Ludwig Frahm
Minschen bi Hamborg rüm
Ludwig Frahm

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De Schriftsteller.

In min jungen Jahren harr ik en goden Nahwer, en richtig praktischen Minschen in't gewöhnliche Leben, de säd ümmer, wenn wi Kinner Geschichten lesen oder Gedichte buten Kopp lehrten, he lees keen Geschichten un Gedichte; denn wat de Schriftstellers un Dichters schreewen, dat weer all' nich wahr.

Ik awer segg, Schriftstellers un Dichters möt ok sien. Se sett mennig Sak erst de Kron up un leggt mennigen Minschen erst Smolt üm den Kragen.

Besonners in en grote Stadt un ok in de groten Örter üm de Stadt, de mennigmal noch gröter sien wüllt, as se all sünd, denn se hebbt nich blot en Gesangverein, en Turnverein, nee, ok en Theaterklub, en Bildungs-, Geselligkeits-, Ünnerholungs- un Literarischen Verein.

Un för disse Vereins is so'n Mann, as ik nu kort beschriewen will, garnich to entbehren.

Eenes schönen Dags fünn' ik up min' Schrievdisch en Breef, ik müch all', wat ik von uns' Gegend wüß, opschriewen, all' de Ansichtspostkorten upköpen un em toschicken, he schull en Upsatz öwer de Alstergegend schrieven un müß de nödigen Ünnerlagen darto hebben.

Ik harr damals all den Grundsatz, dat min kostbarstes God de Tied is, un den tweeten, dat man dat, wat man weggev, los weer.

As ik awer bald darup eenes schönen Dags dörch den Ort keem, wo de Mann wahn, dach ik: Nu geihst ut Spaß mal bi em vör un föhlst em mal up de »Tähn«.

Klingelingeling.

En Mäten erschien un vertell mi, dat de Herr sik wegen veele Arbeit garnich stören laten kunn. Wer ik denn weer un wat ik wull.

So rück ik denn mit min Kort rut un harr dat Glück, dat mi de Dör to en lütten Saal apen makt würr.

Vör't Finster an en groten Schrievdisch dreih sik en grote Herr up en Sessel üm, dat dat fürchterlich knarr, stünn' up, keem up mi to un gev mi de Hand.

250 Pund, nee, dat sleiht nich an, dach ik bi mi, 270 möt dat wenigstens sien. De Rump steek in en griese Jopp. De seeg ut as en Zebrafell, blot mit den Ünnerscheed, dat hier de swarten Streifen nich öwern Puckel leepen sünnern öwer Bost un Buk. Jedesmal wenn he utschreven harr, streek he de Fedder quer öwer dat Tüg aff. Up den dicken Hals seet en Riesenkopp mit bald luernde, bald herrschsüchtige Ogen, un up den Kopp wüß en Gewirr von Haarsträng', de Absalom sin wied in'n Schatten stelln.

Alles weer grot bi em, de Fedderhalter, de Zigarr, de Aschbeker, dat Dintenfatt, am grötsten weer sin Bibliothek. En paar Dusend Bänn stünn' rund in den Saal rüm.

Na, he füng' denn nu an, mi Honnig üm den Bort to smeeren. He harr all' min Böker un Schriften un wüß, dat in de Lanns- un Volkskunn' keen Minsch beter Bescheed wüß as ik, un so kunn ik em woll licht den lütten Gefallen dohn un em de wichtigsten Notizen öwer de Alstergegend maken. Min Schaden schull dat ok nich sien, un he schöv mi en Twintigmarkstück hen.

Ik schöv dat awer wedder torügg un säd: »Aber, Herr Schipper, Sie müßten doch unsre Gegend selber in Augenschein nehmen?«

»O nein, mein Lieber, das kann ich nicht. Ich habe den Artikel für die Zeitschrift Soundso übernommen und muß ihn nun in vier Wochen liefern. Außerdem arbeite ich einen über Seidenraupenzucht, einen über die Bernsteinfischerei, einen über die prähistorischen Funde am Danewerk; ferner habe ich drei Berichte über Kriegervereine, sechs über die Feuerwehren, fünf über Milchwirtschaft unsers Kreises zu liefern; zum Frühjahr muß ich drei neue Führer fertig haben und die neuen Auflagen der elf erschienenen ergänzen. Von meinen Lieblingsstudien in der Heimatgeschichte (augenblicklich beschäftige ich mich mit den goldenen Hörnern Tonderns) und dem heutigen Stand der plattdeutschen Dichtung will ich ganz schweigen.«

Ik dach un säd blot noch: Oha!

Nu wüß ich ja ok, dat he so'n groten Kopp notwennig bruken muß.

»Schlagen Sie ein!« reep he un wies nah de Lorbeerkränß, Eekenkränß, vergoldte un versülwerten Pokale, Schiller, Diplome, Schärpen, Albums, de baben de Bökerschränk hüngen un stünn', »dann werden Sie es mit der Zeit auch vielleicht so weit bringen wie ich.«

Ik slög awer nich in. Da würr sin Sprak hart un kold, un ik schöv mi wedder ut de Dör rut.

In den Sommer darup keem ik mit en Fründ nah en Fahnenweih bi en nien Kriegerverein. Herr Schipper höl de Festred un beherrsch mit sin gewaltige Stimm' den groten Platz. Een grotes Wort jag' dat annere, Recht und Freiheit, Machtfülle des Deutschen Reichs, der deutsche Gedanke in der Welt, Ahnentugend, Völkerfrühling, zu bleibendem Gedächtnis, Ansporn für kommende Geschlechter, dat sünd so de Slagers, de mi noch in de Isenbahn in'n Kopp rümwirbeln.

Dat Kriegerfest, hett mi nahher en Ogentüg vertellt, harr den Herrn Schipper mehr as dusend Mark inbröcht. Denn de Herrn Hofbesitters von wied un siet harrn sik man so üm em reeten. So'n Stücker söß Festreden, ebenso veel gedichtete Prologe to sülwern Hochtieden, Gedenkfeste un Inweihungen harr he ut luter Gefälligkeit öwernahmen. Mit de Festzeitung to en landwirtschaftliche Utstellung un den Geschäftsbericht öwer de Füerwehr in en ganzen Kreis weer he beupdragt worrn. Veele Börgers ut de Örter harrn em inladen, ehrn Bedriev, ehr Fabrik in Ogenschien to nehmen un denn en lütten Satz daröwer in de Zeitungen lostolaten.

Endlich keem sin föftigste Geburtsdag. Darto wulln sik sin Frünn' un Gönners doch nich nehmen laten, em gründlich to ehren un to beschenken. Wat Landwirtschaft, Vehtucht, Jagd un Fischerie bütt, dat würr em dörch Wagen un Drägers in't Hus bröcht: Botter un Brot, Eier un Schinken, Gös un Aanten, Hasen un Fasanen, Karpen un Forellen würrn em in't Hus sleept. Industrie un Hannel stiften em Tabak un Zigarren, Wien un Rum, grote Papierballen, en Schrievmaschien, Reistaschen, Taschendöker un Taschenmesser, Flinten un Angeln. De Saal mit twee lange Dischreegen verwannel sik in en Warenlager.

Den Trumf bi dit Fest wull awer de Theaterverein »Spijök« utspeeln. Disse Verein harr sin Lebensupgav darin, de olen Hanswuststücke wedder upleben to laten. De Stücken weern all' von den Herrn Schipper schreeven un würrn bi Vullmaand in den Krog »Tom Störtebeker« upföhrt. Genog, se keemen toletz to den Entsluß, se wulln ehrn Direkter en grotes Ölbild schenken, wo he as grötste dütsche Dichter tom Utdruck keem. In de Mitt an en vullbesetten Disch mit Wien un anner Gedrünk schull Herr Schipper as Öwerminsch sitten, Goethe un Schiller as en Kopp lütter em to rechter un linker Hand. Schipper hett ut luter Wehldag un Undög sin Arms üm de beiden Dichters ehrn Hals leggt un trummelt mit sin dicken Wustfingern den Takt to dat Leed »Freude, schöner Götterfunken« up ehr Schullern. De annern Dischgenossen sünd de Hauptstütten von den »Spijök«. Lang' kunn' se keen Maler finn', de sin' Pinsel to den Pijatzenkram hergeben wull. Toletz dröpen se doch en affbraken Talent, dat sik de veerhunnert Mark, de dar för utsett weern, verdeen' wull. Dat Bild würr farrig, mit en dicken Goldrahm versehn un bi dat Fest ganz toletz, as de Haupttoost all fulln weer un de Wien rode Backen strakel, in den Saal dragen. Da hett Herr Schipper sin Stimm' bewert un he hett de Stifters so warm de Hänn' drückt, dat ehr Fingern knacken.

Leider hett dat Bild de Wand nich lang' innahmen. De Kramp is in en störmige Novembernacht utreeten un dat Bild is dalslagen up en Disch, wo en grote Glasschal stünn'. De Splitters hebbt de Gesichter von Schiller, Goethe un ok von Herrn Schipper tweireeten, dat se nich mehr to kenn' weern. Herr Schipper hett dat ok nich heel lang' mehr makt, erst kreeg he de Gicht un nahher den Slag.

Up sin' Graffsteen stünn': Kurz un ruhmreich war sein Leben. Böse Hänn' hebbt in dissen Satz dat eenzige h wegkratzt.

 

 


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