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Dreizehntes Capitel.

Aber Geduld! Noch sind wir nicht im Jubel der Johannisfeier; erst bei ihrer Zurüstung, die hunderte von Händen in Bewegung setzt und in der That noch großartiger betrieben wird, als in früheren Jahren.

Indessen, ob die Phantasie des Feiernden und Zufeiernden sich in seiner Mentorrolle abgenutzt hatte, ob tiefere Pläne ihn zerstreuten, oder ob es wirklich ebenso unmöglich ist, ein neues Volksfest wie ein neues, allgemeines Kinderspiel zu ersinnen; kurzum, man mußte sich auf den Apparat beschränken, der bei derlei Gelegenheiten und speciell am Mittsommertage, seit alten Zeiten gang und gäbe ist. Kornblumenkränze wurden gewunden, Holzstöße für das Johannisfeuer am Waldsaume aufgeschichtet; der Wiesenplan am jenseitigen Seeufer vor dem herrschaftlichen Belvedere, – dem nämlichen, auf dessen Stufen ein sehnsüchtiges Auge manche Nacht nach dem Thurmfenster gegenüber gelugt hatte, – wurde mit Buden, Lauben und Schießständen bedeckt; auf der Insel zwischen Belvedere und Burg ein imposantes Feuerwerk vorgerichtet; Lampenreihen wurden geordnet, Transparente gemalt, Tanzplätze in schicklichen Localen und selber im Freien geebnet und geschmückt; die Sonntagskleider der Schuljugend wurden geschniegelt, Festreden eingepaukt, die Galazimmer im Schlosse decorirt zum Empfang der Gratulantenzüge und Deputationen der nahen und fernen gräflichen Besitzungen; wieder andere zur Herberge und Belustigungen der eigenen Standesgäste. Vor allem aber wurde in Küche und Keller gebrodelt und gezapft, da die Bewirthung doch einmal zugleich das Fundament und den Kitt aller geselligen Zusammenkünfte bildet und in Ewigkeit bilden wird.

Die gütige Chanoinesse war nach allen Seiten hin, je tiefer hinab aber desto mehr, in fürsorglicher Bewegung und das Geburtstagskind, das sich in früheren Jahren stets etliche Tage vor dem Feste entfernt hatte, um sich mit seinen eigenen Ueber raschungen gefällig überraschen zu lassen, war zur Stunde noch nicht vom Platze gewichen.

Nur Fräulein von Uh blieb von der allseitigen Vorbereitung, von jeglicher Vorberathung ausgeschlossen; selber die für diesen Tag verheißene Entscheidung über ihr persönliches Schicksal war von dem Herrn desselben mit keiner Sylbe berührt worden.

Lief ihre Gastrolle zu Ende? Sollte sie als dauerndes Mitglied der Schnakenburg'schen Gesellschaft engagirt, ihr der erstrebte Dirigentenplatz eingeräumt werden? War sie eine zu Verabschiedende, eine Mitzufeiernde?

Von diesen Zweifeln fieberhaft erregt, saß sie am Vormorgen des Festes ganz allein am Fenster des Familienzimmers und blickte, zu jeder Beschäftigung unfähig, auf das rührige Treiben im Garten zu ihren Füßen. Sie war mit ihren Wirthen nur am Frühstückstisch flüchtig zusammengetroffen; jetzt sah sie dieselben plötzlich von einem Parkweg in die rosenblühende Pergola einbiegen.

Beide waren bewegt; der Herr in lebhafter Demonstration; die Dame leise weinend, die gefaltenen Hände flach gegen die Brust gedrückt. Nach einem scheinbar letztentscheidenden Worte legte sie dieselben, wie zum Segen, auf den goldenen Lockenscheitel, bückte sich dann, drückte ihre Lippen auf die Kinderhand, als ob sie ihr eigenes Schicksal in derselben versiegele, und wendete sich dann unter überströmenden Thränen eilig dem Schlosse zu. Er läuft ihr nach, umfaßt und streichelt sie, küßt ihre Hand und Wange; bleibt zurück, um sie von Neuem einzuholen, seine zärtliche Dankbarkeit noch einmal auszudrücken und endlich mit dem seligsten Lächeln an ihrem Arm die Bahn entlang zu hüpfen.

Was war hier vorgegangen, was entschieden worden? Regine lauerte in athemloser Spannung; sie hörte die Thüren schließen, die von Vestibül in Beider Gemächer führten. Keines kam zu ihr; keines fragte nach ihr. Nach einer langen Weile erhob sie sich verwirrt und verletzt, um sich in ihr eigenes Zimmer zu begeben und ohne besondere Aufforderung nicht wieder vor ihren Wirthen zu erscheinen.

Mißmuthig hatte sie das Vorzimmer erreicht, als Graf Scipio ihr plötzlich gegenüberstand, nicht mehr im Morgenkleid und noch weniger in dem sprudelnden Naturel der kürzlichen Gartenscene. Im leichthin künstlermäßig zugestutzten Gesellschaftsanzuge, eine Purpurrose im Knopfloch, das Haar glatt ge scheitelt, Crayon und Palette in der Hand, so trat er in bescheidenster, fast verzagter Weise an sie heran und bat um die Gunst einer Sitzung für ein anzufertigendes Portrait.

Regine schwankte, von seiner eigenen Verwirrung verwirrt. Sollte sie in der letzten Stunde einen Fehlgriff thun? Dem spielenden Versucher mußte eine Zumuthung verweigert; dem dilettirenden Herrn vom Hause konnte ein Wunsch nicht abgeschlagen werden, zumal nach dem anspruchslosen Folgesatz:

»Ein erbetenes Andenken der Frau Chanoinesse.«

Ein Andenken, – also Scheiden! durchzuckte es Reginen. Sie sagte zu. Der Künstler blickte dankbar. »Und unverweilt einen ersten Entwurf,« drängte er. »Drüben im Atelier. Ein dunkler Anzug, ähnlich dem, in welchem man Ihnen zum ersten Male begegnet ist. Bitte, bitte, so und bald!«

Regine ging in ihr Zimmer. »Schlußprobe oder Abschied?« fragte sie sich mit hämmerndem Herzen, während sie das Kleid anlegte, mit dem sie aus der Heimath geschieden war und das sie nimmer wieder zu tragen gewähnt hatte. Zum ersten Male zagend, stieg sie in den Malersaal der Alhambra hinab. Der Apparat war bereits vorgerichtet, der Künstler wartete; nach seiner Anweisung nahm sie ihm gegenüber Platz.

Sein Gebahren wurde immer auffälliger; keine Spur des früheren Mentorbehagens. Ihm war nicht wohl in seiner Haut; oder spielte er, so spielte er als Stümper. Unruhig, zitternd, helle Angsttropfen auf der Stirn, ruckte und zuckte er hin und her; zupfte, drehte an Kleid und Geräth, that etliche Striche, sprang auf, seufzte, rannte durch's Zimmer, rieb sich die Stirn, fuhr mit den Händen durch's Haar, setzte sich wieder und brachte, endlich einen Blick zu Wege, als ob er sein Modell verschlingen wollte.

Dieser Blick, dem sie Stand halten sollte, dieser Blick von unten herauf, – die widerlichste Copie der widerlichsten Empfindung däuchte er ihr. Ihr Blut begann zu wallen; die Macht des Zauberrings drohte sie zu verlassen. »Wollen Sie nicht fortfahren?« stammelte sie mit einer Anstrengung, unter welcher die fieberische Röthe ihren Wangen entwich.

Der Künstler sah ihren sinkenden Muth; es durchzuckte ihn. »Die Blüthe, die Purpurblüthe!« rief er mit jachem Feuer, stürzte zu ihr hinüber und riß die Rose von seiner Brust, um sie in ihrem Gürtel zu befestigen. Rasche, kühle Athemzüge fächel ten ihre Wangen; es überrieselte sie wie Grabesschauer, sie fühlte eine weiche, kalte Hand in der ihren, eine andere, die ausgreifend ihren Leib umspannte.

»Unverschämter!« schrie sie, ihrer selbst nicht mächtig, stieß ihn von sich, daß er zu ihren Füßen niedertaumelte und stürzte aus dem Zimmer.

Sie hätte nicht »correcter« handeln können, wenn sie eine letzte Probe, eine Sittenprobe zu bestehen hatte. Aber sie hätte im Moment auch nicht weniger correct handeln können, wenn sie gewußt, daß es die Werbung war, die sie so lange mit heimlichem Grauen ersehnt hatte. Alles wäre zu ertragen gewesen: eine Don Juanlaune, sogar die Gluth einer ungetheilten Passion, nur nicht dieses Phantasma eines Gesichts, das auch dem sprödesten Weibe eine Götterflamme scheint. Sie verriegelte ihre Zimmerthür und saß eine Weile im Behagen ihrer Ledigkeit halbbetäubt.

Das Rollen eines Wagens rüttelte sie auf, sie wendete den Kopf nach dem Fenster und gewahrte den Grafen, der das Schloß verließ, ohne wie sonst einen Gruß, ja nur einen Blick hinauf zum Brautgemach zu werfen.

O, der Doppelnatur in der Menschenbrust, des jähen Umschlags in dieses Mädchens Blut! Die Jungfrau war plötzlich wie von der Erde verschlungen und die Urahne stand in ihr aufgerichtet, mit vorwurfsvoller Geberde die Entartete bedräuend, welche den Sinn ihres Stammes einer Wallung untergeordnet hatte. Sie zürnte, ja, curios! sie predigte Moral, sie flüsterte schier gefühlvoll, die steife, ehrenfeste Ahne. Von Mitleid und Dankbarkeit, wie jüngst die arme Nähterin wußte sie freilich nichts, aber sie redete zum ersten Male doch auch von Pflichten, nachdem sie sooft von Rechten geredet hatte, von einer Aufgabe vor und nach dem Erfolg; sie deutete mit der Hand nicht nur auf den leuchtenden Gipfel, sondern Station für Station auch auf den Weg, der zu dem Gipfel führt, anfänglich schmal und leise sich wendend, dann immer breiter und mit Blumen besät. Sie erklärte, wie Vernunft zur Gewöhnung, Gewöhnung zur Duldung und unmerklich aber unwiderstehlich zur Herrschaft wird; wie dem regelrechten Sinne nicht nur Schwäche und Eitelkeit, aber jedes warme, großmüthige Empfinden zu einer Handhabe wird, um den Spuk der Laune zu verscheuchen und im gemeinsamen Walten die verwirkte Würde zweier edlen Geschlechter wieder herzustellen.

Und dieses reiche Zukunftsfeld hatte sie einer weibischen Wallung geopfert! Oder vielleicht, je nach der Deutung, just durch diese Wallung letztgültig erobert? Noch durfte sie hoffen, noch hoffte sie. O, nur den Schimmer eines Erfolges, und kein Affect sollte sie wieder von ihrer Bahn verdrängen.

In herzklopfender Spannung schlich Stunde auf Stunde hin; als aber der alte Diener eintrat, um die angerichtete Tafel zu melden, und zugleich den abwesenden Herrn wie die sich unwohl fühlende Dame zu entschuldigen, da sah sie das Ende und wilde Reue durchtobte ihre Brust; sie hatte die Atous in der Hand gehabt – und verspielt.

Der Tag neigte sich, keine Seele hatte sich gezeigt. In Hof und Garten immer geschäftigeres Treiben, Schwank und Gelächter der Vorfreude; im Thurmgemach lautlose Stille, und im Herzen der Bewohnerin endlich Grabesruhe. Manche Andere an ihrer Stelle würde ihr Spiel nicht also schnell verloren gegeben haben. Ein Lächeln, ein Blick, ein schmeichlerisches Wort, ein leiser Kunstgriff von denen, womit Weiber locken und lenken, hätten sie sicherer als sie gestanden, zu stellen vermocht. Aber wir würden das Bild der letzten der Uh schmählich verzeichnet haben, könnte die Beschauerin es auch nur annähernd mit einer jener zweifelhaften Existenzen vergleichen, die aus dunklen Anfängen gleich dem ihren sich einen glänzenden Höheplatz erschwindelten. Nichts galt ihr jetzt noch, als mit Würde zu scheiden; ohne Zeichen der Demüthigung den Vortheilen zu entsagen, die ihr ohne Zeichen des Begehrens entgegengebracht worden waren; auszuziehen arm und bloß wie sie eingetreten war, aber ungebeugt, ihres Selbst bewußt.

Wie pries sie sich jetzt, daß sie jeder inneren und gelegentlich wohl auch äußeren Anregung das morgende Fest durch eine kleine Ueberraschung mitzufeiern, widerstanden hatte, daß sie kein Fingerglied zu seiner Verherrlichung gerührt. Lieber undankbar scheinen, als enttäuscht, verschmäht.

Sie schloß kein Auge in der Nacht, packte ihre Sachen für die Abreise und kleidete sich in das dunkle Gewand der Demuth, das sie fortan wieder tragen sollte.

Der Morgen brach an hell und golden, wie es Johannistags Pflicht, aber selten seine Laune ist. Die Stunden mußten hingebracht werden bis zur neunten, die zur Entscheidung bestimmt worden war und die sie sich selbst nun zum Abschied bestimmte. Wie an jenem Maimorgen, dem ersten auf der Schnakenburg, stieg sie hinunter in den Garten.

In den herrschaftlichen Räumen lag alles noch schlummerstill; der Graf schien nicht zurückgekehrt; draußen aber regten sich schaffende Hände auf Schritt und Tritt.

Seit Jahren war Regine am Johannismorgen ausgegangen, um, einer freundlichen Landessitte folgend, einen Kranz auf die Gräber der Eltern und ihrer Gönnerin zu legen. Sie hatte dann auf dem Wege die kleinen Häuser ihres Heimstädtchens, die kinderreichen zumeist, zu Ehren des segenspendenden Täufers mit blauen Kränzen und Gewinden verziert gesehen. Auch heute stand alles geschmückt für ein Kind, eine Rosenkrone prangte auf dem Haupte des Stifters im Freundesthale, – und ihr war wieder zu Muthe wie auf einem Kirchhofswege.

Sie flüchtete nach den abgelegeneren Theilen des Parks, – in deren Dickicht die Zurüstungen sich nicht verbreiteten; mechanisch folgte sie dem Laufe des Bächelchens, das mit allen anderen Kunstwassern der Schnakenburg heute schon in der Morgenfrühe seine Festrolle schäumte, und so gelangte sie unvermerkt bis an den Steg vor der Grotte, in welcher ihre Hoff nungen so stolz und kühn aufgeschossen waren, um heute so kümmerlich zu versiechen. Da stand sie am Ausgang der Laubarkade und lebte sich, ein bitteres Lächeln auf den Lippen, zurück in jenes Heimathsahnen, das sie nach der köstlichsten Rast ihres Lebens beim Erwachen beseligt hatte.

In diese Erinnerungen verloren, spürte sie plötzlich eine leise Regung, Athemzüge eines Schlummernden wurden ihrem Ohre zugeweht. Sie spähte in die Runde, und wie möchten wir ihre Empfindung beschreiben, als sie wenige Schritte entfernt, im Buschgeschlinge das über ihren Kämpfen fast vergessene Opfer ihrer nichtigen Luftschlösser, das bitterste Hohnbild derselben, am Boden liegen sah. Er schlief; wilde Traumbilder schienen ihn zu bedrängen, denn seine Lippen bebten und die Hand war krampfhaft in die entblößte Brust gekrallt. Das volle, wirre Haar, das bleiche, abgezehrte Gesicht, edler, schöner in seiner Verkümmerung, so dünkte ihr, als einst in seiner Kraft, die weichen Hände, ohne Arbeitsmakel, welcher Vorwurf – und welcher Reiz für die Beschauerin!

Was in ihr vorging in den wenigen Minuten, die sie athemlos aus ihn niederstarrte, sie, heimathsloser denn je, auf ihren einzigen, verschmähten und dennoch treuen Freund, zu klarer Bewußtheit mag es ihr nicht geworden sein. Der heimliche Kampf ihrer Jugend, Verlangen und Abscheu, alle Widersprüche ihrer Existenz waren nach dem flüchtigen Glanze einer fata morgana in dieses Menschenbild zusammengefaßt.

Sie schlich an ihn heran und beugte sich über ihn. »Führe mich fort von hier. Vergieb. Ich liebe Dich doch!« Einen Augenblick hörte sie dieses Flüstern ihrer zweiten Natur, und es war noch nicht verklungen, als der Stundenschlag vom Schloßthurme zu ihr herüber drang.

Mechanisch zählte sie Hall um Hall Neun! Die Stunde, in der sie allmorgendlich mit den Schloßbewohnern zusammengetroffen war, die Stunde des Paktes, der heute zum Abschluß kommen sollte. Wie den Ritter in dem Zauberberg, so magnetisch zog es bei diesem Klange das Fräulein in das Herrenschloß zurück. Mit dem letzten Glockenschlage hatte sie den Fuß auf den Steg gesetzt, um in raschem Laufe der letzten Lockung in die Vergangenheit zu entfliehen und drüben in der blumengeschmückten Grotte – die Erfüllung zu finden.

Sehen wir sie auf diese Weise nach flüchtiger Umnebelung zu ihrer Wirklichkeit zurückgekehrt, schwankte sie nicht, der Anstandspflicht des Abschieds auf Kosten der Erinnerung zu genügen, erntete sie den kaum noch erhofften Preis und fühlte sich nun klarer, fester, unerschütterlicher denn je, so hat dahingegen der Traumbefangene, dem sie entwich, die Eindrücke dieses Morgens später niemals zu einem deutlichen Bewußtsein zu ordnen vermocht.

Tagelang war er in der Gegend geirrt, die Geliebte suchend und doch scheu vermeidend; hatte in Bauernhütten spärliche Nahrung genommen und die Nächte wieder, wie vor der Zeit seiner gröblichsten Verirrung auf den schilfumwachsenen Stufen des Belvedere lauschend durchwacht. Auch diese Nacht hatte er unverwandt von dort hinüber nach dem Thurmgemach gespäht und das Licht in demselben erst bei Morgen verlöschen sehen. Die lauten Stimmen von außen, eine noch lautere der Ahnung sprachen von der Entscheidung des anbrechenden Tages; sie trieben den Bethörten zu dem Entschlusse eines letzten offenen Kampfes um sein Glück.

So raffte er sich auf und betrat den jenseitigen Park zum ersten Male seitdem die Schöne ihn grausam von sich gewiesen hatte. Die Sonne stieg auf, zu seinen Füßen lag die Grotte, in welcher sein Jugendstern untergegangen war. Er wollte hinüber, Auge in Auge dem ihren. Hier aber erlöschen seine Erinnerungen; die Kraft scheint dem Erschöpften an dieser Stelle entwichen zu sein. Er sah und hörte nichts mehr, fühlte nur verworren kommende und weichende Alpgestalten seine Brust bedrängen.

Plötzlich aber löst sich der Nebeldruck. An sein Ohr schlägt Glockenläuten und Orgelklang; die Braut steht an seiner Seite, ihr Kleid streift seinen Leib, der Athem ihres Ja fächelt seine Stirn, er streckt die Arme aus, die Langersehnte an sich zu reißen – der Träumer erwacht, Glockenläuten und Orgelklang sind verstummt – die Braut ist verschwunden.

Er springt in die Höhe und späht umher. Sein Blick fällt hinüber in die Grotte, – ein einziger Blick: das Bild aus dem Märchenbuche, die Schöne umfangen von – –

Aber es war ja nur ein Traum, ein Märchenbild, ein Alpdruck wie die früheren, denn als er in Wirklichkeit erwachte, leg er jenseit im Röhrichtwinkel und die Sonne warf lange Abendschatten.

*


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