhundertzehn kamen aus phönizischen Häfen herzugesegelt, und Bithynien, Ionien, Karien, allesamt seefahrende Nationen, waren ebenfalls verpflichtet worden, einhundertzehn Schiffe zu stellen.

Die Truppen des Constantin hatten Marschbefehl nach Thessaloniki erhalten; es kamen hier etwa einhundertzwanzigtausend Mann Infanterie und Kavallerie zusammen. Zosimos 2,22. Ihr Kaiser freute sich ihrer martialischen Erscheinung, und wirklich verfügte seine Armee über weniger Mannschaft, aber über mehr Soldaten als die des Gegners aus dem Osten. Die Legionen des Constantin waren in den kriegsgewohnten Provinzen Europas ausgehoben worden; in Gefechten hatten sie ihre Disziplin gefestigt, Siege ihre Erwartungen gesteigert, und außerdem befanden sich unter ihnen zahlreiche Veteranen, welche sich nach siebzehn erfolgreichen Feldzügen unter demselben Feldherren nach diesem letzten Kraftakt berechtigte Hoffnungen auf eine ehrenhafte Entlassung machen durften. Constantin achtete sehr auf die Vorrechte und das Wohlergehen seiner Mitveteranen (Conveterani), wie er sie neuerdings nannte. Siehe den Codex Theodosianus 7,20.

Constantins Zurüstungen zur See indessen waren denen des Licinius in jeder Hinsicht unterlegen. Die Hafenstädte Griechenlands entsandten ihre jeweiligen Flottenverbände in den berühmten Piräus, aber mehr als zweihundert kleine Schiffe brachten sie nicht zusammen; eine recht dürftige Armada, vor allem, wenn man sie etwa mit den machtvollen Aufgebot Athens während des Peloponnesischen Krieges vergleicht. Als Athen Königin der Meere war, bestand ihre Flotte aus drei- und später sogar vierhundert vollgerüsteten und jederzeit einsatzbereiten Dreiruderern. Das Arsenal im Piräus hatte die Republik eintausend Talente gekostet, was etwa 216.000 Pfund entspricht. Siehe Thukydides, Peloponnesischer Krieg 2,13 und Meursius, de Fortuna Attica 19. Seit Italien nicht mehr Regierungssitz war, hatte man die Marinestützpunkte in Misenum und Ravenna verkommen lassen; und da die Schifffahrt des römischen Reiches durch Handel und nicht durch Krieg bestimmt wurde, war es nur natürlich, dass sie in den nutzliebenden Provinzen Ägyptens und Asiens im Überfluss anzutreffen war. Überraschend ist lediglich, dass der Herrscher des Ostens bei einer so drückenden Überlegenheit zur See es versäumt haben soll, einen Angriff mitten in den Herrschaftsbereich seines Feindes vorzutragen.

 

SCHLACHT BEI ADRIANOPEL 323 A.D.

Anstelle nun diese günstige Gelegenheit beim Schopfe zu packen und so dem ganzen Kriege möglicherweise eine entscheidende Wende zu geben, erwartete der bedachtsame Licinius die Annäherung seines Feindes in der Nähe von Adrianopolis in einem Lager, welches er mit ängstlicher Umsicht hatte anlegen lassen, was seine Sorge vor dem kommenden Ereignis hinreichend belegt. Constantin selbst setzte seinen Marsch von Thessaloniki bis zu jenem Teil Thrakiens fort, bis er sich plötzlich durch den breiten und reißenden Hebrus gehemmt fand und zugleich die mächtige Armee des Licinius gewahrte, welche das steile Gelände zwischen Hebrus und Adrianopel besetzt hielt. Es folgten mehrere Tage mit Kleingefechten, die alle keine Entscheidung brachten; aber allmählich wurden die Hindernisse, die einer Flusspassage und dem eigentlichen Angriff entgegenstanden, durch Constantins unermüdlichen Einsatz überwunden. An dieser Stelle möchten wir von einer einzigartigen Heldentat des Constantin erzählen, zu welcher es in der Dichtung und der Romanschriftstellerei keine Parallele gibt und die nicht etwa von einem bezahlten Lobredner, sondern von einem Historiker überliefert wird, der darüber hinaus dem Andenken Constantins nicht günstig ist. Es wird uns also versichert, dass der kühne Herrscher sich selbst in den Hebrus gestürzt habe, begleitet von nur zwölf Reitern, und dass er allein durch die Kraft oder besser den Schrecken seines unbezwinglichen Armes eine Masse von einhundertfünfzigtausend Feinden zerbrach, zerschlug und auseinanderjagte. Die Leichtgläubigkeit des Zosimos gewinnt an dieser Stelle soviel Übergewicht über seine sonstige Parteinahme, dass er von den zahlreichen Ereignissen um die Schlacht von Adrianopolis nicht die wichtigsten, sondern die wunderbarsten ausgesucht und ausgeschmückt zu haben scheint.

Constantins Mut und die Gefahr, in der er sich befunden hatte, werden bekundet durch eine leichte Verletzung am Oberschenkel; aber soviel kann man dieser unzulänglichen Geschichte – oder möglicherweise einem verderbten Text – doch entnehmen, dass der Sieg nicht so sehr seinen militärischen Fähigkeiten als seinem heldenhaften Einsatz zu danken war; dass ein Kontingent von fünftausend Bogenschützen nach einem Umgehungsmarsch einen Wald im Rücken der Feinde besetzte, welche gerade durch den Bau einer Brücke abgelenkt waren; und dass Licinius, durch soviel kunstgerechte Manöver aus der Fassung gebracht, widerwillig seine vorteilhafte Stellung räumen und auf ebenem Feld die Entscheidung suchen musste. Aber es war kein gleicher Kampf mehr. Die aufgestörte Masse seiner unerfahrenen Rekruten wurde von den erprobten Veteranen des Westens im Nu besiegt. Vierunddreißigtausend Mann sollen gefallen sein. Noch am Abend der Schlacht wurde das befestigte Lager des Licinius mit Sturm genommen; am nächsten Morgen ergab sich der größte Teil der Flüchtlinge, die sich in die umliegenden Berge zurückgezogen hatten, dem Sieger auf Gnade und Ungnade; sein Gegner indessen, der das Feld nicht länger behaupten konnte, schloss sich in den Mauern von Byzanz ein. Zosimos, 2,21. Diese große Schlacht wird im Valesianischen Fragment (5,24) in klarer, wenngleich recht knapper Form beschrieben: "Licinius vero circum Hadrianopolis maximo exercitu latera ardui montis impleverat; illuc toto agmine Constantinus inflexit. Cum bellum terra marique traheretur, quamvis per arduum suis nitentibus, attamen disciplina militari et felicitate, Constantinus Licinii confusum et sine ordine agentem vicit exercitum; leviter femore sauciatus." [Licinius hielt allerdings mit seinem gewaltigen Heer die steilen Berghänge um Adrianopolis besetzt. Dort hinein rückte Constantin in voller Kampfordnung. Während sich das Gefecht zu Lande und zu Wasser noch hinzog, konnte Constantin die konfusen und ungeordneten Truppen des Licinius durch Disziplin und Glück besiegen, nachdem er den steilen Hang mühsam erklommen hatte; wobei er am Oberschenkel leicht verletzt wurde].

 

BELAGERUNG VON BYZANZ

Die Belagerung von Byzanz, die Constantin unverzüglich veranlasste, war ein großes Unterfangen mit offenem Ausgang. In den zurückliegenden Bürgerkriegen wurden die Festungsanlagen dieser Stadt, der man nicht zu Unrecht eine Schlüsselstellung für Europa und Asien zuschreibt, ausgebessert und verstärkt; und solange Licinius die See beherrschte, drohte der Garnison weit weniger die Gefahr einer Hungersnot als den Belagerern. Die Marinebefehlshaber von Konstantinopel hatte er zu sich in sein Lager zitiert und ihnen nachdrücklich die Weisung erteilt, die Passage durch den Hellespont zu erzwingen, solange die Flotte des Licinius, anstelle ihren kümmerlichen Gegner aufzuspüren und zu versenken, tatenlos in jenen Meeresengen vor Anker lag, wo ihre zahlenmäßige Überlegenheit weder Vorteil noch Nutzen brachte. Der älteste Sohn des Kaisers, Crispus, wurde mit diesem riskanten Unternehmen betraut, welches er in der Tat mit soviel Mut und Erfolg zu Ende brachte, dass er das Wohlwollen seines Vaters verdient und vermutlich seine Eifersucht erregt hatte. Die Seeschlacht dauerte zwei Tage, und am Ende des ersten kehrten die feindlichen Flotten nach beträchtlichen Verlusten auf beiden Seiten in ihre jeweiligen Häfen in Europa und Asien zurück. Am zweiten Tag setzte gegen Mittag ein kräftiger Südwind Zosimos 2,24. Die Meeresströmung geht immer aus dem Hellespont; bei Nordwind kann dann kein Schiff die Durchfahrt erzwingen. Bei Südwind wird die Wirkung der Strömung vernachlässigbar gering. Turnefort, Voyage du Levant, Brief 11. ein, welcher die Schiffe des Crispus dem Feind entgegen trieb; und da er diesen zufälligen Vorteil beherzt auszubeuten verstand, errang er bald darauf einen vollständigen Sieg. Einhundertdreißig Schiffe versenkt, fünftausend Mann gefallen, und Amandus, der Admiral der Asien-Flotte, mit genauer Not an die Küste von Calchedon entkommen.

Sobald der Hellespont passierbar war, erhielt das Lager des Constantin Nachschub in großen Mengen, nachdem er die Belagerung bereits begonnen hatte. Er ließ künstliche Erdwälle aufwerfen, welche die gleiche Höhe hatten wie die Mauern von Byzanz. Die luftigen Belagerungstürme, welche auf diesen Fundamenten errichtet waren, setzten den Belagerten mit klobigen Steingeschossen und Pfeilen zu, und die schweren Rammböcke hatten die Mauern bereits an verschiedenen Stellen zermürbt. Hätte sich Licinius noch länger auf die Verteidigung beschränkt, hätte er es riskiert, zusammen mit der Stadt unterzugehen. Bevor er völlig eingeschlossen war, brachte er sich und seine Schätze nach Calchedon in Sicherheit; und da er sich immer gerne mit Weggenossen seiner Hoffnungen und Gefahren umgab, übertrug er nunmehr den Caesarentitel auf Martinianus, welcher somit eines der wichtigsten Ämter des Reiches innehatte. Aurelius Victor, Caesares 41; Zosimos 2,25. Folgt man dem Letzteren, war Martinianus der magister officiorum (er verwendet diesen lateinischen Terminus in dem griechischen Text). Einige Münzen scheinen anzudeuten, dass er während seiner kurzen Regentschaft den Augustustitel erhielt.

 

SCHLACHT VON CHRYSOPOLIS

So groß waren nach wie vor die Ressourcen und so entschlossen der Wille des Licinius, dass er trotz so vieler aufeinander folgender Niederlagen in Bithynien eine neue Armee von fünfzig- bis sechzigtausend Mann auf die Beine stellen konnte, während der Kaiser mit der Belagerung von Byzanz genug zu tun hatte. Der Aufmerksamkeit des Constantin entgingen die letzten Rüstungen seines Gegners nicht; ein beträchtlicher Teil seiner siegreichen Armee wurde in kleineren Schiffen über den Bosporus gesetzt, und das entscheidende Gefecht wurde kurz nach ihrer Landung auf den Höhen von Chrysopolis, oder wie es heute genannt wird, Scutari, ausgetragen. Die Truppen des Licinius waren erst kürzlich aufgestellt worden, schlecht gerüstet, noch schlechter eingeübt, aber sie machten dennoch Front gegen die Eroberer mit verzweifelter, wiewohl vergeblicher Anstrengung, bis eine vollständige Niederlage und der Tod von fünfundzwanzigtausend Mann das Schicksal ihres Anführers für immer besiegelte. Eusebios (Vita Constantini 2,16 und 17) schreibt diesen entscheidenden Sieg des Kaisers frommen Gebeten zu. Das Fragmentum Valesianum (5,27) erwähnt hingegen ein gotisches Hilfskontingent unter ihrem Häuptling Aliquaca, welcher der Sache des Licinius nahe stand.

Er zog sich nach Nicomedia zurück, eher wohl um für Verhandlungen Zeit zu gewinnen als um sich weiterhin wirkungsvoll zu verteidigen. Constantia, seine Frau und zugleich Schwester Constantins, intervenierte bei ihrem Bruder zugunsten ihres Gatten und erhielt die mehr aus Gründen der Politik als aus Mitleid gegebene feierliche und eidbekräftigte Zusicherung, dass Licinius nach seiner Abdankung und der Hinrichtung des Martinianus den Rest seiner Tage in Frieden und Wohlstand verbringen dürfe. Constantias Verhalten und ihre Beziehung zu den streitenden Parteien ruft uns unwillkürlich die Erinnerung an jene unerschrockene Matrone wach, welche die Schwester des Augustus und die Frau des Antonius war. Aber die Welt dachte mittlerweile anders, und nicht länger rechnete man es einem Römer zur Schande, seine Ehre und Unabhängigkeit zu überleben.

Licinius erflehte und erhielt Pardon für seine Vergehen, warf sich und seinen Purpur zu Füßen seines Herren und Meisters nieder, wurde mit höhnischem Mitleid vom Boden aufgehoben, durfte noch am selbigen Tage beim kaiserlichen Bankett speisen, und wurde bald darauf nach Thessaloniki verbracht, wo man sich einen passenden Ort für seine Verbannung ausgesucht hatte. Zosimus, 2,28; Victor Junior in Epitome 41; Anonymus Valesii 5,27. Seine Haft endete schon bald mit seinem Tod, und es ist nicht sicher, ob Soldatenunruhen oder ein Senatserlass den Vorwand für seine Hinrichtung lieferten. Im Einklang mit den Bräuchen der Tyrannis wurde er der Verschwörung und der verräterischen Korrespondenz mit den Barbaren angeklagt; da er aber niemals, weder durch sein Verhalten noch durch irgendeinen gerichtsverwertbaren Beweis überführt wurde, dürfen wir wohl von seiner Hilflosigkeit auf seine Unschuld schließen. ›Contra religionem sacramenti Thessalonicae privatus occisus est.‹ [In Thessaloniki entgegen der eidlichen Zusicherung ermordet]. Eutropius, 10,6, bestätigt von Hieronymus, Chronicum Eusebii wie auch von Zosimos 2,28. Der Autor des Valesianischen Fragmentes erwähnt als Einziger die Soldaten, wie Zonaras (13,1) als der Einzige die Hilfe des Senates benennt. Klüglich gleitet Eusebios über diese heikle Angelegenheit hinweg; aber Sozomenos scheut sich ein Jahrhundert später nicht, Licinius' verräterische Umtriebe herauszuarbeiten. Das Gedächtnis des Licinius wurde verdammt, seine Statuen niedergestürzt, und in einem hastigen Erlass, der allerdings so infam war, dass er postwendend richtig gestellt werden musste, wurden alle seine Gesetze und Gerichtsverfahren mit einem Schlage kassiert. Siehe Codex Theodosianus 15,15. Diese Erlasse Constantins verraten ein Ausmaß an Gefühlswallung und Hektik, welches einem Gesetzgeber übel ansteht.

 

WIEDERVEREINIGUNG DES REICHES A.D. 324

Infolge dieses Sieges war die römische Welt erneut unter dem Szepter eines Kaiser geeint, siebenunddreißig Jahre, nachdem Diocletian sie und seine Macht mit seinem Kollegen Maximianus geteilt hatte. Die einzelnen Erfolgsstufen des Constantin, von seiner ersten Investitur in York bis zur Abdankung des Licinius in Nicomedia, wurden hier mit einiger Genauigkeit geschildert, nicht nur, weil die Ereignisse als solche wichtig und interessant sind, sondern vor allen Dingen deshalb, weil sie durch die enormen Verluste von Menschenleben und Geld wie auch durch das beständige Anwachsen der Steuern und Militärausgaben zum Untergang des Reiches beigetragen haben. Die Gründung von Konstantinopel und der Sieg des Christentums waren die unmittelbaren und denkwürdigen Folgen dieser Veränderungen.


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