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XIII.

HERRSCHAFT DES DIOCLETIAN UND SEINER DREI MITREGENTEN MAXIMIAN, GALERIUS UND CONSTANTIUS · ALLGEMEINE WIEDERHERSTELLUNG VON ORDNUNG UND RUHE · PERSERKRIEG, SIEG UND TRIUMPH · VERWALTUNGSREFORM · ABDANKUNG VON DIOCLETIAN UND MAXIMIAN

 

DIOCLETIAN CHARAKTERISTIK THRONERHEBUNG A.D. 285

Wenn die eigentliche Regierung Diocletians rühmlicher war als die aller seiner Vorgänger, so lag seine Herkunft desto mehr im Dunkeln. Verdienste oder Gewalttat hatten zwar mit ihren Ansprüchen schon oft die Prärogative einer adligen Herkunft verdrängt; aber wenigstens blieben bis jetzt die Grenzlinien zwischen dem freigeborenen und dem dienenden Teil der Menschheit unüberschreitbar gezogen. Die Eltern Diocletians waren Sklaven gewesen in Hause des Anulinus, eines römischen Senators; auch trug er nur den einen einzigen Vornamen, der abgeleitet wurde von einer dalmatinischen Kleinstadt, Eutropius 9,19; Victor Epitome 39,1. Die Stadt war aller Wahrscheinlichkeit nach Doclia, nach einem kleinen Stamm Illyriens (Cellarius, Geographie antiqua 1, p.393); der ursprüngliche Name des glücklichen Sklaven war vermutlich Docles; zunächst streckte er ihn zu dem Wohlklang des griechischen Diocles und endlich zu dem römisch-kaiserlichen Diocletianus. Außerdem nahm er den Patriziernamen Valerianus an, und so nennt ihn Aurelius Victor für gewöhnlich. aus der seine Mutter stammte. Vermutlich erhielt sein Vater bald darauf die Freiheit und dann einen Schreiberposten, was für Leute seines Schlages nicht unüblich war. Siehe hierzu Daciers (Anmerkung) zu Horaz, Satiren 2,6. Cornelius Nepos, Eumenes 1. Glückverheißende Orakelsprüche, oder eher doch wohl das Bewusstsein vorzüglicher Anlagen, bestimmten seinen Sohn, sein Glück mit dem Waffenhandwerk zu versuchen; und es wäre in der Tat von höchstem Interesse zu verfolgen, durch welche feinsinnigen Zufälle oder Vorsätze er schließlich diese Prophezeiungen erfüllen und der Welt seine Berufung nachweisen konnte. Diocletian arbeitete sich bis zum Provinzstatthalter Mösiens empor, in das Konsulat und endlich zu dem sehr einflussreichen Posten eines Kommandanten der kaiserlichen Leibwache. Im Perserkrieg bewies er seine Talente; und nach dem Tode des Numerianus war der Sklavensohn nach dem Urteil seiner Rivalen der würdigste Thronaspirant. Religiöser Eifer der bösartigen Sorte hat die persönliche Tapferkeit des Diocletian verdächtigt, Lactantius (oder wer immer die kleine Schrift De Mortibus Persecutorum verfasst hat) zeiht Diocletian an zwei Stellen (c. 7 und 8) der Furchtsamkeit. In c. 9 sagt er: ›erat in omni tumultu meticulosus et animi disiectus.‹ [In jedem Kampfgetümmel war er ängstlich und nicht bei dem Geschehen]. während er zugleich das stürmische Draufgängertum seines Kollegen Maximian zu tadeln sich veranlasst sah. Ganz leicht fällt es nicht, dass wir uns einen Glücksritter als Feigling vorstellen sollen, der immerhin die Wertschätzung der Legionen wie auch die Gunst von so manchen kriegtüchtigen Herrschern erwarb und behielt. Sogar die Verleumdung ist klug genug, nur wunde Punkte auszuspähen und anzugreifen. Nie fand man, dass Diocletian seinen Pflichten oder besonderen Aufgaben nicht gewachsen wäre; allerdings scheint er auch nicht den großdenkenden, wagenden Geist eines Helden besessen zu haben, welcher die Gefahren und den Ruhm sucht, Ränke verschmäht und seinesgleichen kühn herausfordert. Seine Fähigkeiten waren eher auf das Praktische gerichtet als auf das Großartige; er war energiegeladen, voller Menschenkenntnis und geschickt in der Ausführung der Geschäfte; Freigebigkeit und Sparsamkeit, Milde und Strenge bildeten bei ihm eine ausgewogene Gemengelage; unter dem Deckmantel des kernigen Militärs praktizierte er täuschend geübte Verstellung: gradlinig verfolgte er seine Ziele, war aber in der Wahl seiner Mittel elastisch; und vor allem verstand er sich in der großen Kunst, seine persönlichen Gefühle wie auch die anderer seinem Ehrgeiz dienstbar zu machen und dies mit dem Anstrich der Gerechtigkeit und des politisch Nützlichen zu zieren. Wie Augustus kann man auch Diocletian als den Begründer eines neuen Reiches ansehen. Wie Caesars Adoptivsohn zeichnete auch er sich als Staatsmann und nicht so sehr als Militär aus; und beide Herrscher verschmähten Waffengänge, wenn sie Ziele auch mit den Mitteln der Politik erreichen konnten.

 

DIOKLETIANS SIEG SEINE NACHSICHT

Diocletian hat seinen Sieg bemerkenswert gemacht wegen seines einzigartigen Versöhnungswillens. Ein Volk, welches daran gewöhnt ist, die Gnade eines Siegers zu bejubeln, wenn nur die üblichen Hinrichtungen, Verbannungen und Konfiskationen in Maßen und leidlich gerecht vollstreckt worden waren, registriert natürlich mit freudigem Erstaunen, dass hier einmal die Flammen eines Bürgerkrieg schon auf dem Schlachtfeld ausgetreten wurden. Zu einer Vertrauensperson des Diocletian wurde etwa Aristobulos, der erste Minister aus dem Hause des Carus; er schonte das Leben seiner Gegner, beließ ihnen ihr Vermögen und respektierte ihre Würde, und er ließ sogar die meisten Bediensteten des Carus auf ihren jeweiligen Posten. Aurelius Victor (Caesares 39,5) scheint in diesem Enkomion zu Recht, wenn auch nur indirekt Constantius' Grausamkeit zu rügen. Aus den Fasten geht hervor, dass Aristobulos Stadtpräfekt blieb und dass er mit Diokletian das Konsulat beendete, das er mit Carinus angetreten hatte. Es ist nicht auszuschließen, dass auch dieser Menschlichkeit des ränkereichen Dalmatiers staatskluge Berechnung zugrunde lag: viele dieser Sklaven hatten sich ihm durch Zuträgereien unentbehrlich gemacht; bei den anderen schätzte er, dass sie ihrem Herrn selbst in der Niederlage treue Ergebenheit bewahrten. Das subtile Urteil eines Aurelian, eines Probus oder eines Carus hatten die verschiedenen Ministerien mit anerkannt bewährten Mitarbeitern bestückt, deren Entfernung aus dem Amt dem Staat geschadet hätte, ohne den Vorteil des neuen Herrschers in irgendeiner Form zu mehren. In der römischen Welt erweckten diese Maßnahmen jedoch die schönsten Erwartungen gegenüber der neuen Regierung, und der Kaiser verfehlte nicht, diesem Optimismus durch die Erklärung Nahrung zu geben, dass von allen Tugenden seiner Vorgänger es die menschenfreundliche Philosophie eines Marc Aurel sei, der nachzuleben er am eifrigsten bestrebt sein werde. Aurelius Victor nennt Diokletian (Caesares 39) ›parentem potius quam dominum‹ [Mehr Vater als Gebieter]. Siehe Historia Augusta, Marcus Antonius 19.

 

MAXIMIAN SEIN CHARAKTER 286 A.D.

Die erste erwähnenswerte Maßregel seiner Regierung schien Diocletians Aufrichtigkeit und darüber hinaus seine Selbstbescheidung zu bestätigen. Dem Beispiel des Marc Aurel folgend, ernannte er sich in der Person des Maximian einen Mitregenten, dem er zunächst den Titel eines Caesars und dann eines Augustus verlieh. Die Frage, wann denn nun Maximian den Caesaren- und Augustustitel empfangen hatte, hat die modernen Forscher entzweit und viel gelehrten Staub aufgewirbelt. Ich selbst schließe mich Monsieur de Tillemont an (Histoire des Empereurs, Bd.4, p.500-5), welcher mit größter Genauigkeit die unterschiedlichen Gründe, Gegengründe und Probleme gewichtet hat. Aber die Motive für diese Verfügung und Personalentscheidung kontrastierten denn doch beträchtlich zu denen seines verehrten Vorgängers. Als nämlich Marc Aurel seinen verkommenen Sohn mit dem Purpur behängte, genügte er gleichsam einer Familienpflicht, zum schweren Schaden des ganzen Reiches. Indem aber Diokletian einem Freund und Waffengefährten Regierungsverantwortung aufbürdete, sorgte er für Zeiten der Gefahr für den Schutz des Westens und des Ostens. Maximian war Bauernsohn und, wie Aurelian, bei Sirmium aufgewachsen. Er war vollkommen illiterat In einer Rede, die vor ihm gehalten wurde (Panegyrici 11,8), äußert Mamertinus Zweifel, ob sein Held, der Hannibals und Scipios Auftreten nachahmt, jemals ihre Namen gehört habe. Hieraus können wir unschwer folgern, dass Maximianus lieber als Soldat angesehen werden wollte und nicht als Gelehrter, und auf diese Weise können wir oft die Sprache der Schmeichelei in die Sprache der Wahrheit übersetzen. und unbekümmert um Gesetze; sein bäuerliches Erscheinungsbild verriet noch in den gehobensten Positionen die Schlichtheit seiner Herkunft.

Krieg war die einzige Kunst, auf die er sich verstand. Er hatte sich in langen Dienstjahren an allen Grenzen des Reiches hervorgetan. Und obwohl seine militärischen Talente eher zum Gehorsam als zum Kommandieren taugten, obwohl er vermutlich niemals die Begabung zu einem gestandenen General besaß, war er dennoch dank seines Mutes, seiner Zähigkeit und seiner Erfahrung auch den schwierigsten Aufgaben gewachsen. Auch waren seine Schwächen seinem Gönner durchaus nützlich. Da er frei von Mitgefühl und unbesorgt um etwaige Konsequenzen war, gab er das bereitwillige Werkzeug für jede Art von Grausamkeit ab, die die verschlagene Politik des Herrschers etwa erfordern mochte. Sobald die Staatsraison oder schlichter Rachedurst ihre Blutopfer erhalten hatten, fuhr Diocletian im geeigneten Moment dazwischen, rettete die übrigen, die hinrichten zu lassen er niemals ernstlich erwogen hatte, erteilte seinem gar zu strengen Kollegen einen gelinden Rüffel und bemühte gern den Vergleich zwischen dem Goldenen und Eisernen Zeitalter, die ja nun ganz entgegengesetzte Regierungsmaximen erforderlich machten. Trotz der unterschiedlichen Wesensart der beiden Herrscher hatte die Freundschaft, die die beiden einst miteinander geschlossen hatten, auch auf dem Throne Bestand. Maximians unruhiger Geist, der einst für ihn und den Frieden des Landes so fatal werden sollte, zollte Diocletians Genius durchaus Respekt und anerkannte die Vorrang der Vernunft vor roher Gewalt. Lactantius, de Mortibus Persecutorum 8; Aurelius Victor, Caesares 39. Da wir unter den erhaltenen Jubelreden auch solche zum Ruhme des Maximianus finden, und andere, die seinen Feinden auf seine Kosten schmeicheln, können wir uns anhand dieser Gegensätze ein ungefähres Bild von ihm machen. Sei es nun aus Hochmut, sei es aus Aberglauben: beide Herrscher nahmen einen weiteren Titel an, der eine Jovinus, der andere Herculius. Während (so die feine Prosa der Schmuckrhetorik jener Läufte) die Welt durch Jupiters allumfassende Weisheit in Bewegung blieb, befreite Hercules' unbezwingbarer Arm die Erde von Monstern und Tyrannen. Siehe die Lobrede Nr. 2 und 3, besonders 3. Es währe allerdings einschläfernd, das Weitläufige und Gespreizte ihrer verlogenen Eloquenz hier zu wiederholen. Bezüglich der Titel lese man Aurelius Victor, Lactantius, de Mortibus 52; Spanheim, de usu numismatu, Dissertatio 12,8.

 

GALERIUS UND CONSTANTIUS A. D. 292

Aber selbst die Allmacht von Jovius und Herculius reichten nicht hin, die Last der Verwaltungsaufgaben zu schultern. Die Staatsklugheit des Diocletian entdeckte, dass das Reich, allseitig von Barbaren bedrängt, auch allseitig einer großen Armee und eines Kaisers bedürfe. Dies bedenkend, entschloss er sich neuerlich dazu, seine schwerfällige Machtfülle zu teilen und zwei verdienten Generälen den nachgeordneten Titel ›Caesar‹ und zu gleichen Teilen kaiserliche Regierungsbefugnisse zu übertragen. Aurelius Victor; Victor, Epitome. Eutropius 9,22; Lactantius. de Mortibus 8; Hieronymus, Chronicum Eusebii. Galerius, seines Gewerbes ursprünglich ein Hirte und deshalb auch Armentarius genannt, und Constantius, dem seine blässliche Gesichtsfarbe das Cognomen Chlorus eingetragen hatte, Tillemont kann den Beinamen Chlorus nur bei modernen Griechen finden. Jede auffällige Blässe ist aber unvereinbar mit dem ›rubor‹ (Röte der Haut) aus Panegyricus 5,19. waren die beiden, denen ein kaiserlicher Purpur zweiten Ranges angelegt ward. Was von Herkunft, Abstammung und Eigenheiten des Herculius dargetan wurde, gilt zugleich auch von der Person des Galerius, welcher oft und mit Grund als der jüngere Maximian angesehen wurde, obwohl er bei zahlreichen Gelegenheiten eine dem älteren unstreitig überlegene Geistesstärke bewiesen hatte. Die Herkunft des Constantius Chlorus lag weniger im Dunkel als die seiner Mitregenten. Eutropius, sein Vater, war einer der angesehensten Adligen von Dardania, und seine Mutter die Nichte des Kaisers Claudius. Julian, der Enkel des Constantius, rühmt sich, dass seine Familie von dem kriegsharten Mösiern abstamme. (Misopogonos p.348). Dardania liegt an der Grenze zu Mösien. Obwohl Constantius seine Jugend unter Waffen zugebracht hatte, war er von milder und leutseliger Art, und Volkes Stimme hatte ihn schon lange des Amtes für würdig erklärt, welches er endlich einnahm. Damit nun die politischen Bande durch familiäre noch fester geknüpft würden, nahm jeder der Kaiser Vatersstelle an den beiden Caesaren ein, Diocletian bei Galerius, Maximian bei Constantius; und beide verheirateten ihre leiblichen Töchter mit ihren Adoptivsöhnen, nachdem diese ihre früheren Frauen weisungsgemäß verstoßen hatten. Galerius heiratete Valeria, die Tochter des Diocletian; wenn wir genau sein wollen, dann war Theodora, die Frau des Constantius, nur die Tochter der Frau des Maximian. (Spanheim, Dissertation11,2).

 

DIE BEREICHE DER VIER HERRSCHER IHRE EINTRACHT

Diese vier Herrscher also teilten sich die Größe des Römischen Reiches untereinander auf. Gallien, Spanien Diese Unterteilung deckt sich mit der der vier Präfekturen; dennoch haben wir Gründe zu zweifeln, ob Spanien nicht etwa eine Provinz des Maximian war. Siehe Tillemont, Histoire des empereurs Bd.4, p. 517. und Britannien wurde Constantius anvertraut; Galerius bezog Posten an der Donau, die illyrischen Provinzen zu beschützen; Italien und Afrika waren Maximians Departement, und für Diocletian blieben Thrakien, Ägypten und Asiens reiche Länder aufgespart. Jeder war Herrscher auf dem eigenen Gebiet; ihre gemeinsame Macht aber erstreckte sich über die ganze Monarchie, und jeder war jederzeit darauf vorbereitet, seinen Kollegen des Szepters mit Rat und Tat beizustehen. Die beiden Caesaren in ihrer erhöhten Stellung verehrten die beiden Kaiser, und die drei jüngeren Herrscher anerkannten durch Dankbarkeit und Gehorsam den Vater ihres gemeinsames Glückes. Misstrauische Scheelsucht auf die Macht der Anderen gab es unter ihnen nicht; und ihre einzigartige Harmonie wurde bisweilen mit einem Orchester verglichen, dessen Wohlklang durch die kundige Hand des ersten Geigers erarbeitet und aufrechterhalten wird. Julian, Caesares 315; Spanheims Anmerkungen zur frz. Aufgabe p.122. – Diese wichtige Maßnahme wurde allerdings erst sechs Jahre nach der Erhebung des Maximian zum Mitregenten durchgeführt, und in dieser Periode war kein Mangel an erinnerungswürdigen Ereignissen. Wir haben uns jedoch um der Klarheit willen dazu entschlossen, zunächst die verbesserte Herrschaftsform des Diocletian und dann erst die Taten seiner Regierung zu beschreiben, wobei wir uns eher an die naturgegebene Reihenfolge der Ereignisse als an eine höchst unsichere und künstliche Chronologie halten wollen.

 

DIE GALLISCHEN BAUERN A.D. 287

Die erste Tat des Maximian wird von den dürftigen Autoren seiner Zeit zwar nur mit ein paar Worten erwähnt, sie verdient jedoch in einer Geschichte der menschlichen Gesittung wegen ihrer Einzigartigkeit festgehalten zu werden. Er unterwarf die Bauern Galliens, welche unter dem Namen Bagaudae Die allgemeine Bezeichnung Bagaudae (im Sinne von Rebell) gab es noch im Gallien des fünften Jahrhunderts. Einige Gelehrte leiten es vom keltischen Bagad ab, was soviel wie ›tumultuöse Versammlung‹ bedeutet. Scaliger in seiner Eusebios-Ausgabe; du Cange, Glossar. eine allgemeine Erhebung begonnen hatten, die denjenigen ziemlich ähnlich war, welche im vierzehnten Jahrhundert nacheinander Frankreich und England erschütterten. Froissart, Chronique, Bd.1, c.182 und Bd. 2, c.73-79. Die ›naivité‹ seiner Geschichte ist auch bei unseren besten modernen Autoren verloren gegangen. Es sieht so aus, als ob sehr viele Einrichtungen, welche man vorderhand mit dem Feudalsystem Frankreichs in Verbindung bringt, sich aus den Verhältnisse der keltischen Barbaren herschreiben lassen. Als Caesar Gallien unterworfen hatte, gab es in dieser großen Nation bereits drei Klassen: die Priester, den Adel und das einfache Volk. Die Ersten regierten vermittels des Aberglaubens, die Anderen durch Waffengewalt, und die Dritt- und Letztgenannten waren bei der Beratung öffentlicher Angelegenheiten ohne Gewicht und Einfluss. Für die Plebejer war es das Natürlichste von der Welt, dass sie unter einer Abgabenlast stöhnten oder anderem Unrecht ausgesetzt waren und den Beistand eines Mächtigen erflehten, welcher über sie und ihren Besitz die gleichen absoluten Rechte besaß wie bei den Griechen oder Römern ein Herr über seine Sklaven. Caesar, Bellum Gallicum 6,13. Der Helvetier Orgetorix konnte zu seiner Verteidigung ein Kontingent von zehntausend Sklaven unter Waffen stellen. Der größte Teil der Nation lebte in einem Zustand der Knechtschaft. Sie waren zu beständiger Fron auf den Gütern des gallischen Adels verpflichtet und an die Scholle gebunden, entweder durch ganz reale Ketten oder durch die nicht minder grausamen und wirkungsvollen Fesseln der Gesetze. Während der langen Serie von Unruhen, die Gallien von Gallienus bis Diocletian erschütterten, waren die Bedingungen dieser Geknechteten besonders brutal; sie durchlitten zur selben Zeit die Komplizenschaft der Tyrannei ihrer Herren, der Barbaren, der Soldateska und der Steuereintreiber. Ihre Unterdrückung und ihr Elend werden von Eumenius bekräftigt (Panegyrici 6,8): ›Gallias efferatas iniuriis.‹ [Gallien durch Unrecht verbittert].

Schließlich schlug ihre Langmut in Verzweiflung um. Überall erhoben sie sich in Massen und statteten sich aus mit ländlichen Werkzeugen und unwiderstehlicher Wut. Der Pflüger wurde zu Infanteristen, der Schäfer bestieg das Pferd, die verlassenen Dörfer und Villen gingen in Flammen auf und das Wüten der Bauern kam dem der wildesten Barbaren gleich. Panegyrici 2,4; Aurelius Victor, Caesares 39. Sie beanspruchten die elementaren Menschenrechte für sich, aber sie taten es mit entsetzlicher Grausamkeit. Der gallische Adel, der mit besten Gründen ihre Rache fürchtete, verzog sich entweder in die befestigten Städte oder floh die Stätte der wilden Anarchie. Die Bauern herrschten ohne jede Kontrolle; und zwei ihrer wagemutigsten Anführer waren töricht und voreilig genug, sich kaiserliches Ornament anzulegen. Aelianus und Amandus. Wir besitzen von ihnen geprägte Münzen. Goltzius, Thesaurus antiquitatum Romanarum Bd.3, p.117 und 121. Beim Herannahen der Legionen erlosch ihre Macht. Der Sieg von Einheit und Disziplin über eine zügellose und uneinige Masse war rasch erfochten. ›Levibus proeliis agrestes domuit‹ [Er besiegte die Bauern in leichten Gefechten]. Eutropius 9,20. An den Bauern, die man in Waffen fand, übte man schwerste Vergeltung; der eingeschüchterte Rest kehrte zu seinen jeweiligen Behausungen zurück, und ihr erfolgloses Ringen um Freiheit bewirkte, dass ihre Sklaverei noch drückender wurde. Der Strom der populären Leidenschaften ist stark und fließt stets in gleicher Weise, so dass wir es trotz des kümmerlichen Materials wagen könnten, Einzelheiten dieses Krieges zu erzählen; aber wir sind weder geneigt zu glauben, dass Amandus und Aelianus, die beiden wichtigsten Anführer, Christen Diese Behauptung ist in der Tat nur sehr dürftig belegt, in einer Lebensbeschreibung des St. Babolinus aus dem VII Jh. Siehe Duchesne, Historiae Francorum scriptores Bd.1, p. 662 gewesen sind, als wir auch nicht dafür halten, dass dieser Aufstand, wie etwa zu Luthers Zeiten, durch den Missbrauch jener gütigen Grundsätze des Christentums ausgelöst wurde, welche die natürliche Freiheit des Menschen lehren.

 

AUFSTAND DES CARAUSIUS IN BRITANNIEN A.D. 287

Kaum hatte Maximian Gallien den Händen der Bauernschaft entwunden, als ihm Britannien durch den Aufstand des Carausius verloren ging.– Seit jenem kurzen, aber erfolgreichen Unternehmen der Franken während der Regierungszeit des Probus hatten ihre abenteuernden Landsleute immer wieder Geschwader von Brigantinen aufgestellt, die nun die küstennahen Provinzen beständig heimsuchten und verheerten. Aurelius Victor nennt sie Germanen, Eutropius gibt ihnen den Namen Sachsen. Eutropius (9,21) lebte im folgenden Jahrhundert und scheint sich dem Sprachgebrauch seiner Zeit angeschlossen zu haben. Um ihre unregelmäßig wiederkehrenden Überfälle abzuwehren, hielt man den Bau einer Seestreitmacht für notwendig; und diese einsichtige Maßregel wurde mit Umsicht und Nachdruck betrieben. Gessoriacum oder Boulogne an der Kanalküste wurde zum Stützpunkt für die Flotte ausersehen. Das Oberkommando ging an Carausius, einem Menapier von allereinfachster Herkunft, Die drei Bezeichnungen von Eutropius (9,13) ›vilissime natus‹ [von niedrigster Herkunft], Aurelius Victor, (Caesares 39) ›Bataviae alumnus‹ [Zögling Bataviens] und Eumenius ›Menapiae civis‹ [Bürger von Menapia] hilft uns bei der Frage nach der Geburt von Carausius nicht weiter. Dr. Stukely indes (History of Carausius Bd. 1 p.62) beschließt, dass er in St. David geboren und ein Prinz von königlichem Geblüt ist. Die erste Idee hat er bei Richard von Cirencester, p.44 aufgefunden. der sich schon vorher als Schiffskommandant und tüchtiger Soldat ausgezeichnet hatte.

Die Treue des neuen Seehelden allerdings korrespondierte nur bedingt mit seinen Fähigkeiten. Als die germanischen Seeräuber aus ihren Häfen abgesegelt waren, ließ er sie unbehelligt passieren, fing sie aber bei ihrer Rückkehr ab und nahm sich den Löwenanteil von ihrer Beute zu eigenem Nutz und Frommen. Der Reichtum des Carausius wurde aufgrund dieses Vorkommnisses zu einem unwiderlegbaren Schuldbeweis; und folglich gab Maximian Anweisung zu seiner Ermordung. Aber der anschlägige Menapier hatte den Zorn des Kaisers erahnt und seine Vorkehrungen getroffen. Durch großzügige Geschenke hatte er die Flotte auf seine Seite gezogen und sich auch die Barbaren verpflichtet. Er setzte von Boulogne nach Britannien über, bewog die Legion und die Hilfstruppen, die die Insel schützen sollten, sich ihm anzuschließen, Panegyricus 5,12. Britannien war zu jener Zeit eine ›ungefährdete Kolonie‹ und nur schwach geschützt. und trotzig bot er den Waffen und der Jurisdiktion seines gekränkten Herrschers die Stirn, indem er sich zu guter Letzt auch noch den Kaiserpurpur anlegte und Augustus nannte.

 

BRITANNIENS BEDEUTUNG

Als Britannien auf solche Weise aus dem Reichsverband herausgelöst war, wurde seine Bedeutung schmerzlich gefühlt und sein Verlust aufrichtig beweint. Die Römer rühmten – und übertrieben möglicherweise – den Umfang jener berühmten Insel, die überall bequeme Häfen besaß; das angenehme Klima, die Fruchtbarkeit des Bodens, welcher dem Getreide- wie Weinanbau in gleicher Weise günstig sei; die wertvollen Mineralien, die es dort im Überfluss gebe; seine üppigen, mit ungemessenen Herden bevölkerten Auen; und seine Wälder, frei von wilden Tieren oder giftigem Schlangengezücht. Vor allem aber trauerten sie den üppigen Steuereinnahmen Britanniens nach, während sie zugleich eingestanden, dass eine solche Provinz Panegyrici 5,11 und 7,9. Der Redner Eutropius möchte den Ruhm des Helden (Constantius) vergrößern, indem er die Bedeutung der Eroberung erhöht. Trotz löblicher Parteinahme für unsere Heimat fällt es schwer zu glauben, dass zu Beginn des IV Jh. England aller dieser Vorzüge genoss. Eineinhalb Jh. zuvor konnte es kaum seine eigenen Unterhalt bezahlen. Siehe Appian, Proömium. es durchaus verdient hätte, Sitz eines eigenständigen Monarchen zu sein. Sieben Jahre lang hielt Carausius es besetzt; und das Glück meinte es gut mit der Rebellion, die mit Mut und Geschick ausgeführt wurde. Der Kaiser von Britannien verteidigte die Grenzen seines Reiches gegen die Kaledonier des Nordens, lud vom Kontinent zahlreiche talentierte Künstler zu sich und legte durch verschiedene Münzen, die noch heute erhalten sind, Proben von Geschmack und Reichtum ab.

Da er aus der Nachbarschaft der Franken stammte, warb er um die Freundschaft dieser Schrecklichen, indem er liebedienerisch ihre Kleider und Sitten nachahmte. Die Blüte ihrer Jugend nahm er in seinen Land- und Seestreitkräften auf; und im Gegenzug für diese hilfreiche Allianz weihte er die Barbaren in die hohe Schule der Kriegs- und Schiffsführung ein. Darüber hinaus hatte Carausius immer noch Boulogne und die anliegenden Landstriche in seiner Hand. Seine Flotten passierten im Triumph den Kanal, beherrschten die Seine- und Rheinmündung, suchten kühn die Küsten des Atlantik heim und verbreiteten noch jenseits der Säulen des Herkules den Schrecken seines Namens. Unter seinem Kommando erlangte Britannien, das einst die Meere beherrschen sollte, seine naturgegeben und anerkannte Stellung als Seemacht. Da eine beträchtliche Anzahl von Medaillen und Münzen von Carausius erhalten geblieben ist, wurde er zum Lieblingsgegenstand der forschenden Neugier, und jedweder Umstand seines Lebens ist mit gelehrter Genauigkeit erkundet worden. Insbesondere hat Dr. Stukely dem Kaiser von Britannien ein dickleibiges Buch gewidmet. Ich habe seine Materialien verwendet und die meisten seiner haltlosen Konjekturen verworfen.

 

CARAUSIUS VON DEN ANDEREN KAISERN ANERKANNT A.D. 289

Da er die Flotte von Boulogne an sich gerissen hatte, hatte Carausius seinen Kaiser der Mittel zu Verfolgung und Rache beraubt. Und als nach immensem Geld- und Zeitaufwand endlich eine neue Flotte von Stapel gelaufen war, Als Mamertinus seine erste Lobrede hielt, waren die Flottenrüstungen des Maximian abgeschlossen: und der Redner sicherte einen raschen Sieg zu. Allein sein Schweige2 im zweiten Panegyricus zeigt uns, dass das Unternehmen fehlgeschlagen sein muss. wurden die kaiserlichen Soldaten, unkundig der Seefahrt, durch die erfahrenen Seeleute des Usurpators mühelos überrumpelt und besiegt. Diese vergeblichen Anstrengungen führten bald darauf zu einem Friedensvertrag. Diocletian und sein Kollege, die zu Recht den unternehmenden Geist des Carausius fürchteten, überließen ihm die Herrschaft über Britannien und räumten schiefen Mundes ihrem ungetreuen Knecht Teilhabe an der Kaiserwürde ein. Aurelius Victor, Eutropius und die Gedenkmünzen erzählen von der vorübergehenden Aussöhnung. Ich möchte mich jedoch nicht anheischig machen, die einzelnen Artikel des Friedensvertrages einzufügen, wie Dr. Stukeley es unternimmt. Aber die Adoption der beiden Caesaren hob Roms Waffen zu neuer Stärke. Während Maximian die Rheingrenze hütete, übernahm sein wackerer Genosse Constantius die Kriegsführung in Britannien.

 

CONSTANTIUS A.D. 294

Zunächst griff er den wichtigen Flottenstützpunkt in Boulogne an. Eine gigantische Mole, die vor die Hafeneinfahrt gelegt ward, raubte den Eingeschlossenen jede Hoffnung auf Entsatz. Nach hartnäckigem Widerstand ergab sich die Stadt; und nicht der kleinste Teil von Carausius' Seestreitkräften fiel den Belagern in die Hände. Während der drei Jahre, in denen Constantius eine Flotte zimmern ließ, die für die Eroberung Britanniens ausreichend schien, sicherte er die Küsten Galliens und fiel des Öfteren in das Land der Franken ein, um so den Usurpator der Unterstützung seiner wichtigsten Bundesgenossen zu berauben.

 

CARAUSIUS' TOD A.D. 294

Kurz vor dem Ende seiner Zurüstungen erhielt Constantius Nachricht vom Tode des Tyrannen, und dies wurde als ein sicheres Omen für den bevorstehenden Sieg gedeutet. Die Mitarbeiter des Carausius hatten sich seinen Verrat zum Vorbild genommen. Allectus, sein erster Minister, hatte ihn ermordet, wurde sein Nachfolger, besaß nunmehr die gleiche Macht wie er und schwebte in der gleichen Gefahr. Die Erste auszuüben besaß er allerdings ebenso wenig das Talent wie die Zweite abzuwehren. Er gewahrte mit ängstlicher Unruhe, wie sich das gegenüberliegende Festlandufer beständig mit Waffen, mit Truppen und mit Fahrzeugen füllte; denn Constantius hatte weislich seine Truppen aufgeteilt, um in gleicher Weise die Wachsamkeit und die Abwehrkräfte des Feinde zu zersplittern.

 

RÜCKEROBERUNG BRITANNIENS DURCH CONSTANTIUS A.D. 296

Endlich ward der Angriff vorgetragen unter der Führung des Präfekten und verdienten Offiziers Asclepiodotus, der in der Seinemündung ein Geschwader versammelt hatte. So trübe war es zu jenen Zeiten um die Kunst der Seefahrt bestellt, dass Redner den kühnen Wagemut der Römer rühmten, welche bei Seitenwind und dazu noch an einem stürmischen Tage es riskiert hätten, die Segel zu setzen. Das Wetter war dem Unternehmen günstig. Im Schutze einer dichten Nebeldecke entwischten sie der Flotte des Allectus, welche sie in der Nähe von Isle of Wight abfangen sollte, landeten ungefährdet irgendwo an der Westküste und überzeugten die Briten davon, dass eine überlegene Seestreitmacht nicht immer Schutz gegen ausländische Überfälle gewährt. Kaum war Asclepiodotus gelandet, als er auch schon seine Schiffe in Brand stecken ließ; und als der Feldzug glücklich ablief, ward dieses Heldenstück denn auch allgemein bewundert. Der Usurpator selbst hatte sich bei London verschanzt und erwartete Constantius' Angriff, welcher die Flotte bei Boulogne kommandierte; aber das plötzliche Erscheinen eines anderen Feindes an der Westküste machte sein Erscheinen daselbst dringend erforderlich. Dieser Marsch ging so überstürzt vor sich, dass er den Präfekten Asclepiodotus nur mit einem kleinen, erschöpften und mutlosen Kontingent erreichte. Das Gefecht war rasch beendet mit der völligen Niederlage und dem Tode des Allectus; eine einzige Schlacht hatte, wie später noch oft, über das Schicksal dieser großen Insel entschieden; und als Constantius an der Küste von Kent landete, fand er nur gefügige Untertanen vor. Einhellig und laut waren ihre Freudenbekundungen; und die Tugenden des Eroberers können uns sogar zu der Annahme verführen, dass sie aufrichtig eine Wende bejubelten, welche nach zehnjähriger Trennung Britannien neuerlich in den Schoß des Römischen Reiches zurückführte. Zur Rückeroberung Britanniens haben wir einige Hinweise von Aurelius Victor und Eutropius.

 

GRENZBEFESTIGUNGEN

Britannien hatte, wenn überhaupt, nur innere Feinde zu fürchten; und solange die Provinzstatthalter zuverlässig und die Truppen diszipliniert blieben, haben auch die Einfälle der nackten Wilden aus Schottland oder Irland die Sicherheit dieser Provinz niemals ernstlich gefährdet. Die Friedenssicherung auf dem Kontinent und die Verteidigung der großen Grenzflüsse des Reiches waren erheblich wichtiger und erheblich schwieriger. Die Politik des Diocletian, welche auch auf die seiner Mitregenten einwirkte, zielte auf die Bewahrung des öffentlichen Friedens, zu welchem Ende man unter den Barbaren Zwietracht pflanzte und zugleich die Grenzen mit Festungen versah. Im Osten ließ er eine Festungslinie von Ägypten bis zu den persischen Provinzen anlegen und in jedem Lager eine entsprechende Anzahl Besatzungssoldaten stationieren; diese wurden von ihren jeweiligen Kommandanten befehligt und mit allen nur erdenklichen Waffen ausgerüstet, die man aus den neu eingerichteten Arsenalen zu Antiochia, Emesa und Damascus bezog. Ioannes Malalas in der Chronographia Bd.1, p.408f.

Angesichts der wohlbekannten Kampfesstärke der europäischen Barbaren war der Imperator nicht minder vorausschauend. Von der Rheinmündung bis zum Donaudelta wurden die alten Lager, Städte und Zitadellen gründlich instand gesetzt und an besonders gefährdeten Stellen neue mit ausgesuchter Sorgfalt errichtet; die Grenzgarnisonen wurden zu der strengsten Wachsamkeit vergattert, und jede nur denkbare Maßnahme wurde ergriffen, um die lange Festungskette stabil und unüberwindlich zu machen. Zosimos 2,34. Dieser voreingenommene Historiker feiert Diocletians Wachsamkeit vermutlich nur, um die Nachlässigkeit von Constantin hervorheben zu können. Hören wir selbst (Panegyrici 4,18): ›Nam quid ego alarum et cohortium castra percenseam, toto Rheni et Istri et Euphratis limite restituta‹ [...denn warum soll ich alle diese Lager der Reiter und der Kohorten aufzählen, nachdem die Grenzen an Rhein, Donau und Euphrat wieder hergestellt sind?]. Eine so furchteinflößende Grenzwehr wurde in der Tat nur selten angegriffen, und also kehrten die Barbaren ihre enttäuschte Kampfeswut gegeneinander. Die Goten, Vandalen, Gepiden, Burgunder und Alemannen rieben sich gegenseitig in bitteren Feindschaft auf; und jeder, der siegte, siegte zugleich über einen Feind Roms. Diocletians Untertanen genossen das blutige Schauspiel und beglückwünschten sich dazu, dass jetzt ausschließlich die Barbaren von der Pest des Bürgerkrieges befallen seien. Ruunt omnes in sanguinem suum populi, quibus non contigit esse Romanis, obstinataeque feritatis poenas nunc sponte persolvunt. [Diese Völker, denen es nie gegönnt war, Römer zu sein, zerfleischen sich gegenseitig und zahlen nun aus freien Stücken für ihre hartnäckige Wildheit]. Panegyrici 3,16. Mamertinus erläutert diese Tatsache am Beispiel fast aller Völker]

 

DIOCLETIANS BEDEUTUNG

Ungeachtet dieser klugen Politik des Diocletian blieb es naturgemäß unmöglich, während einer zwanzigjährigen Regentschaft und an einer Grenze von vielen hundert Meilen ununterbrochen die Ruhe aufrecht zu erhalten. Bisweilen nämlich setzten die Barbaren ihre inneren Zwistigkeiten aus, und die ermattete Wachsamkeit der Garnisonen hatte gegenüber ihrer Übermacht oder Geschicklichkeit das Nachsehen. Wurde eine Provinz überfallen, so beobachtete Diocletian dieselbe ruhige Würde, die er auch sonst immer besaß oder zu besitzen vorgab; seine Anwesenheit hob er für solche Gelegenheiten auf, die ihrer würdig waren und setzte sich und sein Ansehen niemals einer überflüssigen Gefahr aus; durch alle Hilfsmittel, die die Vernunft nur eingeben konnte, stellte er seinen Erfolg sicher und ließ jedermann von seinen Siegen wissen. In Kriegen, deren Verlauf unübersichtlicher und deren Erfolg zweifelhafter waren, verließ er sich auf Maximians ungehobelte Kriegertugend, und der treue Soldat war's zufrieden, seinen eigenen Triumph den weisen Ratschlägen und glückbringenden Eingebungen seines Gönners zuschreiben zu dürfen.

 

TAPFERKEIT DER CAESAREN

Nach der Adoption der zwei Caesaren indessen zogen sich die beiden Kaiser auf ein weniger beschwerliches Geschäftsfeld zurück und wälzten die Verteidigung von Rhein und Donau auf ihre angenommenen Söhne ab. Der wachsame Galerius war niemals vor die Notwendigkeit gestellt, eine Barbarenarmee auf römischen Boden zu bekämpfen; Er beschwerte sich, wenn auch nicht ganz wahrheitsgemäß: ›Iam fluxisse annos quindecim in quibus, in Illyrico, ad ripam Danubii relegatus cum gentibus barbaris luctaret.‹ [Es seien schon fünfzehn Jahre verflossen, in denen er, nach Illyrien an die Donau versetzt, sich mit Barbarenvölkern herumgeschlagen habe]. Lactantius, de mortibus 18.; der tapfere und umtriebige Constantius indessen befreite Gallien von einem sehr gefährlichen Alamanneneinfall; und seine Siege bei Lengres und Vindonissa müssen besonders mutige und verdienstliche Taten gewesen sein. Als er mit einer nur schwachen Bedeckung über freies Gelände marschierte, wurde er unvermittelt von stark überlegenen feindlichen Kräften angegriffen. Mit genauer Not konnten sie sich nach Langres zurückziehen; aber in der allgemeinen Konfusion weigerten sich die Bürger, die Stadttore zu öffnen, und der verwundete Herrscher wurde vermittels eines Seiles über die Mauern gezogen. Auf die Kunde von seiner Notlage jedoch eilten die römischen Truppen von allen Seiten zu seiner Hilfe herbei, und noch vor der Dunkelheit hatte er seiner Ehre und seinen Rachegelüsten durch den Tod von sechstausend Alamannen In dem griechischen Text von Eusebius lesen wir sechstausend, welcher Zahl ich den Vorzug gegeben habe gegenüber den sechzigtausend des Hieronymus, Ortosius und Eutropius sowie dessen griechischem Übersetzer Paenius. Genüge getan. Vielleicht kann man aus den verschiedenen Quellen aus jener Zeit noch Nachrichten gewinnen von ferneren Siegen über die Barbaren aus Samartia und Germanien; aber weder der Unterhaltungswert noch der Informationsgewinn würde die mühsamen Nachforschungen rechtfertigen.

 

MASSNAHMEN GEGEN DIE BARBAREN

Die Maßnahme, die Kaiser Probus gegenüber den besiegten Barbaren angewandt hatte, wurde von Diocletian und seinen Mitregenten übernommen. Die Gefangenen, die die Sklaverei dem Tod vorzogen, wurden auf die Provinzen verteilt und besonders dort angesiedelt, - für Gallien etwa werden die Gebiete um Amiens, Beauvais, Cambray, Treves, Langres und Troyes genannt - Panegyrici 7,21. deren Bevölkerungen infolge von kriegerischen Wechselfällen besonders gelitten hatten. Sie machten sich nützlich als Landarbeiter oder Schäfer, aber das Führen von Waffen wurde ihnen ausdrücklich untersagt mit Ausnahme der Fälle, in denen ihr Eintritt in die Armee erwünscht war. Auch stand der Kaiser nicht an, den Besitz von Land zu ermöglichen, wenn denn die betreffenden Barbaren vorher um den Schutz und Beistand Roms nachgesucht hatten. So gestatteten sie die Gründung einiger Kolonien der Carper, Bastarner und Samarten; ja er erlaubte ihnen sogar in einer gefährlichen Anwandlung von Milde, in gewissem Umfang ihre alten nationalen Gebräuche und Freiheiten beizubehalten. In der Nähe von Treves (Trier) lag eine Siedlung der Samarten, welche diese trägen Barbaren jedoch aufgegeben zu haben scheinen. In seinem Mosella-Gedicht (5ff) erwähnt Ausonius sie: Unde iter ingrediens Nemorosa per avia solum / Et nulla humani spectans vestigia cultus; /.../Arvaque Sauromatum nuper metata colonis. [Von dort machte ich mich allein durch weglose Wälder auf, / sah nicht eine Spur menschlicher Kultur/.../ und (sah) das Land, das man jüngst noch sarmatischen Siedlern überlassen hatte]. In Unter-Mösien gab es eine Stadt der Carpen. Unter den Provinzbewohnern wurde es zum Gegenstand schmeichelhafter Genugtuung, dass die Barbaren, die ihnen doch so lange entsetzlich gewesen waren, nunmehr das Land unter den Pflug nahmen, ihr Vieh auf die Märkte in der Nachbarschaft trieben und durch diese Arbeit das Ihre zur allgemeinen Wohlfahrt beisteuerten. Auch beglückwünschte man die Amtsträger zu der beachtlichen Zunahme von Untertanen und Soldaten; aber man übersah, dass eine Masse versteckter Feinde, entweder durch ihre Glücksumstände übermütig oder durch ihre Unterdrückung verzweifelt geworden, sich im Inneren des Reiches eingenistet hatten. Siehe den rhetorischen Jubel bei Eumenius, Panegyrici 8,7.

 

FELDZÜGE IN AFRIKA UND ÄGYPTEN

Während die Caesaren ihren Mut an Rhein und Donau bewährten, war in den südlicheren Gefilden der römischen Welt die Anwesenheit der Kaiser persönlich gefordert. Vom Nil bis zum Atlasgebirge stand Afrika unter Waffen. Ein Bündnis von fünf mauretanischen Staaten war aus ihren Wüsten in jene friedlichen Provinzen einmarschiert. Scaliger (Animadversio ad Eusebium, p. 243) entscheidet in bekannter Weise, dass die Quinquegentiani oder fünf Afrikanischen Nationen die fünf großen Städte waren, welche die Pentapolis der friedliebenden Provinz Cyrene bildeten. Iulian hatte den Purpur in Karthago angelegt, Nach seiner Niederlage durchbohrte Iulian sich mit dem Dolch und sprang sofort in die Flammen. (Victor, Epitome 39,3). Achilleus in Alexandria; und selbst die Blemyer nahmen ihre Einfälle nach Oberägypten wieder auf, vielmehr: sie setzen sie fort. Von den Heldentaten des Maximian in Westafrika ist uns kaum etwas überliefert, aber die Resultate belegen, dass er schnell und entschlossen dareingefahren ist, dass er die wildesten Barbaren Mauretaniens besiegt und sie aus ihren Bergen vertrieben hatte, deren uneinnehmbare Natur ihre Bewohner zu gesetzlosem Übermut verführt und sie an eine räuberische und gewalttätige Existenz gewöhnt hatte. Tu ferocissimos Mauritaniae populos inaccessis montium iugis et naturali munitione fidentes, expugnasti, recepisti, transtulisti. Panegyrici 6,8. [Du hast die wildesten Völker Mauretaniens, die auf ihre unzugänglichen Berge vertrauten und auf ihre natürlichen Schutzwälle, bezwungen, aufgenommen, umgesiedelt].

 

DIOKLETIAN IN ÄGYPTEN A.D. 296

Diocletian eröffnete seinerseits den Feldzug mit der Belagerung Alexandrias, ließ die Aquädukte zerstören, die das Nilwasser in jeden Winkel der Riesenstadt brachte, Siehe die Beschreibung Alexandriens bei Hirtius, Bellum Alexandrinum 5. hieß das Lager derart aufwendig befestigen, dass es allen Ausfällen der Belagerten erfolgreich widerstehen konnte und trug seinerseits die wiederholten Angriffe seiner Truppen mit Nachdruck und viel Umsicht vor. Nach achtmonatiger Belagerung konnte Alexandria, durch Feuer und Schwert verwüstet, nur noch auf die Gnade des Siegers hoffen, bekam aber den kaiserlichen Zorn in ganzem Umfange zu spüren. Tausende Bürger wurden wahllos abgeschlachtet, und nur wenige verantwortliche Ägypter konnten dem Todes- oder doch wenigstens Verbannungsurteil entkommen. Eutropius. 9,24. Orosius, 7,25. Ioannes Malala Chronographia 1, p. 409f. Eumenius versichert uns jedoch, dass Ägypten durch Diocletians Milde befriedet worden sei. Busiris und Koptos erging es noch schlimmer als Alexandria: diese stolzen Städte, die erste durch ihr Alter, die zweite durch ihren Reichtum aus dem Indienhandel hochberühmt, wurden infolge eines unversöhnlichen Befehles von Diocletian vollständig zerstört. Eusebius, Chronica, verlegt ihre Zerstörung einige Jahre nach vorne und in eine Zeit, in welcher sich Ägypten selbst im Aufstand gegen Rom befand.

Lediglich der ägyptische Volkscharakter, immun gegen Güte, aber für Furcht äußerst empfänglich, konnte diese unmenschliche Härte rechtfertigen. Die Aufstände in Alexandria hatten schon oft Roms Behaglichkeit aufgestört und seine Getreideversorgung gefährdet. Seit der Usurpation des Firmus war die Provinz Oberägypten mehrfach rückfällig geworden und hatte für ihre Rebellionen die Allianz mit den Wilden aus Äthiopien gesucht. Die Zahl der beteiligten Blemmyer, die irgendwo zerstreut zwischen der Meroeinsel und dem Rotem Meer siedelten, war unerheblich, ihre Gemütsart unkriegerisch, und ihre Waffen galten für primitiv und wirkungslos. Strabo, 17, p. 819. Pomponius Mela, 1,23. Seine Worte sind schon merkwürdig: ›Intra, si credere libet, vix homines magisque semiferi; Aegipanes, et Blemmyes, et Satyri.‹ [Im Binnenland sind, wenn man es denn glauben will, halbe Tiere, kaum noch Menschen, die Ägypanen, Blemyer und Satyrn]. Aber während der öffentlichen Unruhen hatten diese Barbaren, – das Altertum, entsetzt wegen ihrer Missgestalt, rechnete sie am liebsten gar nicht unter die Menschen – sich als Feind Roms ausgegeben. Ausus sese inserere fortunae et provocare arma Romana. [Sie wagten es, ihr Schicksal zu probieren und Roms Waffen herauszufordern.]

Dies also waren Ägyptens ohnmächtige Verbündete. Und während die Aufmerksamkeit des Reiches durch Kriege von ernsthafter Natur abgelenkt war, mochten ihre häufigen Einfälle der Provinz durchaus beschwerlich fallen. In der Absicht, den Blemmyern einen Gegner von Gewicht entgegenzustellen, überredete Diocletian die Nobatae, oder das Volk der Nubier, ihre altangestammten Wohnsitze in der Lybischen Wüste aufzugeben und wies ihnen ein ebenso weitläufiges wie armseliges Stück Land oberhalb von Syene und den Nilkatarakten zu unter der Auflage, dass sie für alle Zeiten die römische Grenze respektieren und zugleich schützen sollten. Dieser Vertrag hatte lange Zeit Bestand; und solange das Christentum noch keine strengeren Ansichten über Religion und Vergötterung eingeführt hatte, wurde das Abkommen jährlich durch ein feierliches Opfer auf der Insel Elephantine bekräftigt, bei welchem die Römer so gut wie die Barbaren dieselben sichtbaren oder unsichtbaren Mächte des Universums beschworen. Siehe Prokopios, de Bello Persico 1,19.

 

DIOCLETIAN UND DIE ALCHEMIE

Als Diocletian die vergangenen Taten der Ägypter bestrafte, traf er auch Sorge für ihre zukünftige Sicherheit und ihr Wohlergehen durch viele vernünftige Anordnungen, welche von den nachfolgenden Regierungen bestätigt wurden. Er setzte die Getreidemenge für die Versorgung Alexandrias auf zwei Millionen Medimnen oder 400.000 Malter fest. Chronicon paschale, p.276; Prokopios, Historia arcana 26. Ein Erlass ist hier besonders bemerkenswert, und er verdient es, anstelle dass er als Untat einer eifersüchtigen Tyrannenseele verurteilt wird, als ein Akt besonderer Klugheit und Humanität hervorgehoben zu werden.

Er veranlasste eine sorgfältige Suche ›nach allen alten Büchern, welche sich mit der staunenswerten Kunst des Gold- und Silbermachens befassen und überantwortete sie ohne Erbarmen den Flammen; in der Besorgnis, dieser Reichtum könnte den Ägyptern den Mut eingeben, sich gegen Rom zu erheben. Ioannes Malala von Antiochia, in den Excerpta Valesiana p. 834. In der Suda unter ›Diocletian‹. Wäre Diocletian jedoch von der Wirksamkeit dieser schätzenswerten Kunst überzeugt gewesen, dann hätte er, weit davon entfernt, ihr Gedächtnis zu tilgen, sie zur Mehrung der öffentlichen Einnahmen eingesetzt. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass ihm sein gesunder Menschenverstand die Narrheit dieses wundersamen Unterfangens entdeckte und ihm daran gelegen war, Verstand und Vermögen seiner Untertanen von diesem Unfug fernzuhalten. Ich darf noch bemerken, dass diese alten Bücher, die man generös dem Pythagoras zugeschrieben hat, oder Salomon, oder auch Hermes, in Wahrheit der fromme Betrug jüngerer Adepten waren. Den Griechen war der Nutzen oder der Missbrauch der Chemie gleichgültig. In seiner großen Enzyklopädie, in welcher Plinius die Entdeckungen, Künste und Irrtümer der Menschheit versammelt hat, ist nicht mit einem Wort von der Transmutation der Metalle die Rede; dafür ist das Verbot durch Diocletian das erste historisch fassbare Ereignis in der Geschichte der Alchemie. Die Eroberung Ägyptens durch die Araber verbreitete diese müßige Wissenschaft über den Erdball. Da sie die Habgier des menschlichen Herzens so gewissenhaft bediente, wurde sie in China und in Europa mit der gleichen Leidenschaft und dem gleichen Erfolg studiert. Das finstere Mittelalter war für jede Art von Wundergeschichten ein fruchtbarer Nährboden, und selbst die Renaissance der exakten Wissenschaften gab diesen Hoffnungen neue Kraft und förderte manche Scheinwissenschaft. Die Philosophie hatte im Verein mit den Erfahrungswissenschaften das Studium der Alchemie irgendwann ad absurdum geführt; und unsere Gegenwart, wie sehr sie auch nach Reichtum verlangen mag, begnügt sich damit, ihm mit den schlichteren Mitteln des Handels und Gewerbes nachzustreben. Siehe die kurze Geschichte der Alchemie und ihrer Widerlegung in den Werken des philosophischen Kompilators de la Motte de Vayer, Bd. 1, p.327-353.

 

DER PERSERKRIEG

Direkt im Anschluss an die Unterwerfung Ägyptens brach der Perserkrieg los. Es blieb Diocletian vorbehalten, diese Großmacht zu unterwerfen und dem Nachfolger des Artaxerxes das Eingeständnis von Roms Übermacht abzutrotzen.

 

TIRIDATES KÖNIG VON ARMENIEN

Wir haben bereits erzählt, dass während der Regierung des Valerian Armenien durch persische Tücke und Gewalt unterworfen ward und dass nach der Ermordung von Chosroes sein Sohn Tiridates, Infant und Thronerbe, von treuen Freunden gerettet und unter dem Schutze der Kaiser erzogen wurde. Tiridates sammelte in seinem Exil Einsichten, zu denen er auf dem Throne Armeniens niemals hätte gelangen können: durch die Bekanntschaft mit der Not, den Menschen, der römischen Disziplin. In seiner Jugend zeichnete er sich durch besondere Krafttaten Vergleiche hierzu die Erziehung des Tiridates in der Armenischen Geschichte des Moses von Chorene, 2,76. Er konnte zwei wilde Stiere bei den Hörnern packen und sie mit bloßen Händen abbrechen. aus, und er war bei allen militärischen Übungen und auch bei den wenig achtbaren olympischen Wettbewerben unvergleichlich gewandt. Diese Fertigkeiten wurden nach Gebühr eingesetzt, als er seinen Wohltäter Licinius verteidigen musste. Wenn wir den Angaben des jüngeren Victor (Epitome 41) glauben dürfen, welcher meint, dass Licinius im Jahre 323 erst sechzig Jahre alt war, kann damit kaum dieselbe Person gemeint sein wie der Patron des Tiridates. Aus weit zuverlässigerer Quelle (Eusebius, Historia Ecclesiastica 10,8) wissen wir jedoch, das Licinius zu der Zeit bereits im Greisenalter war; sechzehn Jahre zuvor, so die Schilderung, habe er bereits graue Haare gehabt, und er sei ein Zeitgenosse des Galerius gewesen. Siehe Lactantius, de Mortibus 32. Licinius wurde um das Jahr 250 geboren. Dieser Offizier hatte während der Tumulte im Anschluss an den Tod des Probus in unmittelbarer Lebensgefahr geschwebt; eine aufgebrachte Soldateska hatte sich den Weg in sein Zelt gebahnt, als sie der armenische Prinz am Arm packte und zurückschleuderte. Die Dankbarkeit gegenüber Tiridates trug bald darauf zu seiner Erhebung bei. Licinius war in allen Lebenslagen der Freund und Gefährte des Galerius, und dessen wohlbekannte Verdienste wurden lange vor seiner Ernennung zum Caesar von Diocletian hoch geschätzt. Im dritten Regierungsjahr dieses Kaisers nun wurde Tiridates zum König über Armenien erhoben. Diese Maßnahme war sichtlich beides, gerechtfertigt und zweckdienlich. Es war hohe Zeit, ein wichtiges Territorium vor dem weiteren Zugriff des persischen Monarchen zu bewahren, welches Gebiet seit Neros Zeiten – unter der Schirmherrschaft Roms – immer die jüngeren Linie der parthischen Dynastie der Arsakiden regiert hatte. Siehe das 62 und 63 Buch des Cassius Dio.

 

SEINE WIEDEREINSETZUNG AUF DEM THRON PERIENS A.D. 286

Als Tiridates an den armenischen Grenzen erschien, wurde er mit großem und ungeheucheltem Entzücken begrüßt. Sechsundzwanzig Jahre lang hatte das Land unter den tatsächlichen und auch nur eingebildeten Härten eines ausländischen Joches gelitten. Die persischen Großkönige hatten ihre neue Eroberung zwar mit allerlei Prachtbauten verziert, aber die Monumente waren auf Kosten der Bevölkerung errichtet worden und dadurch mit dem Odium der Sklaverei behaftet. Die Furcht vor Empörung hatte die Perser zu den strengsten Vorsichtsmaßnahmen vermocht; der Unterdrückung fügten sie noch Unrecht hinzu, und da sie wussten, welchen Hass man gegen sie empfand, hatten sie erfindungsreich jede Maßnahme eingeleitet, die diese Verbitterung noch steigerte. Wir haben bereits auf die Intoleranz hingewiesen, welche der Religion der Magier innewohnte. Die Statuen der vergöttlichten Könige Armeniens und die heiligen Bildnisse von Sonne und Mond schlug der religiöse Fanatismus der Eroberer in Stücke; das ewige Feuer des Ormusd hingegen ward entzündet und auf einem Altar auf dem Gipfel des Berges Bagavan unterhalten. Moses von Chorene 2,74. Die Statuen hatte Valarsaces errichten lassen, welcher um 130 v.Chr. in Armenien regierte und der erste König aus dem Hause der Arsakiden war (siehe Moses, Historia 2,3). Die Apotheose der Arsakiden erwähnen Iustinus, Historiae Phillipicae 41,5 und Ammianus Marcellinus 23,6. Es war das Natürlichste auf der Welt, dass ein Volk, das durch soviel angehäuftes Unrecht verbittert war, für seine Freiheit, seine Religion und seinen angestammten Herrscher mit Freuden zu den Waffen griff. Der Strömung riss jedes Hindernis beiseite, und die persischen Besatzungen entfernten sich in Eilmärschen.

 

AUFSTAND DES VOLKES UND DES ADELS

Armeniens Adel scharte sich ebenfalls unter Tiridates Fahnen, brachte seine Taten aus der Vergangenheit in Erinnerung, verhieß weitere für die Zukunft und bat den neuen König um jene Ehrenstellen, die man ihm unter dem fremdländischen Regiment mit Verachtung vorenthalten hatte. Zahlreich und mächtig war Armeniens Adel. Moses von Choren nennt viele Familien, die sich unter Valarsakes ausgezeichnet hatten (2,7) und die zu seiner Zeit – in der Mitte des V. Jh.-. noch existierten. Siehe dazu auch das Vorwort des Herausgebers. Artavasdes erhielt das Armeeoberkommando; sein Vater hatte einst dem kleinen Tiridates das Leben gerettet, für welche noble Tat dann seine ganze Familie massakriert worden war. Artavasdes Bruder wurde die Verwaltung einer Provinz zugeschlagen. Der Satrap Otas erhielt eine der wichtigsten militärischen Ränge; er war ein äußerst besonnener und mutiger Mann, und er konnte dem König seine Schwester und nebst einem beträchtlichen Schatz zuführen, Ihr Name war Chosroiduchta und sie besaß nicht das os patulum [›offener Mund‹] wie andere Frauen. (Historia Armeniaca 2,79). Ich verstehe den Ausdruck nicht. welche beide er in einer abgelegenen Festung vor Schaden bewahrt hatte.

 

DIE GESCHICHTE VOM MAMGO

Einen weiteren Verbündeten aus dem Adel Armeniens dürfen wir wegen seines bemerkenswerten Schicksals nicht übergehen. Seine Name war Mamgo, er war skythischer Abstammung, und die Horde, die ihn als ihren Oberhaupt anerkannte, hatte noch einige Jahre zuvor an der Grenze zum chinesischen Reich In der Geschichtsschreibung (2,78) und in der Geographie Armeniens wird China Zenia genannt, oder auch Zenastan. Besondere Merkmale sind die Seidenherstellung, der Reichtum seiner Einwohner und ihre Friedensliebe, welche die aller anderen Nationen übertrifft. gelagert, welches sich zu jener Zeit bis fast nach Sogdiana Vou-ti, der erste Herrscher aus der siebenten Dynastie, der damals in China regierte, hatte mit Fergana, einer Provinz Sogdianas, politische Kontakte und soll sogar eine römische Gesandtschaft empfangen haben. In jener Zeit unterhielt China in Kaschgar eine Garnison, und einer ihrer Generäle ist etwa zur Zeit Trajans bis zum Kaspischen Meer vorgestoßen. Zur Begegnung Chinas mit dem Westen siehe die lesenswerte Darstellung von Herrn de Guiges in den Mémoires de l'Academie des Inscriptions des Belles-Lettres, Bd.32, p.355. erstreckte. Da er seines Herrschers Ungnade auf sich gezogen hatte, setzte sich Mamgo mit seinen Gefährten an die Ufer des Oxys ab und bat Sapor um seinen Schutz. Zugleich machte der Kaiser von China seine Herrscherrechte an den Flüchtlingen geltend; der persische König setzte dem das Gastrecht entgegen; mit Mühe vermied man einen Krieg und dies auch nur unter der Zusicherung, dass Mamgo in den äußersten Westen des Perserreiches verbannt werde. Diese Strafe war, so heißt es, für ihn nicht weniger grausam als der Tod. Armenien wurde zum Exil bestimmt, und es wurde der skythischen Horde ein beachtliches Gebiet zugewiesen, in welchem sie ihre Pferde- und Schafherden weiden und nach dem Gebot der Jahreszeiten ihre Zeltlager abbrechen mochten. Eben diese Horde erhielt nun den Auftrag, die Invasion des Tiridates zurückzuschlagen; aber ihr Anführer, seiner bisherigen Verpflichtungen und des erlittenen Unrechtes eingedenk, beschloss, dem Perserkönig die Gefolgschaft aufzukündigen. Der armenischen König, dem die Verdienste und die Stärke des Mamgo durchaus bekannt waren, behandelte ihn mit auserlesener Höflichkeit; und dadurch, dass er ihn mit ins Vertrauen zog, gewann er sich einen tapferen und zuverlässigen Anhänger, welcher an seiner Thronerhöhung keinen geringen Anteil hatte. Siehe die Historia Armeniaca 2,81.

 

KRIEG ZWISCHEN ARMENIEN UND PERSIEN

Eine Zeitlang war das Glück Tiridates' Unternehmen günstig. Nicht nur verjagte er die Feinde seiner Familie und seines Landes aus Armenien, sondern er gelangte im Verfolg seiner Rache mit seinem Heer, oder besser: seinen Stoßtrupps, bis in das Herz Assyriens. Der Historiker, der Tiridates Namen vor dem Vergessen bewahrt hat, rühmt, sichtbar befeuert vom Eifer für die Sache seines Landes, seine persönliche Talente; und beschreibt im echten Geiste orientalischer Darstellungskunst die Giganten und Elefanten, die sein unbesiegbarer Arm fällte. Aus anderer Quelle wissen wir von der unübersichtlichen Lage der persischen Monarchie, welchem Umstand Armeniens König manchen Vorteil zu danken hatte. Der Thron wurde von zwei feindlichen Brüdern beansprucht; und nachdem Hormuz die Kräfte seiner Anhänger vergeblich angestrengt hatte, nahm er Zuflucht zu der heiklen Hilfe der Barbaren am Kaspischen Meer. Ipsos Persas ipsumque regem ascitis Sacis, et Rufiis, et Gellis, petit frater Ormies. Panegyrici 3,1. [Selbst die Perser und den König griff Ormies (Hormuz) mit den verbündeten Saciern, Rufiern, Gellier an]. Die Sacae waren ein nomadisierender Skythen-Stamm, deren Verbreitungsgebiet an den Quellen des Oxus und Jaxartes lag. Die Gellier bewohnten Ghilan am Kaspischen Meer; lange Zeit waren sie (unter dem Namen Dilemiten) der persischen Monarchie beschwerlich gefallen. Herbelot, Bibliothéque Oientale. Der Bürgerkrieg war indessen rasch beigelegt, sei es infolge eines Sieges oder einer Aussöhnung; und Narses, welcher nun allgemein als der Alleinherrscher Persiens anerkannt war, stellte seine gesamte Streitmacht dem ausländischen Feind entgegen. Da wurde der Streit zu ungleich; auch der Heldenmut der Angreifer konnte der Übermacht des Großkönigs nicht widerstehen. Ein zweites Mal war Tiridates von dem armenischen Thron gestürzt, ein zweites Mal nahm er seine Zuflucht am Hofe der römischen Kaiser. Narses selbst stellte in der aufständischen Provinz seine Autorität wieder her und beklagte laut den Schutz, den Rom Rebellen und Flüchtlingen gewähre, und heckte zahllose Entwürfe zur Eroberung des Ostens. Moses von Choren übergeht diese zweite Revolution; ich durfte sie einer Passage bei Ammianus Marcellinus (23,5) entnehmen. Lactantius (De Mortibus 9) schreibt vom Ehrgeiz des Narses: ›Concitatus domesticis exemplis avi sui Saporis ad occupandum orientem magnis copiis inhiabat.‹ [Befeuert durch das häuslich-großväterliche Vorbild Sapor trachtete er mit großer Heeresmacht nach der Eroberung östlicher Länder].

 

NIEDERLAGE DES GALERIUS BEI KARRHAI 296 A.D.

Weder Staatsklugheit noch das Ehrgefühl konnten es den Kaisern gestatten, den Fall des armenischen Königs zu vergessen, und es ward beschlossen, dass das Imperium eine Streitmacht in den Perserkrieg entsende. Diocletian wählte mit der für ihn kennzeichnenden gelassenen Würde Antiochia zu seinem Aufenthalt, von wo aus er dann die militärischen Operationen vorbereitete und abstimmte. Es kommt nicht überraschend, dass Lactantius das Verhalten des Diocletian der Feigheit zuschreibt. Julian spricht in seiner Rede davon, dass er mit allen Streitkräften des Reiches zurückgeblieben sei; eine denn doch sehr stark übertriebene Wendung. Die Heeresführung wurde Galerius' unerschütterlichem Heldenmute anvertraut, welcher für dieses wichtige Unternehmen eigens von der Donau an den Euphrat versetzt worden war. Schon bald trafen die Armeen in den Ebenen Mesopotamiens aufeinander, und zwei Schlachten wurden geschlagen, mit unterschiedlichem und zweifelhaftem Ausgang; der dritte Waffengang aber war entscheidend: die Römische Armee erlitt eine vollständige Niederlage, welche man der Voreiligkeit des Galerius zuschrieb, da er mit einem viel zu kleinen Truppenkörper die ungezählten Massen der Perser angegriffen hatte. Unsere fünf Zusammenschreiber – Eutropius, Festus, Orosius und die beiden Victor – berichten alle über die letzte, die große Schlacht; Orosius erwähnt als einziger auch die beiden vorhergehenden.

Aber eine nähere Untersuchung des Kriegsschauplatzes legt eine andere Ursache nahe. Derselbe Boden, auf dem Galerius besiegt wurde, war auch durch den Tod des Crassus und den Untergang seiner zehn Legionen denkwürdig. Es war eine Ebene von mehr als sechzig Meilen, welche sich von den Hügeln von Karrhai bis zum Euphrat erstreckte; ein weicher, unfruchtbarer, sandiger Wüstenboden, ohne Anhöhe, ohne Baum, ohne eine einzige Wasserquelle. Die Landesnatur wird getreulich von Plutarch (Leben des Crassus) beschrieben sowie von Xenophon, Anabasis 1. Die römische Linieninfanterie, die unter Hitze und Durst verging, konnten, selbst wenn sie ihre Formation beibehielt, nicht auf einen Sieg hoffen, aber sie konnte erst recht nicht ihre Formation auflösen, ohne sich unmittelbar in die schwerste Gefahr zu begeben. In solcher Lage wurden sie erst durch die feindliche Überzahl eingekreist, dann durch seine raschen Stellungswechsel aus der Fassung gebracht und schließlich durch den Pfeilregen der gegnerischen Reiterei vernichtet. Der König von Armenien hatte sich in dieser Schlacht durch persönliche Tapferkeit ausgezeichnet und konnte aus dem öffentlichen Missgeschick noch persönlichen Ruhm gewinnen; sein Streitross war verwundet, und Flucht vor dem siegreichen Feinde erschien aussichtslos. In dieser Notlage ergriff Tiridates die einzig ihm verbliebene Gelegenheit: er stieg von Pferd und sprang in den Strom. Seine Rüstung war schwer, der Fluss tief und reißend und an dieser Stelle wenigstens eine halbe Meile breit; Siehe Fosters Artikel im 2. Bd. der Anabasis-Übersetzung Spelmans; welche ich als eine der besten zu empfehlen wage. und dennoch erreichte er dank seiner Stärke und Gewandtheit unversehrt das andere Ufer. Historia Armenica 2,76. Ich habe diese Großtat des Tiridates von einer imaginären Niederlage auf die reale des Galerius übertragen. Die Umstände der Flucht des römischen Generals sind uns unbekannt; als er jedoch nach Antiochia zurückkehrte, empfing in Diocletian nicht mit der Herzensgüte eines Freundes und Kollegen, sondern mit der empörten Seele eines gekränkten Landesfürsten. Der stolzeste Mensch unter der Sonne, in Purpur angetan, aber durch das Bewusstsein seiner Fehler und seiner Niederlage gedemütigt, sah sich genötigt, dem kaiserlichen Wagen eine Meile zu Fuß nachzufolgen und so dem ganzen Hofe das Schauspiel seiner Schmach vorzuführen. Ammianus Marcellinus 14,11. Unter den Händen des Eutropius (9,24), Festus (25) und Orosius (7,25) streckt sich ›die Meile‹ leicht zu einem Vielfachen.

 

ZWEITER FELDZUG UND SIEG DES GALERIUS

Sobald nun Diocletian seinen Groll gedämpft und die Majestät der höchsten Staatsgewalt gefestigt hatte, erhörte er des Caesars submissestes Flehen und gestattete ihm, seine eigene Ehre und insgleichen die der römischen Waffen wieder herzustellen. Anstelle der unkriegerischen Soldaten Kleinasiens, die vermutlich während des ersten Feldzuges Dienst getan hatten, wurde eine zweite Armee aus den Veteranen und Rekruten von der illyrischen Grenze aufgestellt, und zusätzlich wurde ein starkes Kontingent Goten in Sold genommen. Aurelius Victor; Iordanes, Getica 21. An der Spitze einer Armee von ausgesuchten fünfundzwanzigtausend Mann überquerte Galerius erneut den Euphrat; nur setzte er diesmal seine Leute nicht den offenen Ebenen Mesopotamiens aus, sondern passierte Armeniens Bergland, wo die Einwohner seiner Sache zugetan waren und wo das Gelände die Manöver der Infanterie ebenso begünstigte, wie es die Kavallerie behinderte. Aurelius Victor, (Caesares 39) sagt, ›Per Armeniam in hostes contendit, quae ferme sola, seu facilior vincendi via est.‹ [Er zog den Feinden durch Armenien entgegen, was nachgerade der einzige, oder doch der leichtere Weg zum Sieg ist]. Er folgt hier dem Weg Traians und der Idee des Iulius Caesar.

Die Niederlage hatte die römische Disziplin gefestigt, während die Barbaren, durch ihren Erfolg beflügelt, derart nachlässig und sorglos geworden waren, dass sie, als sie es am wenigstens erwarteten, durch einen Überraschungsangriff des Galerius überrumpelt werden konnten, welcher, nur von zwei Reitern begleitet, heimlich die Stellung und Befestigung ihres Lagers ausgespäht hatte. Ein unvermuteter Angriff, zumal in der Nacht, wurde für die Perser fast immer zum Verhängnis. ›Ihre Pferde waren angebunden, im Allgemeinen sogar angekettet, um zu verhindern, dass sie fortliefen. Gab es Alarm, musste der Perser seine Schabracke festmachen, das Zaumzeug und sich selbst den Brustpanzer anlegen, bevor er dann selbst aufsitzen konnte.‹ Aus diesem Grunde lagerte die persische Kavallerie sechzig Stadien vom Feind entfernt. Xenophon, Anabasis 3,4.

Unter diesen Bedingungen stiftete Galerius ungestümer Angriff Unordnung und Bestürzung im persischen Lager. Ein kurzer Widerstand, und dann folgte ein fürchterliches Gemetzel; schließlich entfloh der verwundete Monarch (denn Narses befehligte seine Armee persönlich) in die Wüsten von Medien. Sein und seiner Satrapen üppiges Gezelte enthielt ungemessene Beute für den Eroberer; ein kleiner Vorfall wird berichtet, welcher erweist, dass sich die Legionen eine rechte rustikal-kriegerische Unkenntnis von des Lebens elegantem Überfluss bewahrt hatten. Ein Beutel aus glänzendem Leder, angefüllt mit Perlen, fiel einem Rekruten in die Hände; sorgsam nahm er den Beutel an sich, verwarf aber seinen Inhalt in der Erwägung, dass etwas, was erkennbar keinen Nutzen habe, unmöglich von Wert sein könne. Die Geschichte wird von Amianus Marcellinus (22,4,8) erzählt. Statt saccum (Sack) lesen einige scutum (Langschild). Der bitterste Verlust des Narses war allerdings emotionaler Natur. Mehrere von seinen Frauen, Schwestern und Kindern, die die Armee begleitet hatten, gerieten in Gefangenschaft. Und wenn auch Galerius' Charakter wenig Ähnlichkeit mit dem Alexanders aufwies, eiferte er nach seinem Sieg doch dem liebenswürdigen Auftreten des Makedoniers gegenüber der Familie des Darius nach. Die Frauen und Kinder wurden vor Ausplünderung und Vergewaltigung geschützt, an einen sicheren Ort geführt und durchaus respektvoll und zuvorkommend behandelt, wie es ein großherziger Gegner ihrem Alter, ihrem Geschlecht und ihrer königlichen Würde schuldig ist. Die Perser anerkannten ohne weiteres die Überlegenheit der römischen Waffen und ihrer Herzensbildung (Eutropius 9,24). Aber dieser Respekt einem Feinde gegenüber findet sich in ihren eigenen Aufzeichnungen nur selten.

 

DIE PERSISCHE GESANDTSCHAFT UND DIE ANTWORT DES GALERIUS

Während nun der Osten besorgt den Ausgang dieses großen Ringens erwartete, hatte Kaiser Diocletian in Syrien Musterung gehalten, aus der Entfernung die römische Macht demonstriert und für etwaige Notfälle des Krieges sich bereitgehalten. Da er die Zeitung des Sieges erhalten hatte, war er gnädig genug die Front aufzusuchen, wohl auch in der Absicht, durch seine Anwesenheit und Ratschläge Galerius' Siegesfreude zu dämpfen. Zu Nisibis hielten die beiden Herren Roms ihre Zusammenkunft in einer Atmosphäre von Respekt auf der einen und Wertschätzung auf der anderen Seite. Es war auch in Nisibis, wo sie bald darauf einer Gesandtschaft des Großkönigs Audienz gewährten, Die Schilderung dieser Verhandlungen ist den Fragmenten des Petros Patrikios (Excerpta legationum im Corpus Historiae Byzantinae historiae) entnommen. Petros lebte zur Zeit Iustinians; doch die Seriosität seiner Quellen zeigt unverkennbar, dass sie von authentischen und zuverlässigen Autoren stammen.

Die Macht oder doch wenigstens der Mut des Narses war durch die letzte Niederlage gebrochen; ein sofortiger Friedensschluss schien ihm der einzig gangbare Weg, das weitere Vordringen der römischen Waffen aufzuhalten. So entsandte er also seinen Minister Apharban, der seine Gunst und zugleich sein Vertrauen besaß, mit der Vollmacht, Friedensunterhandlungen zu führen oder, genauer gesagt, die Bedingungen zu akzeptieren, die der Sieger ihnen auferlegen mochte. Apharban eröffnete die Verhandlungen, indem er die Dankbarkeit seines Herren über die wohlwollende Behandlung seiner Familie ausdrückte und darüber hinaus die Freilassung jener illustren Gefangenen erflehte. Er rühmte den Kampfesmut des Galerius, ohne dabei das Ansehen des Narses zu mindern und achtete es nicht für ehrlos, die Überlegenheit des siegreichen Caesar über einen Monarchen einzugestehen, welcher alle vorangegangenen Herrscher seines Landes an Ruhm überträfe. Ungeachtet der Tatsache, dass die persische Sache die gerechte sei, sei er bevollmächtigt, die gegenwärtigen Streitigkeit der Entscheidung der beiden römischen Herrscher selbst zu unterwerfen, halte Narses sich doch überzeugt, dass auf dem Gipfel ihres Erfolges sie der Flatterhaftigkeit des Schicksals nicht uneingedenk seien. Apharban beschloss seine Ausführungen mit einer Allegorie morgenländischer Prägung, indem er anmerkte, die Monarchen Roms und Persiens seien die zwei Augen der Welt, welche unvollkommen und verstümmelt bleiben müsse, wenn eines von beiden ausgerissen sei.

›Dies steht den Persern zu,‹ erwiderte Galerius, außer sich vor Zorn, so dass sein ganzer Körper zu beben schien, ›dies steht den Persern zu, sich über die Launen des Schicksals zu verbreiten und uns Kolleg über die Tugend der Mäßigung zu lesen. Lasst uns ihnen doch ihre eigene Mäßigung in Erinnerung rufen, die sie gegenüber dem unglücklichen Valerian übten. Mit Arglist haben sie ihn gefangen genommen, schnöde haben sie ihn behandelt. Bis zum letzten Atemzug hielten sie ihn in elender Gefangenschaft, und noch nach seinem Tode wurde sein Leichnam ewiger Schande preisgegeben.‹ Dann jedoch dämpfte Galerius seinen Tonfall und versicherte dem Unterhändler, dass es noch niemals römische Art gewesen sei, auf einen am Boden liegenden Feind einzutreten; dass sie aber bei dieser Gelegenheit sich eher bei ihrer eigenen Würde Rats erholen würden als bei den Verdiensten der Perser. Apharban ward entlassen und zeigte sich zuversichtlich, dass Narses schon bald über die Friedensbedingungen Bescheid erhalten werde, dass die Herrscher milde und der Frieden dauerhaft sein werde und dass seine Frauen und Kinder schon bald zurück gegeben sein würden. Diese Unterhandlung zeigt uns deutlich das unbeherrschte Temperament des Galerius, aber auch sein Nachgeben vor der überlegenen Einsicht und Autorität des Diocletian. Der Ehrgeiz der Ersteren griff nach der Eroberung des Ostens und plante, Persien zu einer römischen Provinz zu machen. Die Besonnenheit des Zweiten, eines Anhängers der gemäßigten Politik des Augustus und der Antonine, packte die günstige Gelegenheit beim Schopfe, um den bis dahin erfolgreichen Krieg mit einen ehren- und vorteilhaften Friedensschluss zu beenden. Adeo Victor (so Aurelius, Caesares 39) ut ni Valerius, cuius nutu omnia gerebantur, abnuisset, Romani fasces in provinciam novam ferrentur. Verum pars terrarum tamen nobis utilior quaesita. [So sehr war er Sieger, dass er die Römischen Fasces in die neue Provinz eingeführt hätte, wenn Valerius, gemäß dessen Wink alles lief, Gewährung genickt hätte. Immerhin wurde ein für uns nützlicher Landstrich erworben].

 

DIE FRIEDENSBESTIMMUNGEN

Die beiden Herrscher hielten ihr Versprechen und beauftragten Sicorius Probus, einen ihrer Geheimschreiber, dem persischen Hofe ihre endgültigen Entscheidungen zu übermitteln. Er wurde denn auch als der Bote des Friedens mit allen äußeren Zeichen der Höflichkeit und des Respektes empfangen; dann aber wurde unter dem Vorwand, dass Probus sich nach so langer Reise gewiss eine Erholung vergönnen müsse, die eigentliche Audienz von Tag zu Tag verschoben; ihm entging der schleppende Gang der Dinge durchaus nicht, bis er denn schließlich in der Nähe des Flusses Asprudus in Medien vor den Großkönig gelassen wurde. Die eigentlichen Gründe für dieses Hinhalten waren diese: Narses wollte in der Zwischenzeit so viele Truppen wie möglich aufstellen, damit er, der er durchaus friedenswillig war, bei den anstehenden Verhandlungen mit mehr Würde und Nachdruck auftreten könne. Nur drei weitere Männer waren bei dieser hochwichtigen Friedenskonferenz anwesend: der Minister Apharban, der Gardepräfekt sowie ein Frontoffizier, der in Armenien gekämpft hatte. Er war Gouverneur von Sumium gewesen (Petros Patricios, in Excerpta legationum p. 30). Diese Provinz scheint Moses von Chorene erwähnt zu haben (Geographia p. 360). Sie lag östlich des Berges Ararat. Der erste Vorschlag, den der Botschafter machte, ist uns zunächst nicht recht einsichtig: dass nämlich die Stadt Nisibis zum Ort des Umschlags, oder wie wir formal sagen würden, zum Stapelplatz für die Waren der beiden Reiche ausgebaut werden solle. Die eigentliche Absicht der römischen Herrscher, die Staatseinkünfte durch ein paar Handelssteuern zu mehren, ist unschwer zu durchschauen; nun lag aber Nisibis innerhalb ihres eigenen Herrschaftsgebietes, und da sie deshalb ohnehin die Ein- und Ausfuhr der Waren kontrollierten, wäre diese Angelegenheit eher Gegenstand eines internes Gesetzes als eines internationalen Vertrages gewesen. Um sie wirkungsvoll durchzusetzen, wären auf Seiten des persischen Königs einige Zugeständnisse erforderlich gewesen, die aber seinen eigenen Interessen oder seiner Würde derart zuwiderliefen, dass Narses sich in diesem Punkte zur Unterschrift nicht bereit fand. Da dies aber der einzige Artikel war, dem er seine Zustimmung verweigerte, beharrte man nicht weiter darauf; und Roms Herrscher beließen die Handelsströme auch weiterhin in ihren naturgegebenen Kanälen oder begnügten sich mit denjenigen Verfügungen, die dem Handel aufzuerlegen in ihrer eigenen Machtvollkommenheit lag.

 

DIE ARTIKEL DES FRIEDENSVERTRAGES

Sobald nun diese Schwierigkeiten ausgeräumt waren, wurde zwischen den beiden Nationen ein ernsthafter Friedensvertrag ausgehandelt und unterzeichnet. Die Bedingungen dieses Vertrages, der für Rom so rühmlich und für Persien so notwendig war, verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit, da die Geschichte Roms für uns nur wenige Verträge dieser Art bereithält; endeten doch ihre Kriege meist mit der völligen Niederlage ihrer Gegner, oder sie wurden gegen schriftunkundige Barbaren geführt.

I. Der Aboras oder, wie Xenophon ihn nennt, der Araxes wurde als Grenzfluss zwischen den beiden Monarchien festgelegt. Irrtümlicherweise hat der Geograph Ptolemäus Singara vom Aboras an den Euphrat verlegt, was wohl Ursache für den Fehlgriff Petros' war, der den Letzteren zum Grenzfluss macht anstelle des Erstgenannten. Die römische Grenze überquerte den Tigris zwar, folgte ihm aber nirgendwo. Dieser Fluss entsprang in der Nähe des Tigris, erhielt einige Meilen unterhalb von Nisibis durch den kleinen Nebenfluss Mygdonius Zuwachs, floss unterhalb der Stadtmauern Singaras und mündete endlich bei Circesium in den Euphrat, welche Grenzfeste auf Weisung Diocletians außerordentlich stark angelegt war. Prokopios, de Aedificiis 2,6. Mesopotamien, das Objekt so vieler Kriege, wurde an Rom abgetreten; und die Perser ihrerseits verzichteten in dem Vertrag auf alle Ansprüche.

II. Ferner überließen sie den Römern fünf Provinzen jenseits des Tigris. Drei dieser Provinzen, Zabdicene, Arzanene und Corducene werden von allen genannt. Doch an die Stelle der beiden anderen setzt Petros Rehimene und Sophene ein (Excerpta legationium). Ich habe hier Ammianus den Vorzug gegeben (25,7), weil Sophene nachweislich nie im Besitz der Perser war, weder vor Diocletians noch nach Iovians Regierung. Da es korrekte Karten nicht gibt, (wie etwa die des d'Anville), haben fast alle modernen Autoren und allen voran Tillemont und Valesius geglaubt, dass die fünf Provinzen von Persien und nicht von Rom aus gesehen jenseits des Tigris lagen. Aufgrund ihrer Lage bildeten sie eine sehr zweckdienliche Barriere, und ihre natürlichen Vorzüge wurden zusätzlich durch künstliche Maßnahmen verbessert. Vier von ihnen waren Landstriche von geringer Bedeutung und Ausdehnung: Intiline, Zabdicene, Arzanene und Moxoene; aber östlich des Tigris erhielt das Imperium noch Carduene, den alten Wohnsitz der Carduchier, welche über sehr lange Zeiträume hinweg inmitten der Despotien Asiens tapfer ihre Freiheit bewahrt hatten. In einem harten Sieben-Tage-Marsch, oder besser, – Gefecht, durchquerten einst Xenophons Zehntausend ihr Land; und ihr Anführer gesteht in seiner unvergleichlichen Darstellung dieses Rückmarsches, dass sie von den Pfeilen der Carduchier mehr auszustehen gehabt hätten als von der gesamten Streitmacht des Großkönigs. Xenophon, Anabasis 4,3. Ihre Bogen waren drei Ellen lang, ihre Pfeile zwei; sie rollten wagengroße Steine auf sie herab; die Griechen fanden in diesem rauen Lande zahlreiche Dörfer. Ihre Nachfahren, die Kurden, die sich weder dem Namen nach noch in ihren Gebräuchen nennenswert von ihnen unterscheiden, anerkennen heutzutage die Oberhoheit des türkischen Sultans.

III. Es versteht sich von selbst, dass Tiridates, der treue Verbündete Roms, auf dem Thron seiner Väter neuerlich eingesetzt wurde und dass die Rechte der kaiserlichen Suprematie in vollem Umfang behauptet und gesichert wurden. Die Grenzen Armeniens wurden bis zu der Festung Sintha in Medien verlegt, und dieser Gebietszuwachs war nicht so sehr ein Akt der Großzügigkeit als der ausgleichenden Gerechtigkeit. Von den fünf obenerwähnten Provinzen waren die vier ersten einst von den Parthern der armenischen Krone geraubt worden; Eutropius zufolge (6,9, so wie der Text in den besten mss geboten wird) lag die Stadt in Tigranocerta in Arzanene. Name und Lage der anderen drei lassen sich nicht zuverlässig feststellen. und als nun die Römer in ihren Besitz gelangten, forderten sie auf Kosten des Usurpators großzügige Entschädigung, die ihr Alliierter denn auch in Form des ausgedehnten und fruchtbaren Landes von Atropatene erhielt. Seine Hauptstadt, welche wohl in derselben Gegend lag wie das moderne Taurus, wurde von Tiridates oftmals mit Besuch beehrt; und da sie bisweilen auch Ekbatana genannt wurde, ahmte er mit den Befestigungsanlagen und den Gebäuden die prächtige Hauptstadt Mediens nach, Vgl. Herodot, 1.97 mit Moses von Chorene, Historia Armenica 2,84 und Karte der Herausgeber.

IV. Das Land Iberia war unfruchtbar, seine Einwohner roh und kulturlos. Auf das Waffenhandwerk verstanden sie sich allerdings, und sie hielten andere Barbaren, die noch furchtbarer waren, mit Nachdruck und Gewalt vom Reich zurück. Die schmalen Hohlwege des Kaukasus waren in ihrer Hand, und es lag ganz bei ihnen, ob sie die streifenden Horden der Sarmater hindurchlassen oder abweisen wollten, wann immer der Geist der Raubsucht sie vermochte, die üppigen Gefilde des Südens aufzusuchen. Hiberi, locorum potentes, Caspia via Sarmatam in Armenios raptim effundunt. [Die Iberer, die die Gegend beherrschten, ließen auf der Kaspischen Passstraße Sarmaten eilig nach Armenien einfluten.] Tacitus, Annalen 6,33. Strabon 11, p. 500. Das Recht, die Könige von Iberia zu ernennen, welches Privilegium der Großkönig an die römischen Kaiser abtreten musste, stärkte Roms Stellung in Asien merklich. Petros Patrikios erwähnt als einziger Autor diesen iberischen Vertragsartikel. (Excerpta Legationum, p.30). Vierzig Jahre lang genoss der Osten eines dauernden Friedens; und bis zum Tode des Tiridates wurden die Verträge zwischen den rivalisierenden Monarchien getreulich eingehalten; bis endlich eine neue Generation, beseelt von anderer Rechtsauffassung und anderem Ehrgeiz, dem Herrscher der Welt nachfolgte und der Enkel des Narses einen langen und denkwürdigen Krieg gegen die Kaiser aus der Dynastie des Constantin unternahm.

 

TRIUMPH DES DIOCLETIAN UND MAXIMIAN A.D. 303

Das mühsame Werk, das bedrohte Imperium vor Tyrannen und Barbaren zu retten, hatte nunmehr eine lange Folge illyrischer Bauern vollendet. Sobald nun Diocletian in sein zwanzigstes Regierungsjahr eingetreten war, feierte er dieses bemerkenswerte Jubiläum – und natürlich auch den Sieg seiner Waffen – durch einen pompösen Triumphzug. Eusebios, Chronica; Pagi, Annales ad annum. Bis zur Entdeckung von ›De mortibus Persecutorum‹ war es unsicher, ob Triumph und Zwanzigjahrfeier zu gleicher Zeit gefeiert wurden. An diesem Tage des Ruhmes war Maximian, sein gleichberechtigter Partner der Macht, der einzige Teilhaber seines Glückes. Auch die beiden Caesaren hatten gekämpft und gesiegt, aber das Verdienst an ihren Erfolgen hatte gemäß den strengen Anschauungen des Altertums der glückstiftende Einfluss ihrer Väter und Kaiser. Während der Zwanzigjahrfeier scheint Galerius wiederum an der Donau Posten bezogen zu haben. (Lact., de mort. 38). Der Triumphzug von Diocletian und Maximian war wohl weniger glanzvoll als die des Aurelius und Probus, aber er war durch verschiedene rühmliche und glückliche Nebenumstände bemerkenswert. Afrika und Britannien, der Rhein, die Donau und der Nil lieferten ihre jeweiligen Trophäen; aber am auffälligsten war eine Einzelheit, nämlich der Sieg über die Perser, auf den dann eine wichtige Eroberung folgte. Die Darstellung von Flüssen, Bergen und Provinzen wurden dem kaiserlichen Triumphwagen vorangetragen. Die Portraitbilder der gefangenen Frauen, Schwestern und Kinder des Großkönigs boten der Eitelkeit des Volkes neuerliche Nahrung. Eutropius (9,27) erwähnt sie sogar als Bestandteil des Triumphzuges; da sie aber als Personen zu Narses zurückgekehrt waren, konnten lediglich ihre Bilder vorgeführt worden sein. In den Augen der Nachwelt ist dieser Triumph jedoch durch einen wenig ehrenhaften Nebenumstand denkwürdig: es sollte der letzte sein, der jemals in Rom abgehalten wurde. Schon bald darauf hörten die Herrscher auf, siegreich zu sein, und Rom hörte auf, die Hauptstadt der Welt zu sein.

 

ROMS BEDEUTUNG ALS HAUPTSTADT SCHWINDET

Der Flecken Erde, auf dem einst Rom gegründet ward, wurde durch altehrwürdige Zeremonien und angebliche Wunder geheiligt. Jeder Winkel der Stadt war von der Anwesenheit irgendeines Gottes oder dem Gedächtnis an einen Heroen durchwoben, und die Weltherrschaft war der Hauptstadt gleichsam verbürgt. Livius (5,54) gibt uns zu diesem Punkt eine Rede des Camillus wieder, in welcher er voller Eloquenz und Herzenswärme gegen den Vorschlag argumentiert, den Regierungssitz von Rom in das benachbarte Veii zu verlegen. Die Stadtrömer spürten die Wirkmächtigkeit dieser wohligen Illusion, und sie taten es gern. Sie hatten sie von ihren Vorfahren übernommen, waren mit ihr von Kindesbeinen an vertraut, und sie war aufgrund politischer Nützlichkeitserwägungen sozusagen geschützt. Regierungsform und -sitz waren innig miteinander verwoben, und undenkbar schien es, das eine abzuschaffen, ohne dabei nicht auch das andere zugrunde zu richten. Julius Caesar scheiterte mit seiner Absicht, die Zentrale nach Ilium oder Alexandria zu verlegen. (Sueton, Caesar 79) Entsprechend den scharfsinnigen Konjekturen von Herrn Le Févre und Dacier verfolgte die dritte Ode aus dem dritten Buch des Horaz die Absicht, Augustus von der Ausführung eines ähnlichen Planes abzubringen. Aber mit zunehmender Größe des Reiches nahm die Bedeutung der Hauptstadt ab; die Stellung der Provinzen war nahezu gleichberechtigt, und die unterworfenen Nationen erhielten den Namen und die Vorrechte der Römer, wenn auch nicht deren besonderes Ansehen. Lange Zeit hindurch behielt Rom seine Bedeutung nur noch aufgrund althergebrachter Verfassungsgrundsätze und sozusagen gewohnheitsrechtlich. Die Kaiser, mochten sie auch illyrischer oder afrikanischer Herkunft sein, achteten das Land, das sie sich angeeignet hatten, da es der Mittelpunkt ihrer Macht und das Zentrum ihres gewaltigen Herrschaftsgebietes war. Kriegerische Wechselfälle machten oftmals ihre Anwesenheit an den Reichsgrenzen erforderlich; aber Diocletian und Maximian waren die ersten römischen Herrscher überhaupt, welche in Friedenszeiten ihre Residenz in die Provinzen verlegten; und diese Maßnahmen waren, wie sehr sie auch durch private Motive hervorgerufen sein mochten, durch unmittelbar einleuchtende politische Erwägungen begründet.

 

MAILAND WIRD REGIERUNGSSITZ NIKOMEDIA

Der Hof des Herrschers des Westens wurde in Mailand etabliert, dessen Lage am Fuße der Alpen weitaus besser als die Roms geeignet schien, die Bewegungen der Barbaren aus Germanien zu kontrollieren. Schon bald blühte Mailand im Glanze einer kaiserlichen Residenzstadt. Die Gebäude waren zahlreich und gediegen ausgeführt; die Bevölkerung war städtisch-zivilisiert und freisinnig. Ein Zirkus, ein Theater, eine Münzstätte, ein Palast, Bäder, die den Namen ihres Stifters Maximian trugen, Statuen, geschmückte Porticos und eine doppelte Wallanlage trugen das Ihre zur Schönheit dieser neuen Residenz bei; selbst die Nähe Roms schien ihr nicht abträglich zu sein. Siehe Aurelius Victor, Caesares 39, der auch die Gebäude erwähnt, die Maximian in Karthago – vermutlich während des Maurischen Krieges – hat errichten lassen. Wir fügen hier einige Verse des Ausonius aus dem ›Ordo urbium nobilium‹: Et Mediolani mira omnia; copia rerum;/ Innumerae cultaeque domus; facunda virorum/Ingenia, et mores laeti: tum duplice muro/Amplificata loci species; populique voluptas/Circus; et inclusi moles cuneata Theatri;/Templa, Palatinaeque arces, opulensque Moneta,/Et regio ›Herculei‹ celebris sub honore lavacri./Cunctaque marmoreis ornata Peristyla signis;/ Moeniaque in valli formam circumdata labro,/Omnia quae magnis operum velut aemula formis/Excellunt: nec juncta premit vicinia Romae. [Auch Mailand ist voller Wunder: alles ist in Mengen vorhanden,/ungezählte prachtvolle Häuser; Männer, redegewandt, erfindungsreich, frohgemut; durch eine Doppelmauer/vermehrt sich der Glanz des Ortes; ein Circus/des Volkes Freude; das Theater mit terassenförmig aufsteigenden Sitzblöcken;/ die Tempel, mächtige Zitadellen, die üppige Münzstätte,/ und der Stadtteil, berühmt als ›Bad des Hercules‹./ Alle Peristyle geschmückt mit Statuen von Marmor;/Stadtmauern wie ein Erdwall um die Stadt geschichtet;/alles dieses, als ob es wetteiferte in großer Formvielfalt,/ und auch das nahe Rom hält es nicht nieder]. Auch Diocletian war bestrebt, die Bedeutung Roms zu mindern; zu diesem Zwecke wandte er seine Mußestunden und die Reichtümer des Ostens auf, um Nikomedia auszuschmücken, welche Stadt an der Schwelle zwischen Europa zu Asien und etwa auf halber Strecke zwischen der Donau und dem Euphrat liegt. Entsprechend den Geschmacksvorstellungen des Kaisers und auf Kosten der Bevölkerung entfaltete Nicomedia binnen weniger Jahre eine Pracht, die man für das Ergebnis generationenlanger Anstrengungen hätte halten können und die nur noch von der Roms, Alexandrias und Antiochias übertroffen wurde. Lactantius, de Mortibus 7; Libanios, Orationes 8. Das Leben Diocletians und Maximians war ein Leben der Tat, und viele Jahre verbrachten sie in Militärlagern zu, oder sie befanden sich auf einem ihrer zahlreichen und langen Heerzüge; wann immer aber die Amtsgeschäfte es zuließen, haben sie sich, und zwar offenbar freudevoll, in ihre Lieblingsresidenzen Mailand und Nicomedia zurückgezogen. Bis zu seinem Triumphzug in seinem zwanzigsten Regierungsjahr scheint Diocletian sich überhaupt nicht in der altehrwürdigen Reichshauptstadt aufgehalten zu haben, und selbst bei dieser Gelegenheit bleib er nicht länger als zwei Monate. Von der plump-zudringlichen Vertraulichkeit der Römer abgestoßen, verließ er Rom in auffälliger Hast und dreizehn Tage vor jenem festgesetzten Termin, zu dem man ihn, mit konsularischen Würden angetan, im Senat erwartet hatte. Lactantius, de Mortibus 17; bei ähnlicher Gelegenheit benennt Ammianus (16,10) die dicacitas plebis [den Volkswitz] als dem kaiserlichen Ohre unwillkommen.

 

SENAT VERLIERT AN BEDEUTUNG

Die Abneigung, die Diocletian Rom und der Römischen Freiheit gegenüber empfand, war nun durchaus nicht das Ergebnis einer Augenblickslaune, sondern die Folge einer kühlkalkulierten Politik. Dieser berechnende Herrscher hatte ein neues kaiserliches Verwaltungssystem gezimmert – die Familie der Constantine sollte es vollenden–, aber da nun der Senat die Idee der alten Verfassung mit religiösem Eifer bewahrte, plante er, diesem Stande auch noch seine letzten Macht- und Beratungsbefugnisse zu beschneiden. Erinnern wir uns der flüchtigen Größe und der hochfliegenden Hoffnungen des römischen Senates etwa acht Tage vor der Thronbesteigung Diocletians; solange diese Aufbruchstimmung vorherrschte, waren zahlreiche Notabeln unklug genug, ihren Eifer für die Sache der Freiheit auch zu zeigen. Und als die Nachfolger des Probus den Vertretern des Republikgedankens ihre Unterstützung entzogen hatten, war es den Senatoren nicht gegeben, ihren ohnmächtigen Zorn zu verhehlen. So ward dem Herrscher Italiens, Maximian, aufgetragen, diesen eher ärgerlichen als wirklich gefährlichen Geist auszulöschen, und für dieses Geschäft fand sich seine grausame Gemütsverfassung bestens vorbereitet. Die angesehenen Senatsmitglieder, die zu achten Diocletian stets vorgegeben hatte, wurden durch seinen Kollegen mit der Anklage so genannter Verschwörungen überzogen; und bereits der Besitz eines eleganten Landhauses oder eines ordentlich geführten Gutsbesitzes wurde als eindeutiger Schuldbeweis ausgelegt. Lactantius, de Mortibus 8, beschuldigt Maximian, er habe ›fictis criminationibus lumina senatus‹ [durch ausgedachte Verbrechen die Einsichten des Senates] ruiniert. Aurelius redet über die Freundestreue des Diocletian nur sehr unbestimmt. Die Prätorianer, die solange Roms Majestät bedrängt hatten, gingen nun dazu über, sie zu verteidigen; denn da diese arrogante Truppe bemerken musste, wie es auch mit ihrer Macht zu Ende ging, waren sie naturgemäß geneigt, ihre Stärke mit der Autorität des Senates zu vereinigen.

 

IOVIANER UND HERKULIANER DIE NEUE LEIBGARDE

Jedoch wurde durch geschickte Maßnahmen des Diocletian die Mannschaftsstärke allgemach herabgesetzt, ihre Privilegien wurden zurückgenommen, Truncatae vires urbis, imminuto praetoriarum cohortium atque in armis vulgi numero. Aurelius Victor, de Caesaribus 39 [Roms Kraft wurde verstümmelt, indem die Zahl der Prätorianercohorten und des bewaffneten Volkes vermindert wurde]. Lactantius (De Mortibus 26) schreibt auch Galerius den gleichen Plan zu. und bald waren an ihre Stelle zwei illyrische Legionen von bewährter Treue getreten, welche unter den neuersonnenen Namen der jovianischen und herkuleischen die Aufgaben der kaiserlichen Leibwache übernahmen. Es waren bewährte Truppen aus Illyrien; entsprechend den Gepflogenheiten bestanden sie aus jeweils sechstausend Mann. Sie hatten sich einiges Ansehen durch den erfolgreichen Gebrauch der plumbatae erworben, Pfeilen, mit Blei gefüllt. Jeder Soldat hatte hiervon fünf Stück, welche er aus beträchtlicher Entfernung und mit viel Kraft und Geschicklichkeit abzuschießen verstand. Vegetius, 1,17.

Aber die schmerzlichste, obschon gar nicht einmal auffälligste Kränkung, die Diocletian und Maximian dem Senat zufügten, war deren beständige Abwesenheit von Rom. Solange die Kaiser in Rom herrschten, konnten sie diese Versammlung möglicherweise unterdrücken: ignorieren konnten sie sie schwerlich. Die Nachfolger des Augustus übten ihre Macht aus, indem sie Gesetze erließen, wie sie ihnen ihre Weisheit oder Dummheit eingeben mochte; aber erst durch Senatsentscheid wurden diese Gesetze rechtswirksam. In des Senates Beschluss und Befinden lebte noch ein Stück der alten Freiheit weiter; und kluge Herrscher, die die Vorlieben der Römer mit zärtlicher Rücksichtnahme behandelten, fühlten sich im Umgang mit dieser ersten und eigentlichen Versammlung der Republik zu den höflichsten Umgangsformen veranlasst. Gegenüber der Armee und den Provinzen kehrten sie ihre imperiale Würde hervor; und erst, als sie ihre Residenz in einiger Entfernung von der Hauptstadt eingerichtet hatten, entschlugen sie sich jeder weiteren Verstellung, die Augustus seinen Nachkommen so dringend anempfohlen hatte. In Ausübung ihrer legislativen und exekutiven Gewalt berieten sich die Kaiser mit ihren Ministern, anstelle sich bei der großen Versammlung der Nation Rats zu erholen. Bis zum Ausgang des Reiches wurde der Name des Senates in aller Distinktion genannt; die Eitelkeit seiner Mitglieder wurde durch allerlei ehrbare Unterscheidungsmerkmale gekitzelt; Siehe den Codex Theodosianus 6,2 nebst Gothofreds Kommentar. und doch musste man sich mit Würde dareinzufinden, dass die Versammlung selbst, die solange Quelle und Werkzeug der Macht gewesen war, allgemach in respektable Bedeutungslosigkeit versank. Der Senat zu Rom, aller Verbindungen zum Kaiserhofe und zur aktuellen Politik ledig, war schließlich nur noch eine Antiquität auf dem kapitolinischen Hügel: edelachtbar, aber nutzlos.

 

NIEDERGANG DER ZIVILEN ÄMTER POMPÖSE HOFHALTUNG

Sobald die römischen Kaiser den Senat und die alte Hauptstadt aus dem Auge verloren hatten, wurde es ihnen leicht, auch den Ursprung und die Beschaffenheit ihrer Macht zu vergessen. Die bürgerlichen Ämter der Konsuln, der Prokonsuln, der Zensoren und der Volkstribunen, durch deren Zusammenlegung eben diese Macht gebildet worden war, verrieten dem Volk immerhin noch ihre republikanische Herkunft. Diese bescheidenen Titel wurden nunmehr ad acta gelegt; Siehe die 12. Abhandlung von Spanheims vorzüglichem Werk de Usu Numismatum. Jeden Titel aus Medaillen, Inschriften und Historie untersucht er gesondert und geht ihm nach von Augustus bis zu seinem Verschwinden. und wenn die Kaiser durch den Titel IMPERATOR ihre erhabene Stellung kennzeichneten, dann wurde dieses Wort in einem neuen und höheren Sinne aufgefasst und nicht mehr einem römischen Feldherren verliehen, sondern dem Beherrscher der römischen Welt.

Der Name Imperator, zunächst eine rein militärische Bezeichnung, trat nun im Zusammenhang mit einer anderen, weitaus servileren Bezeichnung auf. Das Epitheton DOMINUS, oder Herr, kennzeichnete in seiner ursprünglichen Bedeutung nicht die Beziehung zwischen Herrscher und Untertan oder Befehlshaber und Soldaten, sondern die absolute Gewalt des Besitzers über seine Sklaven. Plinius (Panegyricus 3,5) spricht von dominus nur mit Abscheu, als einem Synonym für Tyrann, und als einem Gegensatz zu princeps. Und derselbe Plinius verleiht (im X. Buch seiner Briefe) diesen Titel einem, der eher als sein Herr sein Freund war, nämlich dem sanftmütigen Trajan. Dieser befremdende Ausdruck verwirrt jeden Kommentator, der noch denken und jeden Übersetzer, der noch schreiben kann. Da auch die ersten Cäsaren diesen Ekelnamen in diesem Sinne auffassten, wiesen sie ihn mit Abscheu von sich. Allerdings wurde ihre Ablehnung im Laufe der Zeit matter und der Name weniger fluchbeladen; bis endlich die Bezeichnung Unser Herr und Kaiser nicht mehr ein Schmeichel-Topos, sondern zum regelgerechten Bestandteil öffentlicher Verlautbarungen und Gesetze wurde.

Solche himmelanstrebende Titulatur vermochte noch die maßloseste Eitelkeit zu nähren und zu befriedigen; und wenn die Nachfolger des Diocletian noch immer den Königstitel für sich ablehnten, so war dies nicht so sehr Ausdruck ihrer Bescheidenheit als vielmehr ihrer Empfindlichkeit. Denn wo immer die lateinische Zunge gesprochen wurde (und es war dies nun einmal die Amtssprache im ganzen Reich), vermittelte der Kaisertitel in seiner Besonderheit eine andere Vorstellung als der Name eines Königs, welchen sich die Kaiser mit hunderten von barbarischen Stammeshäuptlingen hätten teilen müssen, oder welchen sie günstigstenfalls auf Romulus oder Tarquinius hätten zurückführen können. Aber die Empfindungen des Orients waren von denen des Okzidents deutlich verschieden. Seit es Geschichte gab, wurden die Herrscher Asiens mit der griechischen Bezeichnung BASILEUS (›König‹) bedacht, und da dies als die höchste Auszeichnung unter den Menschen angesehen wurde, bedienten sich die knechtsinnigen Provinzen des Ostens ihrer gerne in ihren Ergebenheitsadressen an den römischen Thron. Synesios, de Regno, p. 15. Wegen dieses Zitates bin ich dem Abbé de la Bléterie verpflichtet. Selbst die Attribute, oder doch wenigstens der Titel der GÖTTLICHKEIT wurden dem Diocletian und Maximian zugeeignet, und dann auf ihre christlichen Amtsnachfolger fortgeerbt. Siehe van Dale de Consecratione, p. 354ff. Die Kaiser verwendeten in den Präambeln zu den Gesetzen üblicherweise ihr numen, geheiligte Majestät und göttliches Orakel u.a. Tillemont zufolge beklagt Gregor von Nazianz bitterlich diese Profanisierung, zumal, wenn sie von einem arianischen Kaiser praktiziert wurde. Solche zügellosen Titel verlieren jedoch bald ihren Inhalt und damit auch das Odium der Gottlosigkeit; und hat sich das Ohr erst einmal an den Klang gewöhnt, dann werden sie nur noch mit Gleichmut als ebenso allgemeingehaltene wie übertriebene Respektsbezeigungen empfunden.

 

PERSISCHER ZEREMONIELL AM RÖMISCHEN KAISERHOF

Von Augustus bis zu Diocletian erwies man den römischen Herrschern, wenn sie mit ihren Mitbürgern vertrauten Umgangs pflegten, den gleichen Respekt wie etwa einem Senator oder einem anderen Würdenträger. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal war die kaiserliche oder die militärische Purpurrobe, während der Senatorenmantel lediglich einen breiten und der der Ritter einen schmalen Streifen mit dieser Ehren-Farbe trug. Diocletians Stolz oder wenigstens seiner berechnenden Politik blieb es vorbehalten, die üppige Prachtentfaltung des persischen Hofes einzuführen. Siehe Spanheim, de usu numismatium Diss.12. Er besaß sogar den Mut, sich das Diadem aufzusetzen, welcher Schmuckreif von den Römern als ein verhasstes Symbol des Königtums angesehen wurde und dessen Verwendung durch Caligula als eine komplette Wahnsinnstat angesehen wurde. Es war im Grunde nur ein breites, perlenbesetztes Haarband, welches das Haupt des Herrschers umschlang. Die üppigen Gewänder Diocletians und seiner Mitregenten waren von Gold und Seide; mit Abneigung wird bemerkt, dass selbst ihre Schuhe mit wertvollsten Edelsteinen geziert waren. Der Zugang zu ihren geheiligten Personen gestaltete sich täglich komplizierter, wurden doch beständig neue Rituale und Zeremonien ersonnen. Die Palast-Straßen wurden von neuen Schulen (damals kam dieser Name zum ersten Male auf) von inländischen Hofbeamten streng bewacht. Die inneren Gemächer unterlagen der eifersüchtigen Aufmerksamkeit der Eunuchen; an Zahl und Einfluss wurden diese beständig größer, und diese Tatsache mag als das zuverlässigste Indiz für den heraufziehenden Despotismus angesehen werden. Wurde nun ein Untertan endlich vor seine kaiserliche Majestät gelassen, so war ihm auferlegt, gleichgültig, welchen Ranges er war, langgestreckt in den Staub zu fallen und in Anlehnung an orientalische Gebräuche die Göttlichkeit seines Herren und Meisters anzubeten. Aurelius Victor; Eutropius 9,26; den Panegyriken lässt sich entnehmen, dass sich die Römer rasch mit Begriff und Praxis der Anbetung ausgesöhnt hatten.

Diocletian war ein durchaus vernünftiger Mann, welcher im Laufe seines privaten und öffentlichen Lebens eine wohlbegründete Einschätzung seiner Selbst und der Menschheit erworben hatte; und schwerlich wird man sich dazu verstehen können, dass er bei der Einfuhr persischer Hofgepflogenheiten nach Rom sich von niederen Beweggründen wie etwa der Eitelkeit habe leiten lassen. Aber er redete sich ein, dass die Demonstration von Glanz und Luxus die Phantasie der Menge beschäftigen werde; und dass der Herrscher umso weniger der plumpen Zudringlichkeit der Menge und der Soldaten ausgesetzt sei, je mehr er den Blicken der Öffentlichkeit entzogen war; und dass endlich aus gewohnheitsmäßiger Unterwerfung irgendwann auch das Gefühl der Verehrung erwachsen werde. Genau wie das bescheidene Auftreten des Augustus war auch der von Diocletian zelebrierte Pomp nur Staatstheater; aber wir müssen zugeben, dass von diesen beiden Komödien die erstgenannte eine wesentlich liberalere Optik bot als die zweite. Das Ziel des einen war es, die unbegrenzte kaiserliche Macht zu verschleiern, die Absicht des anderen, sie möglichst sinnfällig zur Schau zu stellen.

 

NEUE REGIERUNGSFORMEN: ZWEI AUGUSTI UND ZWEI CAESAREN

Pomp war somit der eine Grundsatz des neuen, von Diocletian eingerichteten Systems, Teilung der zweite. Er teilte das Reich, die Provinzen sowie jeden nur erdenklichen Zweig ziviler und militärischer Verwaltung. Er vermehrte die Rädchen der Regierungsmaschinerie und machte sie so zwar langsamer, aber auch zuverlässiger. Welchen Nachteil oder Vorteil wir an diesen Umgestaltungen nun entdecken mögen, sie müssen ihren Erfinder angerechnet werden. Da aber dieser neugesteckte Politik-Rahmen von nachfolgenden Herrschern verbessert und erweitert wurde, mag es von größerem Nutzen sein, seine kritische Würdigung bis zu dem Zeitpunkt aufzusparen, in welchem er seine ganze Reife und Wirkung erlangt hat. Die Neuerungen des Diocletian lassen sich wesentlich herleiten aus 1.: einigen sehr bedeutenden Passagen des Lactantius; 2.: aus den zahlreichen verschiedenen Ämtern, welche dem Gesetzbuch des Theodosius zufolge schon vor Beginn der Herrschaft der Konstantine fest etabliert waren.

Wir wollen uns also die genauere Schilderung des Imperiums für die Regierungszeit der Constantine aufsparen und uns vorderhand damit begnügen, die Regierungs- und Entscheidungsgrundsätze zu schildern, nach denen Diocletian verfuhr. In die Ausübung seiner Macht teilte er sich mit drei Kollegen; und da er sich im Klaren darüber war, dass die Kräfte eines einzelnen Mannes der Summe der öffentlichen Aufgaben nicht gewachsen waren, sah er in der gemeinsame Regierung durch vier Herrscher keinen vorübergehenden Notbehelf, sondern einen elementaren Verfassungsgrundsatz. Nach seinen Absichten sollten sich die beiden älteren Herrscher durch das Tragen des Diadems und den Augustus-Titel auszeichnen; ferner sollten sie sich, da ja bei ihrer Wahl Zuneigung oder Respekt eine Rolle spielen würde, regelmäßig der Assistenz zweier nachgeordneter Kollegen versichern können; und endlich sollten diese Cäsaren, die ja ihrerseits als ihre Nachfolger in die führende Stellung hineinwuchsen, die Kontinuität der Herrscherfolge gewährleisten.

Das Reich selbst war in vier Teile unterteilt. Der Osten und Italien galten als die ehrenvollsten, Donau- und Rheinprovinzen als die schwierigsten Reichsteile. Die erstgenannten verlangten nach der Anwesenheit eines Augustus, letztere wurden den Händen der Cäsaren anvertraut. Die gesamte Heeresmacht war unter die vier aufgeteilt, und die zum Verzweifeln geringe Aussicht, sich gegen vier fürchterliche Feinde nacheinander erfolgreich zu behaupten, mag den hochfliegenden Ehrgeiz von so manchem machtbesessenem General gedämpft haben. In Zivilangelegenheiten übten die Herrscher ungeteilte Machtbefugnisse aus, und ihre Erlasse, unterschrieben im Namen aller Vier, hatten in allen Provinzen Geltung, da sie nur nach gegenseitiger Beratung und Anerkennung verkündet wurden. Trotz dieser vorbeugenden Maßregeln begann sich die politische Einheit des Reiches aufzulösen und das Prinzip der Teilung zu herrschen, welche im Laufe nur weniger Jahre die endgültigen Trennung in ein West- und Ostreich vollendete.

 

ANWACHSEN DER STEUERLASTEN

Diesem System Diocletians wohnte noch ein weiteres, sehr handgreifliches Manko inne, welches selbst heute noch nicht vollständig abzuschätzen ist; ein aufgeblähtes Regierungssystem und damit einhergehend ein Anwachsen der Steuern und der Belastung der Bevölkerung. Anstelle eines einzigen maßvollen Haushaltes mit Sklaven und Freigelassenen, mit denen sich etwa die schlichte Größe eines Augustus oder Trajan zufriedengegeben hatte, wurden drei oder vier gewaltige Königshöfe in unterschiedlichen Reichsteilen eingerichtet, und eben so viele römische Könige wetteiferten untereinander und dazu noch mit dem persischen Großkönig um die leere Genugtuung, Spitzenleistungen in Pracht- und Glanzentfaltung zu erbringen. Die nackte Zahl der Minister, der Magistrate, der Befehlshaber und der Diener, die in den unterschiedlichen Teilen des Reiches tätig waren, übertraf die früherer Zeiten um ein Vielfaches; und (wenn wir uns denn den beißenden Ausdruck eines Zeitgenossen ausleihen dürfen) ›als dann die Anzahl derer, die einkassierten, diejenige übertraf, welche zahlten, wurden die Provinzen unter der Steuerlast zerquetscht.‹ Lactantius, de Mortibus 7.

Es fiele leicht, von diesem Zeitpunkt bis zum endgültigen Untergang des Reiches eine ununterbrochene Reihe von Klagen und Beschwerden aufzuzeichnen. Je nach Religion und Stellung widmeten die einzelnen Autoren nacheinander dem Diocletian, Constantin, Valens oder Theodosius ihren bittersten Hass; immerhin besteht zwischen ihnen darin Einmütigkeit, wenn sie die Last der Steuern im Allgemeinen und der Land- und Kopfsteuern im Besonderen als das unerträgliche und stündlich wachsende Übel ihrer Zeit ausmalen. Infolge solcher Unübersichtlichkeit wird man nun den unparteiischen Historiker, welcher aus der Satire ebenso die Wahrheit herausdestillieren muss wie aus einer Jubelrede, bereit finden, die Schuld gleichmäßig auf die angeklagten Herrscher zu verteilen und ihre maßlosen Geldforderungen weniger ihren jeweiligen persönlichen Lastern zuzuschreiben als ihrem stets gleichbleibenden Verwaltungssystem. Urheber des Systems war allerdings Kaiser Diocletian; aber unter seiner Regierung hielt sich das wachsende Übel noch leidlich in Grenzen; und nicht dafür steht er unter Anklage, dass er sich persönlich bereichert, als vielmehr, dass er ein verhängnisvolles Vorbild abgegeben hat. Indicta lex nova quae sane illorum temporum modestia tolerabilis, in perniciem processit. [Ein neues Gesetzt wurde erlassen, welches ganz gewiss den bescheidenen Anforderungen jener Zeit erträglich war, nunmehr aber ins Verderben führt]. Aurelius Victor, de Caesaribus 39, der Diocletians Charakter mit tiefer Einsicht und elendem Latein beschrieben hat. Es sollte noch hinzugefügt werden, dass seine Steuern planvoll und haushälterisch verwaltet wurden; und dass nach Abzug aller laufenden Ausgaben übergenug in der kaiserlichen Schatulle zurückblieb, Freigebigkeit oder Hilfsbereitschaft auszuüben.

 

DIOCLETIAN UND MAXIMIAN DANKEN AB

Es war im einundzwanzigsten Jahre seiner Herrschaft, dass Diocletian seinen denkwürdigen Beschluss umsetzte und abdankte; man hätte diese Tat füglich von dem älteren oder jüngeren Antoninus erwartet, aber nicht von einem Herrscher, der sich weder auf dem Wege zur Macht noch bei ihrer Ausübung als praktischer Philosoph betätigt hatte. Diocletian kann den Ruhm beanspruchen, als erster Herrscher der Geschichte freiwillig zurückgetreten zu sein, welches Beispiel übrigens nachfolgenden Monarchen nicht eben häufig zur Nachahmung diente. Solus omnium, post conditum Romanum Imperium, qui ex tanto fastigio sponte ad privatae vitae statum civilitatemque remearet. [Der Einzige von allen, der seit Gründung des Römischen Reiches von so großer Höhe in den privaten und bürgerlichen Stand herabgestiegen ist]. Eutrop. 9, 28.

 

VERGLEICH MIT KARL V. VON HABSBURG

Naturgemäß drängt sich die Parallele zu Karl V. von Habsburg auf, und zwar nicht nur, weil ein sprachgewandter Historiker der Gegenwart diese Figur dem englischen Lesepublikum nahe gebracht hat, sondern vor allem wegen der tatsächlich frappierenden Ähnlichkeit zwischen den beiden Kaisern, deren politische Begabung ihre militärische weit übertraf und deren besondere Eignung kein Geschenk der Natur, sondern der Erziehung war. Karls Abdankung scheint durch die Wechselfälle des Schicksals vorangetrieben worden zu sein; das Scheitern seiner Lieblingsprojekte bestimmte ihn, auf eine Macht zu verzichten, die seinen Ehrgeiz nicht mehr zufrieden stellte. Aber die Regierung des Diocletian war eine einzige Erfolgsserie gewesen; auch schien er mit keinen einzigen ernsthaften Gedanken an Rücktritt umgegangen zu sein, solange er nicht den letzten seiner Feinde besiegt und alle seine Pläne vollendet hatte. Weder Karl noch Diocletian standen im Greisenalter; denn der eine war erst fünfundfünfzig und der andere nicht älter als neunundfünfzig Jahre alt; aber das umtriebige Leben dieser Herrscher, ihre Kriege und ihre Reisen, ihre Regentenverpflichtungen und ihr Arbeitseifer hatten bereits ihre Gesundheit untergraben und sie vorzeitig altern lassen. Die Einzelheiten der Reise und der Krankheit stammen aus Lactantius 17, welchen man bisweilen als Bürgen für öffentliche Ereignisse und nur sehr selten für Anekdoten aus der Privatsphäre heranziehen sollte.

 

DIOCLETIANS LANGE KRANKHEIT A.D. 304

Trotz der Widrigkeiten eines sehr kalten und regnerischen Winters verließ Diocletian kurz nach seinem Triumphzug Italien und begann seine Reise in Richtung Osten durch die illyrischen Provinzbezirke. Infolge des nass-kalten Wetters und der Anstrengungen der Reise befiel ihn eine schleichende Krankheit; und obwohl er nur kleine Tagesstrecken zurücklegte und fast immer in einem geschlossenen Wagen befördert wurde, war seine Unpässlichkeit noch vor seiner Ankunft in Nicomedia am Ende des Sommers zu einer ernsthaften und schweren Krankheit ausgewachsen. Den ganzen Winter hindurch war lag er in seinem Palast darnieder; die Gefahr, in der er schwebte, rief sogar eine allgemeine und ungeheuchelte Besorgnis hervor; aber die Öffentlichkeit konnte auf seinen jeweiligen Gesundheitszustand nur aus den Anzeichen von Besorgnis oder Freude schließen, die sie in den Mienen oder dem Verhalten seiner Diener zu entdecken meinte. Das Gerücht von seinem Ableben wurde für längere Zeit allgemein geglaubt, und man argwöhnte, dass man seinen Tod verschweige, um eventuellen Unruhen während der Abwesenheit des Caesar Galerius vorzubeugen. Schließlich jedoch, am ersten März, erschien Diocletian wieder in der Öffentlichkeit, aber derart blass und ausgezehrt, dass selbst seine engsten Vertrauten ihn kaum erkannt haben würden.

Es war an der Zeit, dem schmerzhaften Kampf ein Ende zu setzen, in welchem er sich seit länger als einem Jahr befand, dem Kampf zwischen seiner Gesundheit und seiner kaiserlichen Pflicht. Erstere verlangte Rücksichtnahme und Schonung, letztere forderte von ihm die Verwaltung eines Riesenreiches vom Krankenlager aus. So beschloss er denn, den Rest seiner Tage in ehrbarer Zurückgezogenheit zu verbringen, seinen Ruhm nicht mehr dem Zugriff des Schicksals auszusetzen und die Leitung des Welttheaters seinen jungen und zupackenden Gefährten zu überlassen. Aurelius Victor, Caesares 39, nennt als Gründe für die Abdankung, welche auf vielfältigste Weise erklärt worden ist, wesentlich diese beiden: 1. Diocletians Verachtung des Ehrgeizes; 2. seine Sorge vor künftigen Schwierigkeiten. Eine der Panegyriker (9,9) nennt sein Alter und seine angegriffene Gesundheit eine höchst natürliche Ursache für seinen Rücktritt.

 

ABDANKUNG IN SALONA 1. Mai 305

Die Abdankungszeremonie selbst fand statt auf planem Felde, drei Meilen von Nicomedia entfernt. Der Herrscher bestieg einen erhöhten Thron, und in einer würde- und gedankenvollen Rede erläuterte er dem anwesenden Volk und den Soldaten, die sich zu dieser außerordentlichen Gelegenheit eingefunden hatten, seine Absichten. Danach entledigte er sich des imperialen Purpurs, entfernte sich von der gaffenden Menge, durchquerte die Stadt in einem geschlossenen Wagen und gelangte ohne Verzug zu der Stätte seines Rückzugs, den er sich in seinem Heimatland Dalmatien ausgesucht hatte. Am gleichen Tage, dem ersten Mai, trat verabredungsgemäß auch Maximian in Mailand von allen seinen kaiserlichen Ämtern zurück. Die Probleme und Irrtümer, die im Zusammenhang mit der Jahres- und Tagesdatierung von Diocletians Andankung aufgetreten sind, hat Tillemont vollständig behoben, vgl. Histoire des Empereurs Bd.4, p. 525 und Pagi ad annum. Sogar während der Hochstimmung seines Triumphes war Diocletian mit Abdankungsplänen umgegangen. Da er der Folgsamkeit des Maximian sicher sein wollte, verlangte er ihm entweder eine allgemein gehaltene Zusicherung ab, dass er sein Handeln am Vorbild seines Wohltäters ausrichten werde, oder das bestimmte Versprechen, dass er des Thrones entsagen werde, wann immer ihm dies empfohlen oder durch sein Vorbild nahegelegt werde. Diese Verpflichtung, die durch feierliche Eidesleistung vor dem Altar des kapitolinischen Jupiters Siehe Panegyriker 6,9. Die Rede wurde erst gehalten, nachdem Maximian den Purpur wieder angelegt hatte. noch zusätzliches Gewicht erhielt, hätte das unternehmende Gemüt des Maximian nur wenig zurückgehalten, liebte er die Macht doch über alles und war ihm die gegenwärtige Ruhe ebenso gleichgültig wie das Urteil der Geschichte. Indessen, er beugte sich, wenn auch zähneknirschend dem Übergewicht, das sein weltkluger Kollege über ihn erlangt hatte und zog sich unmittelbar nach dessen Rücktritt in seinen Landsitz in Lucania zurück, an welchem Ort jedoch seinem zupackenden Gemüt naturgemäß keine längere friedliche Einkehr beschieden sein dürfte.

 

STILLE TAGE IN SALONA

Diocletian hingegen, der sich aus kleinsten Anfängen bis zum Thron emporgearbeitet hatte, verbrachte die letzten neun Jahre seines Lebens als Privatmann. Seinen Rücktritt hatte die Vernunft veranlasst und Zufriedenheit, so will es scheinen, hatte dabei das Geleit gegeben; auch mochte er für lange Zeit der Anerkennung jener Herrscher versichert sein, in deren Hände er die Welt gelegt hatte. Eumenius macht ihm ein sehr hübsches Kompliment: ›At enim divinum illum virum, qui primus imperium et participavit et posuit, consilii et facti sui non poenitet; nec amisisse se putat quod sponte transcripsit. Felix beatusque vere quem vestra, tantorum principum, colunt obsequia privatum.‹ Panegyrici 7,15. [Aber jener göttergleiche Mann, der als erster überhaupt kaiserliche Macht empfing und wieder niederlegte, bereut seine Beschlüsse und Taten nicht; er meint nicht, dass er das, was er freiwillig abgegeben hat, verloren hätte. Glücklich und wahrlich gesegnet ist er, den die Hingabe so vieler Fürsten jetzt auch als Privatmann verehrt]. Es kommt selten vor, dass jemand, der sich viel im Getriebe der Welt umgetan hat, imstande ist, sich auf sich selbst zu besinnen, und der Verlust an Macht wird von ihnen vor allem wegen des damit verbundenen Mangels an Beschäftigung schmerzlich empfunden. Die Ablenkungen, die Wissenschaft oder innere Einkehr dem Zurückgezogenen in vielfältiger Weise bereitstellen, konnten Diocletians Interesse jedenfalls nicht fesseln; aber immerhin hatte er sich einen Sinn für die allerunschuldigsten und natürlichsten Vergnügungen bewahrt oder wenigstens bald wiederentdeckt; und so waren seine Mußestunden angefüllt mit Anbauen, Pflanzen und Gärtnern. Seine Antwort an Maximian ist aus gutem Grunde berühmt. Es hatte ihn dieser ruhelose alte Mann angefleht, die Zügel neuerlich in die Hand zu nehmen und den kaiserlichen Purpur wieder anzulegen. Er widerstand der Versuchung mit einem Lächeln des Bedauerns und bemerkte in guter Ruhe, dass Maximian, könnte er nur die Kohlköpfe sehen, die er mit eigener Hand in Salona gepflanzt habe, nicht einen Augenblick länger dieses stille Glück für das Streben nach Macht darangeben würde. Dieses berühmte Bonmot verdanken wir dem jüngeren Victor (Epitome 39). Eutropius (9.28) erwähnt den Vorgang nur in allgemeinen Wendungen.

In seinen Unterredungen mit deinen Freunden merkte er des Öfteren an, dass von allen Künsten die Kunst des Regierens die schwierigste sei; und zu diesem seinen Lieblingsthema äußerte er sich mit einer Herzenswärme, die nur die Frucht langer Erfahrungen sein konnte. ›Wie oft,‹ so seine stehende Rede, ›sind vier oder fünf Minister wenigsten darin einig, ihren Herrscher zu betrügen! In seiner erhabenen Würde ist er dem Getriebe des Lebens entzogen, und es ist ihm unmöglich, die Wahrheit zu erkennen. So kann er nur durch ihre Augen sehen, und er hört nichts außer ihren Verdrehungen. Er berät sich über die wichtigsten Angelegenheiten auf fehlerhafter Grundlage, während die besten und verdientesten seiner Untertanen in Unehre fallen. Durch solche perfiden Kunstgriffe,‹ setzte Diocletian hinzu, ›werden die besten Herrscher zum Opfer der käuflichen Untreue ihrer Höflinge.‹ Vopiscus, Historia Augusta, Aurelian, 43. Vopiscus hatte von diesem Gespräch durch seinen Vater erfahren. Eine angemessene Einschätzung der eigenen Größe und die sichere Erwartung der Unsterblichkeit können uns die Freuden an der Zurückgezogenheit noch zusätzlich würzen; aber der römische Kaiser hatte eine denn doch zu gewichtige Rolle in der Welt gespielt, als dass er jetzt die Freuden und Geborgenheit einer privaten Existenz ohne Abstriche hätte genießen können. Unmöglich konnten ihm die Umwälzungen verborgen bleiben, die das Reich nach seinem Rücktritt heimsuchten. Unmöglich konnte er hierbei gleichgültig bleiben. Angst, Sorge und Verachtung verfolgten ihn bis in seine Einsamkeit zu Salona. Das Unglück seiner Frau und seiner Tochter verletzten seine Empfindsamkeit oder doch wenigstens seinen Stolz; und auch seine letzten Tage wurden durch einige Kränkungen verbittert, die Licinius und Constantin dem Vater so vieler Kaiser und auch dem Urheber ihres eigenen Glückes hätten ersparen sollen. Ein Bericht Der jüngere Victor erwähnt diesen Bericht. Da aber Diocletian eine Vielzahl von mächtigen und erfolgreichen Feinden hatte, konnte sein Andenken durch ungezählte Verbrechen und Unglücksfälle verdunkelt werden. So wird erzählt, er sei im Wahnsinn gestorben, der Senat habe ihn als Verbrecher verurteilt &c. von allerdings sehr zweifelhaftem Wert ist bis auf uns gekommen, dass er sich ihrem Zugriff klugerweise durch einen freiwilligen Tod entzog. – Bevor wir nun unsere Betrachtung von Diocletians Leben und Charakter beschließen, wollen wir für einen Moment unsere Aufmerksamkeit dem Ort seiner letzten Lebensjahre zuwenden.

 

DER PALAST VON SALONA

Salona war die Hauptstadt seiner Heimatprovinz Dalmatien und lag etwa zweihundert römische Meilen (entsprechend den Entfernungsangaben für öffentliche Straßen) von Aquileja und der Grenze zu Italien entfernt sowie etwa einhundertundsiebzig Meilen von Sirmium, der eigentlichen Residenzstadt der Kaiser bei ihren Aufenthalten in Illyrien. Siehe Wesseling, Itineraria p.269 und 272. Ein armseliger Flecken trägt noch heute den Namen Salona, aber noch bis ins XVI Jh. haben die Überreste eines Theaters sowie ein Trümmerfeld aus zerbrochenen Marmorsäulen und Rundbögen von der antiken Größe des Ortes Zeugnis abgelegt. Der Abt Fortis zitiert in seinem Buch ›Viaggio in Dalmazia‹, p. 43 (gedruckt in Venedig im Jahr 1774 in zwei schmalen Bändchen im Quartformat) ein ms. über die Altertümer von Salona, verfasst von Giambattista Giustiani, etwa Mitte XVI. Jh. Etwa sechs bis sieben Meilen außerhalb der Stadt ließ Diocletian eine gewaltige Palastanlage aufführen, und aus der Größe dieses Bauwerkes mögen wir folgern, wie lange er den Gedanken an Rücktritt verfolgt hatte. Die Wahl eines geeigneten Ortes, der alles bot, was der Gesundheit und dem Wohlbehagen zuträglich war, musste nicht der Voreingenommenheit eines Einheimischen überlassen werden. ›Der Boden war trocken und fruchtbar, die Luft rein und belebend und trotz großer Sommerhitze blieb das Land von jenen schwülen und ungesunden Winden verschont, unter denen die Küste Istriens und Italiens zu leiden haben. Der Blick vom Palast war ebenso lieblich wie Boden und Klima einladend. Nach Westen hin liegt die fruchtbare Adriaküste, vor welcher zahlreiche kleine Inseln verstreut liegen, so dass das Meer wie ein großer Binnensee aussieht. Nördlich davon liegt die Bucht, welche zu der antiken Stadt Salona führte, und das dahinter liegende Land bildet einen willkommenen Gegensatz zu dem unermesslichen Eindruck, den das adriatische Meer nach Süden und Osten hervorruft. Nach Norden wird der Blick durch ferne, hohe und unregelmäßige Berge begrenzt, in denen zahlreiche Dörfer, Wälder und Weingärten zu finden sind.‹ Adam's Antiquities of Diocletian's Palace at Spalato, p.6. Wir wollen noch ein oder zwei weitere Umstände hinzufügen, die wir bei Abt Fortis gefunden haben. Der kleine Fluss Hyader, der schon bei Lucan erwähnt wird, liefert eine ganz vorzügliche Bachforelle, was einen klugen Schreiber, möglicherweise einen Mönch, argwöhnen ließ, dass dies der wichtigste Grund für Diocletians Ortswahl gewesen sei (Fortis, Viaggio p. 45). Derselbe Autor merkt auch an (p.38), dass sich in Spalato (Split) das Interesse an Landwirtschaft wiederbelebe; und dass erst jüngst in der Nähe der Stadt durch eine Gesellschaft von Gentlemen eine Versuchsfarm eingerichtet worden sei.

Obwohl es Constantin gefällt, infolge törichter Voreingenommenheit den Palast des Diocletian nur mit Verachtung zu erwähnen, Constantins ›Oratio ad Coetum Sanctotorum‹ 25. In dieser Darstellung versuchen der Bischof oder der Bischof, der sie in seinem Auftrag verfasst hatte, das elende Ende aller Verfolger der Kirche zu belegen. rühmt einer seiner Nachfolger, der die Anlage noch nicht in vernachlässigtem und zerstörtem Zustand gesehen haben kann, seine Prachtentfaltung mit den Ausdrücken höchster Bewunderung. Konstantinos Porphyrogenetos, de Administratione Imperii, p. 86. Sie bedeckte ein Areal von neun bis zehn englischen acres. Sie hatte einen viereckigen Grundriss und wurde von sechzehn Türmen flankiert. Zwei Seiten waren etwa sechshundert Fuß lang, die beiden anderen fast siebenhundert. Erbaut war das ganze aus schönen Quadersteinen, welche aus dem unfernen Steinbruch von Trau oder Tragutium herbeigeschafft wurden und fast die Qualität von Marmor besaßen. Vier Straßen, die sich gegenseitig im rechten Winkel kreuzten, teilten diesen Riesenkomplex in einzelne Abschnitte, und der Zugang zum Hauptgebäude erfolgte über ein beeindruckendes Hauptportal, welches noch heute den Namen Goldenes Tor trägt. Der Zuweg wurde von einem peristyl aus Granitsäulen begrenzt, auf dessen einen Seite wir einen quadratischen Aeskulap-Tempel erblicken, während auf der anderen Seite ein achteckiger Jupitertempel zu sehen ist. Der letztere dieser Gottheiten wurde als der Urheber seines Glückes verehrt, der erstgenannte als der Hüter seiner Gesundheit.

Vergleichen wir die gegenwärtigen Ruinen mit den Angaben des Vitruvius, so können wir schließen, dass er die übrigen Teile des Palastes, die Bäder, Schlafgemächer, das atrium, die basilica und die korinthische und ägyptische Halle mit einem hinreichenden Maß an Genauigkeit oder an Wahrscheinlichkeit beschrieben hat. Ihre Gestaltung war vielfältig, ihre Proportionen ausgewogen, aber sie besaßen zwei Unzulänglichkeiten, welche unseren heutigen Geschmacksvorstellungen sehr widerstreben: diese gewaltigen Räume besaßen weder Fenster noch Kamine. Licht erhielten sie von oben (denn das Gebäude schien nur ein einziges Stockwerk zu besitzen), und Wärme erhielten sie aus Heizungsrohren, welche an den Wänden entlang verlegt waren. Das Hauptgebäude in seiner Größe wurde nach Südwesten durch ein Portico von fünfhundertundsiebzig Fuß Länge abgeschlossen, was einen sehr erhebenden und erfreulichen Spaziergang ermöglicht haben muss, wenn sich zu den Schönheiten der Malereien und Skulpturen noch die landschaftlichen Reize gesellten.

 

NIEDERGANG DER KÜNSTE...

Hätte diese großartige Palastanlage sich in einem einsamen Lande befunden, dann hätte die Zeit gewiss ihre Spuren an ihr hinterlassen; aber die Raubgier der Menschen wäre ihr – möglicherweise – erspart geblieben. Aus ihren Ruinen blühte später das Dorf des Aspalathus D'Anville, Géographie ancienne, Bd.1, p. 162 und viele Jahre später die Provinzstadt Spalato empor. Das Goldene Tor führt heute direkt auf den Marktplatz. Johannes der Täufer wird verehrt, wo man einst Aeskulap anbetete; und der Jupitertempel konvertierte mit Hilfe der Heiligen Jungfrau zu einer respektablen Kathedrale. Für die Darstellung des Palastes von Diocletian sind wir einem hochbegabten Künstler unserer Zeit und unseres Landes verpflichtet, welchen eine natürliche Neugier in das Herz Dalmatiens verschlagen hat. Die Herren Adam und Clerisseau besuchten in Begleitung von zwei Zeichnern im Juli 1757 Spalato. Der großartige Bericht, die Frucht dieser Reise, erschien dann sieben Jahre später zu London. Aber der Verdacht beschleicht uns, dass seine eleganten Schilderungen und Kupferstiche den Objekten, die sie eigentlich nur abbilden sollten, auch ein wenig schmeicheln. Ein jüngerer und äußerst kritischer Reisender erzählt uns, dass die gewaltigen Ruinen ebenso für den Niedergang der Kunst wie für die Größe des Römischen Reiches zur Zeit Diocletians Zeugnis ablegen. Wenn dies wirklich der Stand der Architektur war, dann sind wir naturgemäß auch zu der Annahme genötigt, dass Malerei und Bildhauerei einen noch deutlicheren Niedergang erfahren haben. Architektur wird nach einer Handvoll allgemeiner, fast könnte man sagen, mechanischer Regeln praktiziert. Aber Bildhauerei und insbesondere die Malerei verlangen nicht nur die Nachahmung natürlicher Vorbilder, sondern der Eigentümlichkeiten und Leidenschaften der menschlichen Seele. In diesen erhabenen Künsten ist eine geschickte Hand von geringem Nutzen, wenn sie nicht zugleich durch Phantasie belebt und durch einen sicheren Geschmack und eine gute Beobachtungsgabe geführt wird.

 

...UND DER WISSENSCHAFTEN

Die Feststellung erübrigt sich wohl, dass der angespannte Zustand des Imperiums, die Disziplinlosigkeit der Truppe, die Barbareneinfälle und der zunehmende Despotismus der Kunst und selbst der Gelehrsamkeit nicht günstig waren. Die aufeinander folgenden illyrischen Herrscher haben das Reich erneuert, aber nicht die Wissenschaften. Ihre militärische Erziehung war nicht darauf angelegt, ihnen die Liebe zu geistiger Arbeit einzupflanzen; und selbst Diocletian, wie arbeitseifrig er auch gewesen sein mag – Studien oder Spekulation waren ihm völlig fremd geblieben. Gesetzes- oder Heilkunde sind von allgemeinem Nutzen und werfen sicheren Gewinn ab, so dass sie zu allen Zeiten von einer bestimmten Zahl von Adepten ausgeübt werden, wenn diese nur über leidliche Fertigkeiten und Kenntnisse verfügen; aber es ist nicht vorgekommen, dass die Studierenden dieser beiden Fakultäten irgendeinem berühmten Meister, der zu jener Zeit gelebt hätte, zugeströmt wären. Die Stimme der Dichtung war verstummt. Geschichtsschreibung beschränkte sich auf trockenes und wirres Verfassen von Exzerpten, deren Lektüre weder unterhaltend noch belehrend war. Eine trübe und gekünstelte Beredsamkeit fristete ihr Dasein im Sold und Dienst der Kaiser, welche keine anderen Künste gelten ließen außer denen, die zur Mehrung ihres Ruhmes oder zur Rechtfertigung ihrer Macht beitrugen. Der Redner Eumenius war Sekretär der Kaiser Maximian und Constantius und ferner Lehrer der Beredsamkeit in Autun. Sein Gehalt betrug sechhunderttausend Sesterzen, was, gering veranschlagt, mehr als dreitausend Pfund pro Jahr gewesen sein muss. Er erwirkte die Erlaubnis, in großzügiger Weise diese Gelder zum Wiederaufbau der Lehranstalt einzusetzen.

 

DER NEUPLATONISMUS

Dieses Zeitalter des Niederganges der Künste wird indessen auch charakterisiert durch den raschen Aufstieg und Siegeslauf des Neuplatonismus. Die Schule von Alexandria hatte die Schule von Athen zum Schweigen gebracht; und in den alten Philosophenschulen scharte man sich um modernistische Lehrer, welche ihr System durch neue Methoden und strenge Lebensführung empfahlen. Einige dieser Meister, etwa Ammonious, Plotin, Amelios und Porphyrios Porphyrius starb etwa zu der Zeit, als Diocletian abdankte. Die Lebensbeschreibung seines Lehrers Plotin aus seiner Feder vermittelt uns ein recht umfassendes Bild vom Geist dieser Sekte und dem Auftreten ihres Lehrers. waren tiefgelehrt und von unermüdlichem Fleiß; da sie aber das eigentliche Ziel der Philosophie niemals begriffen hatten, haben ihre Bemühungen wenig dazu beigetragen, das menschliche Wissen zu mehren, aber genug, es zu verwirren. Die Kenntnisse, die uns erreichbar sind, das ganze Arsenal von Moral, Naturwissenschaften und Mathematik, wurde von den Neuplatonikern verachtet, während sie alle ihre Kräfte verausgabten, die Metaphysik zu diskutieren, die Geheimnisse der unsichtbaren Welt zu ergründen und Platon mit Aristoteles zu versöhnen auf Gebieten, von denen diese beiden Denker ebenso wenig verstanden wie der Rest der Menschheit. Und so vergeudeten sie ihren Verstand an diesen ebenso tiefsinnigen wie inhaltslosen Grübeleien und überließen sich schließlich reinen Phantastereien. Sie redeten sich ein, dass sie das Geheimnis kannten, die Seele aus seinem körperlichen Gefängnis zu befreien; standen mit Dämonen und Geistern auf vertrautem Fuß; und machten im Handumdrehen aus dem Studium der Philosophie das der Magie. Die antike Philosophie hat sich über den populären Aberglauben lustig gemacht; nachdem dann die Schüler von Plotin und Porphyrios deren Übertreibungen – dürftig genug – als Allegorie ausgegeben hatten, wurden sie deren rabiateste Verteidiger. Mit den Christen stimmten sie in einigen obskuren Glaubensfragen überein, aber den Rest ihres theologischen Systems bekämpften sie mit einer Wut, die man sonst nur aus Bürgerkriegen kennt. Der Neoplatonismus verdient in einer Geschichte der Wissenschaften schwerlich einen Platz, aber in der Geschichte der Kirche werden wir ihm noch sehr häufig begegnen.


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