Friedrich Gerstäcker
Die Moderatoren
Friedrich Gerstäcker

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5. Die Moderatoren.

Der Teil des Jenkinsschen Wohnhauses, an dem der Kamin lag, fing schon an lichterloh zu brennen. Dichter Rauch quoll aus den überall offenen Ritzen der zusammengelegten Stämme, und schon leckte die züngelnde Flamme hervor, als eine scheue dunkle Gestalt aus dem Gebüsch kroch. Wie sie die Lichtung erreichte, blieb sie stehen – es war Sip – sah sich wild um und rannte dann auf das brennende Haus zu.

Wäre der innere Raum geschlossen gewesen, so hätte der Rauch die darin Festgebundenen lange erstickt, ehe sie die Flamme selbst nur erreichte. So aber fand jener überall, wohin er drang, freien Durchzug, und da er nach oben presste, blieb auch, für jetzt wenigstens noch, der untere Raum, in dem die beiden alten Leute gefesselt lagen, frei davon.

Sip, der Negerbursche, der jetzt zu ihrer Rettung herbeieilte, sprang, unbesorgt um seine Sicherheit, mitten in den Qualm hinein, und ein Blick hier bestätigte das Entsetzlichste, das er nur gefürchtet haben konnte. Im Anfang hielt er beide auch schon für tot, denn der Rauch und vielleicht auch Angst und Aufregung hatten sie betäubt; als er aber den ersten Körper, seinen alten Herrn, auffasste, um ihn hinauszutragen, und fand, dass er gebunden war, erwachte in ihm der Gedanke an die Möglichkeit einer Rettung. Im Nu hatte er die Banden mit dem Messer, das er im Gürtel trug, durchschnitten, und den Bewusstlosen auffassend, schleppte er ihn vor die Tür an die freie Luft und sprang dann zum zweitenmal hinein, seiner Herrin denselben Liebesdienst zu leisten.

Und Nelly, war auch sie hier festgebunden? Vergebens suchte er in dem brennenden Gebäude nach ihr, aber er wußte auch, daß die schlechten Menschen einen armen Nigger, der so viel hundert Dollar wert war, nicht nutzlos umbrachten. Was sie damals gedroht, hatten sie heute ausgeführt, und Nelly war für immer für sie verloren.

Doch nicht mit nutzlosen Klagen verlor er seine Zeit. Die beiden im Haus stehenden Eimer mit Wasser goß er in die Glut, daß ihn der Qualm fast zu ersticken drohte, sprang dann zum Bach und holte mehr, riß die brennenden Scheite heraus, warf sie ins Freie und dämpfte endlich das Feuer, das noch nicht Zeit gehabt hatte, zu den trockenen Schindeln emporzulecken. Dann eilte er zu den Befreiten zurück und jubelte laut auf, als er dem offenen, auf ihn gerichteten Blick seines Herrn begegnete.

»Sip,« sagte dieser leise, »braver Bursch!«

»Armer, armer Herr!« rief der Neger, und die Tränen liefen ihm an den schwarzen Backen nieder, »oh die grausamen, schlechten Buckras, die bösen weißen Männer! – Indianer hätten mehr Mitleid mit armer Frau gehabt.«

»Laß sein, Sip,« sagte Jenkins, der eine andere Meinung von den Rothäuten hatte, »Indianer machen's auch nicht besser; aber gib mir dein Messer, so, das ist recht, daß ich erst die Stricke hier von den Armen bekomme, und – wie haben sie meiner armen Alten mitgespielt! Hast du Wasser?«

»Hier, Massa, ganzen Eimer voll.«

»Hast du das Feuer im Haus gelöscht?«

»Alles aus, Massa, hat nur ein bißchen gekohlt.«

Der Alte wandte hierauf seine ganze Aufmerksamkeit seiner Frau zu, die er im Arm hielt und der er Stirn und Schläfe wusch, bis sie die Augen wieder aufschlug und jetzt ein lindernder Tränenstrom, als sie den Gatten frei und gerettet sah, ihrem fast zu Tode geängstigten Herzen Luft machte und es erleichterte.

Der alte Jenkins hielt sich jedoch nicht lange mit Worten auf. Sobald er nur die Frau dem Leben wiedergegeben hatte und sah, daß er für sie nichts weiter zu besorgen brauchte, denn ihre kräftige Natur sollte wohl bald jede Schwäche besiegen, stand er auf und ging in sein Haus, um selber dort nachzusehen, wie weit die Verwüstung sich erstreckt hatte.

Seine Büchse, sein Messer, er suchte sie vergebens, aber auch nicht lange. Nur einen flüchtigen Blick warf er danach umher, dann trat er in die linke Ecke, wo noch ein altes Messer in einer Spalte stak, schob es sich in den Gürtel und schritt wieder hinaus vor das Haus, zu dem kleinen Dogwood, der ihn bei seiner Schmach gehalten. Nicht einen Blick warf er dort umher, sein Herz war jeder Sentimentalität fremd, nur den Hut nahm er auf, der ihm herabgefallen, und wandte sich dann zu seinem alten Fuchs, der langgestreckt und verendet vor dem Hause lag.

»Armer Alter!« sagte er, indem er ihm den Zaum abnahm und sich umhing, dabei aber auch noch die daran geschlungene Leine um seinen Gürtel befestigte. »Du warst ihnen wohl zum Stehlen zu schlecht, und aus bloßem Mutwillen haben sie dich umgebracht. Aber laß nur sein, mein Alter, ich gleiche deine Rechnung mit aus. Sei nicht ängstlich, wir werden quitt werden, ehe vierundzwanzig Stunden vergehen, oder – ich liege so kalt und starr wie du da,« setzte er leise mit zusammengebissenen Zähnen hinzu.

»Du willst doch nicht schon wieder fort, John?« bat die Frau, als sie ihn so gerüstet sah, »soll mich die Angst hier verzehren?«

»Glaubst du, daß ich eine Nacht in diesem Walde ohne Büchse sein möchte?« entgegnete ihr der Gatte; »nein, hab' keine Sorge, heute kehren die Schurken nicht hierher zurück, denn sie glauben ihre Arbeit getan, und daß du sie morgen nicht mehr zu fürchten brauchst, dafür, Alte, laß mich sorgen.«

»Und zu Fuß mit deinem armen, zerschlagenen Rücken willst du fort? Wenn du nun im Walde krank und schwach wirst?«

»Sorge dich nicht um mich. Da ich das ertragen habe, ficht mich auch nichts anderes mehr an.«

»Und wohin willst du?«

»Nach Brownsville. Die Nachbarn sind heute abend alle dort versammelt, und noch in der Nacht kehren wir hierher zurück und bringen dir ein Bett mit.«

»Noch in der Nacht hierher?«

»Erschrick nicht, wenn du uns kommen hörst. Es sind Freunde, und morgen, will's Gott, befreien wir diese Gegend von jenen Schuften.«

»Und sind die nicht lange geflüchtet? Und unsere arme, arme Nelly!«

»Laß gut sein, Alte. Leb' wohl!« sagte Jenkins. »Sip, pass' mir gut auf, mein Bursch, dann darfst du auch morgen früh mit gehen und Nelly suchen helfen,« und mit den Worten wandte er sich ab, um in den Wald hineinzuschreiten, blieb aber schon nach den ersten Schritten wieder stehen. Hatte er etwas vergessen? Seine Büchse fehlte ihm. Die Zähne aufeinanderbeißend, setzte er seinen Weg fort.

Hatten die Schufte aber etwa auch sein Pony gefunden und ihn – mißhandelt und vollkommen hilflos – im Wald zurückgelassen? Nein, Gott sei Dank, das wenigstens war ihrer Raubgier entgangen. Er fand es noch auf seinem alten Weidegrund, ging zu ihm, legte ihm den Zügel an, stieg langsam, mit Hilfe eines umgebrochenen Baumstammes, auf den Rücken des Tieres und sprengte dann, was das Pony laufen konnte, durch den Wald.


In Brownsville hatten sich inzwischen die Squatter verabredetermaßen wieder eingefunden, um sich heute ihre bis dahin gemachten Entdeckungen mitzuteilen und weitere Schritte zu beraten. Schon war es ziemlich spät geworden, und Jenkins fehlte noch immer; von den übrigen aber hatte niemand etwas Erhebliches erfahren, nichts wenigstens, was auf eine direkte Spur der Verbrecher führen konnte. Auch Ashley war mitgekommen. Er sah noch bleich und erschöpft aus, mit blutunterlaufenen Augen und finster zusammengezogenen Brauen. Er allein machte auch einen Vorschlag zum Handeln.

Als ihn die Bande überfiel, hatten sie zusammen von Jonesboro gesprochen; dorthin, oder wenigstens der Richtung zu, führten auch die meisten Fährten, und der Backwoodsman schwur in wildem Grimm, daß er, wenn er nur einen der Buben dort anträfe, das ganze Nest in Brand stecken und von der Erde vertilgen wolle.

Dagegen stimmten aber die übrigen, solange sie nicht wenigstens einen festeren Halt für ihren Verdacht hatten als nur die ungefähre Richtung der Fährten. Man wußte nicht einmal ganz genau, ob es die nämlichen Pferde seien, die sie dort gespürt, und Jäger oder Landsucher durchkreuzten ja nach allen Richtungen den Wald. Von den Männern aber, die Ashley damals überfielen, hatte dieser nicht einen einzigen gekannt oder sich erinnert, ihn früher in der »Range« gesehen zu haben. Netley war ebenfalls nicht dabei gewesen, das wußte er gewiß, auch der Mann mit dem abgeschnittenen Ohr nicht. Ashley fand das übrigens ganz natürlich.

»Sie hätten mich sonst nicht dürfen leben lassen,« setzte er mit fest zusammengeknirschten Zähnen hinzu, »wenn ich auch nur einen der Schufte erkannt hätte; denn daß ich dem nicht wieder von der Fährte gegangen wäre, solang' ich noch atmete, das durften sie etwa wissen.«

»Jungens,« sagte Billins, der schweigend und nachdenkend auf seine Büchse gelehnt dagestanden hatte, »ich will euch einmal etwas sagen. Jenkins war einer der eifrigsten von uns allen und Feuer und Flamme für die Sache, und daß er jetzt nicht da ist, gefällt mir nicht. Dem haben sie schon einen ersten Besuch abgestattet und einen zweiten angedroht. Wenn der Teufel am Ende sein Spiel haben sollte –«

Klappernde Hufschläge unterbrachen ihn, und als sich alle rasch und neugierig dorthin wandten, sprengte der alte Jenkins, auf vollständig triefendem Pferde, das Gesicht totenbleich, die Haare wirr um die Stirn flatternd, das Hemd zerfetzt von Dornen und mit Blut bedeckt, mitten zwischen die erschreckt zur Seite stäubende Schar hinein, erst hier sein wildgehetztes Tier einzügelnd.

»Jenkins!« schrien die Backwoodsmen wie aus einem Munde, »um Gottes willen, Mensch, wie seht Ihr aus, wo kommt Ihr her?«

Der Alte antwortete ihnen nicht. Er sah sich stier im Kreis um und wäre jetzt von seinem Pferde heruntergefallen, wenn sich nicht zehn, zwölf Arme zu gleicher Zeit ausgestreckt hätten, ihn zu unterstützen. Sie ließen ihn sanft auf die Erde nieder; aber der Alte war keine Natur, die sich leicht von einer Schwachheit besiegen ließ. Nur mit dem Aufhören der scharfen Bewegung des Rittes, die seine Nerven in Tätigkeit gehalten, war es ihm schwarz und schwimmend vor den Augen geworden. Jetzt schon, noch ehe er den Boden vollständig erreicht und während ein paar der Leute nach Wasser und Whisky sprangen, gewann er seine Besinnung wieder.

»Es ist gut, Kinder, ich danke euch, 's ist schon vorbei, ich bin ein bißchen stark geritten, und mein Rücken schmerzte.«

»Aber was ist mit Euch geschehen?« rief Ashley, »Ihr seid ja mit Blut bedeckt?«

»Gepeitscht,« knirschte der Alte zwischen den zusammengebissenen Zähnen hindurch.

»Gepeitscht, Ihr?« schrien alle wild durcheinander, »von wem?«

»Von den Regulatoren,« lachte der Alte höhnisch vor sich hin. »Aber erst einen Becher Whisky, Jungens, ich fange schon wieder an eine Menge verdammter Sterne und Regenbogen zu sehen. Auch einen Bissen zu essen möcht' ich, seit heute morgen bin ich noch nüchtern.«

»Die Regulatoren!« Wie ein wilder Aufschrei ging indessen der Ruf durch die Versammlung, und die tollsten nur denkbaren Flüche und Verwünschungen brachen von den Lippen der Männer bei dem Namen, was sie aber fast rasend machte, war, daß sie keinen Halt an den Feinden wußten, die nur wie ein Gespenst hier und da zu einem Verbrechen auftauchten, um gleich darauf spurlos im Walde zu verschwinden.

Jenkins ließ sie toben; er trank von dem ihm gebrachten Whisky, der ihm neue Kräfte zu geben schien oder doch wenigstens mit wohltätiger Aufregung auf ihn einwirkte, und verschlang gierig die ihm gebrachten Speisen, beantwortete aber in der Zeit keine der an ihn gerichteten Fragen und winkte nur immer abwehrend mit der Hand, ihn in Ruhe zu lassen. Endlich war er fertig.

»Gebt mir eine wollene Decke, einer von euch, mich fängt an zu frösteln, und die Hunde haben mir alles mitgenommen.«

Das Verlangte war alsbald gebracht; er wickelte sich hinein, und während er auf einem alten Baumstumpf saß und alle, selbst die Frauen jetzt umherdrängten, um seine Erzählung mit anzuhören, stattete er ihnen mit kurzen einfachen Worten einen Bericht über das Geschehene ab. Er verschwieg nichts, setzte aber auch nichts hinzu, und die Tatsachen waren schon entsetzlich genug, um die Hörer zu grenzenloser Wut anzutreiben. Allein wohin? Jetzt teilte er ihnen die Entdeckung mit, die er an dem nämlichen Morgen gemacht, kurz, aber mit so scharfen klaren Worten, daß ein Zweifel an dem Tatbestand nicht mehr möglich blieb.

Und das, was er erzählte, soweit es das eigentliche Terrain betraf, ergänzte Ashley, der selber, als er hierher zog, jene Schilfstrecken durchwandert hatte, weil er früher einmal beabsichtigte, eine Holzstation für die schon damals beginnende Dampfschiffahrt auf dem Redriver anzulegen. Er kannte den Grund und Boden dort genau, auch jene Slew, die eine Strecke vorher, ehe sie in den Redriver einmündete, links ausbog und dann in ein Gewirr von eingebrochenem Holz hineinströmte, so daß von dieser aus keine direkte Verbindung mit dem Strome selber möglich war. Aber ein Platz zu einem Versteck war dort allerdings, und er selber hatte in jenen Tagen ein großes Rindendach dort aufgebaut und ein paar Nächte darunter gelagert. Die Idee einer Ansiedelung an jener Stelle gab er aber doch zuletzt wieder auf, denn die Moskitos waren zu arg, und die Dampfer blieben aus, da sich das unten im Redriver befindliche sogenannte Raft (zusammengeschwemmte Baumstämme, die sich da angewaschen) wieder verstopfte und eine lange Zeit keine Boote passieren ließ.

Hatten also die Verbrecher jenen Platz wirklich zu ihrem Versteck gewählt, so schwur Ashley Stein und Bein, daß sie nirgend anderswo sitzen könnten, als unter seinem eigenen alten Rindendach, und saßen sie dort, so waren sie auch gefangen, wenn man ihnen nur den Weg nach dem Strom abschneiden konnte – und dazu gab es ein Mittel. Vor allen Dingen mußten sie sich Joes Kanoes versichern und diese mit einem Teil ihrer Leute bemannen. Die anderen stürmten dann den Platz, und so war es in der Tat möglich, das Raubnest, das ihnen allen hier Verderben drohte, aufzuheben und zu zerstören.

Border machte jetzt den Vorschlag, morgen am Tag alle die aufzubieten, die sie erreichen könnten, und übermorgen einen gemeinsamen Angriff auszuführen.

»Übermorgen?« schrie da Jenkins, »und glaubt ihr, daß übermorgen auch noch ein Mann von jenen Schuften da drinnen sitzt, noch ein Haar von unseren Pferden zurückgeblieben ist? Nein, bei Gott nicht! Die Frechheit, mit der sie den Überfall bei mir, der ich in ihrer nächsten Nähe wohne, ausgeführt, und die Sorglosigkeit selber, mit der sie mich und meine arme Alte auf grausame Art ums Leben bringen wollten, zeigt deutlich, daß ihnen nichts mehr daran liegt, wieviel Lärm in dieser Gegend über eine solche Tat geschlagen wird. Nein, die sind zum Abfallen reif, und nicht übermorgen oder selbst nur morgen, noch diese Nacht, noch diesen Abend, jetzt, in dieser Stunde müssen wir aufbrechen, wenn wir sie überhaupt erwischen wollen.«

»Alle Teufel,« sagte Border lächelnd, »das hieße allerdings Schlag auf Schlag, aber ich glaube, Jenkins hat recht, das würde dann auch in Zukunft diesen Herren Regulatoren die Überzeugung beibringen, daß sie nicht lange ungestraft ihr Wesen treiben dürfen.«

»Regulatoren!« schrie Ashley, »und sollen wir dulden, daß diese Kanaillen den ehrlichen Namen von Regulatoren, vor dem sie selber aus den Staaten herüberflüchteten, entweihen? Bei Gott, von jetzt an kann ihn kein rechtlicher Mann, solchen Schurken gegenüber, mehr in Texas führen!«

»Dann nehmen wir einen anderen,« sagte Jenkins, »Moderatoren wollen wir uns nennen, und von jetzt ab einen festen Bund gründen und regelmäßige Versammlungen halten, und seid versichert, wenn wir heute damit beginnen, jene Buben in ihrer noch geträumten Sicherheit zu fassen und zu vernichten, so wird der Name Moderatoren für derlei Gesindel ein ebensolcher Schrecken in Texas werden, wie es der der Regulatoren für sie in Arkansas war.«

»Gut, Jenkins!« rief Ashley, »dann nehmt Ihr auch die Führung unseres neuen Bundes, und ich will Euch treu zur Seite stehen. Ich glaube, wir sind dabei ohnedies die ältesten unter allen Nachbarn und haben beide ein Hühnchen mit diesen Herren zu pflücken. Wann wollen wir fort?«

»Jetzt gleich,« sagte der alte Mann, von seinem Sitz aufspringend, »jede Minute, die wir versäumen, kann uns den Fang aus den Zähnen reißen.«

»Aber Sie doch nicht mit den Wunden!« warf Mrs. Border ein, denn alle Frauen der kleinen Ansiedelung hatten sich um den alten Mann geschart. »Eher lasse ich Sie nicht fort, Mr. Jenkins, bis ich Sie nicht verbunden habe.«

»Ach was, Madame,« entgegnete der zähe Alte, »so lange halte ich schon noch aus, bis wir die Hunde gezüchtigt haben, und nachher ist's immer Zeit genug, an die alten Knochen zu denken.«

»Und wenn Euch unterwegs doch eine Schwäche ankommt,« rief Border, »so haben wir den Führer verloren, denn von zwei Seiten müssen wir angreifen und Ashley kann nur auf einer sein.«

Der Alte wollte sich noch weigern, wurde aber überstimmt, und wahrlich, es tat not, daß nach seinen Wunden gesehen wurde, noch dazu, da man gar nicht wußte, welchen Anstrengungen man wieder entgegenging. Auch nur der zähe Körper, die eiserne Konstitution eines Backwoodsman hätte solche Mißhandlung unerschüttert ertragen können, und erst als sie ihm das mit geronnenem Blut bedeckte und schon fest auf den Rücken geklebte Hemd mit warmem Wasser ablösten und dann den ganzen Rücken mit Branntwein wuschen, wurde er totenbleich und lag ein paar Minuten ganz bewußtlos. Doch auch diese Schwäche überwand der Alte. Er kam bald wieder zu sich, leerte einen halben Becher heiß gemachten Whisky auf einen Zug, ließ sich dann seine Wunden bepflastern und ordentlich verbinden, borgte sich frische Wäsche und verlangte, als der Verband noch nicht einmal fertig angelegt war, schon nach einer Büchse und Kugeltasche, um nicht zuviel zu versäumen.

Die Kugeltasche konnte er sich aber nicht einmal umhängen, weil ihn der Riemen drückte; er gürtete sich dieselbe um die Hüfte und gab jetzt keine Ruhe, bis er die Männer zum Aufbruch gerüstet sah.

Betten für seine Frau, da ihm die Regulatoren ja alles mitgenommen, hatte Mrs. Border indessen schon zusammengeschnürt, weiches Moos hing überall genug an den Bäumen, das konnte sein Sip in einer halben Stunde genügend sammeln, und eben sank die Sonne hinter den dichten Wipfeln der Bäume, als die wilde Schar der »Moderatoren« zu ihrem Rachezug ausritt, der das Land von seiner Geißel befreien sollte.

Kein Mann blieb in Brownsville zurück. Selbst seine Neger hatte Border bewaffnet, und als Jenkins die kleine Schar überblickte, zählte er einundzwanzig wehrhafte Männer und wußte, daß sie jetzt einer doppelten Zahl der Schurken überlegen wären. Doch mit so vielen hatten sie es nicht einmal zu tun. Bei der Plünderung seines Hauses waren nur neun gewesen, und man durfte annehmen, daß sich die größte Zahl der Verbrecher dabei beteiligt hatte. Jedenfalls wußten sie das gute Recht auf ihrer Seite und brannten vor Begierde, mit dem Feind zusammenzutreffen.

Die Richtung nahmen sie zunächst nach Jenkins' Haus, das sie überhaupt passieren mußten, und von dort aus sollte dann der gemeinsame Angriff so geordnet werden, daß sie sich mit der Morgendämmerung auf ihren bestimmten und verschiedenen Posten befanden, um von dort aus gemeinschaftlich und mit einemmal den Schlag zu führen. So nur war es möglich, daß die Verbrecher nicht vorher Warnung der ihnen drohenden Gefahr erhielten und sich der Strafe durch die Flucht entzogen.

Es wurde etwa Mitternacht, ehe sie Jenkins' Haus erreichten, und leise Flüche und Verwünschungen murmelten die Männer in den Bart, als sie hier das Unheil sahen, das jene Buben angerichtet; nur Jenkins selber war der ruhigste von allen und schien alles Erlittene in dem einen Gefühl bald befriedigter Rache zu vergessen. Sein Rücken schmerzte ihn furchtbar, aber kein Laut der Klage kam über seine Lippen, und er ordnete alles an und dachte an alles.

Netley war der, der ihn gepeitscht, er hatte ihn gut genug erkannt; dessen Haus mußte also, da es außerhalb des Schilfbruches lag, vor allem anderen durchsucht werden. Ashley aber übernahm das, denn von jener Slew aus führte ein Weg oder Pfad in den Bruch hinein, den er allein kannte, und auf dem es nur möglich war in das Dickicht zu dringen. Wurde der besetzt, so konnten die Verbrecher nach dieser Richtung nimmermehr entfliehen.

Billins erhielt die Führung der Kanoes und sechs Mann mit, um sich dort noch durch Joe und dessen Neger zu verstärken. Der alte Schwarze bei Joe sollte, wenn nötig, als Lotse dienen, um die Mündung jener Slew zu besetzen, welche sein Herr damals zur Ansiedelung wählen wollte. Hatten die Verbrecher wirklich Kanoes, so konnten sie nur von da aus ihre Flucht versuchen, und dann mochten die Büchsen der Verfolger unter ihnen aufräumen.

Jenkins selber übernahm die Führung des kleinen Trupps, der von dort aus, wo er den Pfad entdeckt, also von Osten her, während Ashley die westliche Seite besetzt hielt, vordringen sollte.

Billins hatte den weitesten Weg und die meisten Vorbereitungen nötig, sollte deshalb etwa um zwei Uhr morgens aufbrechen, Ashley ihm etwa eine Stunde später folgen, und Jenkins dann, ziemlich mit diesem zu gleicher Zeit, zu der Slew hinüberschneiden und an dieser hinauf bis zu dem Fußweg vordringen. Jenkins und Ashley gerieten dadurch allerdings etwa anderthalb Meilen auseinander, aber wenn sie geräuschlos und vorsichtig ihren Weg verfolgten, durften sie hoffen, sich wenigstens so weit einander zu nähern, daß sie gegenseitig das Knallen der Gewehre hören und dadurch auch den genauen Platz des Kampfes bestimmen konnten.

Keinesfalls blieb ihnen etwas anderes übrig, als diesem klar und einfach vorgelegten Plane zu folgen, und sie durften unter solchen Maßnahmen bestimmt darauf rechnen, wenigstens einen Teil der Gauner in ihre Gewalt zu bekommen. Daß sich die anderen dann nicht wieder in diesem Teil von Texas blicken ließen, blieb außer Zweifel.



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