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Siebentes Kapitel.

Auf dem Rugard.

Vom günstigen Winde getrieben und von fester Hand gesteuert, legte das scharf segelnde Boot einen Knoten nach dem andern längs der schmalen Reddevitzer Landzunge zurück. Als Waldemar den Strand nicht mehr erkennen konnte, drehte er sich auf der Bank, auf der er saß, langsam herum und wandte das Gesicht dem Rügianischen Bodden zu, der nun mit seinen rings umher scharf ausgezackten Ufern in ganzer Ausdehnung vor ihm lag, dessen kaum erkennbare Umrisse aber in der immer schneller hereinsinkenden Dämmerung allmählich verschwommen, bis sie vom blitzenden Mondlichte, das bald siegreich über Land und Meer aufging, übergossen und fast tageshell beleuchtet wurden. So weit sein Auge reichte, und er ließ es nach allen Richtungen schweifen, war kein Schiff, kein Segel auf dem Meere zu bemerken. Nur das feenhafte Mondlicht glitzerte in den tanzenden Wellen wieder, und in der Ferne tauchte allmählich, sobald sie das Reddevitzer Höwt umsegelt hatten, das bergige Eiland, der Vilm auf, dessen Rieseneichen auf dem abschüssigen Ufer die herrlichsten und stärksten Bäume Rügens sind. Aber sie näherten sich dieser reizenden Insel nur etwa auf eine halbe Meile, dann wandte Peter das Steuer und richtete den Bootsschnabel nach Norden, um jetzt mit halbem Winde, den der Schiffer so sehr liebt, in die Stresower Bucht einzulaufen, deren anmutige ausgeschweifte Ufer jetzt immer deutlicher sichtbar wurden. Nur das Rauschen des Wassers unter dem Buge des kleinen Fahrzeuges wurde vernommen, sonst war alles außer und in demselben still, denn Waldemar sprach nicht, weil er zu viel zu denken hatte, und Peter war aus Gewohnheit schweigsam, wie alle seine Landsleute, die lieber wacker zu arbeiten, als weitläufig zu sprechen lieben.

»Wo wollt Ihr landen?« fragte endlich Waldemar, als sie dem Ufer immer näher kamen und man das Bellen eines wachsamen Hofhundes vom Strande her schon vernehmen konnte.

»Ich fahre so dicht an die Tannen wie möglich, Herr,« antwortete Peter bedächtig. »Aber es würde mir lieber sein, wenn ich nicht bis auf den Sand mit Euch auflaufen müßte. Ihr habt ja tüchtige Stiefel an und könnt einen Fuß tief durch das Wasser waten.«

»Ich stimme Euch bei und wollte Euch schon denselben Vorschlag machen.«

»Ihr kennt doch die Gegend?«

»Vollkommen. Wißt Ihr vielleicht, wo der nächste Posten der fremden Truppen steht?«

»O, viel mehr nach Westen hin, dicht an der Goore.«

»Können sie uns von dort aus wohl jetzt sehen?«

»Gott bewahre! Die haben keine Augen für Schiffe und Segel! ja, wenn wir zu Pferde wären oder auf einer Kanone säßen!«

»Wo aber steht der nächste Posten im Lande?«

»Zwischen dem Putbusser Schloß und Zirkow weiß ich keinen, Bergen aber wimmelt wie ein Ameisenhaufen von Soldaten.«

»Wie mag es denn mit dem Rugard sein – wißt Ihr etwas darüber?«

»Oho! Warum nicht? Und ganz genau. Mein Schwager war vorgestern da, um in Burnitz seine kranke Schwester zu besuchen, und so weiß er es bestimmt. Bei Tage freilich steht ein Posten auf dem kahlen Berge, bei Nacht aber frieren die Welschen, die an Backofenwärme gewöhnt sind und keinen gesunden Luftzug vertragen können, und da sie keine Augen wie die Katzen haben, obgleich ihre Krallen scharf genug sind, so nützt ihnen die Nachtwache auf dem windigen Berge nichts. Darum ziehen sie sie auch alle Abende ein.«

»Das wißt Ihr bestimmt?«

»Ich kann es beschwören.«

»So danke ich Euch. Wollt Ihr mich hier aussetzen?«

»Ja!« sagte der Fischer und hatte schon die Schoten fahren lassen, worauf das Segel back gelegt wurde und lose in der Luft flatterte. Waldemar setzte sich auf den Rand des Bootes, stieß den Stock ins Wasser und untersuchte den Grund. Er war seicht, und so ließ er sich langsam hinuntergleiten, nachdem er dem Fischer ein großes Geldstück in die Hand gedrückt und Hille warm empfohlen hatte. Dann aber watete er dem Lande zu und sah von da aus den Fischer wenden und mit halbem Winde wieder aus der Bucht auslaufen, wie er auch mit ihm eingelaufen war.

Noch einen Blick; vielleicht von einem Gruße begleitet,, warf er dem flugs die Wellen durchschneidenden Fahrzeuge nach, dann wandte er sich und schritt durch das zunächst gelegene Tannengehölz auf dem Wege zwischen Groß-Stresow und Nadelitz auf Posewald zu, wo er das dortige mächtige Hünengrab zur Linken ließ und dann querfeldein durch die vom hellsten Mondlichte beschienenen Felder dem langen Berge bei Zirkow zueilte, dessen Waldungen er zum Teil durchschritt, um so auf den breiten Weg nach Dalkwitz, von Carow aus aber auf einem wenig befahrenen Landwege über Cluptow nach Zirzewitz zu gelangen, wo er endlich die drei Straßen von Bergen nach Dumservitz kreuzte und nun den Rugard dicht vor sich liegen sah.

Auf diesem ganzen, nicht volle zwei Meilen langen Wege, den er mit gemäßigter Eile zurücklegte, um in seiner warmen Kleidung sich nicht übermäßig zu erhitzen, begegnete er in der ersten Zeit nur wenigen Menschen, und je weiter die Nacht vorrückte, um so stiller und einsamer wurde es um ihn her, bis er zuletzt kein lebendiges Wesen mehr erblickte. Soldaten aber hatte er keinen einzigen wahrgenommen. In den von Strecke zu Strecke auftauchenden größeren Wäldern, die bald auf den Kuppen der Höhenzüge, bald in der Ebene sichtbar wurden, ruhte tiefer Schatten, denn des Mondes Licht durchdrang die Wipfel der Bäume nicht, die hier schon ziemlich belaubt waren; die Felder, Triften und Moorgründe aber leuchteten hell von dem nächtlichen Strahl wider und ließen sogar auf große Entfernungen die Gegenstände ziemlich genau erkennen, die hie und da auf ihnen zerstreut umherlagen.

Um dem Leser aber einen deutlichen Begriff von der vor ihm liegenden Landschaft zu geben, ist es nötig, daß wir eine dieselbe betreffende allgemeine Bemerkung voranschicken, der wir dann die Beschreibung des Rugard selbst folgen lassen wollen. Das Inselland steigt nämlich von allen Seiten ziemlich gleichmäßig gegen die Mitte hin empor, wo es dann einen Bergrücken bildet, auf welchem die Stadt Bergen und der Rugard liegt, der mit seiner Höhe alle, übrigen Berge, Jasmunds und der Granitz Gipfel ausgenommen, überragt. Dieser Bergrücken zieht sich ostwärts nach Buschwitz und Zittewitz bis an den. Strand des Jasmunder Boddens hin und hängt mit den übrigen Bergketten Rügens zusammen, die sich nach Norden und Osten hin bis an die Küsten erstrecken, nach Süden aber in verschiedenen Richtungen auslaufen und die Insel mit schönen Waldungen durchkreuzen. Am Fuße des 300 Fuß hohen Rugard nun, und zwar an seiner südwestlichen Seite, ist das Städtchen Bergen gelagert, in dessen Inneres wir uns später noch oft genug verfügen werden, die Spitze seines Kirchturmes aber soll ziemlich in gleichem Niveau mit dem höchsten Punkte des Rugard liegen.

Dieser selbst nun hat schon in grauem Altertum eine hohe Bedeutung für die Insel gehabt, denn er trug einst auf seinem Gipfel ein Schloß, Rügegard, von dem sein jetziger Name herrührt. Von diesem Schloß aus übersah der Erbauer desselben (im Jahre 1168), der Rügenfürst Jaromar, sein ganzes kleines Reich und befestigte sich darin, um gegen seine Erbfeinde, die Pommern, geschützt zu sein, als sie sein ganzes übriges Reich überschwemmt und verheert hatten.

Jetzt ist von dieser alten Burg nichts mehr vorhanden, als ein ziemlich gut erhaltener hoher Wall, der dem ehemaligen Schlosse zur Schutzwehr gedient haben mag. Der mittlere Raum, der davon eingeschlossen wird und den sonst die Burg eingenommen hat, war zur Zeit, wo unsere Erzählung spielt, ein Kornfeld. Der Wall selbst, sowie die nahegelegenen Hügel, waren mit Haidekraut und niederen Dorngesträuchen bewachsen, während zur heutigen Zeit vom Fürsten zu Putbus, dem die Insel so viele schöne Denkmäler der Baukunst und Landeskultur verdankt, gefällige Anlagen und Ruhesitze angebracht sind, um den Reisenden das herrliche Panorama der Insel und ihrer Umgebung mit Muße betrachten zu lassen und ihn durch den Anblick des rauhen, sterilen und verwitterten Chaos rings umher, wie dieser Fleck sich früher darstellte, in seiner Betrachtung weder zu stören, noch zu lebhaft an die Vergänglichkeit alles Irdischen zu erinnern.

Von der Höhe des Walles nun bietet sich rings im Kreise dem erstaunten Auge nicht nur der größte Teil der Insel, sondern auch südlich, östlich und westlich ein ansehnlicher Strich von Pommern dar, während nach Norden und Nordosten hin das baltische Meer, dem Auge eine unbeschränkte Fernsicht gestattet. Über die Dächer von Bergen hin, über das Stralsunder Fahrwasser bis auf Stralsund, und noch weit darüber hinaus, schweift zunächst der Blick und umfaßt so einen großen Teil von Schwedisch-Pommern. Städte und Dörfer tauchen aus den weiten Feldern auf, und auch das traute Greifswald wird ziemlich genau erkannt.

Östlich hin, fast unter den Füßen des Beschauers, erglänzen weitgestreckte Ackerfelder, die sich namentlich deutlich ausprägen, wenn die Saat in grünem Smaragd leuchtet oder in goldenen Ähren wogt. Weiterhin östlich, jenseits verschiedener Vertiefungen und Erhöhungen des Bodens, streben Hügel in die Höhe, deren Gipfel kahl über den bebauten Lehnen hervorragen, und dazwischen prangen zahllose Gebüsche in grünem Gewande. Fernerhin tauchen Wälder in gewaltiger Länge und Breite auf, wie die Granitz und Stübnitz, welche letztere der blaue Spiegel des Jasmunder-Boddens vom festen Rügener Lande trennt. Über diese Wälder hinaus endlich umgürtet das vielgestaltige Eiland die wogende See, an deren fernstem Horizont zahllose Segel auftauchen und nach allen Weltgegenden steuern. Wunderbar reich ist diese Ansicht, wenn man das Ganze mit einem Blick zusammenfaßt, da man nicht allein das Meer überschaut, welches das Eiland umkreist, sondern auch die Binnenseen, welche die schönen Busen bilden und in bald geschlängeltem, bald geradem Laufe die Erdzungen umspülen, die Rügen gewissermaßen als Fühler in das feuchte Element vorstreckte und die bald mit Getreidefeldern, bald mit Gebüsch bewachsen sind, oft aber auch durch öde Kahlheit von der Armut ihres Lebens Zeugnis geben.

Zahllos sind die Ortschaften, die Häuser, von ihren Obstgärten umzogen, die Türme, die Meiereien, die Landhäuser, die der Beschauer hier alle einzeln erkennt und die wie absichtlich dahin gesetzt scheinen, um ihn durch ihren reichen Farbenwechsel zu ergötzen. Wunderbar vor allen nehmen sich die beiden Landzungen aus, die von Rügen und Wittow nach Jasmund führen und die wir schon in unserer Einleitung besprochen haben; wunderbar ferner treten die vielen kleinen bald runden, bald langgestreckten Inseln und Inselchen wie verlorene Geschenke hervor, die das Land ausgestreut und das habgierige Meer willig in seinen Schoß aufgenommen hat. Ernst und gewaltig aber thronen im Norden und Osten die felsigen Höhenpunkte Rügens, das steile Arcona mit seiner einsamen Küstenwacht, ganz allein dem dräuenden Ungestüm des Meeres sich entgegenstemmend, und das kreidereiche Ufer der Jasmunder Felsen, die majestätisch herüberwinken, als wollten sie mit aufgehobenem Finger drohen, nicht weiter vorzudringen, da das gefährliche Meer mit seiner unbezwinglichen Kraft dem Streben des immer in die Ferne drängenden Menschen hier entgegentritt.

Doch kehren wir jetzt zu dem einsamen Wanderer zurück, den wir bis an den Fuß des Berges begleitet hatten, von dessen Gipfel aus man alle diese Herrlichkeiten überschaut. Als er den sandigen Fuß des Rugard erreicht hatte und sich dabei in möglichst weiter Entfernung von Bergen hielt, hörte er die Turmuhr des Städtchens die elfte Stunde der Nacht schlagen. Als der letzte Klang der Glocke verhallt war, auf den er aufmerksam gelauscht, stieg er langsam den Fischersteig hinauf, wobei er sich vorsichtig umblickte, um einen Feind, wenn er etwa in der Nähe wäre, bei Zeiten wahrzunehmen. Allein er sah niemanden, alles ruhte, sogar der Wind hatte sich gesänftigt, als wolle er die schöne Mondnacht nicht ungenießbar machen, und nur bisweilen sprang ein Hase im Gebüsch auf und lief quer über den Weg durch das duftige Haidekraut, oder ein aufgescheuchter Nachtvogel ließ seine Stimme aus den nahen Waldungen ertönen. So gelangte er auf den Gipfel des Berges und blieb zuerst einen Augenblick stehen, um Atem zu schöpfen, denn seine Ungeduld, die Höhe zu erreichen und vielleicht den innig geliebten Freund schon oben zu treffen, hatte ihn zuletzt zu schnellerem Laufe angetrieben, als es anfangs in seiner Absicht gelegen.

Als er seiner Brust die nötige Ruhe vergönnt, hielt er sich nicht damit auf, von seinem hohen Standpunkte aus das ihn umgebende prachtvolle Panorama zu betrachten, sondern er bestieg sogleich den nordöstlichen Wall, um zunächst einen Rundgang auf der Plattform zu halten und nach seinem Freunde zu spähen. Aber trotzdem er jede Vertiefung, jeden hervorragenden Hügel, jedes kleine Gebüsch durchforschte, ob er nicht irgendwo verborgen, so fand er ihn nirgends, und endlich gelangte er zu der Überzeugung, daß er noch nicht auf dem Berge sei. Einigermaßen betroffen von seinem Alleinsein, das er so sehr abzukürzen gestrebt, ließ er sich jetzt auf der Stelle des mächtigen Walles nieder, wo gegen Westen nach der Stadt Bergen hin die wohlerhaltene Brustwehr ragt, mit dem einzigen Eingange zum Innern des Walles, und wo wahrscheinlich ehemals das Eingangstor sich befand, welches zur Festung führte. Von hier aus schweifte sein Blick zuerst über die ganze Südwestseite der Insel, um auf Stralsund im Hintergrunde haften zu bleiben. Denn von dieser Seite her mußte sich sein Freund dem Rugard nähern, wenn er noch nicht auf einem andern Punkte der Insel weilte oder überhaupt von Stralsund kam, wo er, wie Waldemar wußte, eine verwandte Familie hatte, der er immer zugetan gewesen. Der Gedanke, daß Magnus Brahe sonst pünktlich war und sein Versprechen ohne Not gewiß nicht ungelöst ließ, hatte seinen Schritt beim Ersteigen des Berges beflügelt, jetzt aber beunruhigte ihn einigermaßen schon dessen Abwesenheit, indem er plötzlich unvorhergesehene Gründe der Abhaltung ersann, die sein Erscheinen gänzlich in Frage stellten, und daher schwebte sein Blick lange über der Wasserfläche, die in der angegebenen Richtung die Insel von Deutschland trennt; und je länger er hinüberschaute, um so strahlender wurde sein Auge, denn trotz des Bedauerns, seinen Freund noch nicht wahrzunehmen, zog der im hellen Mondlichte immer deutlicher hervortretende Wassergürtel seinen Blick unwiderstehlich an. Sein von Natur scharfes Auge faßte allmählich, je mehr es sich an die magische Nachtbeleuchtung gewöhnte, einzelne wohlbekannte Stellen auf, die er dann im stillen nach so langer Trennung freundlich begrüßte, als wäre nicht er zu ihnen, sondern sie zu ihm gekommen. So trat ihm, zumeist nach Nordosten, das niedrige baumlose Hiddens-öe wie eine am Horizonte schwebende graue Wolke entgegen, und als er sich dann nach Nordosten bewegte, streckte Wittow mit dem öden Arcona an seiner äußersten Spitze wie ein riesiges Blatt seine dreigezackte Gestalt in die glänzende Wasserfläche aus, während das schöngeschwungene Jasmund mit seinen dunklen Wäldern düster und majestätisch in die weite Wasserwüste vordrang, die dann und wann im Mondlichte hell aufschillerte und ihr ernstes Rauschen bis nach dem Rugard hinauf tönen ließ.

Da aber fiel plötzlich sein Blick auf das mit dunklen Spitzen in das Meer ragende Mönchgut, das er soeben erst verlassen hatte, und – wunderbar! – sein Herz, das sonst immer so ruhig und gleichmäßig schlug, klopfte heftiger als gewöhnlich; und länger, als er ahnte, haftete sein glänzendes Auge darauf. Welche eigentümliche, nie empfundene Regung zwang ihn dazu? Wie drängten sich seine Gedanken so seltsam eifrig diesen Landspitzen entgegen? Wiederholt mußte er sich die Frage vorlegen: »Ob Hille wohl schon ungefährdet zu Hause angekommen ist? Da, ja, da muß das Haus liegen, in dem sie wohnt – ob sie darin wohl schon wieder mit wohltuendem Lächeln am Bette des geliebten Paten sitzt, oder ob sie bereits selber von ihrem Gange ausruht und die schönen Augen im Schlafe geschlossen hat? O ja, schön, schön sind diese Augen, wie die Mutter es gesagt, und ihr Gesicht ist ebenso blühend und lieblich geblieben, wie ihr Herz seine Güte und Redlichkeit bewahrt hat. Doch halt! Es ist jetzt nicht die Zeit, an ein Weib zu denken, und wäre es selbst das schönste auf der Erde, jetzt ist der Tag nicht für die Weiber, nein, nur für Männer gekommen, und also fort von dem, was meine Seele – wie wunderbar! – seit einigen Stunden so seltsam umsponnen hat. Ach, wie die kleine Insel, mein liebes, teures Vaterland, so still und ruhig hier unter mir liegt, und die müden Bewohner fast alle ihre Augen schließen und nichts sehen, nichts empfinden, was ich sehe und im tiefsten Herzen empfinde! Wie friedlich, wie feierlich, wie erhebend ist dieser Anblick, dieser Gedanke! Und doch hat des Gewaltigen Arm seine eisernen Finger beklemmend darüber ausgespannt! Ha, also auch das will er an seine kalte gigantische Brust reißen, auch diesen stillen Fleck der Erde will er in den Wirbel des ungerechtesten aller Kämpfe ziehen, auch hierher seine blutgetränkten Scharen senden? Ja, o ja, ziehe es nur in deine bittere Umarmung, umschließe es mit deinen blinkenden Bajonetten, ein Mord mehr auf deiner Seele kann dich ja nicht mehr belästigen, der du Hunderttausende deinem Tatendurste, deiner Habsucht, deiner Ruhmbegier geopfert hast! Aber halte es nicht in Gedanken auf ewig fest, du steinerner Mann, es wird dir doch einst wieder entschlüpfen, wie du das Meer nicht halten kannst in deiner Hand, das du schon so oft vergebens zu bezwingen und zu behaupten gestrebt hast. Ha! wie mir plötzlich so wunderbar prophetisch zu Mute wird! Bonaparte, auch du, übermütiger Korse, wirst einst das Ende deines Ruhmes auf dieser Erde erleben; denn aller irdische Ruhm ist vergänglich! Auch du, der du dich ein großer unüberwindlicher Kaiser zu sein dünkst, und doch nur, wie alle vom Weibe Geborenen, ein schwacher, hinfälliger Mensch bist, schwach in deinem Dünkel, deiner unersättlichen Leidenschaft, auch du wirst einst den Grabhügel deiner Macht ragen sehen, wie wir Lebenden jetzt die tausend Gräber unserer Vorfahren auf diesem kleinen Erdenflecke erblicken, und dabei denken und sagen: sie sind dahin! Alles was sie getan und errungen, hat die Zeit in ihren unersättlichen Schlund gezogen! – Und daß dies bald geschehe, daß du bald die Fluren und Wohnungen verlässest, die dir nicht gehören, so möchte ich, daß meine Stimme ein Orkan wäre, um sie zu erheben und schallen zu lassen über Nähe und Ferne; damit wachrufen möchte ich alle Völker, die dir so machtlos und knechtisch untertänig sind, und möchte über Land und Meer hinausschreien, daß das Echo in jeder atmenden Brust widerhallt: Wache auf, mein Volk, rüttle dich aus deinem überlangen Schlummer, erhebe dich aus deinem verderblichen Sinnen und Brüten! O, öffne deine Augen, dein Herz und sieh' und fühle, was du tun mußt, um dich selbst und deine Nachkommen vor dem ungerechten Eroberer zu retten und vor seinen habgierigen, mordlustigen Knechten zu schützen, denn du wirst es einst nicht verantworten können, vor Gott und den Menschen, daß du so lange gezögert, deinen Wünschen und Hoffnungen die große Tat folgen zu lassen.«

In großer innerer Bewegung, hoch und stolz aufgerichtet und lebhaft atmend, schwieg er nach diesem unwillkürlichen Ausbruch der ihn beherrschenden Gedanken. Seine Wange glühte, sein Auge flammte, und wider Wissen hatte sich seine Rechte über die ruhenden Länder und die leise atmenden Meere ausgestreckt. Aber der Rausch der Erregung schwand als er keine Antwort darauf erhielt, als alles rings umher still blieb, wie es vorher schon gewesen war. Langsam zog sich die ausgestreckte Rechte an seinen Leib zurück, er setzte sich auf die kalte tauige Erde, stützte seine Arme auf die Knie und legte den Kopf in die Hände, um noch eine Weile die eben entwickelten Ideen und Wünsche in seiner Seele nachschwirren zu lassen.

Und wie er so still und unbeweglich saß, kam, wie es dem Menschenherzen so glücklich beschieden ist, daß es nach großer Erregung sich immer wieder in das ruhige Geleise des wirklichen Lebens zurückfindet, eine sanfte Ruhe, ein mildernder Frieden über ihn. Langsam und ungestört zog der glänzende Mond unterdeß seine stille Bahn dahin, hinter ihm tauchten die kleinen Sterne am wolkenlosen Himmel auf, der leise Nachtwind flüsterte in den Blättern der Wälder und die Erde sank immer tiefer in ihren heiligen Schlaf. Nur das Meer, Tag und Nacht seinen Lauf verfolgend, rauschte brandend von Zeit zu Zeit an den fernen Felsen auf, von den Menschen aber drang kein Ton auf seine Höhe. Höchstens dann und wann ließ sich in weiter Ferne das Rollen eines Wagens vernehmen, eine Möve, die über den glänzenden Bodden flatterte, ächzte ihr Nachtlied aus der Nachbarschaft herüber, und ein wachsamer Hund bellte heiser auf irgend einem Gehöfte herauf.

Da, von diesem Frieden um ihn her in sanftere Empfindungen eingelullt, erhob er sein Auge und vielleicht auch zog ihn aus seinen Träumen das Schlagen der Turmuhr in Bergen, die dicht in seiner Nähe den Ablauf der Mitternachtsstunde verkündete. Jetzt erst war die Zeit gekommen, in der an diesem Orte mit ihm zusammenzutreffen sein Freund verheißen hatte. Er stand daher auf, stellte sich auf den höchsten Punkt des Walles und blickte sehnsüchtig den Weg hinab, der nach Bergen führt. Aber auf diesem Wege war und blieb alles still. Aus den Häusern sah er wohl hie und da einige Lichter durch die Nacht leuchten, die allmählich dunkler ward, je tiefer der Mond sank, sonst hörte und sah er nichts, obgleich es ihm däuchte, als dränge bisweilen aus der nahen Stadt der auf dem schlechten Pflaster dröhnende Schritt einer Schildwache bis zu ihm empor. Er lauschte und horchte, so sehr er lauschen und horchen konnte, aber er vernahm in der Tat weiter nichts.

So stand er lange Zeit auf demselben Orte, bis endlich der wehende Nachtwind kühler wurde und ein allmählich ihn durchziehender Schauer seine Glieder zur Bewegung trieb. Er knöpfte den Rock fester zusammen und schritt langsam auf dem Walle hin und her, immer wieder zu dem Punkte zurückkehrend, der ihm den weitesten Fernblick über das unter ihm liegende Land gestattete. Als er so wohl zwanzig Mal den geschweiften Wall umschritten hatte und dabei wieder eine Stunde vergangen war, trat er abermals auf den Punkt zurück, den er zuerst eingenommen. Der Mond war unterdes immer tiefer gesunken, und auch die Sterne schienen geneigt, sich in ihre Tagesregionen zurückzuziehen, um allmählich vor dem nahenden Glanze der Morgenröte ganz zu erbleichen.

Waldemar hoffte nun nicht mehr, seinen Freund in dieser Nacht zu treffen, er dachte daher daran, wie er am besten den nächsten Tag verbringen könne und beschloß endlich, sich nach Bergen zu begeben und dort in dem Hause eines wohlhabenden Müllers, dessen Grundstück dem Rugard am nächsten lag, vorzusprechen, wo er bekannt war und der freundlichsten Aufnahme gewärtig sein konnte. Fürs erste jedoch wollte er noch nicht die Höhe verlassen; hatte er so lange hier oben gewartet, so konnte er noch anderthalb Stunden länger warten und die Sonne über dem Meere hervorkommen sehen, ein Schauspiel, welches er schon als Knabe außerordentlich geliebt und in seiner schönen Heimat wie an anderen Orten so häufig wie möglich zu genießen pflegte.

So schritt er denn langsam auf dem Walle umher, jetzt vor allem mit dem Gedanken beschäftigt, wo wohl sein Freund sein und was ihn von dem so fest verheißenen Besuche des Rugard an dem dazu bestimmten Tage abgehalten haben möge. Als er, also innerlich beschäftigt, zum zweiten oder dritten Male bei seiner Wandelung den westlichen Rand des Walles erreicht hatte und wiederum stehen blieb, um einen Blick über die Stadt schweifen zu lassen, glaubte er in der Ferne, in der Richtung von Stralsund, dicht am Fahrwasser und also auf der ersten Strecke der Landstraße, die von der alten Fähre nach Bergen führt, ein Posthorn schmettern zu hören. Zwar war der erste Ton, der zu ihm drang, nur schwach gewesen, allein er glaubte sich dennoch nicht geirrt zu. haben, denn die Klänge des Posthorns haben sich zu allen Zeiten von anderen ähnlichen Klängen unterschieden und wohl immer jenes unbeschreibliche Gefühl des Sehnens und Verlangens in die Ferne im Ohr des Hörers zu erwecken verstanden.

Waldemar stand unbeweglich und lauschte mit angehaltenem Atem, ob sich derselbe Ton nicht wiederholen und ihm größere Gewißheit über seinen Ursprung geben würde. Da der Wind sich während der Nacht gedreht hatte und in schwachen Strömungen jetzt aus Westen blies, so war es auf der Höhe, wo er stand, noch dazu in der tiefen Stille der Nacht, wohl möglich, ein Posthorn blasen zu hören, das sich vom Südweststrande der Insel aus auf dem Wege nach Bergen befand. Und in der Tat, es dauerte nicht lange, so ließ sich das Schmettern noch einmal vernehmen, und jetzt war Waldemar sicher, daß er sich das erste Mal nicht getäuscht habe.

Aber was bedeutete dieses Blasen eines Posthorns zu so ungewöhnlicher Zeit? Die regelmäßige Post, die von der Fähre nach Bergen geht, mußte am Abend vorher in der achten oder neunten Stunde in Bergen eintreffen, diese also konnte es nicht sein. Freilich kam es auch bisweilen vor, daß man sich auf der Insel einer Extrapost bediente, allein so tief in der Nacht pflegte das wohl kaum der Fall zu sein. Und wenn gar Magnus Brahe der späte Reisende wäre, wie Waldemar im ersten Augenblick hoffte, so war nicht vorauszusetzen, daß er seine Ankunft auf der Insel so laut verkünden lassen werde, da bei der Anwesenheit der Feinde Grund genug vorhanden war, so still wie möglich einzuziehen.

»Nein,« sagte daher Waldemar mit einiger Bewegung, »das ist etwas anderes und vielleicht Bedeutungsvolles. Wer weiß, ob es nicht eine Stafette ist, die irgend eine wichtige Botschaft bringt – ha! ja, so wird es sein, man wird dem Befehlshaber der Franzosen, der in Bergen residiert, eine Depesche senden und die verkündet der dumme Tölpel, der sie bringt, so laut, als wollte er seine Landsleute damit aus dem Schlafe wecken und ihnen sagen, daß sie wieder frei wären und den Frieden vor der Tür hätten! Doch was quälte ich mich, die Ursache dieses Umstandes zu ergründen, das ist ja nur eine vergebliche Bemühung. Es mag auch etwas ganz anderes sein, was gar keinen Bezug auf Krieg und Frieden, Freude oder Leid hat und nur der Zufall hat es mich hören lassen, um mich damit zu beunruhigen. Warten wir also die Zeit ab; in noch nicht zwei Stunden wird der Bote in Bergen eintreffen und dann werde ich seine Botschaft vernehmen, wenn sie auf das allgemeine Wohl oder Wehe Bezug hat. Wenden wir unser Auge lieber nach Osten herum, die Stunde ist nahe, wo der neue Tag anbricht, und dem glorreichen Erwachen desselben wollen wir beiwohnen.«

Waldemar sollte sich aber in der Erwartung eines glorreichen Sonnenaufgangs geirrt haben, wie es schon so vielen geschehen, die auf Rügen deshalb eine halbe Nacht durchwacht, gefroren und sich gelangweilt haben. Allerdings bemerkte er, daß die nächtliche Dämmerung, seitdem des Mondes Licht im Erlöschen begriffen war, namentlich im Westen zugenommen habe, daß also der Tag im Anzuge begriffen sei, allein bald darauf nahm er wahr, daß die zunehmende Dämmerung noch von einer anderen Ursache herrühre.

Schnell wie auf Windesflügeln herangesegelt, hatte sich, nämlich der ganze westliche Horizont, von woher der Morgenwind blies, mit leichtem Gewölk bedeckt, wie wir es oft kurz vor Sonnenaufgang wahrnehmen, ohne daß dadurch der schöne Morgen getrübt wird, allein diesmal hatte diese Himmelserscheinung einen anderen Grund. Eine dem Orte, auf dem wir uns befinden, sehr gewöhnliche und häufige Nebelbildung hatte sich des Himmels bemächtigt und stieg nun von da rasch zur Erde nieder, um auch sie in Schatten zu hüllen, die eben noch so heiter und licht gewesen war. Der Tag kündete sich also trübe an und drohte mit Regen, eine Voraussetzung, die schon in kurzer Zeit ihre Bestätigung finden sollte.

Bald nach dieser Wahrnehmung war Waldemar auf den östlichen Wall zurückgekehrt und hatte hier den Horizont gemustert. Er lag noch still und feierlich in seinen majestätischen Nachtmantel gehüllt, und nur ganz in der Ferne, da wo Himmel und Meer sich zu berühren schienen, trat eine gelbliche Färbung hervor, um deren Begrenzung noch der nächtliche Duft des Meeres schwebte. Allmählich aber dehnte und vergrößerte sich der hellere Schein; es war, als ob der Himmel sich hebe und das Meer sich senke, so daß zwischen beiden ein scheinbar freier Raum entstand, den eben jene lichtere Färbung mit ihren blassen Strahlen ausfüllte. Nach wenigen Minuten aber blitzte schon der erste rein goldene Streif daraus hervor und einen Augenblick schien das Meer in Flammen zu stehen, aber nur einen Augenblick, denn dann war auch hier plötzlich wie aus den Tiefen der See ein Nebelwall aufgetaucht, der die Strahlen des himmlischen Gestirns verschlang und die Hoffnung auf einen schönen Tag zunichte machte. Und gleich darauf, als stände der Osten mit dem Westen in geheimnisvollem Bunde, hatten sich Dünste, Nebel oder Regengewölk, was es nun sein mochte, von Osten nach Westen und von Westen nach Osten gezogen, und die ganze unermeßliche Kuppel, die die Erde überwölbt, war hinter ein bleifarbiges, undurchdringliches Luftgebilde getreten, durch das von Zeit zu Zeit schon ein heulender Windstoß fuhr, der die Ausdünstungen des Meeres und der Erde chaotisch unter und durcheinander mischte.

So war denn der erhoffte Genuß des prachtvollen Morgenschauspiels verkümmert, und die Erde mit ihren in der Nacht so reichen Schätzen und Schönheiten lag öde und wüst vor den Augen unseres Freundes, zwar lichter und tagesheller geworden, aber, ebensowenig durchdringbar wie erfreulich.

Waldemar wandte den Blick von der Ferne ab und drückte den Hut tief in die Stirn. Ihn fröstelte unheimlich und er lief nun rascher wieder nach der entgegengesetzten Seite, um da den Fortschritten des auftauchenden Tages, aber auch denen des drohenden Unwetters zuzuschauen.

»So, – ja, so,« sagte er zu sich, als er ringsum die trüben Dunstschichten wahrnahm, »verfinstern sich die Hoffnungen der Menschen. Ach, es sah gestern Nacht hier oben so heiter aus, und nun ist es so düster und farblos geworden. Hoffe nicht, o Seele, so bald auf Licht und Freiheit, dein Weg dahin ist noch lang, und Finsternis ist darüber ausgebreitet. – Halt! Schmetterte da das Posthorn nicht schon wieder Ja, es tönt deutlich herauf – und bereits ist es viel näher gekommen. Es muß jetzt schon bei Negast, also auf der Mitte des Weges bis hierher sein, und bald, ja, bald wird man unten wissen, was die nächtliche Musik zu bedeuten hat. Es geht gegen vier Uhr – steigen wir den Berg hinab, der Müller wird munter sein, wenn ich bei ihm angelangt bin.«

Noch einmal einen Blick rings über das steinreiche Feld innerhalb des Walles werfend, in dem er jetzt bei hellerem Tageslichte die ersten Spuren keimender Kartoffelpflanzen wahrnahm, wandte er sich bergabwärts, mit ebenso großer Vorsicht seine Umgebung musternd, wie am Abend zuvor, da er hinaufgestiegen war. Kaum hatte er einige Schritte vorwärts getan, so begann es zu tröpfeln, und noch war er nicht die Hälfte des Berges, hinabgestiegen, so fühlte er schwere eiskalte Tropfen auf seine Hände fallen und in sein Gesicht schlagen. Eilig erstrebte er nun die Tiefe und sah schon im Nebel, der das ganze vor ihm liegende Land überflutete, an der Ostseite der langgestreckten Stadt die verschiedenen Häusergruppen auftauchen, die hier zwischen Gärten und Obstbäumen liegen und die man Speck-Caspel nennt. Durch die nun folgenden Kornfelder und Gebüsche sich fortbewegend, erreichte sein Auge endlich die erste Windmühle und daneben das winzige Häuschen, aus Fachwerk und Backsteinen gebaut, rot und weiß getüncht, welches seines Vaters Bekannter, der Müller Dalwitz, bewohnte. Die Mühle stand still, ungeachtet ein frischer Wind blies, und nirgends waren Menschen zu sehen. Nur Hunde bellten und Hähne krähten dann und wann, sonst lag die Umgegend harmlos wie im tiefsten Frieden da.

Waldemar blieb hinter einem Gebüsch stehen und schaute scharf nach dem Hause hinüber, ob er nicht irgend eine Bewegung oder einen Menschen wahrnähme, der ihm Rechenschaft von den Vorgängen im Hause ablegen könne. Aber niemand erschien, und da es ganz still in der Umgebung desselben blieb, so wagte er es, hinauszutreten und sich dem ziemlich frei liegenden Gehöfte zu nähern. Schon hatte er die Klinke der Tür in der Hand und war im Begriff, sie niederzudrücken, da öffnete sich ein Fenster und der Müller steckte gähnend den Kopf heraus, den eine weiße gewebte Nachtmütze bedeckte, als wäre er eben erst aus dem süßesten Schlummer an das Licht des Tages getreten. Und so war es auch. Fast erschrocken fuhr der Bewohner des abgelegenen Häuschens zurück, als er einen Fremden an seiner Tür und sich so nahe sah. Aber da trat schon Waldemar zu ihm heran und ihm die Hand hinreichend, sagte er rasch:

»Dalwitz, kennt Ihr mich nicht? Ich bin Waldemar Granzow, der Sohn des Strandvogts in Sassnitz.

»Ah, ha! Ja! Ich sehe es – aber – Teufel! was führt Euch so früh hierher?«

»Seid Ihr allein, ist Euer Haus frei von Einquartierung?«

»Ja, frank und frei, die welschen Hunde haben sich nicht bis zu mir verstiegen. In der Stadt freilich liegen sie scharenweise und saugen wie Blutigel das Leben des Landes aus.«

»So nehmt mich auf und gebt mir einen Tag Herberge, ich habe Geschäfte hier.«

»Gern und sogleich – kommt herein, ich heiße Euch von Herzen willkommen.«

Waldemar eilte zur Tür, und in wenigen Augenblicken war er im Zimmer und teilte dem befreundeten Manne so viel mit, wie nötig war, um seinen frühen Besuch und sein Erscheinen mitten unter den Feinden des Landes zu rechtfertigen.


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