Friedrich Gerstäcker
Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten Nordamerikas
Friedrich Gerstäcker

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11.
Aufenthalt in Louisiana und Heimfahrt.

Es mochte ein Uhr sein, als ich den Boden von Louisiana betrat; mein Gepäck war am Lande; die kleine Schaluppe, die mich vom Dampfboot aus ans Ufer gefahren hatte, stieß wieder ab, flog pfeilgeschwind zum rauchenden Koloß zurück, der Lotse gab das Zeichen zum weiterfahren, und schnaubend und rauschend war es bald meinen Blicken entschwunden.

Alles war finster in der Stadt, kein einziges Licht mehr zu sehen, und da ich ganz fremd dort war, wickelte ich mich ruhig in meine Decke und legte mich an die Uferbank hin.

Die Nacht war warm und höchst angenehm, aber wie rasend umtobten mich Millionen von Moskitos, und an Ruhe war gar nicht zu denken; nur als ich mir die Decke über den Kopf zog, daß mir alle Luft ausging, mußten sie mich wohl eine kurze Zeit zufrieden lassen, bis ich erschöpft wieder aufatmete, was dann das Losungswort für Scharen von ihnen war, mit erneuter Wut über mich herzufallen.

Endlich läutete am gegenüberliegenden Ufer die erste Negerglocke, das Zeichen zum Aufstehen für die Schwarzen, und bald darauf zeigte sich auch der erste blasse Streifen im Osten.

Nun aber wurden meine Peiniger auch ganz wie wahnsinnig, und es schien, als ob alle Moskitos von Louisiana gerade da zusammengekommen wären und sich vorgenommen hätten, mich auszusaugen, zu trocknen und aufzubewahren. Ich mußte aufspringen und umherlaufen, um nur etwas Ruhe vor ihnen zu haben.

Der Tag brach endlich an, und mit ihm wurden mehrere Häuser geöffnet, unter anderen das eines deutschen »Kaffeewirts«. Ich legte dort meine Sachen ab und fing an, ein wenig im Orte umherzustreifen. Nach etwa einer Stunde Umherwanderns glaubte ich, es sei spät genug, Korn aufsuchen zu können, welcher Buchhalter bei einem Kaufmann war, fand ihn auch bald – Bayou Sara ist nicht so groß – und wurde herzlich von ihm empfangen.

Vor allen Dingen mußte ich mich aber nun in andere Kleider stecken, denn Jagdhemd und Leggins sind wohl etwas sehr Vorzügliches im Walde, aber doch nicht geeignet, sie in einer Stadt, und noch dazu unter der heißen Sonne von Louisiana, zu tragen. Sommerzeug war jedoch dort nicht teuer; für wenige Taler hatte ich bald einen ganz anständigen leichten Anzug.

Bayou Sara ist ein kleines Städtchen, das von dem kleinen Flusse Bayou, der sich gleich über demselben in den Mississippi ergießt, seinen Namen bekommen hat. Die Häuser waren damals alle von Holz, drei oder vier von Backsteinen gebaute ausgenommen, und es mochte etwa 800 Einwohner zählen, unter ihnen viele Deutsche. Jetzt hat es sich freilich sehr vergrößert, und auch die Stadt selber soll sich nach einem nicht unbedeutenden Brande recht verschönert haben. Besonders viele deutsche Juden gab es dort, die sich vorzüglich mit dem Verkaufe fertiger Kleidungsstücke beschäftigen und nicht selten viel Geld verdienen. Nichts ist deshalb gewöhnlicher, als einen jüdischen Elegant zu finden, der, auf das Geschmackloseste herausgeputzt, vornehm mit der Lorgnette umherschlendert, oder wohl gar aus einem der kleinen Landstädtchen hereinkommend, um Waren von den Bayou Sara-Kaufleuten einzukaufen, nachlässig in seinem Einspänner, mit an einer Seite heraussteckenden Beinen, zurückgebeugt liegt und seine Zigarre raucht. Sie machen sich sehr gut, und gleiche Exemplare habe ich nur unter Berliner Firmen auf der Leipziger Messe wiedergefunden.

Auch viele deutsche Schuster waren dort, und hier fiel mir wieder eine Eigenheit auf, die ich fast an allen deutschen Schustern in Amerika bemerkt habe. Es ist dies die Wut, neben ihrem Geschäft noch Pfefferkuchen und Zuckerwerk zu verkaufen. Da in den Vereinigten Staaten natürlich jedem freisteht, zu kaufen und zu verkaufen, was er Lust hat, so findet man, besonders bei allen Kaufleuten, auch jede Art von Waren, sei es, was es wolle, und sogar beschäftigen sich in kleineren Städten die meisten Apotheker mit dem Ausschnitthandel oder verkaufen Schuhe und Eisenwaren. Wo aber ein deutscher Schuster seinen kleinen Laden aufschlägt, da ist es fast, als ob Pfefferkuchen mit dazu gehörten, und ein paar große Gläser stehen dabei mit allerhand farbigen Zuckerstangen am niedern Fenster, von mächtigem braunen Ingwerbrot überragt, und darüber hängen an Bindfäden Schuhe und Stiefel, und zwischen ihnen treiben sich malerisch Stücken Pech und Ahlen herum. Nicht allein in Bayou Sara und St. Francisville, einer fast ebenso großen Stadt, die etwa eine Viertelmeile davon entfernt auf dem Hügel liegt, sondern in allen kleineren Orten der Vereinigten Staaten, die ich je gesehen, selbst an mehreren Stellen in der großen Stadt Cincinnati, habe ich dieselbe Bemerkung gemacht. Es ist auf jeden Fall eine eigene Liebhaberei.

Eine recht vergnügte Zeit verlebte ich nun in Korns Gesellschaft, der bei gar lieben Leuten eine Anstellung hatte, bis ich endlich am gegenüberliegenden Ufer des Mississippi, in Pointe-Coupee, eine einträgliche Anstellung bekam.

Es war die Führung des Hotels, das Röttken einst hielt und vor seiner Abreise an Herrn Fischer verkaufte. Dieser aber, krank und schwächlich, wie er stets war, hatte besonders damals fast die ganze Zeit im Bette zubringen und das Haus einem Amerikaner überlassen müssen, der auf greuliche Art darin wirtschaftete. Fischers Brüder sahen ein, daß das Geschäft in kurzer Zeit zugrunde gehen mußte, und durch Korn empfohlen, erhielt ich die Führung desselben.

Hier nun, obgleich ich mich in einem ganz andern als bisher gewohnten Wirkungskreise bewegte, arbeitete ich mich doch bald in die mir obliegenden Geschäfte hinein und befand mich sehr wohl, weil ich vollkommen unabhängig war und tun und lassen konnte, was ich für gut fand. Mit Lust und Liebe besorgte ich meine Geschäfte und kann wohl sagen, daß ich bald wieder die ganze Sache in Gang brachte, auch in Pointe-Coupee viel angenehmer als in Bayou Sara lebte, weil ich an jenem Platze fast nur mit den wohlhabenden Pflanzern der Umgegend zu verkehren hatte und unter diesen wackere Leute kennen lernte. Besonders wohnte im Hotel selbst ein irländischer Advokat, der dort eine ausgezeichnete Praxis besaß, und in dem ich einen wahren Freund fand.

Bayou Sara gegenüber, etwas den Strom hinauf, liegt das sogenannte Städtchen Pointe-Coupee, was aber nur aus dem Gerichtshofe, dem Gefängnisse, der katholischen Kirche, der Priesterwohnung und eben dem Hotel besteht. Da aber das ganze Land am Mississippi hin, besonders in Louisiana, niedriger als der Fluß bei hohem Wasserstande liegt, so mußten die Ansiedler einen Damm am ganzen Ufer hin aufwerfen, der gewöhnlich nur 4–5 Fuß, an manchen Orten aber 18–20 Fuß hoch ist. Natürlich ist dieser Damm mit ungeheuern Unterhaltungskosten verknüpft, da der gewaltige Strom die Ufer unterwäscht und ganze Stücke in seinen wilden, schmutzigen Fluten mit fortreißt. Dabei haben die unmittelbar am Flusse Wohnenden alle Kosten und Arbeit zu tragen, ja sind sogar verpflichtet, diesen Damm imstande zu erhalten, während die im Innern des Landes Wohnenden, deren Felder den Überschwemmungen des Mississippi weit mehr ausgesetzt sind, nicht den mindesten Beitrag dazu zu steuern brauchen; jedoch wurde die letzten Jahre stark darüber geredet, diesem Mißverhältnis abzuhelfen.

Die Hauptprodukte in Pointe-Coupee sind Baumwolle, Mais und Zuckerrohr, doch geraten auch alle Arten von Gartengewächsen sehr gut. Die Gärten selbst sind mit süßen und sauren Orangen, Feigen, Pfirsichen und Granatäpfeln gefüllt, und das milde Klima bringt eine unendliche Masse der schönsten Blumen hervor.

Was aber wieder den Ackerbau, wenigstens in einem Teile von Pointe-Coupee, sehr erschwert, ist das sogenannte Cocogras, was, unseren Quecken gleich, das Land torfartig verbindet, und dessen Wurzeln sich 12–15 Fuß in die Erde hineindrängen. Wo der Mississippi Stücken vom Ufer losreißt, läßt sich das am besten erkennen.

Ist es erst einmal auf einem Stück Land eingerissen, so hält es ungeheuer schwer, es zu vertilgen; denn es wächst so schnell, daß es, wenn abends abgeschnitten, morgens schon wieder einen Zoll hochgetrieben hat. Das Gras ist für das Vieh nicht besonders gut; doch fressen die Schweine leidenschaftlich gern die kleinen, erbsenartigen Knollen, die es trägt, und die einen starken kampferartigen Geruch und Geschmack haben.

Die Pflanzer sind größtenteils Kreolen, und die Hauptsprache ist Französisch. Doch da auch viele Amerikaner dort herum wohnen, so werden die Gerichtssitzungen teils französisch, teils englisch geführt.

Auch ein Gefängnis ist dort, damals aber war ein so erbärmlicher Gefängniswärter darin – Fritz Haydt, ein deutscher Schuster –, daß jeder Gefangene, der nur irgend Lust hatte, sich zu befreien, den Schließer durchprügelte und sich empfahl, was in den letzten Jahren verschiedene Male vorfiel.

Einen unangenehmen Eindruck aber macht hier die Sklaverei auf den nicht daran Gewöhnten; denn obgleich ich mich schon lange in Sklavenstaaten aufgehalten und die gedrückte Lage, wie die Behandlung der armen Schwarzen, mit angesehen hatte, war mir das Schreckliche derselben doch nie so vor Augen getreten, als bei der ersten Auktion, der ich beiwohnte, und auf der Sklaven wie irgendein Stück Vieh an den Meistbietenden verkauft wurden. Mit Zittern und Zagen standen die armen Geschöpfe da und folgten mit ängstlichem Blicke dem Bietenden, wohl im voraus zu erkennen, ob sie einen guten oder strengen Herrn an ihm haben würden. Zwar werden nicht mehr so häufig wie früher Familien und Mutter und Kind getrennt, solange solches wenigstens noch klein ist. In größeren Auktionen ist das Gericht auch immer menschlich genug, die Familien nur zusammen zu verkaufen. Der einzelne kümmert sich aber nicht um die in dieser Hinsicht vielleicht mildernden Gesetze; er veräußert die Sklaven auch einzeln, und wie häufig geschieht es dann, daß die heiligsten Bande einiger hundert Dollars wegen zerrissen werden.

Ich habe herzbrechende Szenen dabei gesehen. Übrigens ist die Behandlung der Schwarzen besser, als sie gewöhnlich, besonders von den Missionären und Abolitionisten, ausgeschrien wird. Es liegt ja auch im eigenen Vorteil des Eigentümers, den Sklaven, den er besitzt, gesund und arbeitsfähig zu erhalten und ihn zugleich nicht zu sehr anzustrengen, da er ihn sonst im Alter zu ernähren hat. So ist auch die Kost wohl nicht schlechter, als die, womit in unserem lieben Vaterlande der arme, freie Mann seinen nagenden Hunger befriedigen muß. Daß nun auch hiervon Ausnahmen stattfinden, und oft einzelne Pflanzer ihren Sklaven schlecht und unmenschlich begegnen, will ich nicht bestreiten; doch habe ich auch wieder Leute gesehen, die ihre Leibeigenen fast wie die eigenen Kinder behandelten.

Wir hatten selbst in unserem Hotel zwei Schwarze, eine Köchin und ein Stubenmädchen, ebenfalls Sklavinnen, ebenso einen Hausknecht, doch haben sich diese nie, solange ich dort war, über schlechte Behandlung beklagen können.

Der Schwarze oder Abkömmling von Schwarzen darf nicht von seinem Wohnorte hinweggehen, ohne von seinem Herrn einen Paß ausgestellt zu erhalten, während der freie Neger seine Papiere bei sich tragen muß, um sich, im Fall er angehalten wird, ausweisen zu können. Hat ein Sklave keinen Paß, so kommt er in das Gefängnis, bis ihn sein Herr, nachdem er die Kosten bezahlte, herausholt.

Häufig flüchten entflohene Neger in den Wald, und ich erinnere mich, daß sie in Tennessee ordentliche Treibjagden anstellten, um sie wieder zu bekommen. Zwar dürfen jetzt keine afrikanischen Neger mehr eingeführt werden, wenigstens ist strenge Strafe auf den Bruch dieses Gesetzes bestimmt, doch habe ich in Pointe-Coupee und Umgegend noch viele Schwarze gesehen, die aus ihrem Vaterlande direkt hergeschafft waren, und dort, um sie von den in Amerika geborenen zu unterscheiden, Guinea-Neger genannt wurden.

Schrecklich ist es, daß den armen Schwarzen alle Erziehung versagt wird, da sie, wenn sie schreiben und lesen könnten, sich auch selbst ihre Pässe schreiben würden, und dann vielleicht mit Hilfe deren entfliehen könnten. Wie die Haustiere werden sie zur Benutzung und Vermehrung aufgezogen, und doch haben eben diese Vereinigten Staaten den schönen Satz in ihrer Unabhängigkeits-Erklärung, daß alle Menschen frei und gleich seien.

In den Städten nehmen die Methodistenprediger den armen Schwarzen das bißchen Verstand, was ihnen Gott gelassen hat, noch vollends hinweg, indem sie dieselben in ihrem tollen Glauben unterrichten und sie springen und jauchzen machen. Springen und jauchzen! – Sie müssen dem lieben Gott noch dafür danken, daß sie auf der Welt sind und sich quälen dürfen; müssen die Rute noch küssen, die sie züchtigt. Ja, wohl pressen sie ihre Lippen manchmal daran, aber sie lassen die Eindrücke ihrer Zähne zurück, und Blut fließt nach dem gewaltigen Drucke; denn wenn sie gegen die Tyrannei der Weißen sich nicht offen auflehnen dürfen, geschieht es heimlich, und mancher des ihnen verhaßten Geschlechts fällt in der Stille von der Hand der oft mutwillig Mißhandelten. Die Beispiele sind sehr häufig, und wenn auch die Strafe fürchterlich ist, die den Neger, der Hand an einen Weißen legt, erwartet, kann sie die Tat nicht verhindern. Nur die Täter macht sie vorsichtiger.

* * *

Meine Streif- und Jagdzüge hörten nun auf, denn bis zu meiner Heimreise, die im nächsten Jahr erfolgte, veränderte ich meinen Wohnort nicht mehr. Die Jagd selber stellte ich aber doch noch nicht ganz ein, wo es meine Mußestunden nur irgend erlaubten, und Pointe-Coupee bot mir darin wieder manches Neue. Allerdings mußte ich hier größerem Wild, Alligatoren ausgenommen, entsagen und mich mit kleinerem begnügen.

Dazu gehörte z. B. die Entenjagd. Der Winter dort war sehr gelinde, so daß sich an den kältesten Tagen nur auf kleinen Lachen und Pfützen Eis zeigte und Schnee zu den Seltenheiten gehörte. In dieser Jahreszeit kamen denn auch Massen von Enten herunter, und ich schoß sie meist morgens und abends auf dem Anstande – natürlich mit der Schrotflinte.

Im Frühjahr und Herbst betrieb ich aber desto eifriger die Schnepfenjagd, und zwar nicht wie bei uns am hellen Tage oder in der Früh- und Abenddämmerung, sondern in stockfinsterer Nacht mit der Kienfackel, wie ich in Arkansas die Hirsche geschossen hatte. Nur das eine war dabei zu beobachten, daß man eine sehr schwache Ladung in das Gewehr tun mußte, da man auf sehr geringe Entfernung beim Schein der Fackel an die Schnepfen ankommt, die eben sorglos um das Licht auf den feuchten Wiesen hin und her laufen, ihrer Äsung nachzugehen. So vertraut sind diese Tiere, daß die Neger, die ohne Erlaubnis ihres Herrn keine Flinte führen dürfen, nur mit der Fackel oder Pfanne und lang abgehauenen Ruten hingehen und die kaum ausweichenden Schnepfen totschlagen.

Zwei Arten derselben, und zwar bedeutend kleiner als die unsrigen, kommen vor, doch sind sie in ungeheurer Menge vorhanden, liegen am Tage in den dichten Schilfbrüchen und Sümpfen und kommen abends in die feuchten Wiesen und Baumwollenfelder, wo sie sich dann, wenn sich der Jäger mit der Fackel nähert, gewöhnlich niederducken und geduldig schießen lassen. Ich habe oft zwanzig an einem Abende, d. h. in etwa zwei Stunden Umhergehens, erlegt. Erst wenn das Wetter anfängt warm zu werden, ziehen sie nach dem Norden fort. Sie sind delikat und fast noch zarter als die deutschen.

So gut mir aber die Schnepfen schmeckten, so wenig kann ich von Schnepfendreck sagen, denn da ich immer genug von den ersteren hatte, ließ ich den letzteren unberührt.

Der Frühling begann jetzt, und wahrlich, ein Frühling in Louisiana ist etwas zauberisch Schönes; alle die Gräser und Blumen, die sich aus der Erde, all' die Knospen und Blüten, die aus den Zweigen der Bäume hervorquellen, erfüllen den Beschauenden mit Entzücken. Besonders herrlich nahm sich jetzt das graue, silberhaarige Moos aus, das in langen Behängen von den Bäumen herabwehend, im Winter ihnen ein gar trauriges, ödes Ansehen verleiht, aber dafür auch so viel lieblicher erscheint, wenn es im Frühjahr, selbst eine etwas lebhaftere Farbe annehmend, überall von den maigrünen Blättern und Blütenknospen durchbrochen wird, und dann den Baum wie ein silbergraues, mit grünen Girlanden und Buketts durchflochtenes Kleid schmückt. Am schönsten sehen die langen, schlanken Zypressen von den grauen Schleiern umweht aus.

Alle möglichen Arten von Vögeln ließen sich jetzt blicken, und der mocking bird (Spottvogel) oder, wie er auch wohl sonst genannt wird, »die amerikanische Nachtigall« zeigte sich in großer Menge und flötete, besonders nachts, wenn auch nicht so schwermütig und bezaubernd wie die unsere, doch sanft und lieblich.

Vor dem Hause, wie überhaupt vor allen Plantagen in Louisiana, standen mehrere Chinabäume, die dort überall der Zierde und des Schattens wegen gepflanzt werden, und unter ihnen auch ein alter Patriarch, der seine Äste weit ausgebreitet hatte und von dem früheren Eigentümer dazu benutzt war, einen Sommersitz darauf anzulegen. Es war eine Treppe hinaufgebaut und oben ein kleiner runder Tisch mit mehreren Bänken angebracht. In diesem Baume nun, und von Zweig zu Zweig, hatte ich meine Hängematte aufgeknüpft, über diese hinweg ein Moskitonetz geschlungen und schlief nun hier zwischen den heliotropartigen Blüten des Baumes, von den lauen Nachtwinden geschaukelt, von tausend Glühwürmern umschwärmt und vom Flöten des mocking bird und dem Rauschen des mächtigen Mississippi, der kaum zwanzig Schritte von dem Baume vorbeiströmte, eingesungen. O, es waren das himmlische Nächte!

Die Hitze wurde im Mai schon, besonders während der Mittagsstunden, drückend, und die Sonne schien gerade herunter zu brennen; wenn sich jedoch alle Weißen zurückgezogen hatten, ihre Siesta zu halten, nahm ich meine Büchse und Harpune und ging etwas vom Fluß zurück an die Sümpfe, um Alligatoren zu schießen, die in dem warmen, stehenden Wasser sich in unglaublicher Anzahl aufhielten.

Was sind nicht schon für schreckliche Geschichten über die Furchtbarkeit dieser Alligatoren geschrieben worden, die mit einem wahren Heißhunger und entsetzlicher Mordlust die Annäherung irgendeines menschlichen Wesens erwarten und sich dann sogleich wütend auf den Nahenden stürzen sollen. Ich habe sie stets als liebe, harmlose Tiere gefunden und ihre Jagd mit großem Eifer getrieben.

In den ungeheuren Sümpfen Louisianas und überhaupt in dem ganzen südlichen Teile der Vereinigten Staaten lebt in den warmen Wassern der Lagunen und Flüsse dieser Alligator in ungeheurer Anzahl.

Er gehört zu dem Geschlechte der Eidechsen und hat ganz die Gestalt und Beschaffenheit dieser Tiere, erreicht aber, besonders in den südlichsten Teilen von Louisiana und Florida, oft eine Länge von 12–16 Fuß. Der ungeheure Kopf, der fast den vierten Teil des ganzen Körpers ausmacht, öffnet wie der Heifisch den Oberkiefer statt des Unterkiefers und zeigt dann ein äußerst anständiges Gefänge, das den gewaltigen rosenroten Schlund einfaßt. Den Körper selbst umgibt eine harte, panzerartige, aus lauter kleinen eckigen Stücken bestehende Haut, die unter dem Bauche in weißen harten Schuppen ausläuft. Die Nasenlöcher ragen am Ende des Rachens über diesen empor und liegen dicht zusammen, und wenn der Alligator an einem stillen, sonnigen Tag auf dem Wasser gewissermaßen ruht, so schauen nur die Lichter, mit einem kleinen Teil des Kopfes und Nackens, und dann weiter vorn, oft 16–22 Zoll von ihnen entfernt, die Nasenlöcher über den Wasserspiegel hervor. Die Lichter selbst sind sehr klein und sehen tückisch und katzenartig aus; die Läufe sind kurz und zum Gehen ungeschickt, desto besser aber schwimmt der Alligator dafür. Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen ist es, im heißen Sonnenschein auf den sandigen Uferbänken der Seen oder Flüsse zu liegen, und mit aufgesperrtem Rachen das Herbeifliegen von Insekten abzuwarten, die durch den bisamartigen Geruch, welchen einige Drüsen, die er unter dem Halse trägt, verbreiten, angelockt werden, sich auf seine breite Zunge setzen und von ihm, wenn er genug zu haben glaubt und zuschnappt, mit größtem Wohlbehagen verspeist werden.

Die Brutzeit ist im April und Mai; das Weibchen legt seine Eier in ein gewöhnlich aus Schlamm und Schilf zusammengebautes Nest und zwar 80–120, ja 130 Stück, welche es von der Sonne ausbrüten läßt. Die jungen, auskriechenden Alligatoren haben jedoch sehr viele Feinde; Aasgeier oder Bussards, Schlangen, ja das Männchen selbst, das oft fast die ganze Brut verschlingen soll, stellen ihnen nach; es bleiben aber doch noch genug übrig, um die zahlreichen Seen und Lagunen der südlichen Länder im Überfluß mit ihnen zu bevölkern.

In der Paarungszeit kämpfen die alten Alligatoren manchmal mit Rachen und Schwänzen blutige Schlachten. Der lange, gepanzerte Schwanz ist überhaupt seine gefährlichste Waffe, doch gebraucht er ihn weniger zur Erlegung, als zur Erreichung seiner Beute, denn er faßt damit das ausersehene Opfer und wirft es nach vorn, gegen seinen Rachen zu, der es dann mit freundlichem Zuschnappen empfängt.

Dem Alligator geht es nun wohl in einer Hinsicht wie Maria Stuart – er ist besser als sein Ruf –, denn die schrecklichen Geschichten, die man von seiner Mordgier und seinem unverwüstlichen Haß gegen das menschliche Geschlecht erzählt, sind meistens übertrieben. – Ein Weißer hat, wenn er ihn nicht selber angreift und verwundet und auch dann nur selten – sehr wenig von ihm zu fürchten, den Negern freilich stellen sie nach; der pikante, dieser Rasse eigene Geruch, der, aufrichtig gesagt, besonders an heißen Sommertagen gerade nicht zu den angenehmsten gehört, lockt sie an; sie lieben diesen Geruch einmal, und wer kann sie deshalb tadeln? – Kauen doch manche Menschen asa foetida (Teufelsdreck), um ihren Atem zu reinigen. Also sie lieben die Neger – wenigstens dann und wann einen Arm oder ein Bein von ihnen, und die schwarzen Söhne Äthiopiens hüten sich wohl, tief in eine dieser Sumpflagunen hinein zu waten. Dabei hegen sie auch noch eine zärtliche Leidenschaft für Ferkel und Hunde. Jene verzehren sie gewöhnlich ganz, diese nur teilweise, da der Hund, von dem Alligator erfaßt, kaum einen Schmerzensschrei ausstößt, als auch schon die anderen, dadurch angelockt, von allen Seiten herbeiströmen und die Beute teilen; den weißen Mann aber scheuen sie, verlassen bei seiner Ankunft das Ufer, an dem sie gesonnt, und tauchen unter.

Schaden tun sie also nur insofern, als sie die hier und da sich ihnen nähernden Ferkel abfangen, seltener einmal einen jungen Neger unter Wasser ziehen, oder eine Negerin, die am Ufer zu waschen gedenkt, bei einem Beine erwischen; da aber auch der Nutzen, den sie der menschlichen Gesellschaft bringen, sehr gering ist, und sie überdies noch ein häßliches, boshaftes, gefährliches Aussehen, was aber noch das Allerschlimmste ist, einen schlechten Ruf haben (denn es ist ein altenglisches Sprichwort: »Hängt einen Hund lieber, ehe ihr ihm einen schlechten Namen gebt«), so wird ihnen, wo man ihrer habhaft werden kann, mit Kugel und Harpune, oft auch gar mit großen Angelhaken nachgestellt.

Ganz ohne Nutzen sind sie übrigens doch nicht; denn die großen feisten Burschen werden in Kessel getan und das Fett herausgeschmolzen, das besonders gut zu den verschiedenen Maschinerien, die das Reinigen der Baumwolle erfordert, gebraucht werden kann. Die Schwänze der kleineren, die bis höchstens 6 Fuß lang sind, schmecken dabei delikat, nur muß das Fleisch bald von den Rückengräten abgelöst werden, da es sonst den diesen Tieren eigenen bisamartigen Geschmack annimmt.

Ein unfern von uns wohnender Pflanzer in Pointe-Coupee hatte mich lange schon geplagt, eine ordentliche Alligator-Jagd vorzunehmen, da er gar zu gern einige Gallonen von dem Fett dieser lieben Bestien zu haben wünschte und ich die einzige gute Harpune in der Gegend besaß. Als er daher eines Morgens mit seinem Sohne und zwei pechschwarzen Negersklaven zu mir kam und erzählte, daß er schon am vorigen Abend zwei leichte Kähne in den hinter seinem Hause liegenden See, der durch schmale Lagunen mit fünf oder sechs anderen in Verbindung stand, geschafft hatte und nun eine ordentliche Jagd beabsichtige, so schulterte ich meine Harpune, steckte mein kleines Skalpiermesser in den Gürtel, und dem jungen Harbour die Büchse überlassend, mit der er ziemlich gut umzugehen wußte, schlenderten wir langsam dem etwa 1½ englische Meile entfernten See zu.

»Was trägst Du denn da, Ben?« fragte ich den einen der Neger, der etwas in grobes Baumwollenzeug eingeschlagen unter dem Arm hielt, das mir Leben zu haben schien.

»Kann selber reden – Massa!« sagte der Schwarze grinsend, indem er den fürchterlichen Mund von einem Ohr bis zum andern aufriß und zwei Reihen blendend weißer Zähne zeigte – »kann selber reden,« und dabei preßte er mit dem linken Ellbogen das seiner Sorgfalt Empfohlene.

»Quietsch!« sagte ein kleines Ferkelchen, das jetzt mit allen vier Läufen zu strampeln anfing.

»Stille halten, Kleines,« beruhigte es der Neger – »gutes Tierchen – so recht!«

Er trug es mit sich, um durch das Schreien desselben die Alligatoren herbeizulocken und dann leichter zu schießen. Endlich erreichten wir einen schmalen Damm, der den größten See in zwei Hälften teilte und an dessen Einlauf die Kähne befestigt lagen. Obgleich wir aber schon Ende Juni hatten, war das Wasser doch noch sehr hoch, denn der Mississippi, durch den Schnee der Felsengebirge angeschwellt, hielt die tiefer als seine Ufer liegende Niederung gefüllt, daß all das innere Land überschwemmt war und einem ungeheuern See gleich dalag, den nur hier und da schmale Streifen Landes oder Dämme durchzogen. Auch dieser Damm, an welchem unsere Kähne befestigt waren, ragte kaum 2 Zoll naß und schwammig über die Wasserfläche empor.

Zwei Drucker, welche die »Pointe-Cupee-Chronicle« redigierten, setzten und druckten, hatten sich unserer Jagd noch angeschlossen, und wir machten jetzt, also mit dem Ferkel im ganzen acht Personen aus, die sich nun der alte Harbour anschickte, gleichmäßig zu verteilen. Zuerst kam in jedes Boot ein Neger »zum Rudern«, dann ein Buchdrucker »zum Zusehen« – denn viel mehr Nutzen erwarteten wir nicht von ihnen –, dann der junge Harbour mir der Büchse in ein Boot und ich mit der Harpune in das andere »zum Jagen«, und ich bekam das Ferkel, während der alte Harbour zu seinem Sohne in den Kahn trat, der jetzt ganz kaltblütig bemerkte, das Ferkelchen und er – der Vater – wären zum Quietschen.

Die Sonne brannte grimmig heiß, und kein Schatten bot sich auf der ganzen weiten Wasserfläche als der, den manchmal einzeln stehende Zypressen, mit dem langen grauen Moose bewachsen, warfen; nicht ein Lüftchen regte sich; kein Vogel zirpte; kein Frosch quakte; alles lag in träger, schlaffster Ruhe, und selbst die einzelnen Alligatoren, die mit ihren schwarzen Köpfen wie Stücke halbverbrannten Holzes auf der spiegelglatten Wasserfläche trieben, sahen aus, als ob sie schliefen, hätte nicht manchmal einer der großen Burschen den rosenroten Rachen aufgerissen, dessen Oberkiefer dann einen Augenblick emporstand und mit schwerem Schlage wieder zuklappte.

»Selbst die Alligatoren langweilen sich hier,« sagte Kelly, der eine Drucker, der bei mir im Boote war.

»Wird schon lebhaft werden, Massa,« lachte der Neger, »wenn das Kleine hier spricht!«

Das Ferkel seufzte wehmütig im Sacke.

Wir stießen jetzt vom Lande ab, hielten uns im Anfange dicht zusammen und versuchten leise an die Alligatoren hinanzugleiten; sie waren aber zu scheu, und immer, wenn wir fast in Schußnähe zu sein glaubten, sanken sie unter. Ich hatte mich auf das Vorderteil des Kahnes gestellt und erwartete ruhig das Erscheinen eines der Burschen auf 12–15 Schritt Entfernung, doch der alte Harbour wurde ungeduldig und rief zu uns herum:

»Drückt doch das Ferkel einmal, ins Teufels Namen!«

Der Buchdrucker aber, der sich aufrecht hingestellt hatte, um die Wasserfläche um so besser übersehen zu können, und dem es wahrscheinlich zu viel Mühe schien, sich zu bücken, trat ohne eine Miene zu verziehen, dem armen kleinen Ding auf den Bauch.

»Quiiiiitsch!« schrie dieses in Todesangst.

»Massa – um Gottes willen,« rief aber auch erschrocken der Neger und hörte mit Rudern auf, »das mein Schwein – Ihr tretet's tot!«

Das Experiment hatte jedoch den gewünschten Erfolg gehabt; mehrere der langen Gesellen, die vorher von uns weggeschwommen waren, drehten sich jetzt und kamen langsam auf uns zu. Der Neger mußte mit Rudern aufhören und sich ganz ruhig verhalten, und nahe heran, auf etwa 30 Schritt strich ein gewaltiger alter Bursche von 12 Fuß Länge. Einen Augenblick hielt er und traute den Booten doch nicht so recht; der Neger aber, der zu seinem Schweinchen niedergekniet war, ließ dieses einen ganz kleinen, winzigen Schrei tun, und dadurch angelockt, schwamm er herbei.

»Feuer!« rief jetzt der alte Harbour. Die Büchse krachte, und in demselben Augenblick auch fast drehte sich das tödlich verwundete Ungeheuer herum und zeigte den weißen, schuppigen Bauch; im Vorschießen und Umsichschlagen war es aber glücklicherweise meinem Kahne nahe genug zum Wurf gekommen, und im Nu saß ihm auch die scharfe dreizackige Harpune in den Weichen.

Der Schuß aber, der ihm das Hirn zerschmettert hatte, erlaubte ihm nicht mehr viel zu reißen und zu zerren, und leicht zogen wir ihn dicht an den Kahn heran; das gewaltige Tier aber in das kleine Fahrzeug zu nehmen, das wäre auf keinen Fall angegangen, und wir ruderten deshalb schnell ans Ufer zurück und schleppten es dort, wobei es jedoch noch tüchtig mit dem Schwanze umherhieb, unter einen Baum.

Der Versuch mit dem Ferkel wurde jetzt mehreremale wiederholt, und der junge Harbour schoß noch vier Alligatoren, von denen wir jedoch nur zwei bekamen, da ich nicht schnell genug mit der Harpune hin konnte, und ich harpunierte drei, die sich zu nahe an mich herangewagt und die Gefahr zu spät eingesehen hatten. Zwei waren jung und saftig, und ich schnitt ihnen augenblicklich für meinen eigenen Tischgebrauch die Schwänze ab.

Nach und nach mochten sie es aber doch wohl wegbekommen haben, daß es mit dem Schweine nichts war, denn in immer weiteren Kreisen umzogen sie unsere Kähne, und wir konnten keinen mehr auf Schußweite anlocken. Das wurde also aufgegeben; der Neger aber, der in meinem Kahne ruderte, machte seine Sache so ungeschickt und vollführte einen solch greulichen Spektakel, daß an Anschleichen mit dem Burschen gar nicht zu denken war. Ich ließ ihn daher von der Ruderbank aufstehen, die ich jetzt einnahm, und übergab die Harpune Kelly, der mich inständig bat, auch einmal einen harpunieren zu dürfen, wobei er beteuerte, zu Hause in Kentucky manchen großen Catfisch auf diese Art gefangen zu haben; unsere beiden Kähne blieben aber jetzt nicht mehr beieinander, und ich legte ein Ruder nieder, während ich das andere aus dem Ruderloche nahm und in der Hand führte, da ich auf diese Art am geräuschlosesten fortgleiten konnte.

Lange schon hatte ich versucht, an einen ziemlich großen Alligator hinanzukommen, immer aber noch war er mir entgangen, obgleich ich mir genau gemerkt hatte, wo er untertauchte, und in welcher Entfernung er dann immer wieder an die Oberfläche kam. Jetzt sank er eben wieder, und mit aller Kraft das Ruder führend, daß der Kahn mit Blitzesschnelle über die Wasserfläche dahin schoß, versuchte ich ihn beim Emporkommen zu überraschen und rief Kelly zu, aufzupassen. Ich hatte das Wort kaum gesagt, als der schwarze Kopf der Bestie sichtbar wurde; ebenso schnell wollte er nun zwar wieder niederfahren, doch war es zu nahe, kaum ein Schritt, als daß ihn Kelly hätte fehlen können; das Eisen saß, und mit gewaltigem Ruck schoß er vorwärts.

Eine solche Harpune ist auf folgende Art eingerichtet: Das dreizackige, mit Widerhaken versehene Eisen ist etwa 18 Zoll lang und 3–4 Pfund schwer; in diesem sitzt eine leichte, 10 Fuß lange Stange, die beim Wurf vom Eisen abgeht, um dessen Mitte ein starkes Seil gut befestigt ist, das an der Stange hinauf läuft, an dieser oben wieder festsitzt und nun noch etwa 12–16 Fuß freien Spielraum gewährt, so daß die ganze Länge des Wurfes etwa 13–14 Schritt betragen darf. Das Ende des Seiles ist dabei um das Handgelenk des Werfenden befestigt, damit er es nicht durch die Finger gleiten lasse und Beute und Waffe zu gleicher Zeit verliere.

Wohl hatte ich, durch Erfahrung belehrt, Kelly ermahnt, sich vor dem Wurfe festzustellen und nicht das Gleichgewicht zu verlieren; in dem freudigen Gefühl aber, einen Alligator zu harpunieren, dachte er nicht weiter daran, und als jetzt der Verwundete mit dem Eisen hinwegeilte, riß ein plötzlicher Ruck den Schützen aus dem Boote. Der Neger aber, der wohl etwas Ähnliches geahnt haben mochte, warf sich auf ihn, und wenn ihm auch der Körper entging, erwischte er doch noch ein Bein, das er festhielt, bis es unseren vereinten Kräften gelang, Drucker und Alligator, die unzertrennlich waren, den ersten am Laufe, den zweiten am Seile ins Boot zurückzuziehen.

Der junge Harbour hatte indessen auch noch einige kleine Alligatoren erlegt, und mit unserer Beute zufrieden, da die Hitze der Mittagsglut zu fürchterlich drückend wurde, kehrten wir langsam zum Hause zurück, während die Neger die Erlegten mit Handkarren zum Hause fuhren, da sich nicht leicht ein Pferd dazu hergibt, einen Alligator zu tragen.

Sehr häufig habe ich Alligatoren wie die Hirsche nachts bei dem Scheine der Kienfackel geschossen, und ihre Lichter glühen wie Stücke rotheißen Eisens. Zu einer solchen Jagd nahm ich eines Abends meine Büchse, die Pfanne mit Kienholz und die Harpune und ging an Ort und Stelle, und wahrhaft zauberhaft war der Anblick des Sumpfes, wenn man sich ihm mit der lodernden Flamme näherte.

Die dunkle Wasserfläche, in welcher ungeheure Zypressen mit in der Nachtluft hin und her wehendem Moose standen, der düstere, finstere Wald, der sie umgab, das Geheul der Eule und das melancholische Gebrüll des Ochsenfrosches waren allgewöhnliche, mir nur zu wohl bekannte Sachen. Im Wasser aber plätscherte und sprang es und schlug die aufgeregte Fläche, und als ich den Schatten meines Kopfes, durch die helle Kienflamme hinter mir geworfen, auf die dunkle Flut fallen ließ, schauten mich von allen Seiten Hunderte von rotglühenden Augen an, die bald ruhig auf einer Stelle blieben, bald in geradem, geräuschlosem Zuge einherschwammen. Es waren die Augen von Alligatoren, die wie Stücke rotglühenden Eisens vom Wasser herüberschienen.

Da ich nur eine Hand frei hatte, konnte ich Büchse und Harpune nicht zu gleicher Zeit führen, schoß daher mit der ersteren einen der nächsten in den Kopf, legte dann die Büchse hin, ergriff die Harpune, und sie dem nur 6–7 Schritt entfernten in den Leib werfend, zog ich ihn mit der Schnur an das Ufer.

Zwei hatte ich schon auf diese Art in Sicherheit gebracht, als ich ein Paar große Augen auf mich zukommen sah. Ich zielte, schoß, warf die Büchse hin, und schnell die Harpune aufgreifend, benutzte ich den Zeitpunkt, in dem der Verwundete sich im Wasser umherwälzte und den weißen Bauch zeigte, und schleuderte ihm den Dreizack in den Leib.

Ich stand im Augenblick des Werfens dicht am Rande des Wassers, das Ende der Schnur um mein rechtes Handgelenk befestigt. Kaum aber fühlte der Alligator das spitze, mit Widerhaken versehene Eisen, als er wütend fortschoß und untertauchte, und ehe ich mich nur im mindesten stemmen konnte, riß er mich mit aller Gewalt zu sich ins Wasser. Die Pfanne entfiel meiner Hand, der Kien verlöschte zischend, dabei konnte ich mit dem besten Willen nicht loslassen, denn die Schnur war gut befestigt, und zweimal schon hatte ich durch das kräftige Reißen des geängstigten Tieres untertauchen müssen. Da fühlte ich festen Boden, denn die Sümpfe sind dort nicht sehr tief, und mich tüchtig einstemmend, kam ich zu einem Halt. Der Alligator war indes wohl auch von Blutverlust und Anstrengung erschöpft worden. Leise und vorsichtig ziehend, erreichte ich daher das Ufer und fing nur erst hier, als ich mich vollkommen sicher glaubte, wieder an, stärker zu ziehen, um das angeschossene Tier auf den Damm zu holen und abzufangen. Da raffte die Bestie noch einmal ihre letzten Kräfte zusammen, und wieder flog ich Hals über Kopf ihm nach in die dunkle, hoch aufspritzende Flut. Doch war dort das Wasser kaum 4 Fuß tief, und Boden fühlend, zog ich jetzt mit leichter Mühe den nur noch matt Widerstrebenden auf das Trockene.

Den großen Alligator, er war ungefähr 10 Fuß lang, konnte ich nun freilich zu nichts brauchen denn er war zu alt, um genießbar zu sein; den beiden erst geschossenen aber, die 3 und 4 Fuß lang sein mochten, schnitt ich die Schwänze ab und nahm sie mit, um sie zu essen. Nur sehr wenige Kreolen, nicht einmal die Neger, getrauen sich übrigens das Fleisch der Alligatoren zu genießen, weil sie sich teils davor ekeln, teils glauben, daß es giftig sei; ich fand es jedoch vorzüglich und spürte nie üble Folgen. Das Fleisch ist weiß und fest und schmeckt ganz fischähnlich, eigentlich hummerartig, sieht auch ebenso aus, nur muß der Schwanz sogleich vom Körper getrennt und der Rückenknochen oder die Rückengräte herausgelöst werden, da es sonst den moschusartigen Geruch annimmt, der besonders den älteren Tieren eigen ist.

Später gingen wir immer zu zweien auf die Alligatorenjagd, wo einer schoß und der andere harpunierte, was die Sache bedeutend erleichterte.

So scheu übrigens der Alligator die Gegenwart des weißen Mannes flieht, so arg ist er hinter Negern und Hunden her und verfolgt besonders diese mit merkwürdiger Wut.

Ich stand eines Nachmittags, mit der Harpune in der Hand, bis an den Gürtel im Wasser, und obgleich ich viele Alligatoren schwimmen sah, wollte doch keiner nahe genug an mich herankommen. Da weiß ich nicht, wie es mir einfiel, um aber einen herbeizulocken, fing ich an wie ein Hund zu bellen. Ich hatte das Experiment kaum drei- oder viermal wiederholt, als ich etwa sechszehn ziemlich starke Burschen gerade auf mich zukommen sah. Das war mir denn doch zu viel; so tief im Wasser, wie ich stand, war ich nicht einmal recht Herr meiner Bewegungen, und mit gewaltigen Schritten arbeitete ich mich nach dem etwa 100 Fuß entfernten Ufer hin. Dort fing ich nun zwar aufs neue an, gewaltig zu bellen, da ich aber ganz offen und frei stand, scheuten sich die Bestien, so dicht heranzukommen, und begnügten sich damit, in anständiger Entfernung um mich herum zu schwimmen. –

Die katholische Religion ist die vorherrschende in Louisiana; obgleich aber der Gottesdienst ganz nach römischer Sitte gehalten wird, sind es die Einrichtungen nicht, denn der Priester wird von der Gemeinde gewählt, und der Bischof hat weiter nichts zu sagen.

Vor kurzer Zeit schickte das Kirchspiel, in dem wir uns befanden, seinen Priester fort, weil man nicht länger mit ihm zufrieden war; dieser aber, vom Bischof eingesetzt, behauptete, auch von diesem nur wieder abgesetzt werden zu können, nahm Mr. Beatty zu seinem Advokaten an und verklagte seine Beichtkinder.

Mr. Beatty gewann auf der halbjährigen Gerichtssitzung des Staates den Prozeß für ihn; die Gemeinde aber, damit nicht zufrieden, appelierte an den Gerichtshof der Vereinigten Staaten in New-Orleans. Der Priester reiste hinunter, nahm dort einen andern Advokaten an und bekam folgenden Bescheid, daß die Bürger des Parish (Kirchspiels) Pointe-Coupee, wenn sie mit ihrem Priester nicht zufrieden wären, ihn wegschicken könnten, und daß weder Bischof noch Papst in den Vereinigten Staaten etwas zu befehlen habe. – Eigentümlich dabei war, daß mein Freund Beatty, nachdem er den Geistlichen vorher glücklich verteidigt, das zweitemal vom Parish selber angestellt wurde und für diesen jetzt den Prozeß ebenfalls gewann.

Erst gegen Ende des nächsten Jahres entschloß ich mich endlich, nach Deutschland zurückzukehren. Korn war schon lange in New-Orleans, wo er mit einem Franzosen, Herrn Bourquin, ein Kommissionsgeschäft etabliert hatte, und ich fing an, mich einsam und verlassen in Pointe-Cupee zu fühlen. Daher brachte ich alle meine Sachen in Ordnung und konnte um so eher meine Stelle aufgeben, da ich vorher einen Bruder des Herrn F., der schon früher einmal mit diesem in Kompanie gewesen war, bewegen hatte, dasselbe zu übernehmen. Alles ging jetzt wieder einen geregelten und weit besseren Gang als früher, und das Hotel hatte seinen guten Ruf, den es unter Röttken gehabt, so ziemlich zurückgewonnen. So verließ ich am 5. Juli, demselben Tage, an dem ich ein Jahr vorher von Little Rock abreiste, Pointe-Coupee, Abschied von allen dortigen Freunden und Bekannten nehmend, schiffte mich auf dem Dampfschiff Eklypse ein, und erreichte am nächsten Tag New-Orleans.

Die Ufer des Mississippi im untern Teile von Louisiana bieten dem auf flüchtigem Boote Vorübereilenden ein wunderliebliches Panorama von Städten und einzelnen Plantagen dar. Besonders sehen letztere mit ihren zwischen dunkeln Orangen- und Granatbaumhecken versteckten Herrenhäusern, um welche die einzelnen Sklavenwohnungen, die gewöhnlich aus lauter ganz gleichförmigen, weiß angestrichenen, einstöckigen Häusern bestehen und in Straßen angelegt sind, wie kleine Dörfer sich anschmiegen, gar eigentümlich und herrlich aus. Daneben geben die ungeheuern Zucker- und Baumwollfelder, in denen Scharen von Schwarzen unter der Aufsicht eines berittenen Weißen arbeiten, Herden von kleinen Mustangs oder Ponies, die mit hochgehobenen Schweifen und Mähnen am Ufer hin und her galoppieren, kleine Schoner und sogenannte »chicken thieves« (Hühnerdiebe), die mit geblähten Segeln am Ufer hinschießen, dem Ganzen ein lebendiges, freundliches Ansehen. Jetzt zwar sah es nicht überall so wohnlich aus; der Mississippi war bedeutend gestiegen und hatte an mehreren Orten den Damm durchbrochen, so daß viele Zucker- und Baumwollenfelder ganz unter Wasser standen. Es gab das der Landschaft etwas Wüstes, Unheimliches, der Reichtum des Landes ließ sich aber doch nicht verkennen, und wenn man dem Äußern nach urteilen wollte, mußte der blaue Himmel hier ein glückliches Land überspannen. – Ob das nun freilich auch die Sklaven sagten? –

Am nächsten Morgen, etwa um neun Uhr, näherten wir uns dem Stapelplatze des Südens, dem mächtigen New-Orleans, und eine Masse Schaluppen, Schoner, Briggs und selbst Barken, die oberhalb der Stadt lagen, gaben schon Zeugnis von dem geschäftigen Treiben der ungeheuern Handelsstadt.

Wir hatten einige vierzig Stück Rindvieh an Bord, die von St.-Louis heruntergeschafft wurden, und setzten sie in Lafayette, einer Vorstadt von New-Orleans an das Land, d. h. das Boot legte nahe am Ufer an, und die Ochsen und Kühe wurden über Bord getrieben, wo sie dann meistens mit gar sonderbaren Kapriolen und Purzelbäumen sich erst überkegelten, ehe sie ins Wasser kamen, und dann selbst an Land schwimmen mußten.

Das abgemacht, arbeitete die Maschine wieder aufs neue, und an Schiffen aller Sorten und aller Nationen vorbeifahrend, landeten wir um zehn Uhr zwischen einigen sechzig andern Dampfbooten in New-Orleans.

Ich fand Korn augenblicklich, ging mit ihm in das Wirtshaus wo er wohnte, um meine Sachen dort abzulegen, und dann schlenderten wir ein wenig in der Stadt umher, uns von alten, vergangenen Zeiten unterhaltend. Die Hitze war drückend, und wir mußten bald wieder Schutz im kühlen Schatten des Hauses suchen, um den wahrhaft sengenden Sonnenstrahlen zu entgehen. Gegen Abend aber, als es schattig und kühl wurde, fuhren wir hinauf gen Lafayette, wo mehrere Bremer Schiffe liegen sollten, um diese anzusehen und den Tag ihrer Abfahrt zu erfahren. Wir fanden den Olbers und den Johann Friedrich, beide für Bremen bestimmt. Die Favorite war erst am Tage vorher abgesegelt.

Die Abfahrt der beiden Schiffe schien übrigens noch gar nicht so genau bekannt zu sein, und ich sah es schon kommen, daß ich einige Wochen in New-Orleans liegen bleiben mußte.

Die Stadt hatte sich, seit ich dort gewesen war, ungeheuer vergrößert und auch verschönert. Sie dehnte sich jetzt 7 Meilen am Ufer des Mississippi hin, von einer fast ununterbrochenen Reihe der verschiedenartigsten Fahrzeuge dicht begrenzt. Sonst bietet die Stadt freilich nicht viel Merkwürdiges dar als gerade, schöne Straßen mit großen, reinlichen Häusern und geschmackvoll herausgeputzten Läden. Interessant aber ist es, die Menschen zu beobachten, die sich zu jeder Tageszeit, selbst in der glühendsten Sonnenhitze durch die Straßen treiben, wo man dann zwischen Schwarz, Braun und Weiß alle nur möglichen Schattierungen zu sehen bekommt.

Am anziehendsten war für mich der untere Markt, dicht am Hafen, wo man alles kaufen kann, was nur in Amerika aufzutreiben ist, und gar einladend sehen die Stände der Obsthändler aus, ebenso die der Fischhändler mit den verschiedenen Gattungen von Fischen, die sie feilbieten. Aber mitten zwischen all dem Geräusch sind überall, oft im tollsten Gedränge, kleine Ruhehäfen angelegt, wo eine blank gescheuerte, kolossale messingene Kaffeemaschine auf einem kleinen Tische funkelt, um den mehrere Stühle stehen. Tassen, mit mehreren Tellern voll Backwerk, stehen dabei, und hübsche junge Mädchen besorgen das Einschenken. Zu jeder Stunde des Tages und der Nacht kann man hier heißen Kaffee bekommen, bei manchen auch Tee und Schokolade, und ich bin fast jede Nacht, da ich mich nicht entschließen konnte, in den kleinen, heißen Stuben, wohin kein Luftzug drang, zu schlafen, wenn mich nicht die äußerste Erschöpfung dazu zwang, in den stets belebten Straßen umhergeschlendert und habe Kaffee getrunken. Mit Tagesanbruch ging ich dann auf dem untern Markte herum, dort das Leben und Treiben beobachtend und das Gewimmel von Amerikanern, Franzosen, Kreolen, Engländern, Deutschen, Spaniern, Italienern, Negern, Mulatten, Mestizen, Indianern usw. zu schauen, verfügte mich dann nach Hause, frühstückte, wobei der Sitte der Kreolen gemäß statt Kaffee Rotwein mit Eis zum Frühstück getrunken wird, und legte mich ein paar Stunden nieder. Korn leistete mir, so weit es seine Geschäfte erlaubten, trefflich Gesellschaft, und manche lange Stunde plauderten wir miteinander.

Endlich, nach dreiwöchentlichem Harren, war am 22. Juli der Olbers cleared, d. h. fix und fertig, auszulaufen. Unsere Sachen befanden sich an Bord, Abschied war genommen, ein recht herzlicher Abschied von Korn, den ich wie einen Bruder lieb gewonnen, und um zehn Uhr abends legte das Schleppdampfboot Porpoise an unserer Seite an. Hier aber fanden wir Gesellschaft. Die Porpoise hatte noch eine französische Brigg und drei Schoner im Schlepptau, und fort ging es jetzt, fest an die Seite des rauchenden und puffenden Dampfers geschnallt, wie eine kleine Flotte den dunkeln Strom hinunter.

Gegen Mittag erreichten wir die Mündung des Mississippi und warfen Anker. Aber, lieber Gott, was für eine Gegend ist das! Überall ragt das grüne, dünne Rohr aus dem Wasser hervor und bildet so einen landähnlichen Gegensatz zum Fluß, aber ohne Ufer. Überall dazwischendurch drängt sich die gelbe Flut, daß sich kein Zoll breit festen, sichern Bodens dem Fuße wie dem fast ängstlich umherschweifenden Auge bietet.

Der Mississippi ist hier noch ein Strom, aber er hat keine Ufer mehr und sieht dennoch aus, als ob er in sein Bett eingeschlossen wäre. Wie groß war aber mein Erstaunen, als ich Häuser aus dieser Wasser- und Schilfwüste hervorragen sah und sogar lebende Wesen bemerkte, die sich zwischen ihnen herumzubewegen schienen.

Wir konnten nach Aussage unseres Lotsen erst am nächsten Morgen bei hellem Tage und mit Eintritt der Flut die Überfahrt über die Sandbank, welche sich hier quer durch den Fluß zieht, versuchen, und der Kapitän beschloß, da wir doch den ganzen Nachmittag nichts weiter zu tun hatten, nach der Häuserreihe hinüberzufahren, um zu sehen, ob wir dort vielleicht Austern oder sonst etwas Eßbares zu kaufen bekommen könnten. Gesagt, getan! Kapitän Exter nahm noch außer mir zwei Passagiere, einen Hamburger und einen Amerikaner, mit in die Schaluppe, und eine halbe Stunde scharfen Ruderns brachte uns an Land. An Land? Nein, an auf Pfähle befestigte Bretter. Ein schrecklicherer Ort wie dieser ist mir in meinem Leben noch nicht vorgekommen.

Dieser Vorposten amerikanischer Glückseligkeit ruht auf Pfählen, auf denen die Häuser erbaut sind, und unter welchen das Wasser zur Flutzeit ganz freundlich herumläuft. In der Ebbe, und Ebbe war es, als wir hinüberfuhren, läßt es aber einen dünnen, zähen Schlamm zurück, auf dem kein Mensch gehen könnte, ohne einzusinken und für immer zu verschwinden. Um jedoch die Verbindung zwischen den leichten Bretterhäusern herzustellen, waren – auf welche Art, ist mir noch jetzt unbegreiflich – auf ihnen Planken befestigt, so daß man nur auf diesen umhergehen konnte; unten im Schlamme aber wimmelte es von allerlei ekelhaften kriechenden Geschöpfen.

Schon früher hörte ich einmal einen Amerikaner sagen, der liebe Gott habe gar nicht beabsichtigt, daß Menschen in Louisiana leben sollten, und das Land bloß für Moskitos, Alligatoren und Ochsenfrösche erschaffen. Hier wurde mir das aber erst recht klar; denn wie ein vernünftiger Mensch auf den Gedanken kommen konnte, sich an einem solchen Platze häuslich niederzulassen, begreife ich jetzt noch nicht.

Die Einwohner fangen, eine kurze Strecke von dort entfernt, Austern, verkaufen einen Teil von diesen an die Schiffe und schaffen ihre kleinen, damit beladenen Fahrzeuge nach New-Orleans hinauf, wo sie dann andere Lebensmittel dafür eintauschen und zu ihren Familien (ja wirklich Familien, denn selbst Frauen und Kinder leben dort) zurückkehren. Die Männer sind fast alle Lotsen.

Als wir hinkamen, war auch nicht eine einzige Auster im ganzen Neste, ja nicht einmal etwas anderes; denn wie mir gesagt wurde, erwartete die ganze Bevölkerung sehnsüchtig ein Provisionsboot. Ein Glas mit Vitriol versetzten »brandys« war alles, was wir dort bekommen hatten, und froh, den wahnsinnigen Moskitos der kleinen Ansiedlung entgangen zu sein, fuhren wir wieder an Bord zurück.

Um neun Uhr nächsten Morgens lichteten wir die Anker, das Dampfboot Porpoise, das während der Zeit einige kleinere Schiffe über die Sandbank gebracht hatte, kam heran, nahm uns in das Schlepptau, und mit genauer Not rutschten wir über den Sand fort, auf dem wir deutlich den Kiel konnten scheuern fühlen.

Die Porpoise führte uns noch mehrere Meilen in den Golf hinein und verließ uns dann, damit wir unsern Weg, so gut wir konnten, allein fortsetzten. Da aber fast gar kein Wind wehte, ging die Sache sehr langsam, und endlich lagen wir ganz still.

Meine Mitpassagiere bestanden aus dem schon erwähnten Hamburger Kaufmann, dem Amerikaner, der nach Deutschland kam, um Leute für Texas zu werben und seine Tausende von Ackern, die er dort besaß, zu verkaufen (ich habe noch nie einen von Texas Kommenden gesehen, der nicht behauptete, dort wenigstens 10 000 Acker gutes Land zu besitzen), nebst einem Lübecker, der in Amerika geheiratet hatte und nun seine Frau mit zwei Kindern mit herübernahm, um im Vaterlande wieder seinen Wohnsitz aufzuschlagen.

Am 25. Juli, bei vollkommener Windstille, sprang ich über Bord und badete in der kristallhellen Flut. Ein wonnigeres Gefühl läßt sich aber nicht beschreiben, als das Schaukeln und Umherwälzen, Untertauchen und Schwimmen in dem warmen Wasser des Golfes; mir scheint es fast, als ob ein Mensch dort gar nicht untergehen könnte, wenn er auch wirklich nichts vom Schwimmen versteht, so leicht und korkähnlich trägt das salzige Wasser den Körper. Ich fühlte eine ordentliche Sehnsucht, einst, nach der Seelenwanderung, ein Delphin zu werden und dann nach dem Golf von Mexiko zu ziehen, um mich dort anzusiedeln. Neugestärkt entstieg ich endlich der blauen Flut und legte mich hin, um auszuruhen, da ich furchtbar müde zu werden anfing.

Das Seebad ist mir übrigens noch nirgends gut bekommen, und auch am nächsten Tage fühlte ich ein leichtes Unwohlsein. Schon in New-Orleans hatte ich mich die letzte Zeit nicht ganz wohl befunden, aber immer keine Medizin nehmen wollen; jetzt aber glaubte ich es doch geraten und verschluckte ein Gläschen voll von in Madeirawein aufgelösten Brechweinstein, den ich zur Vorsicht mitgenommen hatte. Ich nahm eine etwas zu starke Dosis, und es wirkte gewaltig; doch befand ich mich nachher etwas besser.

Am 28. und 29. Juli fingen wir zwei Haifische, die ziemlich gutes Fleisch hatten und gegessen wurden; ich konnte aber wenig davon genießen, denn ich wurde ernstlich krank und bekam Fieber und furchtbare Stiche in der Brust, so daß ich mich nicht ohne die schrecklichsten Schmerzen bewegen konnte. Beunruhigend war es insofern, da noch fünf Matrosen sich ebenfalls hinlegten und ihre Krankheit einen ganz sonderbaren Charakter annahm.

Wie ich eines Abends, von den Mondesstrahlen geschützt, die in diesem südlichen Klima gefährlicher als die Sonnenstrahlen sein sollen, dalag, hörte ich den Steuermann sich mit dem ebenfalls kränkelnden amerikanischen Passagier unterhalten. Der erstere bemerkte dabei ganz freundlich, daß, ehe wir aus dem Golf herauskämen, wohl fünf Mann in Segeltuch eingenäht über Bord wandern müßten, und mich nannte er mit. Das war mir aber über den Spaß; allen Mühseligkeiten und Gefahren des festen Landes entgangen zu sein, um auf der Heimfahrt wie ein kranker Hund zu verenden, wäre doch zu bös gewesen, und ich beschloß, dem alten Grundsatz getreu: »Was man will, kann man«, wieder gesund zu werden.

Von Herrn Beuk, mit dem ich in New-Orleans mehrere Arten von Likören eingekauft hatte, ließ ich mir einen tüchtigen Arrak reichen, daß ich glaubte, glühende Lava ströme mir durch die Adern, dann schüttete er mir etwas von derselben Art auf Brust und Schulter und rieb es tüchtig ein, und ermattet entschlief ich in wenigen Minuten. Schon am nächsten Morgen fühlte ich mich leichter und besser.

Am 2. August konnte ich wieder, wenn auch noch etwas matt, umhergehen, fühlte mich aber bedeutend wohler.

Am Nachmittage desselben Tages sahen wir im Osten die erste Wasserhose, die sich wie ein dünner schwarzer Streifen aus den Wolken ins Wasser hinabzog; sie war jedoch weit entfernt, und wir verloren sie bald aus dem Gesicht.

Am 3. August sahen wir Kuba und fuhren gegen Nachmittag dicht am Ufer hin, daß wir deutlich die hohen Palmen und verschiedene Landhäuser erkennen konnten.

Unsere Matrosen wurden aber jetzt immer bedenklicher krank, und da kein Arzt an Bord war und wir nur eine Medizinkiste hatten, mit deren Inhalt kein Mensch recht umzugehen wußte, war allerdings wenig Hoffnung für die armen Teufel. Es blieb kaum einem Zweifel unterworfen, daß sie von dem in New-Orleans schon vor unserer Abreise begonnenen gelben Fieber den Krankheitsstoff mit an Bord genommen hatten.

Denselben Abend starb einer von ihnen, ein Amerikaner, und als er in den letzten Zügen lag, bekam er einen Blutsturz aus Mund und Nase. Er sah fürchterlich aus. Um dreiviertel auf neun Uhr starb er, und um zwölf Uhr wurde er ohne weitere Zeremonien in Segeltuch eingenäht und über Bord geworfen. Er fing schon an, in Verwesung überzugehen.

Am 4. August fuhren wir an der »Pan of Matanzas« vorbei, mußten aber am Abend, da wir der Küste zu nahe kamen und keinen günstigen Wind hatten, wieder lavieren und steuerten dem festen Lande von Florida zu.

Am 6. August war wieder Windstille und die Hitze fast unerträglich. Gegen elf Uhr abends starb der zweite Matrose und wurde noch vor Tagesanbruch über Bord geworfen.

Am 7. August dieselbe Hitze und derselbe schlechte und schwache Wind wie gestern. Auf dem Verdeck lag der Aufwärter der Kajüte schwer krank, und vorn im Bugspriet noch zwei andere Matrosen, ein Italiener und ein Franzose.

Ich hatte mich wieder ziemlich erholt und war nur noch etwas schwach, aber außer aller Gefahr; doch waren wir alle mißgestimmt und niedergeschlagen; die beiden Sterbefälle und die noch forttobende Krankheit machten keineswegs einen günstigen Eindruck auf uns.

Gegen Abend wurde der arme Teufel kränker und bekam hier und da blaue Flecken am Körper. Der Kapitän ließ ihm ein Fußbad von Senf und Wasser machen; er schrie aber fürchterlich, als zwei Matrosen ihm die Füße hineinhielten. Um acht Uhr fing er an zu phantasieren und redete von seiner Heimat und seiner Mutter, dann wurde ihm die Zunge schwer, und er fing an zu röcheln; halb neun Uhr kam das sichere Todeszeichen: das Blut aus Mund und Nase, und noch einmal streckte er sich und war nicht mehr.

Um zehn Uhr schon mußten ihn die Kameraden, in seine Decke genäht, über Bord werfen, weil wir nach kaum anderthalb Stunden den Geruch nicht ertragen konnten.

Leise hoben sie ihn auf das Schiffsgeländer, sprachen ein kurzes Gebet, und der dumpfe Fall des Körpers in die Flut unten sprach schaurig das Amen dazu.

Wir hatten keine Steine und Gewichte, um die Füße des Leichnams zu beschweren, und vom leichten Wellenschlag gehoben, trieb der Körper, an dem das Schiff langsam vorbeistrich, auf den schaukelnden Wogen. Es sah fast aus, als schwimme er und bemühe sich, das Schiff mit seinen Kameraden wieder zu erreichen und nicht allein in der schauerlichen Wasserwüste zurückgelassen zu werden.

Der Mond beschien hell die flimmernden Wellen, und in dem breiten Licht- und Glutstreifen, den er auf dem Wasser zog, sahen wir noch lange die dunkle Leiche mit den Wogen steigen und fallen.

Schweigend schauten wir alle dem Armen nach und hatten wohl Ursache, ängstlich zu sein, denn wenn das Sterben so fortging, wußten wir nicht, wie bald wir an die Reihe kommen würden. Auch wären wir nach dem Verluste von noch zwei Matrosen gezwungen gewesen, wieder in irgend einen amerikanischen Hafen einzulaufen, da wir das Schiff nicht mehr hätten regieren können. Schon mit zu wenig Leuten waren wir von New-Orleans abgefahren, da sechs deutsche Matrosen dort entlaufen und einer gestorben war, wofür unser Kapitän nur zwei Amerikaner, einen Franzosen und einen Italiener wiederbekommen hatte.

Mit der letzten Leiche aber schienen bessere Tage für uns kommen zu wollen. Der Wind drehte sich schon einviertel elf Uhr nach Westen und blies scharf und kühl, daß die Segel sich blähten und das Schiff sich unter dem Drucke derselben neigte und hob.

Am nächsten Morgen ließen wir alles Land weit hinter uns und liefen am 9. August in den Atlantischen Ozean ein.

Die Kranken besserten sich, und schon am 14. August war alles gesund und arbeitsfähig.

Das Schiff schoß jetzt mit gutem Winde lustig vorwärts, und da wir, sobald wir den Golfstrom, in dem immerwährend Gewitter herrschen, verließen, das schönste Wetter von der Welt und einen scharfen Südwestwind bekamen, waren wir bald munter und guter Dinge.

Wir vertrieben uns morgens die Zeit mit einem Buche oder einer Partie Schach und spielten nachmittags regelmäßig Whist mit dem Blinden, Kapitän Exter, Beuk und ich. So verflog uns die Zeit wirklich merkwürdig schnell, und kam ja einmal eine Pause in die Unterhaltung, nun so prügelte die Amerikanerin ihren Mann, den Lübecker, etwas durch und warf ihm irgend ein höchst nötiges Hausratstück an den Kopf, oder der Amerikaner wurde vom vielen Trinken halb verrückt und schwatzte allerlei tolles Zeug, so daß wir uns bis an die Einfahrt in den Kanal, in den ersten Tagen des September, sehr gut unterhielten.

Hier kam ein europäisches Küstenfahrzeug, ein kleiner Kutter, an uns heran und verkaufte uns Kartoffeln und frische Fische, die gar nicht schlecht nach so langem Entbehren von etwas ungesalzenem mundeten. Dichter Nebel umhüllte jedoch das Ufer, und nur nach Dunkelwerden sahen wir, erst an der Küste von England, später an der Küste der Normandie, Leuchtfeuer.

Es war auch wieder ein nebliger, feuchter Tag gewesen, wo wir mit ungünstigem Winde laviert und laviert hatten, da erhob sich gegen Abend ein frischer Westwind, jagte die dicken Nebel vor sich her, und ausgebreitet im herrlichsten Glutenlicht der untergehenden Sonne lag die englische Kreideküste, von Tausenden von Fahrzeugen umschaukelt, mit allem Zauber des vaterländischen Bodens geschmückt, vor unseren trunkenen Blicken. Es war ein wundervolles Schauspiel.

Das Meer war nur leise bewegt, und wie weiße Schwäne schossen Unmassen von kleinen, leichten Fischerkähnen hin und her, und darüber hinaus ragte Albion, die weißen Küsten vom rosenroten Schimmer der Abendröte übergossen.

Ich stieg hinauf in den Mastkorb, um ungestört zu sein, und dort hing ich und überschaute das alte, liebe, so langersehnte Europa, das mit seinem freundlichsten Lächeln den armen, seemüden Wanderer begrüßte. Erst, als tiefe Nacht alles umschattet hatte, stieg ich wieder auf das Verdeck hinab.

Die Nacht sollten wir übrigens ein kleines Intermezzo haben. Das Wetter war wundervoll; ich lag auf dem Verdeck und schlief, und der Steuermann hatte die Wache, als ich plötzlich durch wildes Geschrei und Stampfen erweckt wurde. Nicht wenig erschreckt, sprang ich in die Höhe; denn das Schiff lag ganz auf der Seite, eine Bö heulte durch Masten und Takelwerk, und vorn am Bug prasselte und brach es, daß ich glaubte, die Masten schlügen uns um den Kopf zusammen.

Eine Art Wirbelwind mußte uns gefaßt haben, der den Klüverbaum dicht am Bugspriet abbrach und nach Starbord hinüberwarf, die Oberbramstange wie eine Rute bog und einknickte und das ganze Schiff im wahren Sinne des Wortes auf die Seite legte. Glücklicherweise dauerte das nur wenige Minuten, und der erlittene Schaden wurde am nächsten Morgen wieder ausgebessert.

Um zwölf Uhr drehte sich der Wind, und am nächsten Tage ging das widrige Lavieren von neuem los, nur daß wir heute, da ein klarer Tag war, die Küste deutlich erkannten und an Brighton so nahe vorbeikamen, um sogar die einzelnen Menschen in den Straßen beobachten zu können. Die Badewagen der Stadt standen in langer Reihe angefahren am Ufer.

An Dover fuhren wir ebenfalls dicht hinan und schnitten von dort hinüber nach Calais, das wir ziemlich gut zu sehen bekamen, verließen dann wieder die Nähe des Landes und liefen in die Nordsee ein.

Am 17. September kam endlich der Lotse an Bord und mit ihm neue Hoffnung; am 18. September warfen wir in der Mündung der Weser Anker und mußten, da wir ganz ungünstigen Wind hatten, die Flut abwarten und dann jeden Fußbreit hinauflavieren.

Am 19. September gegen Abend erst erreichten wir Bremerhafen, wo wir, etwa eine Viertelmeile von der Einfahrt entfernt, bei eintretender Ebbe wieder Anker warfen.

Hier aber erklärte uns der Lotse zu unserem Entsetzen, daß wir der Sterbefälle wegen Quarantäne halten müßten, bis eine Abordnung am Schiffe gewesen wäre und uns untersucht hätte. Das war ein trauriges Ende all unserer schönen Hoffnungen, bald festes Land zu betreten, und ärgerlich und mißmutig sah ich den grünen Lappen, die Pestflagge, am Fockmast gehißt.

Am nächsten Morgen rückten wir bis unter die Kanonen des hannöverschen Forts, das dicht neben Bremerhafen errichtet ist.

Eine kleine Schaluppe mit wehender grüner Flagge, das bremische und hannöversche Wappen vereinigt, kam zum Schiff und legte außen an, woran sie die Bootsleute mit an langen Stangen befestigten Haken festhielten und alle Stricke vom Schiff aus der Ansteckung wegen verbaten. In dem Boote aber saßen zwei äußerst sorgfältige eingewickelte Gestalten, wovon eine dem Herrn Doktor gehörte. Dieser ließ uns vor allen Dingen alle über Bord schauen, damit er unsere Physiognomien betrachten und beobachten könne, ob er nichts Verdächtiges in ihnen entdecke. Dann wurden wir verlesen, ob wir alle da wären, und darauf erkundigte er sich sehr sorgfältig nach den genaueren Umständen der Sterbefälle.

Nachdem er, was er wissen wollte, erfahren hatte, machte er sein Buch zu und bemerkte ganz ruhig, daß er es nach Bremen berichten wolle und wir wohl in ein paar Tagen Nachricht erhalten würden.

Das war schöner Trost, und wir behielten kaum noch Zeit, den Bootsleuten die Namen einiger Sachen zuzurufen, die sie uns an Bord schaffen sollten, wie frisches Fleisch, Brot, Butter, Kartoffeln, Kohl usw., ein gutes Zeichen, daß wir Pestkranke waren. Ohne sich weiter aufzuhalten, segelte dann das kleine Boot mit der verwünscht langweiligen grünen Flagge wieder ab und war bald im Hafen verschwunden.

Die Amerikanerin, des Lübeckers ehelich Gemahl und zu gleicher Zeit die einzige Frau an Bord, hatte unter der Zeit mit ihrem Manne, den sie auf eine wahrhaft schändliche Weise peinigte, manchen Kampf bestanden, doch ertrug er alles mit einer mir unbegreiflichen Geduld. Sie schlug ihn, sie biß ihn, sie versteckte die Sachen, die er brauchte, oder warf sie gar über Bord, legte ihm die schändlichsten Dinge zur Last, kurz, betrug sich auf eine Art, die ihr von jedem andern eine äußerst rohe Behandlung würde zugezogen haben; doch der gute Ehemann ließ alles über sich ergehen. »Was will ich denn machen?« war seine Entgegnung auf jeden Rat sämtlicher Schiffsmannschaft, die alle gern wünschten, daß die Frau den Lohn für ihr wahrhaft nichtswürdiges Betragen ernten möchte, »was will ich denn machen, ich kann sie doch nicht schlagen?«

Seine liebe Ehehälfte hatte aber einmal zufälligerweise das Wort »schlagen«, obgleich sie nicht Deutsch sprach, gehört und verstanden, sprang wie eine Furie auf ihren ganz verdutzten Mann los und erklärte ihm, die Faust unter seine Nase haltend, mit höchst unzweideutigen Worten, daß sie ihm, sobald er nur wage, sie anzurühren, ein Messer zwischen die Rippen rennen und die Augen auskratzen wolle.

Wir schüchterten sie übrigens doch ein bißchen ein, da ihr Beuk erzählte, daß ihr Mann, wenn sie ihn nicht freundlicher behandle, in Deutschland das Recht habe, sie an den ersten besten zu verkaufen, was ich natürlich bekräftigte. Das machte sie stutzen, und besonders als wir in Quarantäne lagen, wurde sie ganz ruhig. Das Herz mochte ihr doch wohl ein wenig pochen, wenn sie das ihr so fremde Leben und Treiben sah, und nun fühlte, wie allein und hilflos sie ohne ihren Mann dastand. So vergingen zehn Tage, in denen wir nur dann und wann die Schaluppe zu sehen bekamen, die uns entweder Nahrungsmittel brachte oder unsere Briefe abholte. Diese wurden aber ebenfalls nicht etwa frei abgenommen, sondern mit einer grünlackierten Zange angefaßt und in einen blechernen, grünlackierten Kasten getan, an dem ein grünlackiertes Vorlegeschloß hing. Alles war grün, die Ruder, die Bänke, das Boot, die Segelstangen, die Haken, – ganz Bremerhafen sah grünlackiert aus.

Endlich setzte sich Beuk hin und schrieb eine Art Gesuch an den Amtmann in Bremerhaven, uns Passagieren wenigstens, da wir doch mit der Ladung usw. nichts weiter zu tun hatten, freizugeben und an Land zu lassen. Wider erwarten fiel die Antwort günstig aus, und schon am nächsten Morgen legte sich ein Bremer Kahn oder Ewerführer, seligen Andenkens, an die Seite des Schiffes an, wo die Passagiere – so lautete der Befehl – mit ihren Sachen erst geräuchert werden sollten. – Es war bitterer Ernst.

Unsere Kisten und Koffer wurden in den Kahn geschafft, ausgepackt und ausgebreitet, dann alles fest verschlossen, daß der Rauch nicht hinaus konnte, dann ein schwarzes Pulver hingestellt, das fast wie Schießpulver aussah, und in dies eine Flüssigkeit hineingeschüttet, die das Innere augenblicklich mit einem fürchterlichen Rauch erfüllte.

Als alles Passagiergut durchräuchert war, mußten wir selbst hinunter und uns etwa eine Viertelstunde in dem schändlichen Qualm herumtreiben, der uns noch nach drei Tagen auf der Brust lag.

Endlich war auch das überstanden. Wir packten unsere Sachen ein und bereiteten uns vor, nach langer, langer Abwesenheit wieder deutschen Grund und Boden zu betreten.

Denselben Tag war auch erst der Bescheid von dem bremischen und hannöverschen Gerichte gekommen, daß nämlich das Schiff und die Ladung (Tabak) ordentlich ausgeräuchert die Baumwolle aber, die wir an Bord hatten – einige 70 Ballen – ans Ufer geschafft und dort besonders gereinigt und gelüftet werden solle.

Da diese Arbeit wohl noch einige Tage dauern konnte, waren wir froh, früher erlöst zu sein, winkten dem braven Kapitän Exter, dessen freundlich liebevolles Betragen gegen uns ich nicht genug rühmen kann, unsern letzten Abschiedsgruß zu, begaben uns unter die grüne Flagge, die uns jetzt keine Pestflagge mehr, sondern ein freudiger Bote der Hoffnung schien, und ruderten mit leichtem, frohem Herzen der lieben deutschen Muttererde wieder zu.

 


 


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