Friedrich Gerstäcker
Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten Nordamerikas
Friedrich Gerstäcker

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7.
Versuch eines geregelten Lebens

Es war ein eigentümliches Gefühl, mit dem ich, als ich Cincinnati betrat, das wilde Wald- und Jagdleben gewissermaßen von mir abschüttelte; denn von jetzt an wollte ich ja nicht mehr wie ein Halbwilder draußen im Sumpfe leben, sondern mir mein Brot »im Schweiße meines Angesichts« erwerben.

Die besten Vorsätze hatte ich, das weiß Gott, aber Sorgen machte ich mir auch nicht im mindesten, denn der Wald lag hinter mir, und ich wußte recht gut, daß mich dieser, falls es hier oben zwischen den so entsetzlich praktischen Menschen nicht gehen sollte, doch wieder mit offenen Armen empfing. Er war ja ein alter, bewährter Freund, und als ich ihn verließ, hatte er überdies den Kopf geschüttelt und gar nicht geglaubt, daß ich Ernst mache.

In Cincinnati, wo ich von meinen dortigen Freunden auf das herzlichste empfangen wurde, suchte ich jetzt dennoch ernstlich Arbeit; aber du lieber Himmel, wie sah es dort aus! Alle Wirtshäuser lagen gedrängt voll von Menschen, die nach Arbeit jammerten und gern »für die bloße Kost« an irgendein Geschäft gegangen wären. Ganze Familien mit Gott weiß wie vielen Kindern und noch alten gebrechlichen Leuten dazu – alle hier herübergekommen, ihr Glück zu machen – fanden nicht einmal Brot und waren in der hilflosesten Lage. Schöne Versprechungen hatte man ihnen allerdings genug über das Meer hinüber geschrieben, 1 Dollar den Tag für jede Arbeit schien das Geringste, was sie davon erwartet. Als sie aber ankamen, zahlten die Farmer nicht mehr als 5, höchstens 6 Dollars den Monat und konnten dann noch vier Fünftel von ihnen nicht gebrauchen.

Die armen Teufel dauerten mich, aber es ging mir selbst nicht besser, und ich lief manchen vergeblichen Weg, irgendeine bestimmte Arbeit zu bekommen. Ich erinnere mich, daß mich damals eine Buchhändleranzeige lockte. Ein Buchhändler in Cincinnati zeigte nämlich in der Zeitung an, daß er einen jungen Mann suche, der fertig Deutsch und Englisch spräche, um ihm guten Erwerb nachzuweisen. Ich ging zu ihm, fragte, was es sei, und erfuhr hier, daß mich der gute Mann, der mit meiner Persönlichkeit vollkommen einverstanden schien, mit einer Ladung Bibeln in das Land schicken wollte, sie zu vertreiben und dann davon Prozente zu ziehen. Natürlich dankte ich.

Da kam es denn, als sich Tag nach Tag nichts anderes zeigte, daß ich wieder auf einen andern, früher wahrlich nicht geahnten Erwerbszweig gestoßen wurde, und zwar zu nichts geringerem als – Schachtelmachen. Davon verstand ich nun allerdings nicht das mindeste, doch ist die Not eine treffliche Lehrmeisterin, und ich fand mich bald hinein. Apotheker Vogel, der auf die Idee gekommen war, in Amerika deutsche Kaiserpillen zu machen, da er das Rezept wußte und sonst auch in allen derartigen Sachen geschickt war, bedurfte nur noch der kleinen runden Schachteln, um die Pillen hineinzutun und dadurch die Ähnlichkeit mit den echten vollkommen herzustellen. Mit regem Eifer wurde ans Werk gegangen. Ein Tischler hobelte die Späne, die Deckel und Böden wurden ausgeschlagen, mit Fernambuk färbte ich die Seitenwände, und bald war die Schachtelfabrik in vollem Gange. Ich machte Pillenschachteln, als ob ich mein Leben lang keine andere Beschäftigung gekannt hätte. Doch hat alles ein Ende, so auch dies, und ich lag wieder eine kurze Zeit brach. Da half Vogel aufs neue, und ich wurde Schokoladenfabrikant. Ich stieß die Schokolade, da weiter keine Vorrichtung dazu vorhanden war, in einem eisernen Mörser und verdiente dabei täglich etwa einen Dollar.

In dieser Zeit hörte ich von einem Tabaksfabrikanten, daß das Schilf oder Rohr, welches in den südlichen Staaten an feuchten Stellen und besonders an den Ufern der Flüsse wächst, und das in den nördlichen Staaten vielfach zu Pfeifenrohren gebraucht wird, beinahe ganz fehle, da alle Flüsse so ungeheuer gestiegen seien, und niemand sich in die mit Schlangen und Moskitos gefüllten Sümpfe bei hohem Wasserstande wagen wollte. Das war wieder etwas, das mir zusagte, denn das lange Stillsitzen in Cincinnati hatte ich schon satt bekommen. Mit einem andern jungen Mann verabredete ich das Nötige, und mit wenigen Dollars in der Tasche, aber doch genug, um die notwendigsten Ausgaben damit zu bestreiten, fuhren wir in den ersten Tagen des April auf dem Dampfboot Algonquin den Ohiofluß hinab wieder in den Mississippi und diesen hinunter bis Tennessee, wo das Boot eines Nachmittags anlegte, um Holz einzunehmen.

Dort wuchs Schilf genug. Ich sprach mit dem Eigentümer des Holzes, der ein kleines Häuschen daneben hatte, und er ließ sich willig finden, uns in seiner Wohnung aufzunehmen und gegen zwei Dollars die Woche für die Person zu beköstigen. Im Nu waren unsere Sachen am Ufer, und schon am nächsten Morgen begannen wir unsere Arbeit.

Das Rohr, das wir auf diese Art schnitten, wuchs in ungeheuren Dickichten am Ufer des Mississippi; doch konnten wir, da es zu Pfeifenröhren bestimmt war, nur das schwächste davon gebrauchen, das ungefähr so stark wie eine dicke Federspule, dicht über der Wurzel abgeschnitten, etwa 4–5, oft 6 Fuß hoch sein mochte, und an dem die einzelnen Glieder 8–16 Zoll lang waren. Dies schnitten oder hackten wir vielmehr mit eigens dazu verfertigten und mitgebrachten Messern ab, streiften die Blätter herunter, welche Sommer und Winter grün sind, und von denen das Vieh vorzüglich im Winter lebt, und banden die kahlen Ruten, immer fünfhundert, in ein Bündel zusammen. Das gab stets einen recht tüchtigen Arm voll, da überdies grünes Rohr außerordentlich schwer ist. Für das Hundert bekamen wir in Cincinnati 50 Cents.

Der Mann, bei dem wir uns so plötzlich einquartiert hatten, zeigte sich sehr artig und freundlich, und wir wurden bald recht gut bekannt miteinander. Glücklicherweise hatte er ein altes Spiel Karten, womit wir, er, wir beiden und noch ein weitläufiger Verwandter von ihm, Whist spielten und uns in den langen Abenden die Zeit vertrieben. Oft habe ich damals gewünscht, daß die Freunde daheim einmal eine von unseren Whistpartien gesehen hätten, sei es auch nur, um den Unterschied zwischen einer Whistpartie im alten Deutschland und einer in Tennessee im Rohrdickicht zu beobachten. Auf jeden Fall hatte die unsere den Vorzug der Einfachheit. Ein ganz roher, oben etwas abgehobelter Tisch wurde in die Mitte der Stube gerückt, und wir setzten uns auf Sessel und Kästen um ihn herum. Da aber die Moskitos dort so fürchterlich peinigend waren, wie ich sie noch nirgendwo gefunden habe, so wäre es eine reine Unmöglichkeit gewesen, dieser Plagegeister wegen stille zu sitzen. Deshalb hatten wir unter unserem Tische einen großen eisernen Topf mit glühenden Kohlen stehen, in den die kleinen Negerjungen, welche zum Hause gehörten, von Zeit zu Zeit Stücke faulen Holzes werfen mußten, um dicken Rauch zu unterhalten. Der kam dabei so dick und beißend unter dem Tische herauf, daß man sich mit der Brust notgedrungen dicht an die Platte anlegen mußte, da man sonst nicht imstande war, es mit den Augen auszuhalten.

Das wäre jedoch alles gut gewesen, wenn nur unsere Beleuchtung etwas besser gewesen wäre. Unser einziges Brennmaterial war Speck. Um aber auf die Idee zu kommen, diesen als Licht zu benutzen, muß man wirklich in einem Rohrdickicht wohnen. Eine Stange wurde abgehauen, die Dielen, auf denen wir saßen, etwas auseinandergeschoben – es war überflüssiger Platz da – und jene dann da hineingerammt. Nun wurde der Speck in lange, dünne Streifen geschnitten, mit baumwollenen Lappen umwickelt und an die Stange in mäßiger Erhöhung gebunden und angezündet. Er brannte zwar etwas düster, aber doch hell genug, um, wenn man nicht eine Karte erwischte, die etwas schmutziger als die übrigen war, oder der Rauch von dem unter dem Tische stehenden Topfe die Augen nicht zu arg zum Tränen reizte, ziemlich genau zu erkennen, ob man schwarz oder rot in der Hand hielt. Beiläufig muß ich hier noch erwähnen, daß wir um nichts geringeres, – als Bärenfelle spielten und später trotz hartnäckiger Jagd nicht ein einziges bekommen konnten.

Viel Vergnügen gewährte mir außerdem noch der Fischfang, wo ich mit der Harpune eine Menge sogenannter buffalofish fing, die, da der Mississippi stieg, durch kleine Vertiefungen im Ufer in das Innere des Sumpfes wollten. Das Land am Mississippi, etwa 100–150 Schritt vom Strome zurück, ist nämlich bedeutend niedriger als das wirkliche Ufer, und im Winter und Frühjahr sammelt sich das Wasser auf diesem niedrigen Boden, das dann im Sommer und Herbst austrocknen muß und nicht allein Myriaden von Moskitos und anderen Insekten erzeugt, sondern auch die Luft verpestet und Fieber und Seuchen hervorbringt; aber zum Fischfangen ist er vortrefflich. Ich fing an einem Nachmittage in dritthalb Stunden fünfzehn Fische, von denen der kleinste etwa 10 Pfund wog.

Wir arbeiteten bis Ende April, bis zu welcher, Zeit wir etwa achtzehntausend Röhren geschnitten hatten, und das erste Boot abpassend, das den Fluß hinaufging, riefen wir es an, brachten unsere Ernte an Bord und landeten am 30. April wieder in Cincinnati.

Schnell verkauften wir dort, was wir mitgebracht hatten; der Bedarf war aber noch immer nicht gedeckt, und ich hatte große Lust, die Reise noch einmal zu machen. Diesmal aber beschloß ich allein zu gehen, denn ich hatte nur zu gut bemerkt, daß mein Kompagnon wohl den Verdienst, aber nicht die Mühe teilte. – Nur ein paar Tage ruhte ich mich in Cincinnati aus.

Damals traf ich auch mehrere von meinen früheren Schiffsgenossen, und es war mir interessant, etwas Näheres über viele Reisegefährten zu hören. Die ich in Cincinnati fand, waren lauter Juden, welche gleich von Anfang an, durch in New-York gefundene Freunde und Verwandte belehrt, Handel trieben und so klein anfingen, wie es ihnen die Mittel erlaubten. Sie hatten alle ohne Ausnahme Geld verdient, und einige waren sogar in der kurzen Zeit, für ihre Verhältnisse wenigstens, reich geworden. Der gewöhnliche Anfang dieser Söhne Israels ist folgender: Sie packen, im Fall sie genug Geld haben, Kattun, Schnupftücher, Nadeln, Zwirn, Band, Kämme und einige falsche Bijouterien und Argentanlöffel in einen langen Kasten, der, mit Fächern und Schiebladen versehen, verschlossen werden kann, und keuchen mit der oft sehr schweren Last, die mit ledernen Riemen auf ihrem Rücken befestigt ist, durch das Land. In jedem Farmerhause halten sie, und der Farmer muß kaufen, sei es auch nur, um den Juden wieder los zu werden. Ihre Sachen nehmen sie meistens von einem Kaufmanne, den sie anfangs bezahlen, dann, wenn sie bekannt werden, von ihm borgen, und den sie zuletzt, allerdings mit Ausnahmen, wenn sie einen ziemlichen Kredit haben, mit ihrem Namen in seinen Büchern verlassen, um in einem andern Staate ihr Wesen von vorn anzufangen.

Ungeheuer viel Geld haben diese guten Leute mit den Argentanlöffeln in Amerika verdient. Das Argentan heißt nämlich im Englischen german silver (deutsches Silber), und diese Krämer oder pedlars, wie sie genannt werden, machten sich kein Gewissen daraus, den armen Landleuten die Löffel für Silber aufzuschwatzen, die sie dann, im Fall diesen ja die gelbe Farbe auffallen sollte, als german silver anpriesen und sagten, daß dasselbe nur eine andere Art, sonst aber ebenso gut wie das amerikanische Silber sei. Natürlich gibt es auch unter diesen Händlern ausnahmsweise solche, die ehrlich und redlich ihr Geschäft betreiben. Diese müssen aber fast stets bald wieder aufhören, weil sie entweder solche Mittel und Wege, Waren zu erhalten, wie die anderen einschlagen, verschmähen oder zu ehrlich sind, ihre Sachen über den Preis zu verkaufen; in beiden Fällen machen sie Bankerott; denn sie können mit ihren Konkurrenten nicht gleiche Preise halten.

Ein Jude namens Wald, dem ich wenige Wochen nach unserer Ankunft in New-York begegnete, trug einen Korb, in welchem er Kämme, Bürsten, Band, Nadeln, Fingerhüte, Nadelbüchsen usw. zum Verkauf hatte. Ich fragte ihn, wie denn die Geschäfte eigentlich gingen, und er gab mir zur Antwort: »Sehr schlecht! In de klane Haiser haben se kan Geld, wenn sie werklich kafen wollten, un in de großen, schmaßen se einen 'naus.« Den nämlichen fand ich 1840 in Cincinnati wieder, und er hatte sich mehrere tausend Dollars verdient.

Der Fluß stieg höher, und ich machte jetzt ernstlich Anstalten, einen zweiten Zug ins Röhricht zu unternehmen.

Meine Schulden hatte ich alle bezahlt, noch einiges Geld übrig behalten, und fuhr Ende Mai auf dem Mediator einer zweiten Ernte entgegen, beabsichtigte diesmal aber weiter südlich zu gehen, da ich auch Angelruten aus demselben Rohre 30–40 Fuß hoch und 1½–2 Zoll dick, schneiden wollte, das in den südlichen Staaten stärker als in den nördlichen wächst.

Wir kamen aus dem Ohio in den Mississippi, aber allmächtiger Gott, wie sah es da aus! – Von Kairo, dem kleinen Städtchen, das auf der Landspitze von Illinois liegt, wo der Ohio in den Mississippi mündet, war fast gar nichts mehr zu sehen, das Wirtshaus und die Faktorei, ein großes Backsteingebäude, ausgenommen. Der Mississippi hatte alles überschwemmt, und die Stadt bot einen trostlosen Anblick.

Kairo liegt überhaupt auf einem bösen Platze, auf den die Kompanie, der es gehört, schon ungeheure Summen verwandt hat, es zu erhöhen, und stets vergeblich. Die fortwährenden Überschwemmungen des Mississippi und Ohio, die übrigens jedes Schaltjahr höher steigen und zerstörender wirken als in anderen Jahren, bedecken es stets und reißen manches der kleinen Holzhäuser mit sich fort.

Man erzählt sich, daß ein Mann ein kleines, von Brettern leicht aufgeschlagenes Haus gehabt, das er, als das Wasser des Ohio zu steigen anfing, mit einem Bootseil umschlungen an einen der ungeheuern Baumwollenholzbäume (populus canadensis) befestigt habe. Die Tür seines Hauses schaute vorn auf den Ohio, und er saß noch mehrere Stunden darinnen, den wilder und wilder niederströmenden Wassern zuschauend, bis es endlich in seine Hütte hineinlief. Jetzt mußte auch er mit seinen Sachen in einem Boot Schutz suchen, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als den Mississippi hinunter an das nächste Hügelland zu fahren. Der Ohio fiel endlich, aber der Mississippi fing an zu steigen, und zwar so reißend, daß er bald die Wasser des ruhigeren Ohio in sein Bett zurückdrängte, und Kairo lebte nur noch in der Erinnerung der Bewohner. Im August endlich erschöpfte sich der gewaltige Strom und kehrte in seine Bett zurück, auf allem, was es bedeckt hatte, einen dicken, zähen Schlamm zurücklassend. Kairo kam wieder zum Vorschein; der Platz mindestens, auf dem es gestanden, mit einigen wenigen Häusern. Unter diesen war auch das angebundene; aber – launisches Spiel der Natur – es schaute jetzt mit der Tür in das Innere und kehrte dem Ohio verächtlich den Rücken zu.

Die Ufer waren sämtlich, einige Hügel an der linken Seite des Stromes ausgenommen, auf denen aber kein Schilf wuchs, unter Wasser, und erst in Louisiana, wo der Damm beginnt, fand ich trockenes Land. Dort ließ ich mich aufs Geratewohl ans Ufer setzen, um nicht ganz nach New-Orleans zu kommen, und war nun einmal wieder unter wildfremde Leute, in eine französische Ansiedelung hineingeschneit, wo eine Plantage dicht an der andern lag. Doch durch Fragen wird man klug; so erfuhr ich auch hier von einem Kreolen, daß etwas weiter den Fluß hinunter Deutsche wohnen sollten, die ich auf jeden Fall erst sehen wollte, um etwas Näheres über das Land zu hören.

Ich kam zu einem deutschen Pflanzer, der mich noch weiter hinunter zu einem deutschen Gastwirt sandte, und in diesem fand ich einen äußerst lieben und zuvorkommenden Mann, von dem ich herzlich aufgenommen wurde. Er bot mir auch sein kleines Schiff an, um darin jeden Tag an das gegenüberliegende Ufer zu rudern, wo ich so viel Schilf holen konnte, als ich schneiden mochte.

Gesagt, getan! Am nächsten Morgen schon machte ich den Anfang und fuhr auf Entdeckung aus. Das war aber eine schöne Gegend; alles unter Wasser, alles, selbst das Rohr, das sonst noch immer im Sumpflande die höchsten Stellen einnimmt, stand im Wasser, und wo hier und da trockene Landflecke waren, wimmelte es von allen nur möglichen Arten von Schlangen, während die Luft durch Moskitos ordentlich verdichtet war. Hier half aber kein Besinnen, ich war einmal an Ort und Stelle und mußte arbeiten.

Daß ich damals gesund blieb und nicht wieder das kalte Fieber bekam, ist mir noch jetzt ein Rätsel. Den ganzen Tag stand ich meist bis an die Kniee im Wasser, und der warme, in der heißen Sonne aufsteigende Dunst war oft kaum zu ertragen.

Nie im Leben und an keiner Stelle habe ich dabei eine solche Unmasse von Schlangen zusammen gesehen, wie gerade hier. Klapperschlangen gab es zu Dutzenden, außerdem Königsschlangen, Mokassins, cotton mouth, und wie sie alle heißen. Wenn ich so im Wasser stand, konnte ich überall, wo nur irgendein trockener Fleck war, auch sicher darauf rechnen, daß dort eine Schlange lag – manchmal ein paar. Fast alle waren giftig, die cotton mouth-Schlange soll aber die gefährlichste sein, und nicht einmal der Indianer, wie die Hinterwäldler behaupten, weiß ein Mittel gegen ihren Biß. Man sagt, daß, wenn ein Eingeborener von einer solchen Schlange gebissen würde, er sich in sein Schicksal ergebe, sich in seine Decke wickele und zum Sterben niederlege.

Nichtsdestoweniger aber, daß ich zwischen diesen Bestien im wahren Sinne des Wortes lebte, bin ich nicht ein einzigesmal von ihnen gebissen worden und habe auch in der Tat in den langen Jahren, die ich mich in Amerika aufgehalten, nur sehr wenige und sehr vereinzelte Beispiele gehört, daß Leute vom Biß einer Schlange getötet worden wären.

Wunderschöne Angelruten wuchsen hier, und ich hieb eine große Menge von ihnen um, wobei ich alles fertige Schilf zusammenband und auf einen der höchsten Plätze hinschaffte, um es später mit einem größeren Boote abzuholen. Abends aber kehrte ich stets nach dem rechten Ufer des Flusses, zum »Ferry-Hotel«, zurück.

So verlebte ich vier sehr vergnügte Wochen, teils in der Gesellschaft der Deutschen, teils mit meiner Arbeit beschäftigt, und schaffte dann meine Sachen an Bord des Bootes Independence, nach Cincinnati bestimmt, nahm herzlichen Abschied von allen Bekannten, besonders von meinem freundlichen Wirte, der unter keiner Bedingung für meinen dortigen Aufenthalt Bezahlung annehmen wollte, fuhr den angeschwollenen Strom hinauf, in den Ohio hinein, und landete am 3. Juli in Louisville, wo ich einen Teil meines Rohres verkaufte und den Rest nach Cincinnati mitnahm. Schnell brachte ich auch das an den Mann und war wieder frei, zu tun und zu lassen, was ich wollte.

Die Demokraten und Whigs lagen sich um diese Zeit sehr in den Haaren und schimpften und fluchten aufeinander in öffentlichen Blättern, und schimpften und schlugen aufeinander in öffentlichen Häusern, daß es eine Lust war. Die Demokraten in Cincinnati aber, und vorzüglich die deutschen, denn fast alle Deutsche dort sind Demokraten, hatten es bei der Regierung des Ohiostaates durchgesetzt, Freischulen zu bekommen, in denen englisch und deutsch gelehrt werden sollte. Die deutschen Schullehrer aber, die dort lebten, hielten zurück und fürchteten sich vor dem Examen, das ihrer harrte. Da redeten mir mehrere meiner guten Freunde zu, doch das Examen zu machen und Schullehrer zu werden, wo ich gleich im Anfang 25–20 Dollars Gehalt bekommen könnte. Die Sache leuchtete mir ein, d. h. nicht Schulmeister zu werden, sondern das Examen zu machen, denn es war etwas Neues, und ich versprach mir vielen Spaß davon.

Notwendig war es aber jetzt, daß ich zu diesem Zwecke eine Zeitlang ordentlich studieren mußte, denn mit meiner englischen Grammatik sah es noch trübselig aus, mit der Geographie auch nicht besonders, die der Vereinigten Staaten ausgenommen, wo ich ziemlich zu Hause war. Das Rechnen setzte aber allem die Krone auf, denn das wenige, was ich früher einmal gewußt, hatte ich fast alles wieder verlernt. Mit ungeheurem Fleiße fing ich daher an zu arbeiten, lernte die Grammatik fast auswendig, prägte mir ordentlich die Geographie der Vereinigten Staaten ein und warf mich mit wahrer Wut über die verschiedenen Rechenbücher her.

Der verhängnisvolle Tag erschien. Außer mir waren noch zwei Deutsche nebst drei Amerikanern da, die sich prüfen ließen, und fünf oder sechs junge Damen für den weiblichen Teil der Schule. Irgendeine Form wurde dabei nicht verlangt. Man mußte sich nur melden und von irgendeinem Bürger der Stadt ein Zeugnis über guten moralischen Lebenswandel beibringen. Das hatte mir mein früherer Lehrherr oder Arbeitgeber des edlen Silberschmiedehandwerks auf sehr glänzende Weise gegeben, und da nicht einmal ein schwarzer Frack verlangt wurde – ich ging in meinem Staubhemd zum Examen –, fand ich mich zur rechten Zeit ein und betrat mit leichtem Herzen den Saal, wo schon fünf sehr ehrwürdig aussehende Herren saßen. Die beiden Deutschen waren zwei Schullehrer, einer, ein gewisser H., ein Erzschulmeister im vollen Sinne des Worts, der andere, Hr. Pöppelmann, ein sehr gebildeter junger Mann, mit allen nötigen Kenntnissen versehen – er sprach besonders gut Englisch –, der sich dadurch für spätere Zeiten eine bestimmte Existenz zu gründen dachte.

Die Damen saßen schon, und da ich sah, daß keiner von uns gern den Anfang machen wollte, setzte ich mich höchst gemütlich oben an. Unsere Namen wurden angegeben, indem jeder den seinigen auf eine herumgehende Tafel schrieb. Es galt das gewissermaßen als Einführung.

Das Examen wurde eröffnet, und einer der Herren bemerkte, daß sie zuerst Geographie vornehmen wollten, stand dann auf und begann folgendermaßen: »Now, Mr. Kresdeger!« Gerstäcker, Sir. »Oh! excuse me, now, Mr. Kerseker, will you be so kind, as to give us the boundaries of Ohio?« Yes, Sir, on the north etc..»Nun, Herr Kresdeger!« Gerstäcker, mein Herr! »O, entschuldigen Sie, nun, mein Herr Kerseker, wollen Sie wohl so gut sein, uns die Grenzen von Ohio zu nennen!« Ja wohl, mein Herr, im Norden usw.

Auf diese höfliche Art ging er alle durch und richtete an jeden mehrere Fragen, die auch von allen, unsern H. ausgenommen, ziemlich richtig beantwortet wurden.

Nun examinierte der gute Mann über Deutschland und fragte mich plötzlich, aus welchem Staate ich komme. »Aus Sachsen.«

»Wie ist Sachsen eingeteilt?« »In fünf Distrikte.« »Wie heißen die?« Wenn er mich totgeschlagen hätte, wären mir in dem Augenblicke die Namen nicht eingefallen. Da half mir meine ungeheure Keckheit, da ich doch vermuten konnte, daß er die Distrikte ebensowenig wisse, noch dazu, da er aus dem Kopfe examinierte, und ruhig antwortete ich: »Leipzig, Dresden, Grimma, Meißen und Oschatz.« Er war vollkommen zufrieden mit der Antwort, und Hr. Pöppelmann, der es wohl besser wissen mochte, biß sich in die Lippen. Eine kurze Zeit examinierte er noch in der Geographie weiter, dann ging er zur Grammatik über, die sehr genau durchgenommen wurde, und wo H. förmlich stecken blieb. Nach diesem wurde buchstabiert, d. h. die Abteilung der Wörter, die im Englischen ziemlich schwierig ist, vorgenommen. Nach diesem kam das Rechnen, und hier rettete mich nur die etwas kurze Zeit, die uns übrig geblieben war, da man sich zu sehr bei den früheren Sachen aufgehalten, vor einem schrecklichen Durchfallen. Zu guter Letzt mußten wir noch als Schreibübung jeder seinen eigenen Namen auf ein Stück Papier mit einer ganz neuen Feder zierlich hinmalen.

Wir wurden jetzt entlassen und bedeutet, am nächsten Mittwoch wieder anzufragen, unsere Entscheidung zu vernehmen. Der nächste Mittwoch kam, aber keine Entscheidung, wohl aber eine neue Prüfung, die noch viel langweiliger als die erste war. Wieder wurden wir dann auf den 5. August hinbeschieden. Wir drei Deutschen gingen zusammen, und siehe da, Hr. Pöppelmann und ich erhielten unsere Atteste, der arme H. aber war durchgefallen. Wehmütig schlich er von dannen und meinte, da für ihn kein Attest ausgefertigt worden war, sehr naiv: »Sie werden mich wohl vergessen haben.«

Ich hatte mich aber mit dem Spaße länger aufgehalten, als es eigentlich meine Absicht gewesen war, denn im Traum wär' es mir nicht eingefallen, trotz des Zuredens meiner Freunde, wirklich Schullehrer zu werden. Das wär' kein Leben für mich gewesen. Da gefiel mir das Schilfschneiden besser, und ich machte mich jetzt schnell fertig, um eine dritte Schilfreise zu unternehmen. Von Louisiana hatte ich auch das letztemal einige Naturalien mitgebracht, als ausgestopfte Vögel, Schlangen und Eidechsen in Spiritus, Käfer und einige lebendige Schlangen, die ich erst nach Deutschland zu schicken beabsichtigte. Ich konnte aber nicht Geld genug entbehren, um den Transport und das Verpacken zu bestreiten, und war daher genötigt, sie an das Museum von Cincinnati für einen Spottpreis zu verkaufen.

Am 6. August ging der Ozean, ein kleines Dampfboot, bis zur Mündung des Ohio. Auf diesem nahm ich Passage und setzte von dort auf dem weit größeren Boote Massachusetts meine Reise den Mississippi hinunter fort.

Ich fuhr diesmal nicht weiter als bis Tennessee hinab, wo ich, wenige Meilen unter meinem ersten Rohrschneideplatze, mich aussetzen ließ und dort, bei Verwandten meines früheren Wirtes, wieder aufs neue an die Arbeit ging.

Doch erst wenige Tage hatte ich Rohr geschnitten, als ein paar Nachbarn und mein Wirt D. selber einen Jagdzug an den Tironiafluß machen wollten, der gegenüber in Arkansas lag, und da sie die Absicht hatten, bloß vierzehn Tage wegzubleiben, beschloß ich, auf jeden Fall mit von der Partie zu sein. Wo waren meine Vorsätze! –

Ein Pferd und eine Büchse bekam ich geborgt, und in wenigen Tagen waren wir wieder in Arkansas.

Wir blieben ungefähr eine Woche am Tironiafluß, und zwar da, wo er mit dem big creek zusammenfließt, und schossen drei Bären, freilich in sehr ungünstiger Jahreszeit. Die Bären waren nicht allein mager, sondern die Felle derselben auch fuchsig und nichts nütze.

Zufällig fanden wir dort einen jungen Mann namens Woodsworth, der eben nach meinen alten Sümpfen am Bay de view und Cashriver gehen wollte, um jetzt, da diese ausgetrocknet waren, einen Büffel zu schießen. Etwas Gelegeneres hätte mir nicht kommen können. Leicht wurden meine Jagdgefährten überredet, und schon in fünf Tagen waren wir, da der junge W. die Gegend genau kannte, im Weidegrund der Büffel. Selige Erinnerungen!

Drei Tage jagten wir vergebens, um endlich mitten im furchtbarsten Sumpfe einen kleinen Trupp von ungefähr sechzehn Stück anzutreffen. Eine Kuh mit einem Kalbe waren die letzten der Herde, und wir schossen alle unsere Büchsen auf die Kuh ab, in der Hoffnung, das Kalb dann lebendig zu bekommen. Die Kuh stürzte nach wenigen Sätzen, aber zu unserem Ärger setzte das wilde, fette Kalb in langen Sprüngen der Herde nach und war uns bald aus den Augen. – Was für einen Braten hatten wir aber an der Kuh! – Gut gegerbtes Sohlenleder wäre eine Delikatesse dagegen gewesen, und wenn wir ein Stück davon eine Weile mit den Zähnen verarbeitet hatten, schwoll es so auf, daß wir es kaum wieder zwischen ihnen herausbekommen konnten. Die Markknochen waren das einzige Genießbare am ganzen Tiere.

D. und W. schnitten das Fell der Länge nach durch, und jeder nahm eine Hälfte auf sein Pferd. So wandten wir uns wieder nach Nordosten, ritten, ohne in irgendein Haus einzukehren, ja ohne wahrscheinlich irgendeinem auf 10 oder 20 Meilen nahe zu kommen, bis wir die Sumpfstraße und fünf Tage später D.s Wohnung wieder erreichten.

So hatte ich denn endlich trotz der guten Vorsätze, nicht zu jagen, richtig einmal eine Büffeljagd mitgemacht, und in den wenigen Wochen alles Elend, alle Strapazen der Sümpfe in reichlichem Maße wieder überstanden, und mit welchem Erfolge? – Nur um eine halbe Büffeldecke kaum durch Dornen und Schlingpflanzen durchzubringen und zum Tode matt Gott zu danken, daß wir endlich einmal wieder einen begangenen Weg erreichten.

Wieder hatte ich allerdings die arkansischen Sümpfe herzlich satt bekommen und schwur noch einmal, sie – nie mehr zu betreten; aber ich glaubte mir schon selber nicht mehr. So oft ich indes das halbe Büffelfell ansah, mußte ich an den kleinen Branntweinbrenner Magnus denken.

An Ort und Stelle wieder angekommen, wo wir von den Frauen nicht wenig ausgelacht wurden, als wir ein halbes Büffelfell und zwei Paar magere Bärenkeulen, klein geschnitten und getrocknet, mit heimbrachten, ging ich gar scharf an meine Arbeit und schnitt Rohr bis Ende Oktober. In dieser Zeit brachte ich etwa 30 000 Stück zusammen, mit denen ich mich auf dem Dampfboot Buckeye wieder nach Cincinnati einschiffte. Doch begannen die Leute in dieser letzten Stadt Pfeifenröhre genug zu haben, und ich beschloß damit nach Pittsburg in Pennsylvanien hinaufzufahren, wo ich mein Rohr teils dort, teils in den vielen kleinen Städten, die an den Ufern des Ohio liegen, absetzen konnte. Gedacht, getan, und Ende Oktober war ich in Pittsburg.

Hier aber, wie in allen Städten, durch die ich jetzt gekommen, herrschte reges Leben, denn die Präsidentenwahl war vor der Tür, und Whigs und Demokraten überboten einander, wer von ihnen den größten Unsinn treiben konnte. Doch übertrafen die Whigs auf jeden Fall die andere Partei sowohl in dieser Hinsicht, als auch später in der Erwählung. Um General Harrison, den Kandidaten der Whigs, gegen van Buren, dem Volke als einen Freund des Volks darzustellen, wurden die tollsten Gerüchte in Umlauf gebracht, wie er z. B. in einem Blockhause wohne usw., und infolge hiervon prangten bald in allen Städten Harrison zu Ehren Blockhäuser in natürlicher Größe mit einem Fasse Apfelwein als Kern in der rauhen Schale, da auch dies eine Anspielung sein sollte, daß er nichts Besseres tränke. Blockhäuser en miniature waren aber überall angebracht, teils von Stücken Holz zusammengeleimt auf Häusern, auf Dampfbooten, über Türen und in Zimmern, teils in allen möglichen Metallen geprägt auf Knöpfen, Tuchnadeln, Ringen, Metallen usw. Pfähle waren aufgerichtet, und oben darauf prangte ein ganz kleines Blockhäuschen; Fahnen wehten, und ihr Sinnbild war ein Blockhaus; Schnupftücher flatterten, und selbst die Kattundruckereien hatten ein Blockhaus auf dem Gewissen. Das war aber noch nicht alles. Wo Blockhäuser stehen, ist gewöhnlich Wald, wo Wald ist, sind Waschbären, wo diese sind, schießt sie der Farmer und hängt die ausgespannten Felle am Hause auf, ergo mußten auch die Whigs solche Waschbärenfelle im Wappen führen. Sie wurden an Blockhäuser angenagelt und flatterten in Pittsburg, Steubenville und Wheeling an Seile gebunden quer über die Straßen. Zuviel solcher Sachen wurden erfunden, um sie nur alle merken zu können.

Ich war während der Erwählung in Pittsburg, die wider allgemeines Erwarten sehr ruhig und ordentlich ablief, obgleich an den »polls« (Stimmkästen) die Lebensgeschichten beider Kandidaten mit fürchterlichen Lobpreisungen feilgehalten wurden, während eine Blockhütte auf der einen, eine Hickorystange, das Sinnbild des alten Jackson, des zähen Hickory, von den Demokraten auf van Buren übertragen, auf der andern Seite prangte.

General Harrison wurde jedoch mit einer ungeheuren Stimmenmehrheit gewählt und sollte den 4. März sein ehrenvolles Amt antreten. –

Ich machte am oberen Teile des Ohio ziemlich gute Geschäfte und hatte meinen Vorrat bald verkauft, hielt mich daher auch nicht länger in Pittsburg auf, als es unumgänglich notwendig war, denn der fürchterliche Steinkohlendunst, der fortwährend über der Stadt hängt, ist für den nicht daran Gewöhnten unerträglich. Oft lagert er so dick in den Straßen, daß es nicht möglich ist, weiter als 30–40 Schritt zu sehen.

Pittsburg liegt jedoch sehr schön auf der Landspitze, die der Monongahela- und Alleghanyfluß bilden, welche in der Vereinigung »Ohio« genannt werden, und ist von malerischen Hügeln umgeben. Leider bekommt man diese aber nur höchst selten zu sehen, da der dichte Kohlendampf sich nicht oft hinlänglich aufklärt, die am andern Ufer liegende Landschaft zu erkennen.

Von Pittsburg selber führen über die beiden erstgenannten Flüsse eine Masse bedeckter Brücken nach den auf der anderen Seite liegenden Städtchen. Das Überschreiten der Brücken kostet übrigens einen Zoll – selbst der Fußgänger muß l Cent bezahlen (etwa 4 Pfennige).

In Pittsburg fand ich eine große Anzahl Deutsche, und alle Wirtshäuser waren mit ihnen angefüllt, selten ein gutes Zeichen. Die wenigen, die ich sprach, klagten auch sehr über schlechte Zeiten, und mancher wäre gern wieder nach Europa zurückgekehrt; aber teils hatten sie kein Geld mehr, teils, wie mir mehrere gestanden, schämten sie sich, da sie mit so ungeheuern Erwartungen ausgewandert waren. Von Pittsburg ging ich wieder nach Cincinnati zurück, wo ich mich einige Wochen aufhielt.

Einen Plan, was jetzt eigentlich mit mir werden sollte, hatte ich nun allerdings nicht, denn einesteils machte ich mir nie einen solchen, und dann zog mich auch schon wieder der verwünschte Mississippi gen Westen. Ich konnte die rauschenden Wälder nicht vergessen, und ihre Strapazen und Beschwerden verloren in der Ferne all' ihre Schrecken. Überdies war in Cincinnati gar keine Arbeit zu bekommen, und eigentlich recht gelegen traf mich in der Zeit ein Brief aus Louisiana von Röttken, der mich damals so freundlich aufgenommen, worin er mich ebenso freundlich wieder einlud, zu ihm hinunter zu kommen und den Winter bei ihm zuzubringen.

Nun hatte mir allerdings schon wieder die Jagd in Arkansas im Kopf gelegen, wenn ich auch nicht wieder in die Sümpfe, sondern diesmal in die Berge wollte; eine einfache deutsche Büchse war auch schon wieder angeschafft worden. Nichtsdestoweniger folgte ich fürs erste der Einladung und war bald wieder, von allen Freunden herzlichen Abschied nehmend, auf einem neuen Zug nach dem Süden.

Das Dampfboot Artisan, mit Rindvieh, Hühnern, Mehl, Passagieren und Whisky beladen, trug mich den schönen Ohio hinunter; es war aber kalt, und den zweiten Tag, als wir noch in Louisville lagen, um etwas mehr Fracht einzunehmen, fing es furchtbar an zu schneien.

Als wir an die Mündung des Ohio kamen, lag der Schnee 8 Zoll hoch, und so das ganze Ufer des Mississippi entlang bis unterhalb Memphis, wo die nördliche Grenze vom Mississippistaat beginnt. Von dort an wurde der Schnee dünner, bis er zwischen Vicksburg und Natchez nur noch wie ein leichter Reif auf der Erde lag und unterhalb Natchez spurlos verschwand.

In der Nacht setzte mich das Boot an dem, wie sie glaubten, richtigen Flecke aus, doch war es außerordentlich dunkel, und ich kam zwischen 7–8 Meilen zu hoch ans Land, wo ich dann zu Fuß nach Röttkens Haus den Fluß hinunter gehen und am nächsten Morgen meine Sachen von einer Plantage, auf der ich sie in der Nacht eingestellt hatte, abholen mußte.

Herzlich wurde ich von meinem Freunde empfangen und hörte hier bald zu meinem Erstaunen, daß er gesonnen sei, sein sehr schönes und gut gelegenes Hotel in Pointe-Coupee zu verkaufen und mit seiner ganzen Familie nach Arkansas in die Berge zu ziehen.

Ich redete ihm darin allerdings ab, schon der Familie wegen, er behauptete aber, das Klima von Louisiana sei dieser viel gefährlicher als das von Arkansas, und er müsse hier sogar fürchten, die Seinigen, die in einem fort kränkelten, durch den Tod zu verlieren. Auf mich hatten sie dabei gerechnet, daß ich mitgehen würde, und außer mir war noch ein Freund Röttkens, ein Gerber aus Indiana namens Haller, und ein junger Kaufmann Korn, der aber früher studiert hatte, so daß wir zu vieren dort eine Ansiedelung beginnen wollten.

Röttken und Haller hatten Familie, Korn und ich aber waren ledig. So, während Korn einstweilen bei den Frauen zurückblieb und die Wirtschaft führte, beschlossen Röttken, Haller und ich vor allen Dingen einmal voraus nach Arkansas zu gehen und dort Umschau zu halten. Wenn uns die Gegend dann gefiel, sollte ein Platz in Beschlag genommen werden, und die Frauen konnten dann nachkommen.

Anfang Januar waren wir so weit bereit; das vorbeibrausende Dampfboot Amazone nahm uns an Bord, und bald strebten wir unserem neuen Ziele brausend und schäumend entgegen.



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