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Dreizehntes Kapitel.

Die dritte Reihe der Vorlesungen.
1864–1867.

Der plötzliche Tod Thackeray's am Weihnachtsabend des Jahres 1863 war eine schmerzliche Erschütterung für Dickens. Es würde mir nicht ziemen, von seinen Beziehungen zu einem so großen Schriftsteller und einem so alten Freunde zu reden, da er von diesen selbst gesprochen hat.

»Ich sah ihn,« schrieb er in dem Februarheft des Cornhill Magazins von 1864, »zuerst vor fast achtundzwanzig Jahren, als er mir anbot, der Illustrator meines frühesten Buches zu werden. Ich sah ihn zuletzt Seit dem Herbste 1858 hatte eine Entfremdung zwischen ihnen bestanden, die jetzt kaum noch in einer Anmerkung Erwähnung verdient. Thackeray, mit Recht beleidigt durch eine gedruckte Schilderung seiner selbst von dem Mitgliede eines Clubs, dem sowohl er als Dickens angehörten, legte dieselbe dem Comité vor, welches beschloß, den Verfasser auszustoßen. Dickens, der die Ausstoßung als eine zu harte Strafe für eine gedankenlos zugefügte Beleidigung betrachtete, eine Beleidigung, welche, so fern dies möglich, durch Zurückziehung des betreffenden Artikels und Ausdrücke des Bedauerns gesühnt worden war, bemühte sich, dies Aeußerste abzuwenden. Thackeray nahm diese Einmischung übel auf und Dickens fühlte sich mit Recht gekränkt durch die Art, wie er dies that. Keiner von Beiden hatte ganz recht und Keiner hatte auch ganz unrecht. kurz vor Weihnachten, im Athenäum-Club, wo er mir sagte, er habe drei Tage zu Bette gelegen . . . und habe vor, ein neues Heilmittel zu versuchen, das er lachend beschrieb. Er war heiter und sah sehr aufgeweckt aus. In der Nacht desselben Tages der folgenden Woche starb er. Der lange, zwischen diesen beiden Perioden liegende Zeitraum ist in meiner Erinnerung an ihn durch viele Veranlassungen bezeichnet, wo er äußerst humoristisch war, wo er unwiderstehlich ausgelassen war, wo er in milder und ernster Stimmung war, und wo er auf reizende Weise mit Kindern verkehrte . . . Niemand kann fester als ich überzeugt sein von der Größe und Güte seines Herzens . . . An keinem Orte würde ich es zu dieser Zeit unternehmen, über seine Bücher zu reden, über seine tiefe Charakterkenntniß, über seine durchdringende Bekanntschaft mit den Schwächen der menschlichen Natur, über seine entzückende Lebhaftigkeit als Essayist, über seine malerischen und rührenden Balladen, über seine meisterhafte Behandlung der englischen Sprache . . . Aber vor mir liegt Alles, was er von seinem letzten Roman geschrieben hatte . . . und das Gefühl des Schmerzes, womit ich es gelesen habe, ist nicht tiefer gewesen als die Ueberzeugung, daß er in der gesundesten Blüthe seiner Geisteskräfte stand, als er an dieser letzten Arbeit thätig war . . . Die letzten in den Druckbogen von ihm corrigirten Worte waren: ›Und mein Herz schlug von dem höchsten Glücke‹. Gebe Gott, daß an jenem Weihnachtsabend, als er sein Haupt auf sein Kissen legte – und, wie er zu thun pflegte, wenn er sehr müde war, die Arme zurückschlug, das Bewußtsein erfüllter Pflicht und durch sein ganzes Leben demüthig gehegter christlicher Hoffnung sein eignes Herz so schlagen ließ, als er zur Ruhe seines Erlösers einging. Man fand ihn, wie oben beschrieben, friedlich daliegen, gefaßt, ungestört und allem Anschein nach schlafend.«

Noch andre Schmerzen trafen Dickens um diese Zeit und unmittelbar nach ihnen stellten nur zu sichre Beweise sich ein, daß seine eigne Gesundheit der Ueberanstrengung, welche die Begebenheiten und Aufregungen der letztverflossenen Jahre ihr auferlegt hatten, erlag. Seine Mutter, deren leidender Zustand seit mehr als zwei Jahren dem Ende zugestrebt hatte, starb im September 1863 und an seinem eignen Geburtstage im folgenden Februar empfing er die Nachricht von dem Tode seines zweiten Sohnes Walter, der am letzten Tage des alten Jahres in dem Offiziershospital in Calcutta gestorben war, wohin man ihn von seiner Garnison, auf dem Wege in die Heimath, erkrankt gebracht hatte. Er war Lieutenant in dem 26. einheimischen Infanterieregiment und hatte bei dem 42. Regiment Bergschotten Dienste gethan. Im Jahre 1853 hatte sein Vater folgendermaßen an den Taufvater des jungen Mannes, Walter Savage Landor, geschrieben: »Walter ist ein sehr guter Junge und kommt aus der Schule nach Hause mit einer ›ehrenvollen Erwähnung‹ und einem Preise obendrein. Er bringt sich nie in Verlegenheiten, denn er ist ein allgemeiner Liebling und einer der liebenswürdigsten Jungen in der Jungenwelt. An Geburtstagen glänzt er mit seiner Brustnadel.« Die Brustnadel war ein Geschenk Landor's, dem Dickens drei Jahre später, als der Knabe durch die Freundlichkeit von Miß Coutts seine Cadettenstelle bekommen hatte, wieder schrieb. »Walter hat sich auf der Schule außerordentlich gut gemacht, ist im Triumph mit einem Preise nach Haus gekommen und wird bald nach Ostern sein Examen für Indien machen können. Da er eine directe Anstellung hat, wird er wahrscheinlich bald nachdem er das Examen bestanden hat, hingeschickt werden, und wird so in jenes seltsame Leben oben im Lande hineingerathen, ehe er noch recht weiß, daß er lebt, oder was das Leben ist – was allerdings ein ziemlich vorgerücktes Stadium des Wissens scheint.« Hätte er noch einen Monat länger gelebt, so würde er sein dreiundzwanzigstes Jahr erreicht haben und vielleicht auch dann nicht das vorgerückte Stadium der Erkenntniß, von welchem sein Vater spricht. Aber er büßte seinen Anspruch auf jene freundlichen väterlichen Worte nie ein und besaß bis zuletzt die Güte und die Einfachheit des Knabenalters.

Dickens hatte um diese Zeit seinen letzten Roman in zwanzig Heften angefangen und mein nächstes Kapitel wird zeigen, durch welche ungewohnte Drangsale er sich in diesem und dem folgenden Jahre durchzukämpfen hatte. Was ihn sonst während des Fortgangs des Buches hauptsächlich interessirte, war das Unternehmen Fechter's im Lyceumtheater, dessen Director dieser geworden war, und Dickens wurde zur Theilnahme an demselben angeregt ebenso sehr aus edler Sympathie mit den Schwierigkeiten einer solchen Stellung für einen Künstler, der kein Engländer war, als aus wirklicher Bewunderung für Fechter's Spiel. Er wurde sein Helfer in Streitigkeiten, sein Rath in Bezug auf literarische Punkte, sein Schiedsrichter in Verwaltungsangelegenheiten, und während einiger Jahre war in Gadshill und in dem Bureau von Dickens' Wochenschrift kein Gesicht bekannter als das des französischen Schauspielers. Aber Theater und deren Angelegenheiten haben ihre Zeit und selbst Dickens' Laune und Humor werden uns kein erneutes Interesse dafür abgewinnen. Kein übles Beispiel der Verlegenheiten, in welche ein französischer Schauspieler mit englischen Theaterschreibern gerathen kann, wird jedoch in einigen amüsanten Worten aus einem seiner Briefe gefunden werden, über ein in dem Princeß-Theater gespieltes Stück, ehe Fechter die Direction des Lyceumtheaters übernommen hatte.

»Ich habe Fechter wegen eines Stückes gewarnt, dessen Anlage und Scenen er B. mitgetheilt hatte und aus dem ich einige Enormitäten ausgemerzt habe. Ein kurzer Bericht über dieselben wird Dich, glaube ich, amüsiren. Es hat einen der besten ersten Akte, die ich je gesehen; wenn er aber mit den letzten zweien, um nicht zu sagen dreien, viel machen kann, so gibt es Hülfsquellen in seiner Kunst, von denen ich nichts weiß. Als ich heute vor acht Tagen das Stück durchlas, war er in der letzten Scene mindestens zwanzig Minuten in einem Boot und discutirte mit einem Herrn (der ebenfalls in dem Boote war) die Frage, ob er ihn tödten solle oder nicht, worauf der Herr über Bord sprang und durch Schwimmen sein Leben rettete. Dann trat in den wichtigsten und gefährlichsten Theilen des Stückes ein junger Mensch Namens Pickles auf, der fortwährend bei Namen genannt wurde in Verbindung mit den Mächten des Lichtes und der Dunkelheit, wie: ›Großer Gott! Pickles?‹ – ›Alle Wetter, 's ist Pickles!‹ – ›Pickles? Tausend Teufel!‹ – ›Zum Henker – Pickles?‹«

Das alte Jahr endete und das neue begann traurig genug. Der Tod von Leech im November 1864 schmerzte Dickens tief Drei Monate früher schrieb er mir über den Tod eines Mannes, den er seit seiner Knabenzeit gekannt (vgl. Bd. I. S. 27) und mit dem er mehrere Jahre ohne Erfolg gegen die Verwaltung des Literary Fund gekämpft hatte. »Der arme Dilke! Ich bedaure sehr, daß der treffliche tapfere alte Mann todt ist!« Und ein Bedauern mag auch hier ausgedrückt werden, daß kein genügender Bericht über eine Laufbahn vorhanden ist, welche durch Consequenz des Strebens, durch gewissenhaftes Festhalten an der gewonnenen Ueberzeugung und durch die Verfolgung öffentlicher Zwecke, ohne Rücksicht auf persönliche Vortheile, als hohes Vorbild gelten durfte. So abgeneigt war Charles Wentworth Dilke jedem Zur-Schau-Tragen seiner Verdienste, daß sein Name keiner der literarischen Untersuchungen vorgesetzt ist, die er mit einem Scharfsinn leitete, welcher ebenso erstaunlich war als sein Fleiß, und es war in Folge seiner ausdrücklichen Verordnung, daß die literarische Zeitschrift, welche seine Energie und Selbstverleugnung gegründet hatte, bei seinem Tode Schweigen über ihn beobachtete. und ein ernster Krankheitsanfall im Februar 1865 zog eine breite Grenze zwischen seinem vergangenen Leben und dem, welches ihn noch von dem zukünftigen blieb. Von jetzt an begann jene Lahmheit in seinem linken Fuße, die ihn nie wieder ganz verließ, ihm große Leiden verursachte und den erfahrensten Aerzten Trotz bot. Er hatte bei heftigen Schneestürmen seine Spaziergänge beharrlich fortgesetzt und bildete sich bis zuletzt ein, seine Krankheit sei lediglich lokal. Aber daß dies ein Irrthum war, ist jetzt gewiß und es ist mehr als wahrscheinlich, daß, wäre die nervöse Gefahr und Störung, welche das Uebel mit sich brachte, damals richtig gewürdigt worden, die Warnung für Dickens von unschätzbarem Werthe hätte sein können. Unglücklicherweise dachte er nie daran, mit seiner Kraft hauszuhalten, ausgenommen zu dem Zwecke, frische Forderungen an sie zu stellen, und zu diesem Zwecke machte er sich auch im Sommer 1865 kurze Ferien in Frankreich. »Ehe ich fortging,« schrieb er seiner Tochter, »hatte ich mir ohne Zweifel durch Ueberarbeitung geschadet . . . Aber so wie ich hinauskam, wurde ich, Gott sei Dank, besser. Ich hoffe, aus dieser Erfahrung Nutzen zu ziehen und künftige Ausflüge von meinem Schreibpulte zu machen, ehe ich sie nöthig habe.« Auf seiner Rückreise war er bei dem schrecklichen Eisenbahnunfall bei Staplehurst, an einem Tage, der sich später als verhängnißvoller für ihn erwies, Dem 9. Juni, Dickens' Todestag. – D. Uebers. und mit erschütterten Nerven aber mit ungebändigter Energie nahm er die Arbeit wieder auf, von welcher sogleich die Rede sein wird. Sein Fuß belästigte ihn mehr oder weniger den ganzen Herbst hindurch; Hier sind Anspielungen darauf aus jener Zeit. »Ich habe heute einen Stiefel an, der nach dem Maaße von Otranto gemacht ist, aber in der That nicht sehr unterscheidbar von seinem gewöhnlich großen Gefährten.« Nach einigen Ferientagen: »Ich fing an zu fühlen, daß mein Fuß stärker wurde, sowie ich die Seeluft athmete. Dennoch habe ich während der zehn Tage, die ich fortgewesen bin, nie nach vier oder fünf Uhr Nachmittags einen Stiefel tragen können, sondern habe alle Abende mit dem Fuß in wagerechter Lage und ohne Schuh und Strumpf zugebracht. Ich bin braun gebrannt und bin fortwährend am Meere spazieren gegangen, aber ich bin überzeugt, daß, wenn ich heute Abend einen Stiefel trüge, ich wieder, ehe die Nacht vorüber ist, von jenen Qualen ergriffen werden würde.« Dieser letzte Brief endete so: »Zur Erholung von meinen jüngsten trüben Briefen schicke ich Dir die neueste amerikanische Geschichte. Ein hinterwäldlerischer Doktor wird zu dem kleinen Jungen einer Ansiedlerin gerufen. Er starrt das Kind eine Zeitlang durch ein paar Brillen an. Endlich nimmt er sie ab und sagt zu der Mutter. ›Ja, Madame, das sind die Blattern. Es sind die Blattern, Madame. Aber ich bin nicht in den Blattern bewandert und weiß nicht, ob ich ihn glatt durchbringen könnte. Aber ich will Ihnen sagen, was ich thun kann, Madame – ich kann ihm einen Trank schicken, der ihm ganz sicher einen verteufelten Krampfanfall geben wird, und ich verstehe mich allmächtig gut auf Krämpfe und vielleicht könnten wir den kleinen Schrecken so wieder in Ordnung bringen.‹« er wurde ergriffen von nervösen Befürchtungen, welche der Unfall bei ihm hervorrief und welche nicht vermindert wurden durch seine edle Sorge, die Andern dadurch zugefügten schwereren Leiden zu mildern; und daß er sich nach dem Abschluß seines Buches nichtsdestoweniger entschloß, eine Reihe von Vorlesungen zu unternehmen, die größere Anstrengungen und Strapazen mit sich brachten als die vorhergehenden, war eine überraschende Thatsache. Vielleicht war er, ohne es sich selbst einzugestehen, sich bewußt geworden, daß die Zeit, welche ihm für solche Anstrengungen übrig blieb, kurz sei; aber was ihn auch dazu trieb, seine sich selbst auferlegte Aufgabe während der letzten drei Jahre war, in der kürzesten Zeit so viel Geld zu machen als möglich, ohne jede Rücksicht auf die dadurch bedingte physische Arbeit. Schon der Brief, worin er sein neues Engagement meldete, zeigte, wie völlig untauglich er war, dasselbe zu unternehmen.

»Seit einiger Zeit,« schrieb er zu Ende Februar 1866, »bin ich sehr unwohl gewesen. F. B. schrieb mir, daß bei einem Pulse, wie ich ihn schilderte, eine Untersuchung des Herzens absolut nothwendig sei. ›Mangel an Muskelkraft im Herzen‹, sagte B. ›Nichts als auffallende Reizbarkeit des Herzens‹, sagte Dr. Brinton von Brookstreet, der zur Consultation beigezogen war. Ich wurde dadurch nicht aus der Fassung gebracht. Denn ich wußte im voraus gut genug, daß die Wirkung unmöglich sein könne, was sie war, ohne die eine zu Grunde liegende Ursache: eine Entartung der Funktion des Herzens. Ich bin natürlich nicht so thöricht zu glauben, daß alle meine Arbeit hat gethan werden können ohne jede Einbuße und ich habe seit einiger Zeit eine entschiedene Veränderung in meinem heitern hoffnungsvollen Sinne, oder in andern Worten in meinem ›Tone‹ bemerkt. Aber tonische Arzneien haben mich schon gestärkt. So habe ich denn ein Anerbieten der Chappels von Bondstreet angenommen, dreißig Abende, für 50 Pfd. St. den Abend, ›in England, Irland, Schottland, oder Paris‹ zu lesen; während sie alles Geschäftliche besorgen, die persönlichen Ausgaben, Reisekosten und andre, für mich selbst, für John« (seinen Bureaudiener) »und für meinen Gasmann bezahlen und aus der Sache machen was sie können. Ich fange, glaube ich, am Donnerstag in der Osterwoche, in Liverpool an und komme dann nach London. Am 23. und 24. dieses Monats werde ich (auf eigne Rechnung) in Cheltenham lesen, wo ich natürlich bei Macready wohne.«

Die Anordnung dieser Reihe von Vorlesungen unterschied sich von der ihrer Vorgänger dadurch, daß sie Dickens von jeder Mühe, außer der des Lesens befreite; aber durch rasche und wiederholte Abänderungen der Abende, welche ihn, wenn er nicht am Lesepult oder im Bette war, fast unausgesetzt im Eisenbahnwaggon hielten, wurde die physische Anstrengung ungeheuer vermehrt. An einem Abend las er in St. James' Hall in London und am nächsten in Bradford. Oder er las in Edinburgh, ging von dort nach Glasgow und Aberdeen, kam dann zurück nach Glasgow, las wieder in Edinburgh, machte von dort einen Abstecher nach Manchester, kam nochmals zurück nach St. James' Hall und trat dann dieselbe Rundreise von neuem an. Es war eine Arbeit, die mit der Zeit den stärksten Mann gebrochen haben müßte, und was Dickens war, als er sie unternahm, haben wir gesehen.

Er selbst gab keinen Schatten von Besorgniß zu. »Was die Vorlesungen betrifft,« schrieb er am 11. März, so habe ich weiter nichts zu thun als mein Buch zur Hand zu nehmen, an dem festgesetzten Orte, zur festgesetzten Zeit zu lesen und wieder hinaus zu gehen. Alles Geschäftliche wird von den Chappels besorgt. Sie nehmen John und meinen andern Diener bloß zu meiner Bequemlichkeit mit. Mit den Details habe ich ebenso wenig zu thun als Du. Sie besorgen alle Geschäfte auf ihre eigenen Kosten und ihre eigene Verantwortlichkeit. Ich glaube, sie sind geneigt, es in einem sehr guten Geiste zu thun, weil sie, während der ursprüngliche Vorschlag für dreißig Vorlesungen ›in England, Irland, Schottland oder Paris‹ war, in ihrem Contrakt geschrieben haben: ›in London, den Provinzen, oder anderswo, nach gegenseitigem Uebereinkommen‹. Hierfür bezahlen sie 1500 Pfd. St. in drei Summen: 500 Pfd. St. beim Anfang, 500 Pfd. St. nach der fünfzehnten Vorlesung, 500 Pfd. St. beim Schlusse. Sämmtliche Kosten jeder Art zahlen sie außerdem. Ich verlasse mich für die bloße Neugierde auf Doktor Marigold (ich werde in Liverpool und in St. James' Hall damit anfangen). Ich habe mir mit dem Arrangement ungeheuere Mühe gegeben und möchte Dir eine Vorstellung geben, wie ich den Gegenstand behandeln will.«

Der Erfolg ging überall selbst über die früheren Erfolge weit hinaus. Auf einen einzigen Abend in Manchester, wo achthundert Sperrsitze verkauft, zweitausend fünfhundert und fünfundsechzig Personen eingelassen wurden und die Einnahme mehr als 300 Pfd. St. betrug, folgten alle größeren Städte in fast denselben Verhältnissen und am 20. April waren die Kosten für das ganze Unternehmen gedeckt, so daß alles was bis zur Mitte des Juni noch übrig blieb, reiner Profit war. »Ich kam,« schrieb er am 30. Mai, »vorigen Sonntag zurück, nachdem ich mein letztes Stück Arbeit auf dem Lande für diesmal gethan hatte. Ueberall ist der Erfolg derselbe gewesen. St. James' Hall bot gestern Abend ein wahrhaft glänzendes Schauspiel dar. Noch zwei Dienstage dort und ich werde mich in's Privatleben zurückziehen. Ich habe nur einmal nach Gadshill kommen können, seit ich es verließ, und das war vorgestern.«

Einen denkwürdigen Abend hatte er in der Zwischenzeit in meinem Hause zugebracht, wo er Mrs. Carlyle zum letzten Male sah. Ihr plötzlicher Tod folgte bald darauf und zu Ende April hatte er mir von Liverpool geschrieben: »Es war ein schrecklicher Schlag für mich und der arme liebe Carlyle hat mir seitdem immer in den Gedanken gelegen. Wie oft habe ich an den unbeendeten Roman gedacht. Niemand ist jetzt da, ihn zu beenden. Keine der schreibenden Frauen kommt ihr im entferntesten nahe.« Dies war eine Anspielung auf das, was bei ihrer letzten Zusammenkunft vorgefallen war. Es war am 2. April 1866, dem Tage, an welchem Carlyle seine Antrittsrede als Lord Rektor der Edinburgher Universität hielt und einige feurige Worte Professor Tyndall's hatten ihr grade vor dem Dîner von seinem Triumphe berichtet. Sie kam zu uns mit dem Telegramme in der Hand und der Glanz ihrer Freude darüber war den ganzen Abend über sie verbreitet. Unter Anderm gab sie Dickens den Gegenstand für einen Roman, nach Beobachtungen, die sie selbst an der Außenseite eines Hauses in ihrer Straße gemacht hatte, dessen verschiedene Vorgänge aus dem Zustande seiner Rouleaux und Vorhänge, aus den an seinen Fenstern sichtbaren Kostümen, den Droschken an seiner Thüre, den zugelassenen oder abgewiesenen Besuchern, den abgelieferten oder fortgeschafften Meubeln geschlossen waren, und der feine ernste Humor des Ganzen, die Wahrheit der kleinen Charakterstücke und der allmälige Fortschritt eines halbromantischen Interesses hatten den erfahrenen Novellisten bezaubert. Sie war bis ziemlich weit in den zweiten Theil ihres kleinen Romans vorgerückt, grade so weit als ihre Beobachtungen sie bis dahin geführt hatten, ehe sie fortging; aber in wenigen Tagen wurden aufregende Vorgänge erwartet, die Lösung konnte nicht mehr fern sein und Dickens sollte sie haben, wenn sie sich wieder träfen. Doch zu etwas ganz Anderem als zu dieser unterhaltenden kleinen Phantasie hatten seine Gedanken ihn geführt, als er schrieb, daß Niemand fähig sei, zu beenden, was sie hätte anfangen können. Dies war noch wahrer in Bezug auf größere Dinge. Niemand konnte daran zweifeln, der unter den bezaubernden Einfluß dieser schönen und edeln Natur gekommen war. Bei einigen der höchsten Gaben des Geistes und dem Reiz einer höchst vielseitigen Kenntniß von Büchern und Dingen hatte sie etwas, was weit, weit darüber hinaus lag. Niemand der Mrs. Carlyle kannte, konnte ihren Verlust ersetzen, als sie dahingeschieden war.

Derselbe Brief, worin Dickens von seinem ununterbrochenen Erfolge bis an's Ende erzählte, benachrichtigte mich auch, daß eine schwere Erkältung auf ihm liege, und daß er »sehr müde und niedergeschlagen« sei. Schon einige Wochen bevor die erste Gruppe der Vorlesungen schloß, hatten die Herren Chappel ihn mit dem Vorschlage zu fünfzig neuen Vorlesungen in Versuchung geführt, die zu Weihnachten anfangen sollten und für die er, wie er damals sagte, 70 Pfd. St. den Abend von ihnen verlangen wollte. »Es würde unvernünftig sein, jetzt auf Grund der jüngsten Erfolge Forderungen an sie zu machen, aber für die Zukunft muß ich auf mich selbst Rücksicht nehmen. Die Chappels sind Spekulanten, obgleich von der würdigsten und ehrenhaftesten Art. Sie machen einige schlechte Spekulationen und sie haben in diesem Falle eine sehr gute gemacht und werden diese gegen jene in Anschlag bringen. Ich sagte ihnen, als wir uns verständigten: ›Ich biete Euch diese dreißig Vorlesungen für 50 Pfd. St. den Abend an, weil ich sehr gut weiß, im voraus weiß, daß Niemand in Euerm Geschäft ihren wirklichen Werth kennt und ich will ihn beweisen.‹ Die Einnahme beläuft sich auf 4720 Pfd. St.« Das Resultat der neuen Unterhandlungen kam erst zu Anfang August zu Stande, mag aber sofort hier erwähnt werden. »Chappel nimmt unverzüglich meinen Vorschlag zu vierzig Vorlesungen, für 60 Pfd. St. die Vorlesung, an und will alle erdenklichen und unerdenklichen Kosten tragen. Um eine grade Summe zu haben, habe ich zweiundvierzig Vorlesungen für 2500 Pfd. St. daraus gemacht. Ich werde also jetzt versuchen eine Weihnachtserzählung« (er meint den Gegenstand für eine solche) »zu entdecken und so Gott will zu Anfang des Frühlings mit der ganzen Reihe Vorlesungen fertig sein, und dann einen neuen Roman für die neue Serie von All the Year Round anfangen. Die Vorlesungen beginnen wahrscheinlich mit dem neuen Jahre.« Das waren schöne Pläne, aber die schönsten sind das Spiel der Umstände, und obgleich der Gegenstand für Weihnachten gefunden wurde, empfing die neue Serie von All the Year Round nie einen neuen Roman von ihrem Gründer. Was auch die Folgen für ihn selbst waren, die hohe Flut der Vorlesungen sollte bis zu ihrer vollen Höhe fortströmen. Der amerikanische Krieg hatte aufgehört und die ersten erneuerten Anerbietungen aus den Vereinigten Staaten waren gemacht und zurückgewiesen worden. Außerdem schwebten über allem Andern ernstere Verfügungen. »Ich glaube,« schrieb er im September, »es liegt ein seltsamer Einfluß in der Luft. Zweimal vorige Woche hatte ich höchst peinliche Zufälle – anscheinend im Herzen; aber ich bin überzeugt, es liegt nur im Nervensystem.«

Mitten in seinen Triumphen hatte es an solchen Hemmnissen nicht gefehlt. »Die Polizei machte einen officiellen Bericht,« schrieb er seiner Tochter am 14. April aus Liverpool, »daß gestern Abend dreitausend Personen an der Halle abgewiesen wurden . . . Abgesehen davon, daß ich nicht schlafen kann, glaube ich wirklich, daß ich in viel besserem Stande bin als ich vorher gemeint hatte. Ein Dutzend Austern und etwas Champagner zwischen den Abtheilungen jeden Abend scheinen das beste Restorativ zu bilden, das ich noch versucht habe.« – »Gestern Abend in Manchester fand eine so gewaltige Demonstration statt,« schrieb er zwölf Tage später an dieselbe Correspondentin, »daß ich (gegen meinen Grundsatz in solchen Fällen) gezwungen wurde, mich noch einmal zu zeigen. Ich bin heute sehr müde; denn die Arbeit in diesem ungeheuern Raume würde schon an sich sehr schwer sein, ohne daß noch sechzehn Meilen Eisenbahn und späte Stunden hinzukommen.« – »Es ist sehr harte Arbeit gewesen,« schrieb er seiner Schwägerin am 11. Mai aus Clifton, »jeden Morgen nach einer schweren Nacht um halb sieben aufzustehen, und ich fühle mich heute garnicht wohl. Wir hatten gestern Abend in Birmingham eine ungeheuere Halle, einige 230 Pfd. St. Einnahme, 2100 Personen; und ich machte ein höchst lächerliches Versehen. Hatte Nickleby auf meiner Liste als Schlußstück, statt des Prozesses. Las Nickleby mit großem Erfolge und die Leute blieben. Ging wieder zurück um zehn Uhr und erklärte den Zufall, sagte aber, wenn sie wünschten, wollte ich ihnen auch den Prozeß lesen und sie wünschten es und ich hatte noch eine halbe Stunde davon, in jenem gewaltigen Lokale . . . Ich habe einen so heftigen Schmerz in der Pupille meines linken Auges, daß es mir schwer wird, nach zwanzig Meilen Schütteln auf der Eisenbahn seit dem Frühstück, noch irgend etwas zu thun. Meine Erkältung ist nicht besser und auch meine Hand nicht.« Man wird bemerken, daß es sein linkes Auge war, wie es sein linker Fuß und seine linke Hand waren. Die Reizbarkeit und Schwäche des Herzens waren natürlich auch auf der linken Seite, und auf derselben linken Seite fühlte er auch die Wirkung des Eisenbahnunfalls am meisten.

Alles geschah, die Anstrengung des Reisens zu erleichtern, aber nichts konnte die absolute physische Erschöpfung und die nervöse Abspannung mindern. »Wir kamen hier,« schrieb er am 16. Mai aus Aberdeen, »zwischen drei und vier Uhr Morgens wohlbehalten und gesund an. Wir hatten ein Coupé für die Diener und ein allerliebstes mit Sofas und Lehnstühlen meublirtes Zimmer für uns. Wir hatten auch eine Speisekammer und einen Waschtisch. Dieser Wagen soll uns auf unsern spätern Fahrten begleiten.« Zwei Tage später schrieb er aus Glasgow: »Wir hielten gestern in Perth an und machten einen köstlichen Spaziergang dort. Bis dahin war ich in einem nichts weniger als blühendem Zustande gewesen, halb erdrosselt durch meine Erkältung und dyspeptisch düster und verstimmt; aber da ich mich heute Morgen viel mehr wie mich selbst fühle, wollen wir auf einem Dampfboot auf dem Clyde etwas frische Lust schöpfen.« Der letzte während seiner Landreisen geschriebene Brief war aus Portsmouth vom 24. Mai und enthielt diese Worte: »Du brauchst in Beziehung auf Amerika keine Furcht zu haben.« Die Vorlesungen schlossen im Juni.

Die Vorlesungen des neuen Jahres begannen unter noch vermehrter Begeisterung, übrigens aber nicht mit glücklicherer Vorbedeutung. Folgendes war der erste Umriß seines Planes: »Ich reise am Mittwoch Nachmittag (15. Januar) nach Liverpool und gehe von dort nach Chester, Derby, Leicester und Wolverhampton. Am Dienstag, den 29., lese ich wieder in London und im Februar lese ich in Manchester und gehe von dort nach Schottland.« Aus Liverpool schrieb er am 21.: »Die Begeisterung ist grenzenlos gewesen. Am Freitag Abend setzte ich mich selbst in Staunen; aber ich fühlte mich später so matt, daß man mich in der Halle eine halbe Stunde auf einen Sofa legen mußte. Ich schreibe dies meiner peinlichen Unfähigkeit zu, des Nachts zu schlafen, und nichts Schlimmerem. Alles wird mir so leicht gemacht als irgend möglich. Dolby würde Alles thun, mir die Arbeit zu erleichtern und er thut Alles.« Das Wetter war ihm sehr entgegen. »In Chester,« schrieb er am 24. von Birmingham, »lasen wir inmitten eines Schneesturmes und eines Falles von Eis. Es war so ziemlich das schlechteste Wetter, das mir je vorgekommen . . . In Wolverhampton gestern Abend war vollständiges Thauwetter eingetreten und es regnete wüthend und ich wurde wieder stark mitgenommen. Nach der Vorlesung fuhren wir hierher (es ist nur eine Fahrt von neun Meilen) und meine Kräfte reichten nur grade so weit, daß ich die Reise aushielt. Aber ich fühlte mich nicht ohnmächtig, wie in Liverpool. Ich war nur erschöpft.« Fünf Tage später kehrte er zu seinen Vorlesungen in London zurück und erwiederte auf meine Einladung mit Macready bei mir zu diniren, wie folgt: »Ich bin sehr ermüdet, kann nicht schlafen, fühle mich durch eine schauderhafte Eisenbahnfahrt stark erschüttert, lese heute Abend und muß am Donnerstag in Leeds lesen. Aber ich habe mit Dolby verabredet, daß wir nicht am Mittwoch nach Leeds gehen wollen, in der Hoffnung, daß ich dann bei Dir diniren und unsern lieben alten Freund wieder sehen kann. Ich sage ›in der Hoffnung‹, weil, wenn ich morgen etwas abgematteter sein sollte als ich heute bin, ich gegen meinen Willen gezwungen sein würde, mich auf's Sofa zu legen und dort liegen zu bleiben.«

Am 15. Februar schrieb er seiner Schwägerin aus Liverpool, daß sie den Abend vorher eine »gewaltige Menge Menschen« hätten abweisen müssen. »Der Tag ist sehr schön gewesen und ich habe den besten Gebrauch davon gemacht, indem ich den ganzen Morgen auf dem Strande in New-Brighton umhergewandert bin. Es ist nicht Alles in Ordnung mit mir, aber ich halte das für die Folge der Erschütterung auf der Eisenbahn. Es ist eine unzweifelhafte Thatsache, daß sie (nämlich die Erschütterung der Eisenbahnfahrten ) mich nach der Erfahrung bei Staplehurst immer mehr, statt, wie man hätte erwarten sollen, immer weniger angreift.« Die letzte Bemerkung ist auffallend bei einem Menschen von seinem Scharfblick; aber sie war aus einem Stücke mit der nur zu bereitwilligen Selbsttäuschung, der er nachgab, um sich in dem angeblichen Glauben zu rechtfertigen, daß dieses fortwährende Uebermaaß der Arbeit und der Aufregung ihm im Grunde keinen Schaden zufüge. Den Tag nach jenem letzten Briefe reiste er nach Schottland weiter und am 17. schrieb er seiner Tochter aus Glasgow. Der letzte Abend in Manchester war gewaltig gewesen. »Sie applaudirten, als es vorüber war, auf eine Weise, daß ich mich rasch wieder in meine Kleider werfen (denn ich hatte schon angefangen mich für die Reise umzukleiden) und zurückgehen mußte. Nach einer so anstrengenden Woche war es etwas viel, diese lange Reise um ein Viertel auf zwei Uhr Morgens anzutreten, aber ich schlief mehr als ich je zuvor in einem Eisenbahnwaggon geschlafen habe. Ich habe, grade wie bei der vorigen Reihe der Vorlesungen, ein seltsames Gefühl von Wundheit um den ganzen Körper herum – was meiner Meinung nach durch die große Anstrengung der Stimme verursacht wird.« Zwei Tage später schrieb er seiner Schwägerin von der Bridge of Allan, wo er an jenem Morgen von Glasgow angekommen war. »Gestern litt ich so stark an einer innern Krankheit, die mich gelegentlich in langen Zwischenräumen heimsucht, und der Anfall war von so heftigem plötzlichen Blutverlust begleitet, daß ich an F. B. geschrieben habe, von dem ich ohne Zweifel morgen hören werde . . . Das Vorlesen strengte mich nachher mehr an, und dann hatte ich wieder eine schlaflose Nacht, aber sonst fühle ich mich heute ganz kräftig und gutes Muthes. Die Ruhe dieses kleinen Ortes wird mir gewiß gut thun.« Er erholte sich wieder von diesem Anfall und obgleich er sich noch über Schlaflosigkeit beklagte, schrieb er doch am 21. einen heitern Brief aus Glasgow, worin er sich allerdings als an's Zimmer gefesselt darstellte, aber nur deshalb, »weil er einem Stadtpoeten entrinnen möchte, der seinen Sohn mit meinem Namen getauft hat und deshalb im Hause herumspukt.« Nach seiner Rückkehr nach Edinburgh schrieb er mir, unter Andeutung vieler ertragener Mühsale; doch das Vergnügen seiner Zuhörerschaften und die fürsorgliche Rücksicht der Herren Chappel habe ihn dieselben überstehen lassen. »Alles wird mit der äußersten Liberalität und Rücksicht auf mich angeordnet. Alle meine Bedürfnisse auf diesen Reisen werden anticipirt und nicht der leiseste Funken von Krämergeist läßt sich je blicken. Drei Leute stehen mir beständig zur Verfügung, außer Dolby, der ein angenehmer Gesellschafter, ein vortrefflicher Geschäftsführer und ein guter Mensch ist.«

Am 4. März schrieb er aus Newcastle: »Die Vorlesungen haben an diesem Orte einen ungeheuern Eindruck gemacht und es ist merkwürdig, daß die Leute, obgleich sie persönlich von rauher Art sind, doch collectiv eine ungewöhnlich zartfühlende und sympathische Zuhörerschaft bilden, während ihr Verständniß für das Komische ganz den hohen Londoner Maaßstab erreicht. Die Luft ist hier so drückend, daß wir gestern zu einem zweistündigen Spaziergang am Meere nach Tynemouth entflohen. Es wehte ein starker Nordwind und die See war prächtig bewegt. Große Schiffe wurden über die stürmische Barre, an der gewaltige Wellen sich brachen, herein- und hinausbugsirt und über dem ruhelosen Aufruhr der Wasser spannte ein stiller Regenbogen von wunderbarer Schönheit sich aus. Die Scene war ganz wundervoll. Wir standen im vollen Genusse des Anblicks da, als eine mächtige See uns überraschte, uns zu Boden warf und uns in einem Augenblick durchnäßte und sogar unsre Taschen füllte. Es blieb uns nichts weiter übrig, als uns zu schütteln (wie Doktor Marigold) und uns so gut wir konnten zu trocknen, indem wir im Wind und Sonnenschein rasch voranmarschirten. Aber wir waren nichtsdestoweniger völlig durchnäßt, als wir nach einer halbstündigen Eisenbahnfahrt zum Dîner hierher zurückkehrten! Ich bin wunderbar wohl und ganz frisch und stark.« Drei Tage später war er in Leeds, von wo er sich durch die wichtigsten benachbarten Städte zu einer neuen Vorlesung in London herumarbeiten sollte, ehe er Irland wieder besuchte.

Dies war die Zeit der fenischen Unruhen. Nur mit großem Widerstreben willigte Dickens ein, nach Irland zu gehen Er schrieb mir am 15. März aus Dublin: »So tief entmuthigend waren die Berichte von hier am vorigen Dienstag in London, daß ich mehrere Berathungen mit Chappel hielt, ob ich überhaupt kommen sollte, ja ich hatte schon eine Anzeige aufgesetzt, welche die Verschiebung der Vorlesungen ans unbestimmte Zeit ankündigte, und es war meine Absicht, Chappel durch den Ertrag einer Extravorlesung für die bereits getragenen Kosten zu entschädigen – endlich jedoch gab ich seinen Vorstellungen nach der andern Seite nach. Wir fuhren fast den ganzen Weg durch einen Schneesturm und wurden in Wales eingeschneit, kamen zum Stillstand und mußten die Lokomotive ausgraben . . . Endlich kamen wir in Dublin an, fanden es dort schneien und regnen, und hörten, daß es seit dem ersten Tage des Jahres geschneit und geregnet habe. Von äußern Zeichen der Unruhen und Vorbereitungen sind wenige da. In Kingstown warteten vier bewaffnete Polizisten auf unser Schiff und einige Umherstreicher in verschiedenen Anzügen waren offenbar geheime Polizisten. Aber von Soldaten war nichts zu sehen. Meine Leute tragen einen langen schweren Kasten, der den Gasapparat enthält. Dieser wurde sofort mit Beschlag belegt, aber einer der Umherstreicher legte sich unverzüglich in's Mittel als er meinen Namen sah, und kam zu mir in den Waggon und machte eine Entschuldigung. Der am verdächtigsten aussehende junge Mensch, der mir je vorgekommen, erschien in Holyhead, ehe wir dort zu Bette gingen, und saß düstersinnend in dem Gastzimmer am Feuer, während wir uns wärmten. Er sagte, er sei mit uns eingeschneit (was wir nicht glaubten) und war in schrecklicher Unruhe wegen seines Koffers, der ohne ihn nach Dublin befördert war. Wir sagten zu einander ›Fenier‹, und jedenfalls verschwand er am Morgen und ließ seinen Koffer gehen, wohin er wollte.« Was Dickens während dieses Besuches in Dublin sah und hörte, überzeugte ihn, daß Fenianismus und Unzufriedenheit in mehrere Regimenter ihren Weg gefunden hatten. und unmittelbar nach seiner Ankunft berichtete er uns Allen, die Sache werde vollständig zu Boden fallen. Mehr als 300 Sperrsitze waren zwei Tage vor der Vorlesung in Belfast genommen, aber am Nachmittage der Vorlesung in Dublin waren kaum 50 bestellt. Merkwürdig genug drängte sich jedoch Abends eine große Menschenmenge herbei, er fand eine stürmische Begrüßung und am 22. März erhielt ich folgende Ankündigung von ihm: »Es wird Dich überraschen zu hören, daß wir Wunder gethan haben! Eine begeisterte Menge hat die Lese-Hallen jeden Abend bis an's Dach gefüllt und Hunderte mußten abgewiesen werden. In Belfast nahmen wir vorgestern Abend 246 Pfd. St. 5 Sh. ein. In Dublin ist heute Abend Alles verkauft und die Leute belagern Dolby, daß er irgendwohin, in die Thürwege, auf meine Platform, in irgend ein Loch oder eine Ecke noch Stühle stellt. Kurz, die Vorlesungen sind eine wahre Leidenschaft, zu einer Zeit, wo alles Andre zu Boden liegt.« Auf seinem Rückwege besuchte er die östlichen Grafschaften und dies brachte die Serie zum Abschluß. »Der Empfang in Cambridge war Etwas, worauf man an einem solchen Orte stolz sein konnte. Die Colleges waren vollständig vertreten, von den größten bis zu den kleinsten und übertrafen sogar Manchester in donnernder Bewillkommnung und immer erneuertem Sturm des Beifalls. Die Halle war gedrängt voll und während der ganzen Vorlesung wurde Alles mit der äußersten Lebhaftigkeit des Behagens aufgenommen.« Die Versuchung von Anerbietungen aus Amerika war inzwischen wieder so stark an ihn herangetreten und zwar in einer so unglücklichen Verbindung mit augenblicklichen Familienansprüchen, welche ein Hinausgehen der Ausgaben selbst über sein damaliges Einkommen drohten, daß er sich veranlaßt fand, an seine Schwägerin zu schreiben: »Ich fange an, mich nach Amerika gezogen zu fühlen, wie Darnay in der Geschichte Zweier Städte nach Paris gezogen wurde. Es ist mein Magnetberg.« Nur zu gewiß sollte es dies sein und Dickens sollte von den Folgen seines Nachgebens gegen die Versuchung durch kein solches Opfer gerettet werden wie das, welches Darnay gerettet hatte.

Der Brief, worin er mich von dem Abschluß seiner englischen Vorlesungen benachrichtigte, enthielt kein Wort über jenes fernere Unternehmen und doch schien er gewissermaßen eine Vorbereitung darauf zu sein. »Vorigen Montag Abend« (14. Mai) »beendete ich die fünfzig Vorlesungen mit großem Erfolge. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie ich dafür gearbeitet habe. Da ich bei ihrem wachsenden Ruf die Nothwendigkeit fühlte, daß sie besser sein sollten als die ersten, habe ich sie alle auswendig gelernt, um durch das Sehen nach den Worten nicht mechanisch benachtheiligt zu werden. Ich habe die in ihnen enthaltene Leidenschaft an meiner ganzen Erfahrung erprobt, die humoristischen Stellen viel humoristischer gemacht, meine Aussprache gewisser Worte verbessert, mich einer unerschütterlichen Selbstbeherrschung befleißigt und mich zum Herrn der Situation gemacht. Da ich mit Dombey abschloß (was ich lange nicht gelesen hatte), lernte ich auch dies, wie das andre, auswendig und trug es mir selbst, oft zweimal täglich und mit ganz derselben Sorgfalt wie Abends, immer wieder und wieder vor.« Sechs Tage später kam seine Antwort auf eine Bemerkung von mir: daß kein Grad der Vortrefflichkeit, den er in seinen Vorlesungen erreicht haben möge, mich mit dem versöhnen könne, was ihm ohne Zweifel bald werde aufgedrängt werden. »Es ist seltsam« (20. Mai) »daß Du den amerikanischen Gegenstand berührst, weil ich gestehen muß, daß ich mich in einer sehr aufgeregten Stimmung darüber befinde. Daß die Leute dort darauf versessen sind, die Vorlesungen zu hören, ist unzweifelhaft. Jede Post bringt mir Anträge und die Zahl der Amerikaner in St. James‹ Hall war erstaunlich groß. Ein gewisser Grau, der die Tour von Ristori in Amerika arrangirte und ein höchst zuverlässiger Mensch ist, schrieb mir mit der letzten Post zum zweiten Male und erklärte, wenn ich ihm ein ermunterndes Wort geben wolle, werde er sofort herüber kommen und auf die kühnsten Bedingungen für irgend eine mir gefällige Zahl von Vorlesungen einen Contrakt mit mir machen und zugleich eine große Geldsumme bei Coutts deponiren. Mr. Fields schreibt mir auf Veranlassung eines Comité's von Privatpersonen in Boston, die das Verdienst haben möchten, mich hinüber zu bringen, die die Vorlesungen zu hören wünschen und keinen Profit dabei machen wollen und auch bereit sind 10,000 Pf. St. als Garantie bei einem hiesigen Banquier zu deponiren. Jeder amerikanische Spekulant, der nach London kommt, begibt sich gradesweges mit ähnlichen Vorschlägen zu Dolby. Und so machten auch die Chappels, sowie diese letzte Serie vorüber war, mir den Antrag, wegen Amerika's mit mir zu unterhandeln.« In Bezug auf die bloße Frage dieser verschiedenen Anerbietungen fand er es nicht schwer, zu einem Entschlusse zu kommen. Wenn er überhaupt ging, wollte er auf eigene Rechnung gehen, mit Niemandem einen Contrakt machen. Worüber er sich zu entscheiden hatte, war, ob er überhaupt gehen solle.

Eines erkannte er mit seinem gewöhnlichen Scharfblick klar genug. Er mußte sich schnell entscheiden. »Die Präsidentenwahl wird im Herbst des nächsten Jahres stattfinden. Sie sind ein Volk, bei dem ein Verlangen keine lange Dauer hat. Sie wollen, daß ich dort lese und sie glauben (ohne jeden Grund), daß ich dort lesen werde. Wenn ich überhaupt gehe, so müßte es um die Zeit sein, wenn die Weihnachtsnummer gedruckt wird. Zu Anfang des nächsten Novembers.« Er leitete demnach alle möglichen Erkundigungen ein und kam insofern zu einem augenblicklichen Entschluß, daß er, wenn die Antworten keinen Zweifel darüber ließen, daß eine gewisse Summe zu realisiren sei, gehen wollte. »Fürchte nicht, daß irgend etwas mich bewegen wird das Experiment zu machen, wenn ich nicht die zwingendsten Gründe sehe zu der Ueberzeugung, daß das was ich damit verdienen kann, mit dem was ich habe, mich in den Besitz eines hinreichenden Vermögens setzen würde. Ich würde dort unaussprechlich elend sein. Mein geringes Beschreibungstalent kann den Gemüthszustand nicht schildern, in dem ich mich von Tage zu Tage hinschleppen würde.« Zu Ende Mai schrieb er: »Armer lieber Stanfield!« (unser trefflicher Freund war in der Woche vorher gestorben). »Ich kann nicht einmal an ihn und an unsern großen Verlust denken, wegen dieses Gespenstes des Zweifels und der Unentschiedenheit, das mit mir zu Tische sitzt und neben meinem Bette steht. Ich bin in einem sturmbewegten Zustande und kann kaum glauben, daß ich endlich mit der amerikanischen Frage in die Enge getrieben bin. Die Schwierigkeit, inmitten so vieler verschiedener mir gemachter Erklärungen zu einem Entschluß zu kommen, ist ungeheuer und Du kannst Dir nicht vorstellen, wie schwer die Sorge darum mir auf der Seele lastet. Aber der Preis scheint so groß.« Endlich schien sich ein Weg zu öffnen, auf dem es möglich war zu einer festen Ansicht zu gelangen. »Dolby« (schrieb er am 2. Juli) »wird Sonnabend, 3. August, nach Amerika segeln. Es ist unmöglich zu einem vernünftigen Entschluß zu gelangen, ohne daß man Augen und Ohren auf den thatsächlichen Grund und Boden schickt. Er wird mein Manuscript für das Children's Magazine mitnehmen. Ich hoffe, es ist komisch und sehr kindlich, obgleich der Scherz außerdem erwachsen ist. Du mußt versuchen, die Seeräubergeschichte gern zu haben, denn ich habe sie sehr gern.« Diese Anspielung bezieht sich auf seine hübsche Holiday Romance, die er für Mr. Fields geschrieben hatte.

Kaum war Dolby fort, als etwas eintrat, was weit mehr hätte helfen sollen ihm abzurathen, als die Argumente, welche fortfuhren meinen Einwendungen gegen das Unternehmen Ausdruck zu verleihen. »Ein neuer Anfall in meinem Fuße,« schrieb er am 6. August, »hat mich niedergeworfen und ich habe die ganze vorige Nacht in Qualen auf dem Sofa gelegen. Ich kann es nicht ertragen, daß die heißen Umschläge auch nur einen Augenblick abgenommen werden. Ich war am Sonntage so krank davon und es sah so schlimm aus, daß ich in die Stadt fuhr, um Henry Thomson zu consultiren. Er hat die Sache gründlich erwogen und sagt, das Uebel entspringe unzweifelhaft aus dem Druck des Stiefels beim Gehen gegen einen entzündlichen Auswuchs der großen Zehe. Aus der so entstandenen Verletzung habe sich die Rose entwickelt und der Zweck der Behandlung ist, ein Geschwür zu verhüten und der Rose dort Einhalt zu thun, wo sie ist. Inzwischen liege ich auf dem Rücken und wüthe. Es hat meinen Fuß nicht besser gemacht, daß ich nach Liverpool ging, um Dolby abreisen zu sehen, aber ich zweifle kaum, daß er durch zweckmäßige Behandlung und Ruhe besser werden wird.« Einige Tage später wüthete er noch; denn der ausgezeichnete Arzt, den er consultirte, hatte Winke fallen lassen, die ihn etwas beunruhigten. »Ich könnte heute Abend nicht für 500 Pfd. St. fünf Minuten weit gehen. Ich mache mir so viele Gründe zurecht gegen die Annahme, daß es gichtisch sein könnte, daß ich es wirklich nicht dafür halte.«

Die Folgen der amerikanischen Reise waren meiner Ueberzeugung nach so bedeutungsvoll für ihn, daß ich es für nöthig hielt, so viel über die Beweggründe und die Versuchungen, welche sie veranlaßten, vorauszuschicken. Mein eigner Antheil an den damit zusammenhängenden Erörterungen bestand darin, daß ich von Anfang bis zu Ende standhaft davon abrieth, obgleich ich vielleicht weniger standhaft gewesen wäre, hätte ich mich mit dem Glauben versöhnen können (was ich nie zu irgend einer Zeit vermochte), daß öffentliche Vorlesungen eine würdige Beschäftigung seien für einen Mann von Genie. Aber es war mir um diese Zeit klar geworden, daß Nichts das Unternehmen verhindern könne. Das Resultat von Dolby's Reise nach Amerika – von Dickens selbst in einem Memorandnm zusammengefaßt, welches noch das Interesse besitzt, den Vorlesungen, als er über den Atlantischen Ocean segelte, viel von der Form gegeben zu haben, welche sie damals annahmen Aus diesem Grunde verdient es, aufbewahrt zu werden. Er nannte es:

» Die ganze Sache in einer Nußschale.

1. Ich glaube, es kann als erwiesen angenommen werden, daß eine allgemeine Begeisterung und Aufregung in Bezug auf die Vorlesungen in Amerika erweckt ist, und daß die Leute bereit sind, mir einen großen Empfang zu geben. Der New-York Herald ist allerdings der Ansicht, daß ›Dickens zuerst um Verzeihung bitten muß‹, und wo ein New-York Herald möglich ist, ist Alles möglich. Aber der vorherrschende Ton, sowohl in der Presse als unter allen Volksklassen, ist höchst günstig. Ich glaube selbst, daß das irische Element in New-York gefährlich ist, weil die Fenier sich freuen würden, einem hervorragenden Engländer zu schaden. Doch dies ist bloß eine Privatmeinung von mir.

2. Alle unsre ursprünglichen Berechnungen waren auf 100 Vorlesungen basirt. Aber ein unerwartetes Resultat sorgfältiger Nachforschung an Ort und Stelle ist die Entdeckung, daß der Monat Mai im Allgemeinen in den großen Städten als für einen solchen Zweck ungeeignet betrachtet wird. Wenn ich zugebe, daß die Gesetze, welche gewöhnlich in solchen Fällen gültig sind, auch auf den meinen Anwendung erleiden, so vermindert dies die Zahl der Vorlesungen auf 80 und macht daher auf einen Schlag einen Abzug von 20 Procent von den Mitteln innerhalb des halben Jahres Geld zu machen – falls nicht etwa der Einwand auf meinen ausnahmsweisen Fall keine Anwendung erleiden sollte.

3. Die Erwägung, daß die großen Städte Amerika's unmöglich in sechs Monaten erschöpft, oder auch nur besucht werden können, und daß eine große Ernte uneingesammelt bleiben würde, lasse ich bei Seite, weil ich der Ansicht bin, daß eine zweite Reihe von Vorlesungen in Amerika als außer der Frage zu betrachten ist, einerlei, ob man sie von dem Gesichtspunkte aus betrachtet, daß sie noch zwei Reisen über den Atlantischen Ocean oder fünfmonatliche Ferien in Canada bedingen würde.

4. Die eingeschränktere Berechnung, welche wir angestellt haben, ist diese. Was ist die größte Summe des Reinertrages, der von 80 Vorlesungen (und nicht mehr) unter den günstigsten Umständen hinsichtlich ihrer öffentlichen Aufnahme zu erwarten ist? Bei der Anstellung dieser Berechnung haben wir die Ausgaben immer nach dem Maßstabe von New-York genommen, welcher der höchste ist; nicht weniger als 20 Procent sind für Verwaltungskosten, mit Einschluß von Dolby's Commission, abgezogen und kein Vortheil ist in Anschlag gebracht für etwaige Extrabezahlung von Sperrsitzen, obgleich eine bedeutende Summe zuversichtlich aus dieser Quelle erwartet werden darf. Aber andrerseits muß bemerkt werden, daß das Abhalten von etwas mehr als vier Vorlesungen wöchentlich vorausgesetzt wird, und daß der Voranschlag des Ertrags sich auf die Annahme gründet, daß das Publikum bei allen Gelegenheiten so zahlreich vertreten ist als die Räumlichkeiten vernünftigerweise gestatten.

5. Wenn wir so 80 Vorlesungen rechnen, stellt sich der Reinertrag für mich nach Abzug sämmtlicher Kosten auf 15,500 Pfd. St.

6. Aber es muß noch bemerkt werden, daß diese Berechnung voraussetzt, daß die Stadt New-York und der Staat New-York für einen großen Theil der 80 Vorlesungen gut sind, und daß die Berechnung auch annimmt, daß die Reise sich nicht über Boston und die benachbarten Orte, über New-York und die benachbarten Orte, Philadelphia, Washington und Baltimore, ausdehnt. Wenn aber die Berechnung sich in dieser Hinsicht als zu hoffnungsvoll erweisen und wenn diese Orte nicht für so viele Vorlesungen gut sein sollten, dann mag es unthunlich sein, innerhalb der angegebenen Zeit mit den 80 Vorlesungen durchzukommen, weil andre Orte auf die Liste kommen würden, die weit aus einander liegen und lange und ermüdende Reisen nothwendig machen.

7. Der durch den Umsatz des Papiergeldes in Gold bedingte Verlust (nach dem gegenwärtigen Agio) ist bei der Berechnung in Anschlag gebracht. Sie zählt sieben Dollars auf das Pfund Sterling.«

– erreichte mich als ich in Ross war, und auf dasselbe gründete sich mein letztes Argument gegen den Plan. Dies erhielt er in London, am 28. September, an welchem Tage er an seine Tochter schrieb: »Wie ich Dir telegraphirte, nachdem ich Dich gesehen hatte, gehe ich nach Ross, um mit Forster und Dolby zusammen zu berathschlagen. Du sollst entweder am Montage, oder mit der Montagspost von London hören, wie ich mich endgültig entscheide.« Das Resultat theilte er ihr drei Tage später mit: »Du wirst mein Telegramm, daß ich nach Amerika gehe, erhalten haben. Nach einer langen Erörterung mit Forster und der Erwägung dessen, was sich auf beiden Seiten sagen läßt, habe ich beschlossen, es auszuführen. Wir haben nach Boston ›Ja!‹ telegraphirt.« Sieben Tage später schrieb er mir: Da die Scotia voll ist, werde ich erst am Lord Mayors-Tage absegeln, für welchen glorreichen Jahrestag ich eine Officierscajüte auf dem Verdeck der Cuba engagirt habe. Ich bin nicht in sehr glänzender Stimmung über die vor mir liegenden Aussichten und würdige ganz Deine Motive und Gründe für Dein Verhalten in dieser Sache; aber ich bin nicht im Mindesten erschüttert in der Ueberzeugung, daß ich den Gedanken nie ganz hätte aufgeben können.«

Die noch übrige Zeit wurde zu Vorbereitungen benutzt; am 2. November fand ein Abschiedsmahl in der Freemasons Hall statt, bei welchem Lord Lytton den Vorsitz führte, und am 9. segelte Dickens nach Boston ab. Vor seiner Abreise hatte er seinen Antheil zu der letzten seiner Weihnachtserzählungen beigetragen; alle seine Werke, deren Vollendung er erlebte, waren geschrieben und die Zwischenzeit seiner Reise mag zu einem allgemeinen Ueberblick über die literarische Arbeit seines Lebens benutzt werden.

 

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