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Die Neuvermählten führten ein reizendes Leben, lernten einander immer mehr lieben und empfanden nicht jene Übersättigung, die oft das schönste Lebensglück zerstört.
Seit einiger Zeit schien Isabella jedoch in rätselvoller Weise beschäftigt zu sein. Sie hatte geheime Unterredungen mit ihrem Verwalter. Ein Architekt fand sich wiederholt bei ihr ein und legte ihr verschiedene Pläne und Grundrisse vor; Bildhauer und Maler erhielten von ihr Aufträge und begaben sich an einen unbekannten Bestimmungsort. Alles dies geschah ohne Sigognacs Wissen, aber im Einverständnis mit Vallombreuse, der die Lösung des Rätsels zu kennen schien.
Eines schönen Morgens, nachdem einige für die Vollendung ihres Planes zweifellos notwendige Monate verflossen waren, sagte sie, als ob ihr plötzlich etwas einfiele, zu Sigognac:
»Mein Freund, denkst du gar nicht mehr an dein armes altes Schloß Sigognac und hast du nicht Lust, die Wiege unserer Liebe einmal wiederzusehen?«
»So undankbar bin ich nicht, und ich habe auch schon mehr als einmal daran gedacht,« entgegnete der Baron, »nur habe ich immer nicht gewagt, dich zu dieser Reise aufzufordern, weil ich nicht wußte, ob sie nach deinem Geschmack sein würde. Ich würde mir nicht erlaubt haben, dich den Freuden des Hofes zu entreißen, um dich nach diesem alten verfallenen Schloß, dem Wohnsitz von Ratten und Nachteulen, zu führen, das ich gleichwohl den prächtigsten Palästen vorziehe, denn es ist Jahrhunderte lang der Wohnort meiner Ahnen gewesen und die Stelle, wo ich dich zum erstenmal sah.«
»Was mich betrifft,« hob Isabella wieder an, »so habe ich mich oft gefragt, ob der Hagedornbusch des Gartens noch Rosen trägt. Würdest du wohl, da dein Wunsch mit meinem Einfall übereinstimmt, noch diese Woche mit mir abreisen?«
Die Vorbereitungen wurden rasch getroffen, und dann machte man sich auf den Weg. Nach Verlauf von einigen Tagen gelangte man an die Stelle, wo der nach dem Schlosse Sigognac führende Weg von der großen Landstraße abzweigt. In dem Augenblick, da der Wagen in die Allee einbog und plötzlich sich die Aussicht auf das Schloß öffnete, glaubte Sigognac geblendet zu werden. Er erkannte diese seiner Erinnerung doch so vertraute Umgebung nicht wieder. Die geebnete Straße war nicht mehr von tiefen Geleisen durchfurcht. Die beschnittenen Hecken ließen den Wanderer vorbei, ohne ihm Hände und Gesicht zu zerkratzen. Die kunstvoll gestutzten Bäume warfen einen scharfen Schatten, und ihre Bogenöffnung umrahmte eine vollständig neue Aussicht. Anstatt der halbverfallenen Ruine, ragte heiter von der Sonne beleuchtet, ein ganz neues Schloß empor, das dem alten glich, wie ein Sohn seinem Vater. Dennoch war in der Form nichts verändert worden. Es zeigte immer noch dieselben architektonischen Umrisse, nur hatte es sich in wenigen Monaten um mehrere Jahrhunderte verjüngt. Die herabgefallenen Steine waren wieder an ihren Ort zurückgebracht. Die schlanken, weißen Türme standen mit ihren blanken Schieferdächern stolz an den vier Ecken des Schlosses und ließen ihre vergoldeten Wetterfahnen in den Himmel hineinragen.
Das alte, halb eingestürzte, moosbewachsene Ziegeldach war durch ein neues mit blankem metallenem First ersetzt. In den Fenstern, von denen die Brettverschläge entfernt waren, glänzten neue, in Blei gefaßte, runde und rautenförmige Glasscheiben, und kein Sprung oder Riß gähnte an der vollständig restaurierten Fassade.
Ein prachtvolles Tor von Eichenholz mit massivem Eichenbeschlag schloß die Vorhalle, die früher zwei alte, wurmstichige Torflügel mit verwaschener Malerei offen gelassen hatten. Auf dem Schlußstein des Bogens strahlte das Wappen der Sigognac, drei Störche in blauem Felde mit der früher gänzlich unleserlichen, jetzt aber deutlich in blanken Goldbuchstaben angebrachten schönen Devise: »Alta petunt.«
Sigognac schwieg einige Augenblicke und betrachtete dieses wunderbare Schauspiel. Dann wandte er sich zu Isabella und sagte:
»Du bist es, der ich diese Umgestaltung meines Schlosses verdanke. Ohne daß ich etwas gesagt habe, hast du den geheimen Wunsch meiner Seele erraten.«
»Danke auch einem gewissen Zauberer, der mir bei all dem sehr geholfen hat«, antwortete Isabella und zeigte auf Vallombreuse, der in einer Ecke des Wagens saß.
Der Baron drückte dem Herzog die Hand. Während dieses Gespräches hatte der Wagen einen regelmäßig angelegten Platz vor dem Schlosse erreicht. Pierre stand in schöner neuer Livree auf der Schwelle des Tores, dessen Flügel er bei Annäherung des Wagens aufstieß, aus dem der Baron und die Baronin am Fuße der Treppe ausstiegen. Acht bis zehn Diener, die in zwei Reihen auf den Stufen aufgestellt standen, verneigten sich tief vor dieser neuen Herrschaft, die sie noch nicht kannten.
Tüchtige Maler hatten den Freskogemälden an den Wänden ihre entschwundene Frische wiedergegeben. Der Regen drang nicht mehr durch das Dach, und die frischgemalte Wölbung des Treppenhauses ließ einen wolkenlosen Himmel sehen. Eine ähnliche Umgestaltung war auch überall anderwärts bewirkt worden. Das Wandgetäfel und die Fußböden waren erneut. Die flämischen Tapeten mit den Jagdgemälden bedeckten noch die Wände von Sigognacs Schlafzimmer, aber ein geschickter Pinsel hatte die Farben aufgefrischt.
Alles erschien jetzt heiter in diesem kurz vorher noch so düsteren Schlosse. Selbst die gereinigten und restaurierten Bildnisse der Ahnen lächelten in ihren vergoldeten Rahmen mit jugendlichem Aussehen. In dem Hofe sah man weder Nesseln noch Schierling noch irgendein andres Unkraut, das unter dem Einfluß der Feuchtigkeit, der Einsamkeit und der Verwilderung aus dem Boden hervorwuchert.
Über eine Rampe stieg man in den Garten hinab. Am Fuße dieser Rampe prangte sorgfältig erhalten der Hagedornstrauch, der am Morgen der Abreise Sigognacs der jungen Schauspielerin seine Rose geboten hatte. Er trug jetzt noch eine, die Isabella pflückte und an ihren Busen steckte, weil sie darin eine glückliche Vorbedeutung für die Fortdauer ihrer Liebe sah.
Niemals, selbst nicht in ihren schönsten Tagen, waren Schloß und Garten so reich und geschmackvoll ausgestattet gewesen, und die so lange verdunkelte Sonne der Sigognacs strahlte wieder in vollem Glanze.
Sigognac wandelte erstaunt und entzückt umher wie im Traume. Er drückte Isabellas Arm an sein Herz und ließ zwei Tränen der Rührung über seine Wangen rollen, ohne es verbergen zu wollen.
»Jetzt,« sagte Isabella, »wo wir alles gesehen haben, müssen wir auch die Domänen besuchen, die ich unter der Hand wieder angekauft, um die alte Baronie Sigognac annähernd wiederherzustellen. Erlaube mir ein Reitkleid anzulegen. Ich werde nicht lange ausbleiben. Wähle mittlerweile die Pferde aus und laß sie satteln.«
Vallombreuse ging nun mit Sigognac weiter, der in dem vor kurzem noch verödeten Stall zehn schöne Pferde sah, die auf die frische Streu stampften. Ihre festen Kruppen glänzten wie Atlas, und als sie die Eintretenden hörten, wendeten sie ihre klugen Augen nach ihnen herum. Plötzlich ließ sich ein lautes Wiehern hören. Es war der wackere Bayard, der seinen Herrn wiedererkannte und nach seiner Weise begrüßte. Das alte treue Tier nahm am Ende der Reihe den wärmsten und bequemsten Platz ein. Zwischen seinen Vorderhufen lag schlafend sein Kamerad Miraut, der sich sofort erhob und herbeikam, um dem Baron die Hand zu lecken. Beelzebub war noch nicht zum Vorschein gekommen. Aber man soll deswegen nicht sein gutes, kleines Katzenherz anklagen, sondern die klugen Gewohnheiten seines Instinkts erkennen, die dieses plötzliche Leben und Treiben an einem sonst so ruhigen Orte nicht wenig störte. Auf einem Dachboden versteckt, erwartete er die Nacht, ehe er sich zeigte und seinen geliebten Herrn begrüßte.
Nachdem der Baron Bayard mit der Hand gestreichelt, wählte er eine schöne Fuchsstute, die sofort aus dem Stalle gezogen wurde. Der Herzog nahm einen spanischen Hengst mit starkem Kopf, würdig, einen Infanten zu tragen, und für die Baronin legte man einen kostbaren Sattel von grünem Samt auf einen herrlichen weißen Zelter, dessen Haut förmlich übersilbert zu sein schien. Bald erschien Isabella in einem eleganten Reitkostüm, schwang sich leicht in den Sattel, der Herzog und der Baron setzten sich ebenfalls auf, und die Kavalkade ritt auf den Platz vor dem Schlosse, wo sie den Marquis von Bruyères und einige andere benachbarte Edelleute begegneten, die die Neuvermählten begrüßen kamen. Man wollte, wie die Höflichkeit verlangte, wieder umkehren, die Gäste aber erklärten, daß sie diesen Spazierritt ebenfalls gern mitmachen würden und warfen ihre Pferde herum, um das junge Paar und den Herzog von Vallombreuse zu begleiten.
Der Zug, der auf diese Weise um fünf bis sechs Personen in Festkleidung vermehrt war – denn die Landedelleute halten sich ebenfalls nach Kräften herausgeputzt – gewann dadurch ein ungemein stattliches Aussehen. Es war ein wahrhaft fürstliches Gefolge.
Man ritt einen gut gehaltenen Weg verfolgend über grünende Wiesen, über gut kultivierte, fruchtbar gemachte Felder, an Meiereien vorbei, durch gut bewirtschaftete Forste.
Eben als man an der Grenze der Baronie in einen Tannenwald hineinritt, vernahm man Hundegebell, und es dauerte nicht lange, so erschien Yolande de Foix mit ihrem Onkel, dem Komtur, und einigen Kavalieren. Der Weg war schmal, und die beiden Truppe streiften sich, obschon ein jeder dem andern Platz zu machen suchte. Yolande, deren Pferd schnob und sich bäumte, berührte mit ihrem Kleide das Isabellas. Der Ärger färbte ihre Wangen purpurrot, und ihr Zorn suchte nach einer Beleidigung. Isabellas Seele war aber über alle weibliche Eitelkeit erhaben. Der Gedanke, sich für den verächtlichen Blick zu rächen, den Yolande ihr früher einmal zugleich mit dem Wort: »Landstreicherin« beinahe an derselben Stelle zugeschleudert, fiel ihr nicht einmal ein. Sie glaubte, daß dieser Triumph einer Nebenbuhlerin, wenn auch nicht das Herz, doch wenigstens den Stolz Yolandes verletzen könne, und mit würdiger, bescheidener und anmutiger Miene grüßte sie Fräulein de Foix, die, außer sich vor Wut, sich genötigt sah, durch eine leichte Verneigung des Kopfes zu antworten. Der Baron begrüßte sie mit ruhiger, unbefangener Miene vollkommen ehrerbietig, und Yolande vermochte in den Augen ihres ehemaligen Anbeters auch nicht einen Funken seiner früheren Flamme zu erhaschen. Sie versetzte ihrem Pferd einen wütenden Hieb und sprengte im Galopp davon, während ihr kleiner Trupp ihr folgte.
»Bei Venus und Kupido,« sagte Vallombreuse in heiterem Ton zu dem Marquis von Bruyères, neben dem er ritt, »das ist eine schöne Dame, aber sie macht ein verteufelt wildes Gesicht. Welche Blicke sie meiner Schwester zuschleuderte! Es waren ebensoviel Dolchstiche.«
»Wenn man die Königin einer Gegend gewesen ist,« antwortete der Marquis, »so läßt man sich nicht gern entthronen, und der Sieg verbleibt entschieden der Baronin von Sigognac.«
Die Kavalkade kehrte ins Schloß zurück. Ein köstliches Mahl, das in dem Saal serviert war, in dem früher der arme Baron die Schauspieler mit ihren eigenen Mundvorräten bewirtet hatte, weil seine Speisekammer leer war, erwartete die Gäste. Man setzte sich zu Tische. Isabellas Platz war derselbe, den sie an jenem verhängnisvollen Abend eingenommen, wo das Geschick des Barons eine andere Wendung genommen hatte. Sie dachte daran, und Sigognac dachte auch daran, denn beide wechselten ein durch die Erinnerung gerührtes, von Hoffnung strahlendes Lächeln.
In der Nähe des Kredenztisches, auf dem die Fleischgerichte tranchiert wurden, stand ein Mann von athletischem Wuchse, mit einem großen, breiten, von einem dichten braunen Barte umrahmten Gesicht, in schwarzen Samt gekleidet, und am Halse eine silberne Kette tragend, der von Zeit zu Zeit den Lakaien mit majestätischer Miene Befehle erteilte. In der Nähe eines mit Flaschen und Gläsern besetzten Schenktisches bewegte sich trotz altersschwachen Zitterns mit vieler Rührigkeit eine wunderliche Gestalt mit roter Nase und kleinen, schelmischen, von dichten Brauen beschatteten Augen. Sigognac erkannte, als er zufällig nach dieser Seite hinschaute, in der ersten dieser beiden Persönlichkeiten den tragischen Herodes, in der zweiten den grotesken Blasius. Als Isabella sah, daß ihr Gemahl die Anwesenheit seiner beiden ehemaligen Kollegen bemerkte, flüsterte sie ihm ins Ohr, daß sie, um diese wackeren Leute künftig gegen den Mangel und das Elend des Theaterlebens sicherzustellen, den einen zum Intendanten und den andern zum Kellermeister ernannt habe. Es waren dies sehr angenehme Posten, die keine große Arbeit verlangten.
Das Bankett nahm seinen Verlauf, und die von Blasius fortwährend ergänzten Flaschen folgten ohne Unterbrechung aufeinander. Vallombreuse stieß fleißig mit dem Marquis von Bruyères an, und die Landedelleute wurden nicht müde, die Gesundheit des jungen Paares auszubringen, worauf Sigognac allemal dadurch antwortete, daß er sein immer volles Glas bloß mit den Lippen berührte, aber niemals austrank. Endlich erhoben sich die Landedelleute taumelnd vom Tische und begaben sich, ein wenig von den Lakaien unterstützt, in die Zimmer, die man für sie instand gesetzt hatte. Isabella hatte sich, Müdigkeit vorschützend, schon beim Beginn des Desserts von der Tafel zurückgezogen. Chiquita, die zur Kammerzofe befördert war, hatte sie mit jener schweigsamen Rührigkeit, die ihre Dienstleistungen kennzeichnete, ausgekleidet.
Als Sigognac in jenes Zimmer zurückkehrte, in dem er so viele einsame, traurige Nächte zugebracht, wo er die Minuten, die ihm lang erschienen wie Stunden, Tropfen um Tropfen fallen und den Wind kläglich hinter der alten Tapete stöhnen gehört hatte, erblickte er beim Schein einer an der Decke hängenden chinesischen Laterne zwischen den Vorhängen von grünem und weißem Brokat das reizende Antlitz Isabellas, das sich ihm mit einem entzückenden Lächeln zuwandte. Dies war die vollständige Verwirklichung seines Traumes, als er alle Hoffnung aufgegeben hatte und sich für immer von Isabella getrennt glaubte, mit tiefer Schwermut das leere Bett betrachtet hatte. In der Tat, das Schicksal hatte alles noch gut gemacht.
Gegen Morgen verließ Beelzebub, von einer seltsamen Aufregung getrieben, den Sessel, auf dem er die Nacht zugebracht hatte, und erkletterte mühsam das Bett. Dort angelangt, stieß er mit der Nase die Hand seines noch schlafenden Herrn und versuchte ein Schnurren, das einem Röcheln glich. Sigognac erwachte und sah, wie Beelzebub ihn anschaute, als ob er um menschliche Hilfe flehte, während seine großen, schon glasigen und halb erloschenen Augen sich übermäßig erweiterten. Sein Haar hatte seinen ganzen Glanz verloren und klebte wie vom Schweiße des Todeskampfes befeuchtet zusammen. Er zitterte und machte die ungeheuersten Anstrengungen, um sich auf seinen vier Pfoten zu halten. Endlich fiel er auf die Seite, zuckte einige Male krampfhaft, stieß einen Schrei aus und streckte sich aus, als ob ihm die Glieder von unsichtbaren Händen gedehnt würden.
Er war tot.
Sein letztes Stöhnen weckte die Baronin.
»Armer Beelzebub«, sagte sie, als sie die Leiche des Katers sah. »Er hat das Elend des Schlosses Sigognac getragen, er wird seinen Reichtum nicht kennenlernen.«
Beelzebub starb, wie zugegeben werden muß, als Opfer seiner Unmäßigkeit. Sein ausgehungerter Magen war nicht an eine solche Masse Leckerbissen gewöhnt, wie er sie am Abend vorher zu sich genommen hatte. Er mußte daran ersticken.
Mit feuchtem Auge und traurigem Herzen wickelte Sigognac den armen Beelzebub in ein Tuch, um ihn am Abend zu begraben. Als es finster geworden war, nahm er eine Hacke, eine Laterne und Beelzebubs starr in einem seidenen Tuche liegende Leiche. Dann ging er in den Garten hinunter und begann am Fuße des Hagedornstrauches beim Scheine der Laterne, deren Strahlen die Insekten erweckten und Nachtschmetterlinge herbeilockten, die Erde aufzugraben.
Es war sehr finster. Die Mondsichel zeigte sich bloß dann und wann durch die Ritzen einer kohlschwarzen Wolke hindurch, und die ganze Umgebung hatte etwas viel Feierlicheres, als das Begräbnis einer Katze verdiente. Sigognac grub immer weiter, denn er wollte Beelzebub recht tief begraben, damit er nicht durch Raubtiere wieder herausgescharrt würde.
Plötzlich schlug das Eisen seiner Hacke Funken, als ob es auf einen Kiesel stieße. Der Baron glaubte, es sei ein Stein und verdoppelte seine Stöße, aber diese klangen seltsam und förderten die Arbeit nicht. Sigognac leuchtete nun mit der Laterne in die Vertiefung hinein und sah zu seiner Überraschung den Deckel einer mit starken, zwar verrosteten, aber noch sehr festen eisernen Bändern beschlagenen Kiste von Eichenholz. Der Baron machte den Kasten frei, indem er ringsherum die Erde ausgrub, bediente sich dann seines Grabscheits wie eines Hebels, hob auf diese Weise den Kasten trotz seines beträchtlichen Gewichtes bis an den Rand der Vertiefung und schob ihn dann auf den festen Boden. Hierauf legte er Beelzebub in den Raum, wo der Kasten sich befunden hatte, und füllte das Grab zu.
Nachdem er mit dieser Arbeit fertig war, versuchte er seinen Fund in das Schloß zu tragen, die Last war aber für einen einzigen wenn auch kräftigen Mann zu groß, und Sigognac holte den getreuen Pierre, um sich von ihm helfen zu lassen. Der Diener und der Herr faßten jeder eine Handhabe des Kastens und trugen ihn, unter der Last gebeugt, in das Schloß.
Pierre sprengte das Schloß mit einem Beile, und als der Deckel aufsprang, erblickte man eine bedeutende Masse von Goldstücken. Es waren Unzen, Quadrupel, Zechinen, Genovinen, Dukaten, Cruzados, Angelots und andere Münzen von verschiedenen Namen und Ländern, aber keine einzige aus der Neuzeit. Altertümliche, mit kostbaren Steinen besetzte Schmucksachen waren mit diesen Goldmünzen untermischt. Auf dem Boden des Kastens fand der Baron ein mit dem Wappen der Sigognacs versiegeltes Pergament, die Feuchtigkeit aber hatte die Schrift verwischt. Nur die Unterschrift war noch ein wenig leserlich, und der Baron entzifferte Buchstabe um Buchstabe die Worte: »Raimond von Sigognac.«
Dieser Name war der eines seiner Ahnen, der in einen Krieg gezogen, aus dem er niemals wieder heimgekehrt war und das Geheimnis seines Todes oder Verschwindens unerklärt gelassen hatte. Er besaß nur einen noch sehr jungen Sohn und hatte, ehe er seine gefährliche Expedition antrat, seinen Schatz vergraben und das Geheimnis davon nur einem sicheren Manne anvertraut. Der war aber vom Tode überrascht worden, ehe er Zeit gehabt hatte, den rechtmäßigen Erben davon zu unterrichten, wo der Schatz verwahrt lag. Von diesem Raimond an begann der Verfall des ehedem so reichen und mächtigen Hauses Sigognac.
Der Baron ließ Isabella rufen und zeigte ihr den funkelnden Goldhaufen.
»Ganz gewiß,« sagte er, »war Beelzebub der gute Geist der Sigognacs. Noch sterbend machte er mich reich und geht davon, wenn der Engel kommt. Er hatte hier nichts mehr zu tun, weil du mir das Glück bringst.«