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Die Saat des Teufels

Wie den Troßknechten die Befehle zu schleunigem Aufbruch erteilt waren, redete der Marschalk mit dem Hirten.

»Was hattest du mit der Kammerfrau zu sprechen?« fragte er.

»Sie hat mich aus dem Turm herauslassen sollen,« sagte der Junge – »zum Lohne dafür, daß ich Norval einen Brief brächte.«

»Zeig her!« Der Marschalk erfaßte den Brief. Weil er ihn versiegelt sah, stutzte er. Aber er erbrach ihn und las. In seinen Augen brannte ein häßliches Licht. Er faltete das Schreiben wieder zusammen. »Du sollst den Auftrag der Herrin sorgsam ausführen, hörst du?«

»Und was soll ich von dem erbrochenen Siegel sagen?«

»Dummkopf! Beim Herabtragen des Rüstzeuges kann wohl das Siegel eines Briefes bersten, den du in der Tasche trägst.«

»Natürlich kann es.«

Der Marschalk schritt dem Lord eilig hinterdrein, um in den Saal zu gehen. Da kam Herr Randolph schon wieder die Stiegen hernieder, um seine Befehle zu ergänzen. Sie wandelten im Gespräch auf dem Hofe.

»Ihr sollt bei dem Mahl erscheinen, Marschalk,« sagte der Lord nach einer Weile.

»Sir,« antwortete er, »zuvor ...«

»Nun?«

»Ich fand jenen Hirten befreit, der mit Norval geritten ist; ich traf ihn im Raume der Knechte.«

»Den Jungen? Was soll das heißen?«

»Er sagte, die Herrin hab ihn losgelassen. Er solle jenem Norval einen Brief überbringen.«

Herr Randolph sah den Burgwart befremdet an.

Der fuhr fort: »Ich fürchtete, es werde ein übel Spiel gegen meinen Herrn gespielt. Erst gestern ist ein Gefangener entkommen, der Mord im Sinne führte. Darum las ich den Brief.«

»Was stand darin?«

»O Herr – meine edle Gebieterin ist die Zierde aller Frauen Schottlands. Es ist ein Rätsel – sie schreibt an Norval: ›Seid um Mitternacht an jener Stelle des Gartens, die dem Quell nahe ist. Ich muß allein mit Euch reden ... ‹«

Der Lord erbleichte.

»Marschalk, wenn Euch Eure scharfen Sinne noch nie täuschten – diesmal haben sie Euch einen schlimmen Streich gespielt.«

Glenalvon zog die Achseln. »Ich bitte zu vergessen, was ich gesehen haben will,« sagte er bitter. »Aber – es haben schon manche nach dem reichen Erbe Malcolms getrachtet.«

Der Same des Zweifels war gesäet. Ein Tropfen Gift war dem Lord ins Ohr geträufelt.

Währenddem war Frau Harriet noch einmal ins Turmgemach gestiegen, und Archibald Douglas hatte den Trinksaal durch die Tür nach dem Park hin verlassen. Der Raum war leer.

Der Lord und der Marschalk traten hinein und schritten schweigsam hin und wieder. Bald erschien Frau Harriet. Ihre Augen waren hell, und ihre Wangen trugen die Spuren der Erregung ihres Herzens.

»Wo ist Norval?« fragte der Lord.

»Ich habe ihn zu jenem Hirten gesandt, daß er ihn zur Rede stelle. Auch hatt' ich dem Hirten einen Auftrag für ihn gegeben.«

»Wie ist das möglich?« fragte der Lord.

»Verzeih, daß ich befahl, ihn freizulassen! Er ist ja fast ein Knabe, der noch nie ein Schwert geführt hat und nie im Kampfe stand. Der unverhoffte Überfall könnte sein Roß wild gemacht und zur Flucht getrieben haben. Er sollte nicht ungerecht büßen. Auch braucht' ich ihn zu einer Botschaft für unsern Gast. Ein alter Hirte hat ihm eine frohe Kunde gebracht, während ihr im Heerlager weiltet.«

Der Lord sah Frau Harriet befremdet an.

»Seit wann machst du die Sache dieses Gastes zu deiner eigenen?« fragte er.

Frau Harriet nahte sich ihm mit frohem Herzen: »Zürne nicht, mein Gemahl! Dieser Tag brachte mir viel seltsame Erfahrungen. Er gab mir Rätsel auf, die sich noch nicht ganz gelöst haben. Aber ehe der neue Morgen kommt, sollst du alles wissen.«

Herr Randolph warf bei den liebevollen Worten der Gattin dem Marschalk einen Blick zu, der ihn an sein Mißtrauen erinnerte.

Glenalvon erkannte den stummen Vorwurf in den Augen seines Lords. Die fragten ihn: »Spricht so die Schuld?« – Die Muskeln in des Marschalks Wangen begannen zu spielen. Er biß die Zähne ärgerlich aufeinander.

Für ihn hatte Frau Harriet kein freundliches Wort. Nichts, als ein kaum höfliches Nicken des Kopfes zum Gruße.

Bald darauf trat Douglas in den Saal.

Lord Randolph beobachtete ihn heimlich, aber scharf.

Sein Benehmen war verändert. Aber in seiner Bescheidenheit gegen den Lord war kein Wandel.

Das Mahl begann und ging vorüber. Vom Ausritt in den Kampf war die Rede, über den Burghof drang Klirren der Waffen, Hufgestampf und Schnaufen der Rosse in den Saal. Mählich schwieg das Treiben der ausziehenden Krieger.

Die Sonne neigte sich und breitete purpurne Decken auf die Steinfliesen des Saales. Die Männer saßen noch beim Wein. Frau Harriet hatte sich schon in ihr Gemach begeben.

Durch das offene Fenster und Burgtor hindurch sahen sie aus dem Saal, wie ein Haufe Reiter die Heerstraße nach Norden trabte. Andere folgten. Geharnischtes Fußvolk, und abermals Reiter.

Der Lord gebot der Magd, die Becher zu füllen. Aber Douglas wehrte ihr. »Ich bin nicht gewöhnt, beim Weine zu sitzen. Wir haben daheim aus dem Quell geschöpft oder aus den Bächen der Weiden. Auch schmerzt mich die Stirnwunde, die mir der Schurke schlug. Erlaubt, daß ich mich auf den Steigen des Parks ergehe.«

Er ward entlassen.

»Herr,« sagte der Marschalk, wie sie allein waren, »Ihr sollt mir mein Amt und Euere Gunst entziehen, wenn mein Auge mich betrogen hat!« Der rote Burgunder hatt' ihn keck gemacht. »Ich will diesem Norval in den Garten folgen und will ihn erforschen.«

»Was wollt Ihr beginnen? Ihr seid mißtrauisch, Marschalk! Vergeßt Ihr auch nicht, daß Norval mich heut aus einem Haufen Räuber herausgehauen hat?«

»Ich bedenke alles. Herr, ich will ihn vertraulich anreden und ihm später auch mein Mißtrauen bezeigen und ihn reizen. Ist er Euerer Liebe würdig und ohne Arg, so wird er bescheiden bleiben und meine Anspielungen nicht verstehen. Ist er aber voller Anschläge gegen Euch, dann muß er wider mich sein und wird sich verteidigen wie ein Bär gegen den Speer des Jägers.«

»Hm,« sagte der Lord nachdenklich, »das ist sehr spitzfindig ausgedacht. Aber es könnte dennoch trügen.«

Der Marschalk schritt alsbald aus dem Saal.

Lord Randolph saß mit heißer Stirne beim Becher. Er hatte bei diesem Mahle froh sein wollen. Es war anders gekommen.

Wie er einsam war, sann er über die Worte Frau Harriets nach, die sie vorhin zu ihm gesprochen hatte. Ja, dieser Tag hatte Wunder getan. Sie hatte recht. Doch dacht' er wieder des Briefes. Welche Botschaft hatte die Burgherrin diesem Fremden, diesem Hirten der Berge zu schreiben? Er fand's nicht.

Auch mußte er in dieser Stunde der Warnung Frau Harriets denken – sie hatte einst zu ihm gesagt: hüte dich vor dem Marschalk, er ist Mißtrauen und Tücke. – Was der Verstand einer Frau nicht erkennt, erkennt ihr Herz.

Der rote Burgunder half den Scharfsinn Lord Randolphs einschläfern. Er vermochte den törichten Gedanken des Marschalks nicht zu folgen, hielt den Becher mit beiden Händen umfaßt und starrte hinein.

»Entweder ist der Marschalk ein ausgewogener Narr, oder er ist der klügste der Schotten!« murmelte er. Dann rief er nach neuem Wein.

Diese Nacht mußte Klarheit bringen.

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