Theophil Gautier
Kapitän Fracasse. Zweiter Band
Theophil Gautier

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Lampourdes Zartgefühl

Man kann sich leicht die Wut des jungen Herzogs nach der Niederlage denken, die Isabellas durch die rechtzeitige Hilfe unterstützte Tugend ihm bereitet hatte. Als er in seine Wohnung zurückkam, trieb der Anblick seines wutbleichen Gesichtes seinen Dienern den Angstschweiß auf die Stirne.

»Diese unverschämte Kreatur!« rief er in äußerster Aufregung im Zimmer hin und her rennend. »Ich hätte Lust sie von Gendarmen packen und in ein Gefängnis werfen zu lassen, aus dem sie nur mit abgeschnittenem Haar und ausgepeitscht wieder herauskäme, um ins Hospital oder ins Korrektionshaus zu wandern. Es würde mir nicht viel Mühe kosten, den Befehl dazu auszuwirken. Doch nein! Ihre Standhaftigkeit würde durch diese Verfolgungen nur gefestigt, und ihre Liebe zu Sigognac durch den Haß, den sie gegen mich fassen würde, noch wachsen. Dieses Mittel taugt nicht, aber was soll ich sonst tun?«

Und er fuhr fort in seinem Zimmer hin und her zu rennen wie ein wildes Tier in seinem Käfig, ohne seine ohnmächtige Wut zu ermüden. Während er so raste, ohne auf den Flug der Stunden zu achten, die stets gleichmäßig vorübergehen, mögen wir nun zufrieden oder wütend sein, war es Nacht geworden, und Picard wagte, ohne gerufen worden zu sein, einzutreten, und die Lichter anzuzünden.

Gerade als ob diese seinen Verstand aufhellten, dachte Vallombreuse, der sich bis jetzt in Gedanken bloß mit Isabella beschäftigt, auch wieder an Sigognac.

»Wie kommt es, daß dieser Mensch noch nicht beseitigt ist?« sagte er, indem er plötzlich stehenblieb. »Ich hatte doch Merindol bestimmten Befehl erteilt, ihn entweder selbst oder, wenn er es sich nicht getraute, mittels eines geschickteren und mutigeren Fechters aus dem Wege zu räumen. Wenn die Schlange tot ist, so ist auch das Gift tot, mag Vidaline sagen, was er will. Ist Sigognac beseitigt, so ist Isabella, vor Angst zitternd und einer fortan gegenstandslosen Treue entbunden, meiner Gewalt preisgegeben. Ich werde Merindol kommen lassen, um zu erfahren, wie weit die Sachen gediehen sind.«

Merindol erschien, von Picard gerufen, bleicher als ein Dieb, der zum Galgen geführt wird, mit Schweißtropfen auf der Stirn, trockener Kehle und fast gelähmter Zunge vor dem Herzog. Der Unglückliche, der sich kaum auf seinen zitternden Füßen zu halten vermochte, obschon er seit dem Morgen noch nicht soviel getrunken, daß man eine Fliege darin hätte ersäufen können, drehte in fast blödsinniger Haltungslosigkeit den Hut in den Händen. Er wagte nicht die Augen zu seinem Herrn zu erheben, dessen Blick er wie ein Sturzbad, abwechselnd von Feuer und Eis auf sich ruhen fühlte.

»Nun, Hund!« hob Vallombreuse an, »wirst du noch lange so mit dieser Armensündermiene dastehen, als ob du schon den Strick fühltest, den du wegen deiner Feigheit und Tölpelhaftigkeit noch mehr verdienst als wegen deiner Missetaten?«

»Ich wartete bloß auf Ihren Befehl, gnädigster Herr«, sagte Merindol, indem er zu lächeln versuchte. »Sie wissen, Herr Herzog, daß ich Ihnen bis einschließlich zum Stricke ergeben bin. Ich erlaube mir diesen Scherz infolge der zarten Anspielung, die –«

»Schon gut, schon gut!« unterbrach ihn der Herzog. »Hatte ich dich nicht beauftragt, diesen verwünschten Sigognac, der mich hindert und belästigt, aus dem Wege zu räumen? Du hast es nicht getan, denn an der Freude und Seelenruhe Isabellas sah ich wohl, daß dieser Schurke noch atmet und daß mein Befehl nicht ausgeführt worden ist. Verlohnt es wohl der Mühe, Banditen in seinem Solde zu haben, wenn man auf diese Weise bedient wird? Solltet Ihr nicht, ohne daß ich erst zu sprechen brauchte, meine Wünsche mir an den Augen, an dem Zucken meiner Wimpern absehen und schweigend jeden umbringen, der mir mißfällt? Ihr taugt zu weiter nichts, als euch in der Küche herumzutreiben, und habt höchstens den Mut, ein junges Huhn abzuwürgen. Wenn ihr es so fort macht, so liefere ich euch alle dem Henker aus, der Euch schon längst erwartet, ängstliche Verbrecher, tölpelhafte Mörder, Auswurf, Schande des Bagnos!«

»Herr Herzog,« entgegnete Merindol in unterwürfigem Tone, »ich sehe mit Schmerz, wie sehr Sie den Eifer und, ich wage es zu sagen, das Talent Ihrer treuen Diener verkennen. Aber dieser Sigognac ist nicht ein gewöhnliches Wild, das man aufspüren und mit leichter Mühe erlegen kann. Bei jenem ersten Zusammentreffen fehlte nicht viel, daß er mir die Mütze bis aufs Kinn herab gespalten hätte, wenn seine Waffe nicht ein stumpfer Theaterdegen gewesen wäre. Bei der zweiten Gelegenheit war er auf seiner Hut und so kampfbereit, daß ich ebenso wie meine Kameraden mich genötigt sah zu verschwinden, ohne einen erfolglosen Kampf zu wagen, bei dem er sofort Hilfe erhalten und ärgerliches Aufsehen erregt hätte. Jetzt kennt er mein Gesicht, und ich kann mich ihm nicht nähern, ohne daß er sofort die Hand an den Griff seines Degens legt. Deshalb habe ich mich genötigt gesehen, einen mir befreundeten Fechter, die beste Klinge der ganzen Stadt, aufzusuchen. Dieser lauert dem Baron auf und wird ihn, unter dem Vorwand ihn berauben zu wollen, bei der ersten Gelegenheit in der Abenddämmerung oder zur Nachtzeit aus dem Wege räumen, ohne daß der Name des Herrn Herzogs dabei genannt werden kann, was doch sicherlich der Fall wäre, wenn der Streich von uns, die wir im Solde des gnädigsten Herrn stehen, ausgeführt würde.«

»Der Plan ist nicht schlecht,« antwortete der ein wenig besänftigte Herzog in nachlässigem Tone, »und vielleicht ist es am besten, wenn die Sache so abgemacht wird. Aber bist du des Mutes und des Armes dieses Raufboldes auch sicher? Es gehört ein tüchtiger Fechter dazu, um Sigognac zu besiegen, der, wie ich offen gestehe, obschon ich ihn hasse, durchaus nicht feig ist, da er ja gewagt hat, sich selbst mit mir zu messen.«

»Oh,« entgegnete Merindol im Tone der Gewißheit, »Jacquemin Lampourde ist ein Held, der bloß nicht den richtigen Weg gefunden hat. Er übertrifft an Tapferkeit den Achill der Fabel und den Alexander der Geschichte. Ohne Tadel ist er allerdings nicht, wohl aber ohne Furcht.«

Picard, der seit einigen Minuten im Zimmer umhergeschlichen war und die Laune seines Herrn ein wenig gebessert fand, näherte sich jetzt, um zu melden, daß ein Mann von ziemlich seltsamem Äußeren da sei, und ihn in einer wichtigen Angelegenheit zu sprechen wünsche.

»Laß den Halunken hereinkommen«, antwortete der Herzog. »Aber wehe ihm, wenn er mich wegen Lappalien belästigt. Ich werde ihm dann eine Tracht Hiebe verabreichen lassen, daß er keinen ganzen Fetzen Haut auf dem Rücken behalten soll.«

Der Kammerdiener verließ das Zimmer, um den Gemeldeten vorzulassen, und Merindol wollte sich diskret entfernen, als der Eintritt einer seltsamen Persönlichkeit ihm die Füße an den Boden nagelte. Zum tiefen Staunen lag in der Tat zureichender Grund vor, denn der Mann, dem Picard jetzt die Tür des Zimmers öffnete, war niemand anders als Freund Jacquemin Lampourde, wie er leibte und lebte. Seine unerwartete Erscheinung an einem solchen Orte berechtigte zu der Voraussetzung, daß es sich um ein ganz eigentümliches, nicht vorausgesehenes Ereignis handle. Merindol war daher sehr unruhig, als er auf diese Weise ohne Vermittler dieses Werkzeug zweiter Hand, diese untergeordnete Maschine, die ihre Arbeit im Dunkeln verrichten sollte, vor dem Herrn erscheinen sah.

Jacquemin Lampourde schien übrigens ganz unbefangen zu sein. Schon an der Tür blinzelte er Merindol freundschaftlich zu und blieb dann einige Schritte vor dem Herzog stehen, während der Schein der Wachskerzen ihm voll ins Gesicht fiel und alle Einzelheiten seiner charakteristischen Larve hervorhob. Seine Stirn, auf die der fortwährende Druck seines Hutes eine rötliche Querfurche gleich der Schramme von einer Wunde gezogen, verriet durch noch nicht getrocknete Schweißtropfen, daß er rasch gegangen war, oder eben eine anstrengende Leibesbewegung gemacht hatte. Seine blaugrauen Augen hefteten sich auf die des jungen Herzogs mit einer ruhigen Unverschämtheit, die Merindol schaudern machte. Sein Kostüm bestand in einem Büffelwams, grauen Beinkleidern und einem scharlachroten Mantel. Ein Degen mit schwerem Korbe hing an einem breiten Gürtel, der den hageren, aber muskelstarken Leib des Banditen umspannte. Ein unerklärlicher Umstand fiel Merindol ganz besonders auf. Dieser Umstand war der, daß Lampourdes unter dem Mantel hervorragender Arm eine Börse trug, deren gerundeter Bauch eine beträchtliche Summe verriet. Die Gebärde des Geldbietens anstatt Geldnehmens lag so gänzlich außerhalb der physischen und moralischen Gewohnheiten des Banditen, daß er dabei eine Steifheit und Unbeholfenheit zeigte, die förmlich zum Lachen reizte. Der Gedanke, daß Jacquemin Lampourde sich dem Herzog von Vallombreuse näherte, als ob er ihn für irgendeinen Dienst belohnen wollte, lag so außerhalb aller Wahrscheinlichkeit, daß Merindol Augen und Mund weit aufriß, was den Malern und Physiognomikern zufolge der eigenste Ausdruck des auf den höchsten Gipfel angelangten Erstaunens ist.

»Nun, Schurke,« sagte der Herzog, nachdem er den seltsamen Strolch eine Weile betrachtet, »willst du mir vielleicht ein Almosen geben, daß du mir mit deinem langen Arm diese Börse unter die Nase hältst?«

»Vor allen Dingen, Herr Herzog,« sagte der Bandit mit einem Zucken der langen Falten, die seine Wangen und Mundwinkel durchfurchten, »vor allen Dingen bin ich mit Ihrer gnädigsten Erlaubnis kein Schurke. Ich heiße Jacquemin Lampourde und bin Mann des Degens. Mein Beruf ist ein ehrenwerter. Noch niemals habe ich mich zur Handarbeit oder einem andern bürgerlichen Gewerbe erniedrigt. Ich töte, um zu leben, mit Gefahr meiner Haut und meines Halses, denn ich mache alles selbst und warne erst einen jeden, den ich angreife, denn Verrat und Feigheit sind mir zuwider. Was gibt es wohl Nobleres? Nehmen Sie daher das mir soeben erteilte Prädikat ›Schurke‹ zurück, denn ich könnte mir dies höchstens als einen freundschaftlichen Scherz gefallen lassen, weil es die reizbare Empfindlichkeit meines Stolzes allzusehr beleidigt.«

»Gut, es sei, Meister Jacquemin Lampourde, da Euch einmal so viel daran liegt«, antwortete der Herzog von Vallombreuse, den die bizarre Förmlichkeit dieses dünkelhaften Banditen wider Willen amüsierte. »Jetzt erklärt mir, was Ihr bei mir wollt, daß Ihr mit einem Beutel in der Faust zu mir kommt und Eure Taler schüttelt wie ein Narr seine Schellenkappe.«

Jacquemin neigte, zufrieden mit diesem seiner Empfindlichkeit gemachten Zugeständnis, den Kopf, während sein Körper gerade blieb, und bewegte seinen Hut einigemal hin und her, was nach seinen Begriffen einen Gruß vorstellte, in dem sich die männliche Freiheit des Soldaten mit der Geschmeidigkeit des Höflings mischte.

»Die Sache ist folgende, Herr Herzog«, fuhr er dann fort. »Ich habe von Merindol einen Vorschuß empfangen, um einen gewissen Sigognac, genannt Kapitän Fracasse, aus dem Wege zu räumen. Infolge von Umständen, die von meinem Willen unabhängig sind, habe ich diesem Auftrage nicht entsprechen können, und da ich bei meinem Berufe stets ehrlich zu Werke gehe, bringe ich das Geld, das ich nicht verdient habe, dem zurück, dem es mit Recht gehört.«

Nach diesen Worten setzte er mit einer Gebärde, der es nicht an Würde mangelte, die Börse auf eine Ecke des schönen mit Florentiner Steinen eingelegten Tisches.

»Ich sehe schon,« sagte Vallombreuse, »du gehörst zu jenen Maulhelden, jenen Soldaten, die höchstens Säuglingen gegenüber ihren Mut zeigen, aber wenn der Bedrohte ihnen die Zähne zeigt, Reißaus nehmen. Gesteh es nur aufrichtig, du fürchtest dich vor diesem Sigognac.«

»Jacquemin Lampourde hat noch niemals Furcht gehabt«, hob der Fechter in einem Tone an, der etwas Nobles hatte. »Ich sage das ohne Prahlerei. Noch nie hat in einem Kampfe mein Gegner meinen Rücken gesehen. Von hinten bin ich unbekannt und könnte inkognito bucklig sein wie Äsop. Wer mich bei der Arbeit gesehen, weiß, wie widerlich mir eine leichte Aufgabe ist. Die Gefahr gefällt mir, und ich schwimme darin wie der Fisch im Wasser. Ich habe Sigognac secundum artem mit einer meiner besten Toledoklingen angegriffen.«

»Aber,« fragte der junge Herzog, »wie ist dann dieser eigentümliche Kampf abgelaufen, aus dem du nicht als Sieger hervorgegangen zu sein scheinst, da du jetzt kommst, um das empfangene Geld zurückzugeben?«

»In Duellen, Renkontres und Kämpfen gegen einen oder mehrere habe ich siebenunddreißig Gegner niedergestreckt, die nicht wieder aufgestanden sind; von den Verwundeten spreche ich nicht; aber dieser Sigognac schließt sich in die Lage seines Degens ein wie in einen ehernen Turm. Ich habe gegen ihn alle Künste und Finten der Fechtkunst in Anwendung gebracht, aber er hat jeden Angriff pariert und zurückgegeben. Den Kapitän Fracasse zu besiegen, geht über meine Fähigkeit, dies gestehe ich in aller Bescheidenheit. Er hatte mich entwaffnet, ich war in seiner Gewalt, und er hätte mich spießen können wie eine Lerche, aber er tat es nicht, was von einem Manne, der im Abenddunkel auf dem Pont Neuf angefallen wird, gewiß sehr zartfühlend ist. Ich verdanke ihm mein Leben, und obschon dies, da ich auf mein Leben keinen großen Wert lege, nicht viel sagen will, so bin ich ihm doch zu Dank verpflichtet. Ich werde daher nichts mehr gegen ihn unternehmen. Er ist mir heilig. Übrigens besäße ich auch die Fähigkeit, so würde ich doch Bedenken tragen, einen so trefflichen Fechter zu verderben oder zu vernichten, besonders da dergleichen jetzt immer seltener werden und man jetzt fast nur noch unbeholfene Tölpel sieht, die den Degen halten wie einen Besenstiel. Deshalb komme ich, um Ihnen zu melden, Herr Herzog, daß Sie nicht mehr auf mich rechnen dürfen. Ich hätte vielleicht das Geld als Entschädigung für die bestandene Gefahr behalten können, aber meinem Gewissen widerstrebt so etwas.«

»Bei allen Teufeln, nimm das Geld schnell wieder!« rief Vallombreuse in einem Tone, der keine Entgegnung gestattete, »oder ich laß dich und dein Geld zu den Fenstern hinauswerfen, ohne sie zu öffnen. Noch niemals ist mir ein so gewissenhafter Schurke vorgekommen. Du, Merindol, wärest eines solchen Zuges, der der Jugend zur Nachahmung erzählt zu werden verdient, nicht fähig.«

Als der Herzog sah, daß der Fechter noch zögerte, setzte er hinzu:

»Ich schenke dir diese Pistolen; vertrinke sie auf meine Gesundheit.«

»Ihr Wunsch wird aufs gewissenhafteste erfüllt werden, Herr Herzog«, sagte Lampourde. »Doch kann ich wohl annehmen, daß Sie, gnädigster Herr, nichts dagegen haben, wenn ich auch einige davon verspiele.«

Zeichnung Karl M. Schultheiss

Mit diesen Worten näherte er sich dem Tisch, streckte seinen hageren Arm aus und ergriff die Börse. Es war leicht zu sehen, daß diese Bewegung ihm viel natürlicher war als die andere, so leicht führte er sie aus.

»Was Sigognac betrifft,« setzte er dann hinzu, »so ziehe ich mich von dem Geschäft zurück, doch es kann, wenn es Ihnen, gnädigster Herr, recht ist, von meinem alter ego, dem Chevalier Malartic, wieder aufgenommen werden, dem man die gewagtesten Unternehmungen anvertrauen kann, so geschickt ist er. Er besitzt den Kopf, der entwirft, und die Hand, die ausführt. Übrigens ist er völlig frei von Vorurteilen und Aberglauben. Ich hatte für die Entführung der Komödiantin, der Sie die Ehre erzeigen, sich für sie zu interessieren, eine Art Plan entworfen. Er wird ihn mit jener Umsicht und Vollendung ausführen, die für seine ganze Art zu arbeiten charakteristisch ist. Ich versichere Ihnen, mehr als ein beliebter Theaterdichter könnte von Malartic in bezug auf Feinheit der Intrige und die Führung der Handlung noch vieles lernen. Merindol, der ihn kennt, wird jedes meiner Worte bestätigen. Ganz gewiß, Herr Herzog, könnten Sie keine bessere Wahl treffen. Es ist ein wahrhaftes Geschenk, das ich Ihnen da mache, doch ich will Ihre Geduld nicht länger mißbrauchen, gnädigster Herr. Sobald Sie Ihren Entschluß gefaßt haben, brauchen Sie bloß durch einen Ihrer Leute außen an dem linken Pfeiler des ›gekrönten Radieschens‹ mit Kreide ein Kreuz machen zu lassen. Malartic wird sofort verstehen und sich in gebührender Verkleidung im Palast Vallombreuse einfinden, um die letzten Befehle zu empfangen und seine Flöten zu stimmen.«

Nachdem Meister Jacquemin Lampourde diese triumphierende Rede beendet, machte er mit seinem Hute nochmals dieselben Evolutionen wie bei Begrüßung des Herzogs zu Anfang der Unterredung, stülpte ihn dann auf den Kopf, zog die Krempe über die Augen herunter und verließ das Zimmer mit gemessenem, majestätischem Schritt, zufrieden mit seiner Beredsamkeit und seiner guten Haltung vor einem so vornehmen Herrn. Diese seltsame Erscheinung, die weniger seltsam in jenem Jahrhunderte des raffinierten Banditenwesens war, als zu jeder andern Zeit, hatte den jungen Herzog von Vallombreuse amüsiert und interessiert. Der originelle Charakter des in seiner Weise ehrlichen Jacquemin Lampourde mißfiel ihm durchaus nicht; ja, er verzieh ihm sogar, daß es ihm nicht gelungen war, Sigognac zu töten. Da der Baron selbst diesem Berufsfechter erfolgreichen Widerstand geleistet hatte, so war er in der Tat unbesiegbar, und die Schmach, von ihm verwundet worden zu sein, war für seinen Stolz weniger schmerzlich.

Seine Gedanken wendeten sich wieder der Entführung Isabellas zu. Er zweifelte nicht daran, die junge Schauspielerin würde, sobald sie einmal von Sigognac und dessen Kameraden getrennt wäre, fügsamer und für die Reize eines so schönen Herzogs, in den die vornehmsten Damen des Hofes vernarrt waren, empfänglicher werden. Vallombreuses Dünkel war unverbesserlich. Dieser rechtfertigte alle seine Anmaßungen, und seine kühnsten Prahlereien waren nur Wahrheiten. Trotz der soeben erst von Isabella erfahrenen Niederlage erschien es daher dem jungen Herzoge unlogisch, abgeschmackt, unglaublich und ungereimt, daß jemand ihn nicht lieben könne.

»Wenn ich sie«, sagte er bei sich selbst, »erst einige Tage an einem Orte gefangen gehalten habe, wo sie mir nicht entrinnen kann, dann werde ich sie schon zu bezwingen wissen. Ich werde so galant, so leidenschaftlich, so überzeugend sein, daß sie sich selbst über ihre lange Sprödigkeit gegen mich wundern wird. In einem Kusse wird sie mir sagen, daß sie mich immer geliebt, und mich bloß geflohen, um mich desto mehr zu entflammen, oder daß sie die Furcht und Schüchternheit einer Sterblichen empfunden, die von einem Gott verfolgt wird. Dann aber, wenn ich ihre Seele und ihren Körper besitze, dann werde ich mich für ihre frühere Härte gegen mich zu rächen wissen.«


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