Emanuel Geibel
Brunhild
Emanuel Geibel

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Erster Aufzug.

Große Halle in der Hofburg zu Worms. Im Hintergrunde linksDie Bezeichnungen rechts und links gelten hier wie im ganzen Stücke vom Zuschauer aus. eine weite Rundbogenpforte, durch welche man in einen langen Gang hinabsieht, rechts, ebenfalls in der Hinterwand, ein breites Fenster, das ins Freie führt; zu den Seiten Pforten. – Es ist früher Morgen. Die von der Decke herabhangenden Ampeln brennen noch; erst im Verlaufe des zweiten Auftrittes erhellt sich der Himmel hinter dem Fenster allmählich bis zur vollen Tagesbeleuchtung.

Erster Auftritt.

Beim Aufgehen des Vorhanges sieht man eine Schar von Dienern beschäftigt, den Saal, wie nach einem großen Feste, wieder zu ordnen; es werden goldene und silberne Geschirre fortgeräumt, Tafeln weggetragen, Kranzgewinde von den Wänden und Pfeilern genommen. In der Mitte der Bühne steht Volker, die Diener befehligend; rechts im Vordergrunde Hagen.

Volker. Noch diese Tafel fort! Die eh'rnen Leuchter
Dort an die Wand! Und hier vom Pfeiler noch
Das Laubgewind herunter! – So, nun ist
Die letzte Spur des Hochzeitfestgelages
Getilgt, und ernst und ruhig mag der Saal
Die jungen Paare wiederum empfangen,
Wenn sie der Tag aus ihren Kammern ruft.
Habt ihr die Purpurteppiche gelegt
Vom Brautgemach des Herrn im rechten Flügel
Bis an die Treppe, die zur Halle führt?

Diener. Ich tat's; in beiden Flügeln legt' ich sie.

Hagen. In beiden? Wer befahl das?

Diener.                                         Ei, ich dachte,
Weil auch Herr Siegfried gestern Hochzeit hielt,
So wär's geziemend –

Hagen.                             Laß dein Denken, Freund, –
Und tu, was dir geboten ward, nicht mehr.
Herr Siegfried ist ein auserlesner Degen,
Doch königlicher Prunk gebührt ihm nicht.
Geht! nehmt die Decken fort im linken Flügel!
Dann mögt ihr nicken bis zum Hahnenschrei.

(Die Diener entfernen sich.)

Zweiter Auftritt.

Hagen. Volker.

Hagen. Siegfried und Siegfried! Tut doch jedermann,
Als wär' er hier der Herr; und gnädig nimmt er's,
Mit sicherm Lächeln, unverwundert hin:
Ich glaube, bot' ihm Gunther seine Krone,
Er setzte sie aufs Haupt und dankte kaum.

Volker. Du liebst ihn nicht, ich weiß –

Hagen.                                               Du sagst es, Volker. –
Doch reden wir von anderm, wenn du nicht
Zu schlummern vorziehst. Denn der Morgen graut.

Volker. Mein Sinn steht nicht auf Schlaf. Noch immer tost Des Festes Nachhall dumpf in meiner Seele; Und vor Gedanken fand' ich doch nicht Rast.

Hagen. Du scheinst nicht heiter. Sprich, was dir mißhagt? –
Wir sind allein.

Volker.                   Ich bin doch sonst fürwahr
Kein Grillenfänger, der sein Herz verschließt,
Wo's fürstlich hergeht; und beim vollen Becher
Vergeß ich leicht und gern, was Sorgen heißt.
Doch gestern –

Hagen.                   Nun?

Volker.                           Was soll ich's bergen, Freund?
Ich ward der lauten Herrlichkeit nicht froh.
Mir war's, als lastet' ein Gewitterdruck
Jedwede Lust beklemmend, überm Saal,
Und zwischen Saitenspiel und Kerzenglanz
Befiel es mich wie Ahnung künft'gen Wehs.

Hagen. Du sagst, was ich umsonst mir selbst verleugnet.

Volker. Sieh, hätt' ich Siegfried nur und ihm zur Seite
Sein hold Gemahl geschaut, mir wäre traun
Das Herz in lichten Freuden aufgegangen.
Denn niemals floß um hohe Stirnen wohl
So wolkenlos der Minne Glanz und Glück.
Doch wenn ich dann zum andern Tafelende
Das Auge wandte, wo der König saß –

Hagen. Da bot sich freilich kein so freundlich Bild.

Volker. So sahst du's auch, wie hinter Gunthers Lächeln
Sich Unrast barg? Wie er im Sessel rückte,
Die Lippe biß, und plötzlich wieder dann
Den Becher schwang und hastig niederstürzte?
Frau Brunhild aber thront' in kalter Schönheit,
Die Lippe trotzig aufgeschürzt, das Auge
Glanzlos ins Leere starrend, neben ihm,
Als schweift' ihr Geist in weiten Fernen um.
Nur manchmal, wenn nach lautem Becherspruch
Die Wölbung vom Geschmetter der Drommeten,
Vom Schall der Pauke dröhnte, fuhr sie auf;
Und wenn ihr Blick alsdann, den Saal durchfliegend,
Auf Siegfried und Kriemhilden haften blieb,
Da zuckt' ihr Mund, als wollt' ein Wort des Zorns
Hervor sich drängen. Doch sie zwang's zurück,
Und sank aufs neu in ihr verhaltnes Brüten.

Hagen. Ich sah's, wie du.

Volker.                           Mir bangt um Gunthern, Freund.
Er wird des Bundes, sorg' ich, den er schloß,
Nicht fröhlich werden. Doch wer hieß ihn auch
Dies Hünenweib umfrein, in dessen Adern
Des Nordens fremde Wildheit dunkel rollt!
Es hätt' ihn keine von des Landes Töchtern
Verschmäht.

Hagen.               Das wußt' er, drum verschmäht' er sie.

Volker. Und nahm die Männin, die voll Übermut
Sich dem verhieß, der sie im Kampf besiegte!

Hagen. Ein schwer erreichbar Ziel nur lockt den Mann,
Und lockt ihn doppelt, wenn es wie ein Wunder
Aus abenteuerlicher Ferne winkt.
Das tat Brunhild. Und wer sie schaut, begreift,
Daß seiner Sehnsucht still genährtes Feuer
Nur höher aufschlug, als er ihr genaht.

Volker. Mir graut vor diesem Reiz. Sie hat kein Herz.

Hagen. Wer weiß! Ich sah sie anders schon, wie gestern.

Volker. Doch traulich niemals, nie voll Huld.

Hagen.                                                       Auch so.

Volker. Und war das echt?

Hagen.                             Es schien.

Volker.                                           Du machst mich staunen.
Doch bist du wochenlang mit ihr verkehrt,
Da du dem König schon bei seiner Werbung
Mit Siegfried folgtest nach dem Isenstein.

Hagen. Sie blieb für mich ein Rätsel dort, wie hier.

Volker. Auch dort? Gib denn Bericht, wie sie gebarte.
Schon längst von eurer Brautfahrt hätt' ich gern
Ein zuverlässig Wort gehört.

Hagen.                                     Wohlan!
Vernimm den ganzen Hergang unsres Zuges.
Wir hatten gute Fahrt. Am zwölften Tage
Entstiegen wir dem Schiff am Isenstein
Und zogen in die Burg, die stolzbetürmt
Auf steiler, meerausblickender Klippe ragt.
In Waffen kamen wir, auf trotz'gen Anruf,
Auf widerwilligen Empfang gefaßt,
Doch anders, traun, erging's, als wir erwartet.
Denn kaum daß unser Fuß den Hof beschritt,
So naht' auch schon in ihrer Jungfraun Schar,
Von des Palastes Stufen niedersteigend,
Bekränzten Hauptes, uns die Königin.
Mit holdem Gruße bot sie jeglichem
Den Willkommsbecher, gleich als wären wir
Des Hauses sehnsuchtsvoll erharrte Freunde,
Wiewohl doch Siegfried nur bekannt ihr war.
Und dann, uns gastlich in die Halle ladend,
Hieß sie beim Mahl uns rasten von der Fahrt.
Da flog der silberarmigen Mägde Schar,
Auf reichem Prunkgeschirr die Speisen tragend,
Da strömten Düfte, rauschte Saitenspiel.
Die Fürstin aber saß, die stolzen Brauen
Gesenkt, mit wundervollem Lächeln da.
Ja, manchmal deucht' es mir, sie ahne wohl,
Was uns daher geführt, und harre nur
In froher Scham des klar gesprochnen Worts.
Doch wer erforschte dieses Weibes Sinn!
Denn als am Schluß der Tafel Gunther nun
Das Trinkhorn festlich hob und seine Werbung
Mit feierlichem Spruch verkündete:
Da fuhr sie jählings schreckverstört vom Sessel,
Wie einer, den vom ersten süßen Schlaf
Des Feuerhorns Erzstimme weckt. So stand
Sie lang, ein düster schönes Rätselbild,
Umsonst nach Worten ringend, während Glut
Und Totenbläss' auf ihrem Antlitz kämpften.
Doch plötzlich, wie aus Zweifeln königlich
Empor sich richtend, sprach sie laut und fest:
»Du willst den Zweikampf, Gunther, nimm ihn denn!
Doch hüte dich, du wirbst um dein Verderben.«
Drauf in des Mantels purpurtiefe Falten
Die Schultern schlagend, brach sie auf und schritt
Stolzhäuptig grüßend langsam aus der Halle.

Volker. Seltsam! – Und wie erging's am andern Tag?

Hagen. Der nächste Morgen wies im Burghof uns
Den Kampfplatz abgesteckt, und kaum erreichte
Die Sonne den geschloßnen Raum, so stieg
Im goldnen Panzer schon, hochaufgeschürzt,
Herab die Fürstin; drängend flutete
Der Schwarm der Jungfraun von den Stufen nach.
Doch sie, walkürenhaft die Locken schüttelnd,
Den Erzschild schwingend, daß er Blitze schoß,
Sprang hastig in den Schrankenhag, und schaute
Von Wildheit trunken nach dem Gegner um.
Geschloßnen Aarhelms, ganz in Stahl geschuppt,
Trat Gunther festen Schrittes ihr entgegen,
Zum Kampf bereit; auch er ein Bild der Kraft.
Ja, fast bedünkte seiner Glieder Bau
Mir über das gewohnte Maß zu ragen,
Als hätt' ihn über Nacht die strenge Not
Mit Löwenmilch zum Riesen aufgenährt.
So stand das Paar sich dräuend gegenüber,
Gewitterwolkenstumm. Und stille ward's,
Daß man der Brandung dumpfen Schlag vernahm.
Da schmetterten zum Angriff die Drommeten,
Und dröhnend von der Lanzen Wurf zugleich
Erklang der Schilde festes Erzgewölb.
Der Kampf ward heiß; es sauste Speer um Speer,
Bis endlich, hart mit stumpfem Schaft getroffen,
Die Fürstin schwankt', und niederbrach ins Knie.
Doch grimmig lachend sprang sie auf. Und als
Sie nun des Wurfsteins ungeheure Last
Zwölf Klaftern weit hinschleudert', und im Schwung
Ihm dröhnend nachsprang, stockte mir der Atem,
Und bange sorgt' ich um des Kampfes Ausgang.
Doch Gunther, hochgewaltig, wie ich kaum
Ihn vormals schaute, wog und schwang den Block,
Und speereslang noch übers Ziel hinaus
Im Wurf ihn schmetternd, übersprang er ihn.
Mit Staunen schauten wir's, der Sieg war sein.
Die Fürstin aber, zwischen zorn'ger Scham
Und Ehrfurcht schwankend, bot mit glüh'nder Stirne
Die Hand ihm dar, und so zum Volk sich wendend,
»Hier steht der König,« sprach sie, »huldigt ihm,
Denn nicht mehr weigr' ich ihm den Ring der Braut.«
Da hob sich tausendstimmig Jubelrufen,
Doch er, als hätt' ihm sein urplötzlich Heil
Den Mund versiegelt, grüßte schweigend nur
Mit dichtgeschloßnem Helm, und schritt hinauf,
Den Panzer mit dem Festgewand zu tauschen.

Volker. Und was ward weiter?

Hagen.                                   Nun, der Tag verging
In müß'ger Feier. Gunther schien sein Glück
Fast scheu noch wie ein Wunder zu empfinden,
Dem Knaben ähnlich, der ein überreich
Geschenk kaum zu ergreifen sich getraut.
Brunhild war schweigsam. Gegen Abend erst,
Als Siegfried heimkam –

Volker.                               Wie? So war er nicht
Beim Kampf zugegen?

Hagen.                             Nein, du kennst ihn ja,
Der stets der blinden Laune nur gehorcht;
Gleichgültig hatt' er, um des Königs Schicksal
Nicht sorgend, den verhängnisvollen Tag
Im Felstal auf der Bärenjagd verschwärmt.

Volker. Maßloser Leichtsinn.

Hagen.                                 Heiß es Übermut.
Und so empfand's Brunhild. Denn als er nun
Am Abend heimkam, und des Bären Haupt
Und Klauen huld'gend ihr zu Füßen legte:
Ich werde nie den Blick des Zorns vergessen,
Der wetterleuchtend ihr vom Auge ging. –
Seit jener Stunde, deucht mir, haßt sie ihn.

Volker. Auch das noch! – Hagen, mög' uns gnadenvoll
Ein Gott durch all dies Wirrsal führen!

Hagen.                                                   Horch!
Was gibt es? Auf den Stiegen wird es laut;
Das war der Fürstin Stimme.

Volker.                                     Nahn sie schon? –
Nun, das heißt früh vom Brautbett aufgebrochen.

Dritter Auftritt.

Die Vorigen. Brunhild. Gunther. Mehrere Diener.

Brunhild (hastig eintretend).
Hinab zum Hof und sattelt mir den Hengst!
Ich will zum Jagen.

Gunther.                     Hör mich an, Brunhild!
Zu dieser Stunde, wo die Mannen kaum
Versammelt, uns zu grüßen – Laß es gut sein!
Es ist nicht Sitte –

Brunhild.                   Wer entscheidet hier,
Was Sitte sein soll! Heiß' ich Königin,
Um jeder dumpfen Satzung mich zu fügen,
Die altersschwach ein Höfling einst ersann?
Schirrt mir den Hengst!

(Ein Diener entfernt sich.)

Gunther.                           Du solltest nicht im Unmut
Die Satzung schmähn, die von des Fürsten Haupt
Gemeines wehrt –

Brunhild.                     Ein Schwächling, wer von ihr
Sein Ansehn borgen muß! Wer herrschen will,
Sei groß genug, des Flitters zu entbehren!
Wo Kraft sich zeigt, bleibt Ehrfurcht nimmer aus.
Doch wozu red' ich hier! Mich drückt die Luft
In diesen Wänden wie Gefängnisatem;
Und draußen rauscht der Wald und braust der Strom.

Gunther. Nun denn, so reite! Was versagt' ich dir!
Um Mittag folg' ich nach. Dann führ' ich dich
Zum Gipfel, wo dein Blick die weiten Forsten,
Die jetzo dein sind, überschauen soll.

Brunhild. Tu, was du magst. Nicht heischt' ich dein Geleit;
Nur frei sein will ich. Und beim Thor, mir deucht,
Du hast erfahren, daß ich meine Rechte,
Dafern es not tut, mir zu wahren weiß.

Der Diener (wieder eintretend).
Die Rosse sind gezäumt.

Brunhild.                             Wohlan denn, folgt mir,
Und grüßt mit Hörnerschall den jungen Tag!

(Brunhild rasch ab mit einem Teil des Gefolges. Gleich darauf draußen eine kurze Fanfare von Hörnern.)

Vierter Auftritt.

Gunther. Hagen. Volker.

Gunther. Ich bitt' euch, meine Treuen, lasset euch
Nicht irren durch der Fürstin Ungestüm.
Ihr wißt es ja, sie ward im Panzer groß,
Und, früh der mütterlichen Hut beraubt,
Sich selber Herrin, lernte sie noch nicht
Die eigenwillig stolze Kraft zu zügeln.
Das wird sich ändern, wenn ihr hoher Sinn
Von unsres Hauses sicherm Maß umwaltet
Den Segen festgediegner Ordnung spürt;
Denn klugen Geistes ist sie, wie sie stürmt.
Drum nochmals, nehmt ihr Tun wie Frühlingsbrausen,
Das doppelt reichen Sommer uns verheißt.
Jetzt aber geht, und ruft mir Siegfried her.

Volker. Als ahnt' er dein Gebot, betritt er eben
Die Schwelle dort.

Gunther.                     Wohl denn! Auf Wiedersehn!

(Volker und Hagen entfernen sich auf Gunthers Wink durch eine Seitenpforte. Siegfried erscheint im Hintergrunde.)

Fünfter Auftritt.

Gunther. Siegfried.

Siegfried. Was gibt es, Schwager? Lust'ger Hörnerschall
Erklang vom Schloßhof. Naht ein Gast vielleicht?

Gunther. Die Fürstin zieht zur Jagd –

Siegfried.                                         So hab' ich mich
Verspätet wohl – Nun – heute geht mir's hin –
Du weißt ja, was mich hielt. Jetzt aber laß
Mit frohem Glückwunsch dir die Rechte schütteln;
Und mag dir aus dem Schoße dieser Nacht
Ein freudereicher Sproß dereinst erblühn,
Der Erstling eines stolzen Waldgeschlechts.

Gunther. Dein Wort ist bitter, doch du weißt es nicht.

Siegfried. Mein treu gemeinter Wunsch? Ei, Schwager Gunther,
Wie fass' ich dich! – Du schweigst? Du kehrst dich ab?
Was ist geschehn?

Gunther.                     O, ich bin elend, Siegfried,
Unsäglich elend! –

Siegfried.                     Bei den Göttern! Sprich!

Gunther. In Stummheit bergen sollt' ich, was mich quält,
In ew'ge Nacht, daß keine Seele je
Den Makel ahnte – Doch ich trag' es nicht –
Gewaltsam schreit das eingepreßte Leid
Nach Luft und droht die Brust mir zu zersprengen –
O schmachvoll, schmachvoll, so betrogen sein!

Siegfried. Erkläre mir –

Gunther.                     Griffst du verschmachtend je
Nach einem Becher schon, und fandest drin
Anstatt des süßen Trunks, nach dem du lechztest,
Geschmolzen Erz?

Siegfried.                   Errat' ich dich? – Brunhild?

Gunther. Der Fels, auf dem sie wuchs, der eisumstarrte,
Gibt eher Gunst um Gunst zurück, als sie.

Siegfried. Ei, kühnes Weib will kühn erworben sein.

Gunther. Und meinst du, daß ich wie ein Schäfer warb?
Nein, bei den Sternen, die mit düstern Augen
Ins Fenster schauten, wenn um Minnelohn
Auf Tod und Leben je gerungen ward:
Ich tat nicht minder. Aber leichter hätt' ich
Den wilden Rheinstrom, der in Frühlingsnächten
Den Damm zerriß, mit meiner Kraft gezähmt,
Als dieses Weibes unnahbaren Zorn. –
Wie vor der Wut des Elements erlag ich,
Und nichts gewann ich, nichts, als Schmach und Hohn.

Siegfried. Die Rasende! Vermißt sie sich, der Welt
Gesetz und Ordnung auf den Kopf zu stellen?
Ei, geht's nach ihr, so jagt hinfort wohl auch
Der Hirsch den Weidmann und das Lamm den Wolf.
Sie lehrt die Fische auf dem Trocknen tanzen,
Und schickt den Stier zum Grasen in die Flut!

Gunther. O, du bist grausam, bei des Freundes Not
Zu scherzen –

Siegfried.               Scherzt' ich? Nun, so tat's der Grimm,
Den mir dein Wort in tiefster Seele weckt,
Ein Weib, so schön und hoch, so ganz geschaffen,
Die Mutter eines Heldenstamms zu sein,
Und hält sich für der Liebe Recht zu gut!
Beim Wodan! Schick sie heim in ihren Norden,
Ins Eis mit ihr, die nicht zu Menschen taugt!
Du bist's dir selbst, bist's deiner Würde schuldig,
Noch heute fort mit ihr!

Gunther.                             Was forderst du?
Unmöglich, Siegfried. Hätt' ich nie den Ruf
Von ihrer Herrlichkeit vernommen, nie
Geschaut mit Augen, daß er Wahrheit sprach:
Mir wär' es besser, freilich. Aber jetzt,
Nachdem ich kaum sie mein geheißen, jetzt
Mich selbst zum Witwer machen? Nimmermehr!
Denn nenn es Zauber, nenn es blinden Wahnsinn,
Noch immer lieb' ich dieses Weib, und lieb' es
Nur ungestümer heut als je zuvor.
Umsonst beschwör' ich meinen ganzen Groll
Empor, mein eigen Blut ist wider mich
Mit ihr im Bund; durch diese Adern pocht
Ein Feuerstrom, und wilde Sehnsucht weitet
Unwiderstehlich mir den Busen aus.
O niemals schien sie mir so schön, niemals
Ihr herrlich Haupt, aus wilden Locken dräuend,
So kronenwürdig, wie in dieser Nacht!

Siegfried. Du schwärmst, statt zu beschließen. Fasse dich!

Gunther (nach einer Pause).
Siegfried –

Siegfried.         Was sinnst du?

Gunther.                                 Jener Stunde denk' ich,
Da du Kriemhildens Hand von mir erwarbst.
Da schwurst du mir ein feierlich Gelübd.

Siegfried. Ich weiß, doch längst erfüllt' ich's.

Gunther.                                                     Freilich, wenn
Du nur die Worte wägst.

Siegfried.                             Was soll das, Gunther?
Mir deucht doch, was ich schwur, war sonnenklar,
Und nichts zu biegen dran und nichts zu deuteln.
Auf deiner Brautfahrt Helfer dir zu sein,
Das sagt' ich zu, und hast du mein entbehrt?
Beim Thor, war ich's nicht, der an deiner Statt,
In deinem Adlerhelm die Augen täuschend,
Den Zweikampf ausfocht? Hat nicht dieser Arm
Den Speer geschossen und den Stein geschleudert,
Und – wie's bestimmt war – dir die Braut erkämpft?

Gunther. Die Braut, Unsel'ger! Bin ich drum am Ziel?
Was frommt der Name mir, dafern er nichts
Als Schall ist? Kann ich ruhn an seiner Brust?
Kann ich ihn kosen? Breitet er vom Lager
Die weißen Arme schimmernd mir entgegen?
Nein, Schmach und Spott! Er singt mit Eulenruf
Mir stündlich in das Ohr nur, was mir fehlt –
Du aber gleichst dem Lotsen, der mein Schiff
Durch Riff und Brandung führte, um es dann
Im Hafen selbst noch untergehn zu lassen.

Siegfried. Du schiltst mich ungerecht. Ist's meine Schuld,
Wenn sie, die du doch selbst aus Tausenden
Erkorst, sich dir in grimmem Trotz verstockt?
Die Götter zeugen's mir: das Schwerste selbst
Vollbrächt' ich freudig, dich beglückt zu sehn!
Doch keinen Weg der Hilfe find' ich aus.

Gunther. Und wenn ich dir ihn zeigte?

Siegfried.                                           Nun, beim Thor!
Und führt' er dicht an Helas Schlund vorüber:
Du kennst mich doch; wozu der Umschweif dann? –
Was wälzest du im Geiste, sprich, was ist's?

Gunther. Siegfried – die Mitternacht ist augenlos –
Wir tauschten einmal schon –

Siegfried.                                     Versteh' ich dich?
Bedenke, was du sprichst!

Gunther.                               Ich hab's bedacht.
Sie trutzt, bis ihr Gewalt den Nacken beugte;
Du bist der einz'ge, der's vermag; so tu's!

Siegfried. Nun, bei den Untern, wenn du selbst davor
Nicht scheust: du hast mein Wort, ich bin bereit.
Ja, nimmer hat nach einem Kampf mich so
Gelüstet, wie nach diesem; gilt es doch,
Der Männer ganz Geschlecht an ihr zu sühnen.
Ich will sie Sitte lehren, zähl' auf mich!

Gunther. Wohlan! doch eins noch will beschworen sein –

Siegfried (ihm in die Rede fallend).
So mögen mein die Götter gnädig walten,
Wie du mir trauen darfst! Nimm meinen Eid:
Für mich der Kampf, für dich des Kampfes Frucht!
Wen Kriemhild minnt, den reizt kein ander Weib,
Und ob's auch Freias Zaubergürtel trüge.

Gunther. Hab' Dank! Nun ist der Stein von meiner Brust.

Siegfried. Und wann?

Gunther.                     Noch heut. Sobald der frühe Mond
Hinabging, lösch' ich sacht im Brautgemach
Die Fackel aus. Dann harre mein am Vorhang
Der Greifenpforte. Dorthin tast' ich mich,
Und führe dich im Dunkel ein.

Siegfried.                                     Es sei!
Und schilt mich Bastard, wenn sich diese Löwin,
Die übermüt'ge, nicht vor Tage noch
Zahm wie ein Lamm zu deinen Füßen schmiegt.


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