Emanuel Geibel
Brunhild
Emanuel Geibel

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Zweiter Aufzug.

Brunhildens Gemach.

Erster Auftritt.

Brunhild links auf einem Ruhebette, in Gedanken versunken, unbeweglich vor sich hin starrend; neben ihr steht Sigrun in langem Schleier und priesterlichem Gewande; rechts, etwas weiter gegen den Hintergrund, die Jungfrauen des Gefolges.

Eine der Jungfrauen. Die Goldkleinode, die der König dir,
Des Hauses alten Schatz, in erzner Truhe
Gesandt, wir haben sie im Vorgemach,
Die Schleierhüllen lüftend, aufgestellt.
Gefällt's dir, Königin, sie zu beschaun?
Es scheint, der bunte Reichtum lockt dich nicht. –
So sollen wir vielleicht im Lindenhag,
Am Strome, wo dir's gestern wohlgefiel,
Aus Teppichen dein Lustgezelt bereiten?
Du hörst uns nicht?
Sigrun.                   Ihr seht, die Fürstin ist
Versunken in Gedanken, krank wohl gar.
So stört sie nicht mit müß'gen Fragen. Geht
Und harrt im Vorsaal, bis ich euch berufe.

(Die Jungfrauen entfernen sich leise.)

Sigrun (dicht an Brunhilden herantretend und ihr die Hand auf die Schulter legend).
Brunhild!

Brunhild (aufschreckend). Was willst du mir?

Sigrun.                                                     Wach auf, Brunhild.
Wo warest du?

Brunhild.               Kennst du den Abgrund, Sigrun,
Der hinter allem Denken liegt? Wenn wir
Vergebens über dunkle Rätsel sinnend
Am Ende schwindeln, tut er stumm sich auf,
Und stillt mit Schlafesdumpfheit unsre Qual.
Sich selbst verloren, schwebte dort mein Geist,
In des Vergessens weiße Nacht begraben.
Was weckst du mich?

Sigrun.                             Ich kenne dich nicht mehr.
Welch plötzlich Weh hat dich so ganz vertauscht,
Daß du dir selber zu entfliehen trachtest?
Als gestern abend ich ins Schlafgemach
Dir leuchtete, was da auf deiner Stirne
Geschrieben stand, das war kein Herzeleid.

Brunhild. Zwölf Stunden hat die Nacht, und eine g'nügt,
Ein Menschenlos auf immerdar zu wandeln;
Ein Augenblick nur scheidet Heil und Fluch.
O welch ein Strom wälzt ewig brückenlos
Sich zwischen heut und gestern! Gestern war
Ich noch mein eigen. Stolz und unantastbar
In meines Wesens Blüte fühlt' ich mich,
Dem Einhorn gleich, das kühn den Jäger höhnt.
Und heut – o mir versagt das Wort dafür –
Heut bin ich nur ein Weib, ein Weib wie alle,
Nur tausendmal unseliger! – Doch das
Verstehst du nicht; der Reif, den dir die Jahre
Aufs Haupt gestreut, lag stets in deiner Brust,
Und deine Weisheit ist wie fühllos Erz.
Du kannst es nie ermessen, was es heißt:
Den einen lieben, und dem andern doch,
Von dem dein Herz nichts weiß, mit Leib und Seele,
Dem Aufgedrungnen, unterworfen sein!

Sigrun. Nicht bin ich fühllos; Trauer faßt mich an,
Wie du dein furchtbar Weh vor mir enthüllst.
Nur blind zu klagen weiß ich nicht; mir sind
Vertraut die Pfade, drauf die Norne wandelt,
Und wo das Leid in Blüte steht, da zeigt
Der Geist mir auch die Schuld, aus der es wuchs.

Brunhild. Dein altes Lied –

Sigrun.                               Ja, uralt wie die Welt,
Und täglich neu doch, wie du selbst erfährst.

Brunhild (steht auf).
Sprich denn, was tat ich, daß mir dies geschah?

Sigrun. Gedenk an deine wilde Jugendzeit,
An jene Tage, da zum Isenstein
Die Söhne jeder Küste werbend strömten!
Da sätest du des Unheils nur zu viel.

Brunhild. Willst du mich schelten, daß von jenen keiner
Mir wert schien, mein Gemahl zu sein? – Das ist
Das Maß des Weibes, welchen Mann sie liebt.

Sigrun. Daß du nicht liebtest, wer verargt' es dir?
Denn wie ein zugedeckter Brunnen schläft
In uns die Minne; keiner hebt den Stein
Vom Rande, wenn ihn nicht ein Gott bewegt.
Was du nicht geben konntest, mochtest du
Gelassen weigern. Doch das tatst du nicht.
Nein, grausam schürtest du in wilder Hoffart
Hohnlachend noch die Glut, die du entfacht,
Und der Betrognen Jammer war dein Spiel.

Brunhild. Wie Minne lodert, wußt' ich freilich nicht.

Sigrun. Die Götter aber wußten's wohl, und wogen
Auf eh'rner Wage deiner Opfer Qual;
Und Sühnung fordernd, flammt' aus düstern Sternen
Ihr zorn'ger Ratschluß über dich herab:
»Von Mannes Minne kommt dir nimmer Heil!«
O hättest du das furchtbar ernste Wort
In deines Busens tiefsten Grund geschlossen,
Und in freiwill'ger Buße stark und streng
Dich selbst behütet! Doch dir galt die Warnung
Wie Windesbrausen nur in hoher Luft,
Denn unbezwinglich wähntest du dein Herz.
Als hätte keine Drohung Macht an dir,
So floß in stolzer Sicherheit dein Leben.
Doch da geschah's, da warf die Meereswoge
Den fremden Wildling aus an deiner Schwelle,
Den Drachentöter mit dem goldnen Haar;
Und du –

Brunhild.       Halt inne! Denn ein Frevel schwebt
Auf deinen Lippen, Unbarmherzige!
Nicht richten kannst du, was du nicht begreifst.
Wenn über ihn der Blitz herniederzündet,
Schiltst du den Scheiterhaufen, daß er brennt?
So aber kam's auf mich mit Allgewalt,
Als Siegfried nahte – all mein Wesen schlug
In Flammen jauchzend auf: was ging mich da
Die ewig dunkle Rätselschrift der Sterne,
Was dein verworrner Priestermund noch an?
Und hätte Hela selbst, der Nacht entsteigend,
All ihre Schrecken zwischen uns getürmt:
Ich hätt' ihn doch geliebt!

Sigrun.                                 Ich weiß. Wer einmal
Der Götter lachte, den verstocken sie,
Und jede Warnung ist an ihm verloren.
Mit sehenden Augen häuptlings stürztest du
Dich selber in die Tiefe. Trag es nun,
Wenn sich der Götter Spruch an dir erfüllt!

Brunhild. Ja, wie die Götter stets ihr Wort erfüllen!
Was düster ist und unheilvoll, trifft ein;
Wenn sie dir Weh' geweissagt – o gewiß,
Da sind sie treu bis auf den Gran, es wird
Kein Tropfen dir im bittern Kelch geschenkt,
Du mußt ihn leeren bis zur letzten Hefe.
Doch was sie sonst verheißen, was sie dir
Wie ferne winkend Glück aus Goldgewölk
Verlockend zeigten, o das glaube mir,
Das haftet nimmer, das sind Gaukelbilder,
In leere Luft gehaucht, der Wind verweht sie,
Die Nacht begräbt sie spurlos. Wehe dem,
Der sie für Wahrheit achtet!

Sigrun.                                     Wehe dir,
Daß du so lästerst!

Brunhild.                   Lästerst? Weib, du weißt doch,
Was mir geschehn. – Hier steh' ich, und vor dir
Und vor der Sonne zeig' ich meine Wunden,
Und jede zeugt mir, daß ich Wahrheit sprach!
Was hat mich denn geführt in all dies Leid,
Als täuschende Verheißung, blinde Sprüche,
Die mir dein Mund getönt? Was trieb mich denn,
Mir selbst das eherne Gesetz zu schreiben,
Gehören wollt' ich dem, der mich besiegt?
Wie, oder hast du jener Nacht vergessen
Nach Siegfrieds Abschied, als schlaflose Sehnsucht
Wie eine ries'ge Schlange mich umwand,
Und mich mein liebend abergläubisch Herz
Nach Zukunft bei den Sternen forschen hieß,
Nach einem Schimmer nur von unsern Losen?
Was war die Antwort, rede, die du selbst
Mit feierlicher Lippe mir verkündet?
Nur einer lebt – so klang's – der dich bezwingt,
Und das ist Siegfried, Siegelindens Sohn.
Nur Siegfried, hieß es, leugn' es, wenn du kannst –
Und heute bin ich König Gunthers Weib!

Sigrun. Du sagst es, und ein Rätsel waltet hier,
Das ich zu raten nimmer mich vermesse.
Das aber weiß ich: lösen wird sich's einst.

Brunhild. Kann sich auch lösen, was vollendet ist?
Ich weiß es wohl, gewaltig sind die Götter,
Und hoch und straflos thronend können sie
Nach Willkür schalten mit dem Werdenden.
Sie können spielend ihre Blitze schleudern
Ins Haus der Sterblichen, und dann den Schrei
Der grimmen Not im Donnerhall begraben;
Sie können grausam strafen, was sie selbst
Gewirkt, und lachen bei den goldnen Hörnern,
Wenn wir in Qualen untergehn. Doch eins,
Eins ist, was Trotz beut ihrer Allgewalt:
An das Vergangne können sie nicht rühren,
Und ungeschehn nicht machen, was geschah.
Geweissagt ward: »Nur Siegfried mag dich zwingen«,
Und Gunther zwang mich, Gunther, – o das bleibt
Ein Widerspruch, dran sie zuschanden werden!
Und bis er nicht gelöst, will ich, Brunhild,
Das sterbliche, das wehbeladne Weib,
Die Stirn aufwerfen wider solchen Trug
Und in die Wolken schrein: Ihr habt gelogen!

Sigrun. Du weißt nicht, was du redest – Schweig, Unsel'ge!
Die Dinge lügen, doch die Götter nicht.
Wer gibt dir denn Gewähr und Bürgschaft dessen,
Was du vollendet heißest? Aug' und Ohr.
Sind Aug' und Ohr wahrhaft'ger als die Götter?
Kannst du damit ins Herz des Lebens dringen,
Der Dinge Wurzeln und Verkettung schaun?
Herüber und hinüber, ewig wechselnd
Tauscht die Gestalt. Wir leben all' im Schein,
Und wie von außen unser Sinn nur tastet,
So trügt uns Kleid und Schale tausendfach.
Die Götter einzig schaun das Wesen an,
Und wem's die Götter wollen offenbaren.

Brunhild. Willst du mich höhnen, Weib? Das Gräßliche,
Davon mein Herz noch schaudert, soll ich glauben,
Das könn' ein Trug gewesen sein, ein Nichts? –
Am Ende sagst du noch, ich hab' geträumt.

Sigrun. Viel eh'r, als daß die Götter dich betrogen.

Brunhild. Ha, blinder Starrsinn, der die Sonne lieber
Schwarz heißt, als seinen Wahnwitz eingesteht!
Ich ahnt' es längst, doch heut erkenn' ich's klar:
Der Priester Kunst heißt lügen nur und trotzen,
Und keiner hat sie so geübt wie du.

Sigrun. Dein Schmerz verwirrt dich. So verzeih' ich dir.

Brunhild. Verzeihn? du mir? du Sklavin deiner Herrin,
Wenn sie um deinen Übermut dich schilt?
Schamlose, fort aus meinem Angesicht!
Hinweg, und dank es deinem greisen Haar,
Daß ich den Schmuck des Priestermantels nicht
Von deinen Schultern reißen und sie dir
Mit Geißelstriemen blutig färben lasse!
Kein Wort! – Hinweg! Sonst tu' ich, was mich reut,
Und deine Götter sollen dich nicht retten!

(Sigrun ist still hinweggeschritten.)

Zweiter Auftritt.

Brunhild (allein).
(Sie blickt der Fortschreitenden eine Zeitlang in stummem Zorne nach; dann fährt sie plötzlich wie erschreckt zusammen.)

Brunhilde! – Ha, wer rief mich? – Niemand hier!
Und doch durchfuhr's mich wie ein Blitz: »Besinne
Dich auf dich selber!« –
                                    O was ward aus mir,
Daß ich hier wüte, wie die wilde Bärin,
Die knirschend in des Käfigs Stangen beißt!
Schmach über mich! – Sigrun! – Sie hört nicht mehr.
Wozu auch sie? – Hier frommt kein Rat von außen,
Hier frommt nur eins, in meines Wesens Grund
Hinabzugreifen und mich selbst zu fassen,
Wie der Versinkende den Felsen faßt.
Mein Pfad ward Finsternis. Zu sterben wäre
Das Leichteste. Dort unten wälzt der Rhein
Die hohen Wasser. Wenn ich meinen Hengst
In diese Wirbel spornte, Wog' auf Woge
Mich überstürzend deckte – wär' es aus. –
Doch eine Flucht wär's nach verlorner Schlacht;
Und Brunhild flieht nicht, selbst vor Göttern nicht.
Wenn's etwas gibt, gewalt'ger als das Schicksal,
So ist's der Mut, der's unerschüttert trägt.
        (Pause.)
Ich will's versuchen. Was vergangen liegt,
Sei abgetan! – Mit hohem Haupte will ich
Durchs Öde gehn, die Hand aufs Herz gepreßt,
Daß keine Blutspur sage, was ich leide –
Vielleicht ist's gut selbst, daß ich mich in ihm
So ganz, so unerhört getäuscht. Denn nur
Wer nichts mehr hofft, nichts – mag gelassen sein.
Ich will's versuchen.

Dritter Auftritt.

Brunhild. Gunther.

Gunther.                       Sei gegrüßt, Brunhild!
Warum so einsam hier? Ich glaubte dich
Im Kreise deiner Fraun zu überraschen,
Die Schätze musternd, welche, meines Stamms
Uraltes Erbteil, nun dein eigen sind.
Aus den gewölbten Kammern sandt' ich sie
Dich zu erfreuen her. Nun seh' ich wohl,
Sie haben dich zu reizen nicht vermocht.

Brunhild. Mir steht der Sinn auf Prunk und Zierat nicht.

Gunther. Noch immer diese Wolken? Gestern wohl
Begriff ich dein rückhaltend Fremdgebaren;
Doch heute dacht' ich huldreich dich zu sehn.
Wozu der Mißmut, Brunhild? Ist das Los
Denn gar so unhold, Gunthers Weib zu sein?

Brunhild. Ich bin zu stolz zum Heucheln, und vor dir
Am letzten, Gunther, möcht' ich unwahr sein.
Nimm mein Bekenntnis denn: ich bin nicht froh.
Wenn du ein feindlich Land in scharfem Krieg
Mit Feuer und mit Schwert dir unterworfen,
Verlangst du, daß es dir beim Einzug schon
Mit Jubelschall entgegenjauchzen soll?
Nein, tät' es so, mißachten würdest du's.
So aber steht's mit uns. Die sanfte Göttin,
Die still die Herzen zueinander lenkt,
Weiß nichts von unserm Bund – du hast im Kampf,
Im schweren Kampf mir selbst mich abgewonnen,
Und eine Siegesbeute ward ich dein.
So duld' es denn, wenn nur gemach dies Herz
Sich des Verlorenen entwöhnt; die Heimat
Verschmerzt sich schwer, und schwerer noch die Freiheit.
Doch nimm mein Wort: Ich bin mit Ernst gewillt,
Mich in das Neue, in mein Los zu finden.

Gunther. Dein Spruch ist herbe, doch nicht hoffnungsleer.
So dank' ich dir dafür, und will dein Herz
Mit ungeduld'gem Wunsche nicht bedrängen.
Doch hoff' ich, soll mir diese Prüfungszeit
Zu lang nicht währen. Nimmt des Menschen Sinn
Doch Farb' und Art vom Himmel, der ihm leuchtet,
Vom Boden, der ihn nährt, empfänglich an.
Und leichter weht fürwahr um Rebenhügel,
Das Blut beflügelnd, hier die Luft als dort
In deinem Norden, wo das öde Meer
Mit ew'ger Schwermut an die Klippen rauscht.
Der Rhein hat seinen Zauber, gib dich nur
Dahin, und Frohsinn lehrt er dich und Minne.

Brunhild. Du zählst zu viel auf das, was draußen liegt;
Doch fühl' ich deine Güte wohl.
        (Nach kurzem Besinnen.)
                                              Du möchtest
Mich ruhig sehn?

Gunther.                   Um alles.

Brunhild.                                 Nun, so laß
Mich eins erbitten, was zu meinem Frieden
Mehr frommen mag, als sonst ein Ding der Welt.

Gunther. Was könnt' ich dir verweigern? Sprich!

Brunhild.                                                           Wohlan.
Schick Siegfried, deinen Schwäher, fort von hier.

Gunther. Was sagst du, Brunhild? Siegfried? Weißt du auch,
Was du begehrst? Daß ich die hohe Flut
Siegreicher Größe, die uns froh dahinträgt,
Im vollsten Strome selbst verdammen soll.
Denn Siegfried ist die Seele meiner Macht.
Und mehr, er ist mein Freund; ich bin um Größres
An ihn gebunden, als du ahnen magst;
Wie sollt' ich nun von meinem Hort mich scheiden!
Bitt' etwas andres, Brunhild –

Brunhild.                                   Schick ihn fort!
Das ist die einz'ge Huld, damit du mich
Erfreuen magst. Wie wög' er denn so schwer,
Der eine Mann! Ihr habt doch auch gesiegt,
Bevor er kam. Und bist du ihm verpflichtet,
So löse fürstlich dich, so überschütt ihn
Mit Gold, mit Lohn, mit Ehren tausendfach.
Nur schick ihn fort; um meinetwillen tu's!

Gunther. Es kann nicht sein; auch nicht um deinetwillen.
Ein sinnlos dunkler Trieb nur spricht aus dir.
Schon damals spürt' ich's auf dem Isenstein,
Daß er verhaßt dir war – Gleich beim Willkommen,
Als du zu allen hold warst, tatst du scheu
Nur gegen ihn –

Brunhild.                 O woran mahnst du mich!

Gunther. Und als er später, mit gebognem Knie
Dir huldigend, als meine Braut dich grüßte,
Sprachst du kein Wort und wandtest ihm den Rücken.
Und auf der Heimfahrt dann –

Brunhild.                                     Genug! Genug!
Ich kann sein lachend Angesicht nicht sehn.
Der übermüt'ge Trotz aus seinen Brauen
Empört mein Blut, und böse Ahnung steigt
Mir ins Gehirn – Nochmals, entsend ihn, Gunther;
Es tut nicht gut, daß wir beisammen sind.

Gunther. Es tut nicht gut, daß grimme Laune sich
Gespenster schafft, grundloser Widerwille,
Weil wir ihn töricht nähren in der Brust,
Zum Haß auswächst, der die Geschlechter trennt.
Dein Herz nicht kann ich zwingen, daß es sich
Zu Siegfried neige; doch daß du in ihm,
Die Königin, des Landes besten Helden,
Daß du in seinem Weib die Schwester ehrst,
Das darf ich fordern. Und so fordr' ich denn,
Was ich zu bitten kam. Schon flüstert sich
Das Ingesind gehäss'ge Rede zu,
Daß du Kriemhildens herzlichen Empfang
Mit keinem Schritt vertrauter Huld erwidert,
Mit keinem noch so armen Wort des Danks.
Die Kälte deutet man, mit der du sie
Beharrlich meidest, als Mißachtung aus;
Und, wenn sie selbst in ihrer Kindesgüte
Bis heut nicht klagte, meinst du, daß sie drum
Der Kränkung Stachel nicht im Innern fühlt?
Das darf nicht sein. Des Hauses heilig Recht,
Des Bruders Pflicht verriet' ich, wollt' ich's dulden.
Und so verlang' ich, daß du dich bezwingst,
Und gutzumachen gehst, was du versäumt.

Brunhild. Zu Siegfrieds Weibe schickst du mich? Du weißt
Nicht, was du tust. Muß er denn bleiben, sei's;
Auch darein füg' ich mich, da dir's gefällt.
Nur laß uns ewiglich geschieden wohnen,
Nur seine Nähe spar mir, heiß mich nicht
Kriemhilden suchen, nicht mich Zeugin sein,
Wie er – du sagst ja selbst, daß ich ihn hasse –
Dem Glück im Schoße sitzt – O mein Gemahl,
Erlaß mir diesen Gang! –

Gunther.                             Wie? Muß ich dich,
Die Hochgewalt'ge, mahnen, stark zu sein?
Ein großer Sinn übt strenger nur die Pflicht,
Wo Liebe fehlt. Du wirst dich überwinden;
Ja, heut noch wirst du, was geschehn muß, tun.
Wir feiern morgen Sonnewendenfest.
Da heischt der Gott, daß ihm die Fürstinnen
Aus unserm Stamm das Opfer selbst bereiten
Und reinen Sinns ein heilig Jahr erflehn.
Ich will nicht, daß ihr vor ihn treten sollt,
Die unversöhnte Kränkung in der Brust,
Denn keinen Segen brächt' es uns. So geh denn,
Und biet ihr Gruß und Frieden. Geh sogleich!

Brunhild. Gunther! –

Gunther.                   Genug, beim Thor! Ich muß ja glauben,
Du hassest Siegfried nicht, du fürchtest ihn.

Brunhild. Ich fürchte niemand; selbst das Schicksal nicht,
Mit dem du blindlings spielst. Du hast mein warnend Herz
Nicht hören wollen. Wohl, so tu' ich denn
Nach deinem Wunsch. Und magst einst du so furchtlos
Dem Sturm entgegengehn, vor dem mir schwant!
        (Sie geht rasch ab.)

Gunther (allein).
Sie geht. Unwillig freilich; doch sie geht. –
So bin ich wieder Herr. Dank euch, ihr Götter!
Und wendet mir zum Heil, was ich begann!

Verwandlung.

Burggarten zu Worms. Hohe Bäume. Im Hintergrunde ein gemauertes Geländer, darüberhinaus Ausblick in das Rheinthal. Zur Rechten, stark in die Szene hervorspringend, eine Bogenpforte, mit Efeu umwachsen, links im Mittelgrunde ein Rasensitz.

Vierter Auftritt.

Kriemhild steht im Hintergrunds auf das Geländer gelehnt, und scheint in die Gegend hinauszublicken. Als Giselher vorn zur Linken auftritt, wendet sie sich diesem entgegen.

Kriemhild. Du kommst. So ist das Waffenspiel geendet,
Zu dem frühmorgens die Trompete rief.
Wer trug den Preis davon?

Vielstimmiger Ruf hinter der Szene. Heil Siegfried, Heil!

Giselher. Der Ruf des Volks verkündet's dir: dein Siegfried.
Er zwang sie alle nieder in den Sand,
Zuletzt auch Hagen, den ich kaum im Leben
So furchtbar sah, so wuterfüllt wie heut.
Das war ein Schauspiel, wie die beiden rangen!
Der eine grimmig keuchend, blutigrot
Das Aug' umlaufen, doch der andre selbst
Im höchsten Kampfsturm heiter noch und schön.
Da ward mir's klar erst, was jüngst Siegfried meinte,
Als er im Scherz mit Hagen sich verglich,
Ihm hilft der Erdgeist, sprach er, mir die Sonne. –
Doch warum kamst du nicht und schautest selbst?

Kriemhild. Mich trieb mein Herz in diese grünen Schatten.
Gewiß, vor wenig Wochen hätt' ich noch
Das bunte Spiel um keinen Preis versäumt.
Doch heute dürstet' ich nach Einsamkeit.
Gesellig macht die Freude, sagt man sonst;
Ich lern' es anders nun. Ein hohes Glück,
Das plötzlich in die Brust uns niedersinkt,
Bedarf der Sammlung. Gleich der edlen Traube
Will's, still sich sonnend, reifgetragen sein.
So ging ich denn, und sann den holden Mächten,
Die mein Geschick bewegen, selig nach.

Giselher. Sie haben Wunderkraft an dir bewiesen,
Denn wie verwandelt stehst du vor mir da.
Dein Wesen leuchtet, höher scheinst du mir
In wenig kurzen Tagen aufgewachsen,
Und deine Stimme tönt wie lautend Erz.
Ja, wärst du Kriemhild nicht, die liebe Schwester,
Ich könnte das Gefühl, das du mir weckst,
Fast Ehrfurcht heißen –

Kriemhild.                         Geh, wie sprichst du nur!
Und doch! Mit ahnungsvollem Mund benennst du
Ein dunkles, nie gekanntes Etwas, das
Mich oft durchschauert, seit ich Siegfrieds Weib.
Mit frommer Scheu bestaun' ich dann mich selbst,
Und wie durch ein verklärend Feuer scheint
Mir dieser Leib durch seinen Kuß geweiht,
Daß nichts Gemeines ihn hinfort berühre.
Nun salb' ich auch mit edler Narde gern
Mein langes Haar, und selbst den Purpur leg' ich,
Der Perlen licht Geschmeide willig an,
Denn alles Höchste fühl' ich mir verwandt.

Giselher. Du spürst die Krone schon um deine Scheitel,
Die du in Niederland einst tragen wirst.

Kriemhild. Es ist nicht das. Fürwahr, was brächte mir
Der güldne Reif, das ich nicht längst besessen?
Nein, Siegfrieds Lieb' allein ist, was mich hebt.
Und sollt' er nimmer eines Thrones walten,
Ich trüge drum nicht minder hohen Mut.
Denn wer vergleicht sich ihm? Schon knüpft das Lied
Im Volk hinwandelnd seinen jungen Namen
An die gewalt'gen Abgeschiednen an;
Es nennt ihn gottentstammt die Ferne schon,
Die, ungeirrt von Neigung, Haß und Vorteil,
Das Große nur im eignen Lichte sieht.
Und dieser Held ist mein!

Ruf hinter der Szene.           Heil Siegfried, Heil!

Kriemhild. Horch, wie sie jauchzen! Meine Seele schwebt
Beflügelt, stolz empor auf diesen Tönen,
Und jubelt mit. O Bruder Giselher,
So war noch nie ein sterblich Weib beglückt,
Wie deine Schwester. All mein Leben ward
In ihm erfüllt, und fast zu bitten hab' ich,
Zu wünschen fast verlernt. Denn außer ihm
Was hegt die Welt noch, das der Sehnsucht wert!

Giselher. Du glühst so schön in deinem Glück. Und doch!
Fast könnte mir vor solcher Liebe bangen.
Denn oft vernahm ich: wenn ein Menschenherz
Sein Alles setzt an ein vergänglich Gut,
So grollen drob die Götter und zerbrechen
Zum Zeugnis ihrer Macht sein Kleinod ihm.

Kriemhild. Entsetzlich! Schweig! – Wie kommt dein roter Mund
Zu solcher Weisheit, die wie Grabesodem
Mein armes Herz zusammenschaudern macht?
Wer das ersann, der wußte nie von Liebe.
Denn wär' es so: – nein, nein, ich denk's nicht aus,
Da gähnt ein Abgrund, bodenlos; laß uns
Geschlossen Auges dran vorübergehn! –
Ich will ja fromm sein, daß die Ew'gen mir
Mein Glück nicht neiden, weil's an ihres reicht.
Und wachsam will ich werden. Wenn von fern
Auch nur ein Wölkchen aufsteigt, das für Siegfried
Zur blitzesschwangern Wolke wachsen könnte,
So will ich warnen, will den Willen ihm,
Den stürmischen, mit sanfter Vorsicht dämpfen,
Und vor sich selbst ihn hüten – O, ich weiß,
Doch wozu gäbe nicht die Liebe Kraft!

Giselher. Du bist erregt. Vergib das rasche Wort,
Das ahnungslos mir von der Lippe sprang.

Kriemhild. Ich dank' es dir. Wer weiß, ob's nicht ein Gott
Dir in den Mund gelegt! Gewiß, ich bin
So heiter wie zuvor; du hast mich nur
Aus allzu müß'gem Träumen aufgeweckt;
Ja, von der Sorg', als könne meine Liebe
Zu nichts ihm taugen, hast du mich befreit.
Ich weiß jetzt, was ich kann und was ich soll,
Und will des hohen Amts mit Freuden walten.

Fünfter Auftritt.

Die Vorigen. Siegfried.

Siegfried (tritt auf, gerüstet, einen Speer in der Hand).
Hab guten Tag, mein Herz! Da bin ich wieder.
Nun bleib' ich bei dir.

Kriemhild.                     Ruh' hier aus, Geliebter,
Im Lindenschatten. Komm, ich löse dir
Den schweren Helm. – Du wirst ermüdet sein.
Und nun zum Gruße laß die Stirn dir küssen,
Drauf noch der Widerschein des Sieges glänzt!

Siegfried. Ei, weißt du schon?

Kriemhild.                             Hier Bruder Giselher
Gab mir Bericht, wie du den Preis gewannst.

Siegfried. Nun, diesmal ward mir's schwer genug gemacht.
Der Hagen ist ein sturmgewalt'ger Fechter;
Das Schwert gehorcht ihm wie ein Glied des Leibs.
Und wie er ficht, so ringt er; seine Sehnen
Sind biegsam Erz. – Fast tut mir's leid um ihn;
Er ging ergrimmt und ohne Gruß davon.

Giselher. Man sah's ihm an, er hatt' auf Sieg gehofft.
Den schönen Speer auch mit dem Goldreif hier,
Den Lohn des Kampfes, hätt' er gern gewonnen;
Denn vor dem Spiel beifällig prüft' er lang
Den Stahl, und wog den Schaft in seiner Hand.

Siegfried. Fürwahr? das freut mich; mag ich ihm doch nun
In etwas mindestens den Unmut dämpfen.
Geh, Schwager, nimm den Speer und bring ihn Hagen
Und sag', ich bät', er möcht' ihn nicht verschmähn;
Die starke Waffe zieme ganz dem Arm,
Der mir's so schwer gemacht, sie zu gewinnen.

Giselher. Du wolltest? –

Siegfried.                       Geh, und richt' es freundlich aus;
Ich kann's nicht ansehn, wenn ein wackrer Held,
Bin ich gleich schuldlos, meinethalb sich kränkt.

(Giselher geht ab.)

Sechster Auftritt.

Siegfried. Kriemhild.

Kriemhild. Wie gut du bist!

Siegfried.                           O sprich mir nicht von Güte,
Wenn ich nur tu', was ich nicht lassen kann.
Das liegt im Blut, und mehr noch in der Freude.
Ja, wär' ich alt und klug, und hätt' ich dich nicht,
Du liebes Glück, doch so – was kann die Sonne
Denn anders tun, als scheinen?

Kriemhild.                                   Nur bedünkt mich,
Sie segnet drum nicht minder, weil sie muß.
So gönn' es mir, mich deiner Art zu freuen,
Und daß du froh bist, wie das Sonnenlicht.

Siegfried. Tu's immerhin! Ist's doch dein eigen Werk.
Zwar, Sorgen kannt' ich nie, doch dies Gefühl
Friedsel'gen Vollgenügens, das die Seele
Mir glänzend ausfüllt, dank' ich dir allein.
Denn wie wir all vom Weibe sind, so zieht es
Zum Weib uns stets zurück mit Allgewalt,
Und nur in ihren Armen finden wir
Die erste früh verlorne Heimat wieder.

Kriemhild. Mein Liebling!

Siegfried.                         Sieh! nun schaut die Welt mich erst
Vertraulich wie ein Kind des Hauses an,
Und dankbar lern' ich, langsam, Zug um Zug
Des Daseins Fülle schlürfen. Auch die Stunde,
Die nicht dem Heldenwerk gehört, durchströmt
Ein stiller Reichtum aus des Lebens Tiefen.
Die blinde Nacht selbst, die den Mantel sonst
Gleichgültig über das Bedürfnis warf,
Deckt sie nicht jetzt ein hold Geheimnis uns
Mit ihren Sternen zu? Traun, sollt' ich klagen:
Ich klagte nur, daß sie so rasch entflieht.

Kriemhild. Und dennoch, Liebster, hast du vor der Zeit
Vom warmen Lager heut dich fortgestohlen.

Siegfried. Du weißt? –

Kriemhild.                   Vom Wetterleuchten wacht' ich auf,
Und fand dich nicht, und sann, und sorgte fast,
Da du nicht kamst. Doch mächtig zog am Ende
In seine Wellen mich der Schlaf zurück.
Doch nun sag an, was trieb dich fort von mir?

Siegfried. Je nun, was wird's gewesen sein, mein Herz!
Die Alfen hört' ich blasen durch die Nacht.

Kriemhild. Du fabelst, Liebster.

Siegfried.                                 Merkst du's, süße Klugheit?

Kriemhild. Doch nun im Ernste sprich, wo warest du?

Siegfried. Nun wohl, ich fuhr zur Jagd in Königs Forst,
Und warf ein schneeweiß Edelwild darnieder.

Kriemhild. Geh, du bist arg! Dich freut's, mich auszuspotten;
Und war in Sorgen doch um dich. Und muß ich's,
Da du mir ausweichst, jetzt nicht doppelt sein?
Gib mir denn Antwort, Liebster. Was ging vor?

Siegfried. Laß gut sein, Kind.

Kriemhild.                             Fürwahr, du tust nicht recht,
So streng die kleine Bitte mir zu weigern,
Die aus Besorgnis, nicht aus Neugier floß.
Sprich selbst, wie läßt sich's deuten, wenn der Mann
Auf lange Stunden, spät nach Mitternacht
Sich wie ein Dieb von seines Weibes Seite
Hinwegstiehlt und den Grund nicht nennen will?
Ich muß ja denken, daß ein Unheil sich,
Ein bös Geheimnis, das den Tag nicht schaun darf,
In dieser Stummheit birgt –

Siegfried.                                 Ei, Kriemhild, seh' ich
Denn aus wie einer, der ein Leid verhehlt?

Kriemhild. Dein Schweigen, nicht dein Antlitz ängstigt mich,
Und ist's kein Leid, warum verhehlst du's mir?
Und läßt dies Herz in bangen Zweifeln schweben,
Wo mich ein einzig Wort beruh'gen mag?

Siegfried. Genug! Nicht immer frommt's, von allem wissen.
Zweischneidig ist das Wort. Und Dinge gibt's,
Die, namenlos, unmächt'gen Schemen gleich
Im Luftkreis schweben. Doch berufst du sie,
So stehn sie leibhaft da, verderbenträchtig,
Und keine Macht bannt sie zurück ins Nichts.

Kriemhild. O so betrog mein ahnend Herz mich nicht,
Und unbekannte Schrecken lauern hier,
Von denen du den Schleier wegzuziehn
Aus Mitleid zauderst! Doch du tust nicht klug;
Denn schlimmer als das Übel ist das Grauen,
Das wie ein Dunst gestaltlos vor ihm zieht.
Gewißheit gib mir, und ich kann sie tragen.
Zeig die Gefahr mir, und ich will mit dir
Sie klug vermeiden oder kühn bestehn;
Nur leg' mir nicht freiwill'ge Blindheit auf.
Bin ich dein Weib nicht? Hast du zur Gefährtin
Mich deiner Heldenlaufbahn nicht erwählt?
Und hieltest mich so schwach, daß mich beim Anblick
Des dräuenden Geschicks ein Schwindel faßte!
Gewiß, das tust du nicht! –
        (Sie hält erwartend inne. Siegfried schweigt.)
                                        Du schweigst noch immer?
Weh mir! Ich war so stolz auf dein Vertraun,
Hoch über alle Frauen glaubt' ich mich
Emporgerückt; nun muß ich's, ach, erkennen,
Ein sel'ger Rausch nur war's, der mich erhob;
Denn deinesgleichen sahst du nie in mir.
Den Schaum des Lebens nur, den Sonnenschein,
Den flücht'gen Reiz allein gedachtest du
Mit mir zu teilen, nicht das Leben selbst.
Dein tiefstes Herz hältst du vor mir verschlossen,
Und wie ich pochen mag, du tust nicht auf!

Siegfried. Wie? Tränen, Kriemhild? Seid ihr Weiber doch
Wie schmelzend Wachs! Ich bitte dich, hör auf.
Das Blut aus Wunden kann ich rinnen sehn,
Doch diese Tropfen nicht, mit welchen du
Mich zwingen willst. Hör auf – du machst mich zornig –
Beim Thor! Ich spräch' nicht gern ein hartes Wort.
So geh' ich lieber –
        (Wendet sich.)

Kriemhild (ihn haltend).   Siegfried! Siegfried!

Siegfried (macht sich los).                               Laß mich!

Kriemhild.. O nun ist alles hin! Du liebst mich nicht!

Siebenter Auftritt.

Die Vorigen. Brunhild.
(die schon während der letzten Reden aus der Bogenpforte getreten ist und alles beobachtet hat).

Brunhild (für sich).
In Tränen sie und er im Zorn. – Ihr Götter!
Elend auch er! – Nun springe nicht, mein Herz!
Euch zu begrüßen kam ich; doch ich sehe,
Ich habe meine Stunde schlecht gewählt.

Siegfried. Du bist uns stets willkommen, Königin.

Kriemhild. Gewiß – Und doch – Du hast uns überrascht; –
Was wirst du denken?

Brunhild.                         Daß die Tränen, die
So reich dir fließen, Freudentränen sind,
Wie sie der Gattin solches Helden ziemen.

Kriemhild. Brunhild!

Siegfried.                   Laß dir bedeuten –

Brunhild.                                               O ich weiß,
Was jetzt dein Stolz zu reden dir gebeut!
Du willst mir sagen, daß der Schein betrügt.
Und darin freilich hast du recht. Es hat
Mich unerhört bis heut der Schein betrogen;
Bis heut, nur nicht in diesem Augenblick.
O ich war blind! Doch plötzlich blitzerhellt
Erkenn' ich das Geweb' des Schicksals wieder.
Ich sehe, welchen Wonnebecher dir
Dein junges Weib kredenzt. – Gehabt euch wohl!
Ich will dein Glück nicht stören, Schwester Kriemhild.

Siegfried. Brunhilde! – Sie ist fort, sie hört mich nicht.

Kriemhild. O womit hab' ich solchen Hohn verdient!

Siegfried. Ha, frecher Hochmut! Wagt sie, mir mein Weib
Zu schmähn? Vor meinem Antlitz? die Vermess'ne!
Mein Weib, das sie mit keinem Wort gekränkt!
Und dies zur Stunde, da um ihr Geheimnis,
Um ihre Ehr' ich wie ein Tor gesorgt!
Tod und Verderben! Hier vor meinen Augen!
Als wärst du eine Magd!

Kriemhild (weinend).             O Siegfried, Siegfried!

Siegfried. Du sollst nicht weinen, Kriemhild. Nein! Ich habe,
Was deine Tränen löscht. Und komme draus,
Was immer will; nun sollst du diese Stolze
In ihrer Blöße sehn, nun sollst du's wissen,
Was nur, um sie zu schonen, ich verschwieg.
Als du mich heut vermißt – war ich bei ihr.

Kriemhild. Bei Brunhild! All ihr Götter!

(Der Vorhang fällt rasch.)


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