Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

5.

Antonius langsam schreitend. Dieser da wiegt die ganze Hölle auf! Nabuchodonosor hatte mich nicht so geblendet. Die Königin von Saba hat mich nicht so tief bezaubert.

Seine Art, von den Göttern zu sprechen, erweckt in mir die Begierde, sie kennen zu lernen.

Ich erinnere mich, deren Hunderte auf einmal gesehen zu haben, auf der Insel Elephantine, zur Zeit des Diokletian. Der Kaiser hatte den Nomaden einen großen Landstrich abgetreten, unter der Bedingung, daß sie die Grenzen bewachten, und der Vertrag wurde geschlossen im Namen der »unsichtbaren Mächte«. Denn die Götter des einen Volkes waren dem anderen Volke unbekannt.

Die Barbaren hatten die ihrigen mitgebracht. Sie besetzten die Sandhügel, welche den Fluß einfassen. Man konnte sie wahrnehmen, wie sie ihre Götzen in den Armen trugen wie große, lahme Kinder; oder sie fuhren mitten durch die Katarakte auf dem Stamm einer Palme und zeigten von ferne die Amulette an ihrem Halse, die Tätowierung an ihrer Brust; – und das ist nicht sündhafter als die Religion der Griechen, der Asiaten und der Römer!

Als ich den Tempel von Heliopolis bewohnte, habe ich oft alles betrachtet, was da auf den Gemäuern zu sehen war: szeptertragende Geier, lyraspielende Krokodile, Menschenköpfe mit Schlangenleibern, Weiber mit Kuhköpfen, die vor Göttern in Phallusgestalt auf den Knien lagen, und ihre übernatürlichen Formen zogen mich fort nach anderen Welten.

Ich hätte wissen mögen, was diese ruhigen Augen erschauten.

Um so viel Macht zu besitzen, muß die Materie einen Geist in sich bergen. Die Seele der Götter ist an ihre Bilder gebunden. Diejenigen, welche die Schönheit der äußeren Erscheinung zu eigen haben, können verführen. Aber die anderen ... die abscheulich und schrecklich sind, wie kann man an sie glauben? ...

Und er sieht am Boden Blätter vorbeiwandern, Steine, Muscheln, Baumzweige, undeutliche Darstellungen von Tieren, dann eine Art wassersüchtige Zwerge; das sind Götter. Er bricht in ein Gelächter aus.

Ein anderes Lachen ertönt hinter ihm und Hilarion zeigt sich – als Eremit gekleidet, viel größer als vorher, riesenhaft.

Antonius ist nicht überrascht, ihn zu sehen. Wie dumm muß man sein, um das anzubeten!

Hilarion. O ja! Außerordentlich dumm!

Da ziehen an ihnen die Fetische aller Nationen und Zeitalter vorbei, aus Holz, aus Metall, aus Granit, aus Federn, aus genähten Fellen.

Die ältesten, aus Zeiten vor der Sintflut, verschwinden unter Seepflanzen, die wie Mähnen an ihnen niederhängen. Einige, die zu lang für ihren Stützpunkt sind, krachen in ihren Fugen und verrenken sich die Hüften beim Gehen. Andere lassen Sand durch die Löcher ihrer Bäuche rinnen.

Antonius und Hilarion ergötzen sich außerordentlich. Sie halten sich die Seiten vor Lachen.

Hierauf folgen die Götterbilder mit Hammelsprofilen. Sie taumeln auf ihren krummen Beinen und mit halboffenen Augen stammeln sie wie die Stummen: Ba, ba, ba!

Je mehr sie sich dem menschlichen Typus nähern, desto mehr wird Antonius davon erbittert. Er bearbeitet sie mit Faustschlägen, mit Fußtritten, wütet auf ihnen herum.

Sie werden fürchterlich – mit hohen Federbüschen, kugelförmigen Augen, die Arme auslaufend in Krallen, mit Haifischkinnbacken.

Und vor diesen Göttern schlachtet man Menschen auf steinernen Altären; andere werden in Kufen zerstoßen, unter großen Wagen zermalmt, an Bäumen festgenagelt. Einer ist darunter, ganz aus rotglühendem Eisen, mit Stierhörnern, der Kinder verschlingt.

Antonius. Ein Greuel!

Hilarion. Aber die Götter verlangen immer Marterqualen. Der deinige sogar hat gewollt ...

Antonius weinend. Oh, vollende nicht! Schweig!

Der Felsengürtel verwandelt sich in ein Tal. Eine Rinderherde weidet dort das kurzgeschnittene Gras.

Der Hirte, welcher sie führt, beobachtet ein Gewölk – und er schleudert mit schriller Stimme befehlende Worte in die Luft.

Hilarion. Da er des Regens bedarf, versucht er durch Gesänge den König des Himmels zu zwingen, daß er die Schleußen der befruchtenden Wolke öffne.

Antonius lachend. Das ist doch ein allzu alberner Hochmut!

Hilarion. Warum machst du Teufelsbeschwörungen?

Das Tal wird ein Meer von Milch, unbeweglich und schrankenlos. In der Mitte schwimmt eine längliche Mulde, gebildet durch die Windungen einer Schlange, deren sämtliche Köpfe sich beschattend über einen Gott neigen, welcher auf ihrem Leib eingeschlummert ist.

Er ist jung, bartlos, schöner wie ein junges Mädchen, bedeckt mit durchsichtigen Schleiern. Die Perlen seiner Tiara glänzen lieblich wie Monde, eine Kette von Sternen schlingt sich mehrmals um seine Brust; – und eine Hand unter dem Haupte, den anderen Arm ausgestreckt, ruht er mit träumerisch verzücktem Ausdruck.

Ein Weib kauert zu seinen Füßen und erwartet, daß er erwache.

Hilarion. Das ist die oberste Dualität der Brahmanen, – da sich das Absolute durch keine Form verkörpert.

Aus dem Nabel des Gottes ist eine Lotosblume entsprossen; und in seinem Kelche erscheint ein anderer Gott mit drei Gesichtern.

Antonius. Ei, ei! Was für eine Erfindung!

Hilarion. Vater, Sohn und heiliger Geist bilden in gleicher Weise nur eine einzige Person.

Die drei Köpfe trennen sich und drei große Götter erscheinen:

Der erste, von rosa Farbe, beißt in seine Zehenspitze.
Der zweite von blauer Farbe, bewegt vier Arme.
Der dritte, von grüner Farbe, trägt eine Halskette von Menschenschädeln.

Ihnen gegenüber steigen alsbald drei Göttinnen auf; die eine ist in ein Netz gehüllt, die andere bietet eine Trinkschale dar, die dritte schwingt einen Bogen. Und diese Götter und Göttinnen verzehnfachen sich und werden immer mehr. Auf ihren Schultern wachsen Arme, am Ende ihrer Arme Hände, welche Standarten, Äxte, Schilde, Schwerter, Sonnenschirme und Trommeln halten. Brunnen springen aus ihren Köpfen, Gräser wachsen aus ihren Nasen.

Reitend auf Vögeln, in Sänften gewiegt, auf goldenen Sitzen thronend, stehend in Elfenbeinnischen, träumen, reisen, befehlen sie, trinken sie Wein und riechen an Blumen.

Tänzerinnen drehen sich, Riesen verfolgen Ungeheuer; an Grotteneingängen grübeln Einsiedler. Man kann Augen und Sterne, Wolken und Wimpel nicht mehr unterscheiden; Pfauen schlürfen aus Bächen von Goldstaub, die Stickerei der Zelte vermengt sich mit den Flecken der Leoparden, farbige Strahlen durchkreuzen sich auf der blauen Luft mit fliegenden Pfeilen und geschwungenen Weihrauchbecken.

Und all das entrollt sich wie ein hoher Fries, der mit seiner Basis auf den Felsen ruhend bis in den Himmel aufsteigt.

Antonius geblendet. Welch eine Unmenge! Was wollen sie?

Hilarion. Der sich den Unterleib mit seinem Elefantenrüssel kratzt, das ist der Sonnengott, der Spender der Weisheit.

Der andere dort, von dem die sechs Köpfe Türme und die vier Arme Wurfspieße tragen, das ist der Fürst der Armeen, das allverschlingende Feuer. Der auf einem Krokodile reitende Greis wäscht am Gestade die Seelen der Toten. Sie werden gepeinigt durch jenes schwarze Weib mit faulen Zähnen, die Beherrscherin der Hölle.

Der von roten Stuten gezogene Wagen, den ein Fuhrmann ohne Beine lenkt, führt den Herrn der Sonne durch die Fülle des Azurs. Der Mondgott begleitet ihn in einer mit drei Gazellen bespannten Sänfte.

Knieend auf dem Rücken eines Papageis reicht die Göttin der Schönheit ihrem Sohne, dem Liebesgott, die runde Brust. Und sieh, hier ist sie wieder, wie sie vor Freude hüpft auf der Wiese. Sieh, sieh! Mit einer strahlenden Mitra gekrönt läuft sie über die Getreidefelder, über die Wellen, steigt in die Luft, breitet sich überall aus!

Zwischen den Göttern wohnen die Genien der Winde, der Planeten, der Monate, Tage und hundert anderer Dinge! Und ihre Erscheinungen sind vielgestaltig, ihre Verwandlungen blitzschnell. Da ist einer, der aus einem Fisch zur Schildkröte wird; er nimmt die Form eines Eberkopfes, die Gestalt eines Zwerges an.

Antonius. Wozu denn?

Hilarion. Um das Gleichgewicht wieder herzustellen, um das Übel zu bekämpfen. Aber das Leben erschöpft sich, die Formen nutzen sich ab, und so müssen sie den Fortschritt in den Verwandlungen betätigen.

Plötzlich erscheint

Ein nackter Mensch, mitten im Sande sitzend, mit gekreuzten Beinen. Ein breiter, zitternder Lichtkreis schwebt hinter ihm. Die kleinen Locken seines schwarzen Haares mit azurblauen Reflexen umrahmen symmetrisch eine Erhöhung oben auf seinem Schädel. Seine sehr langen Arme fallen gerade gegen seine Hüften nieder. Seine beiden Hände ruhen, mit der Fläche nach außen, auf seinen Schenkeln. Die Sohlen seiner Füße zeigen das Bild zweier Sonnen, und er bleibt vollkommen unbeweglich – gegenüber von Antonius und Hilarion – mit all den Göttern rings um ihn staffelförmig auf den Felsen aufgestellt, wie auf den Stufen eines Zirkus.

Seine Lippen öffnen sich kaum und mit tiefer Stimme spricht er:

Ich bin der Meister des großen Almosens, die Zuflucht der Kreaturen, und den Gläubigen wie den Ungläubigen lege ich das Gesetz aus.

Um die Welt zu befreien wollte ich geboren werden unter den Menschen. Die Götter weinten, als ich von dannen zog.

Ich suchte zuerst ein Weib, wie es sich eignet: von der Kriegerkaste, Gattin eines Königs, von großer Güte und außerordentlicher Schönheit, mit tiefem Nabel, der Körper fest wie aus Diamant, und zur Zeit des Vollmondes, ohne Beihilfe eines männlichen Wesens trat ich in ihren Leib ein.

Ich kam hervor durch die rechte Hüfte. Sterne blieben stehen.

Hilarion murmelt zwischen den Zähnen: »Und als sie den Stern stillstehen sahen, empfanden sie große Freude!«

Antonius betrachtet mit größerer Aufmerksamkeit.

Der Buddha fährt fort: Aus dem fernsten Himalaya eilte ein hundertjähriger Mönch herbei, um mich zu sehen.

Hilarion. »Ein Mann mit Namen Simeon, der sollte nicht sterben, er hätte denn zuvor den Christ gesehen.«

Der Buddha. Man führte mich in die Schulen. Ich wußte mehr als die Doktoren.

Hilarion. »... Mitten unter den Lehrern; und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich seines Verstandes.«

Antonius gibt Hilarion ein Zeichen zu schweigen.

Der Buddha. Beständig war ich mit tiefem Nachdenken beschäftigt in meinen Gärten. Die Schatten der Bäume wandelten in der Runde; aber der Schatten des Baumes, der mich schützte, wandelte nicht.

Niemand konnte mir gleichkommen im Wissen der Schriften, in der Aufzählung der Atome, in der Führung der Elefanten, in den Arbeiten aus Wachs, in der Astronomie, der Poesie, dem Faustkampf, in allen Übungen und Künsten!

Um dem Brauche zu folgen, nahm ich ein Weib zur Ehe; – und ich verbrachte die Tage in meinem Königspalaste, mit Perlen bekleidet, unter dem Regen von Wohlgerüchen, von 33 000 Frauen mit Fliegenwedeln gefächelt, meine Völker betrachtend von der Höhe meiner Terrassen, die mit tönenden Glöckchen geziert waren.

Aber der Anblick des Elends in der Welt entfremdete mich den Genüssen. Ich entfloh.

Auf den Landstraßen bettelte ich, mit Lumpen bedeckt, die ich in den Gräbern zusammengerafft hatte; und da es einen hochgelehrten Eremiten gab, entschloß ich mich, sein Sklave zu werden; ich bewachte seine Türe, ich wusch seine Füße.

Jede Empfindung wurde vernichtet, jede Freude, jedes Sehnen.

Dann sammelte ich meine Gedanken in einer tieferen Betrachtung und erkannte das Wesen der Dinge, die Täuschung der Formen.

Rasch erledigte ich die Wissenschaft der Brahmanen.

Sie sind zerfressen von Begierden unter ihrem strengen, äußerlichen Ansehen; sie reiben sich mit Kot, schlafen auf Dornen und glauben, das Glück auf dem Wege des Todes zu erlangen.

Hilarion. »Pharisäer, Heuchler, übertünchte Gräber, Otterngezücht.«

Der Buddha. Auch ich habe erstaunliche Dinge vollbracht, – indem ich bei Tag nur ein einziges Reiskorn aß, und die Reiskörner waren dazumal nicht größer wie heute; – meine Haare fielen aus, mein Leib wurde schwarz, meine Augen sanken in ihre Höhlen ein und glichen Sternen, die man erschaut im Abgrunde eines Brunnens.

Sechs Jahre lang hielt ich mich unbeweglich, ausgesetzt den Stechfliegen, den Löwen und Schlangen, und die großen Sonnenhitzen, die großen Regengüsse, Schnee, Blitz, Hagel und Gewitter – alles ließ ich über mich ergehen, ohne mich auch nur mit der Hand zu schützen.

Die Wanderer, welche vorüberkamen, hielten mich für tot und warfen von weitem Erdschollen auf mich.

Mir fehlte nur noch die Versuchung des Teufels. Ich habe ihn gerufen. Seine Söhne kamen, – häßlich, mit Schuppen bedeckt, ekelerregend wie ein Beinhaus, heulend, zischend, brüllend, Waffen und Totengebeine aneinanderschlagend. Einige sprühen Flammen durch die Nase, andere tragen Ketten von abgeschnittenen Fingern, wieder andere trinken Schlangengift aus der hohlen Hand; sie haben die Köpfe von Schweinen, Rhinozerossen oder Kröten, alle Arten von Gesichtern, die Ekel oder Grauen erregen.

Antonius für sich. Das habe ich einstmals auch durchgemacht.

Der Buddha. Dann sandte er mir seine Töchter – schön, gut geschminkt, mit goldenen Gürteln, die Zähne weiß wie Jasmin, die Schenkel so rund wie der Rüssel des Elefanten. Einige recken gähnend die Arme, um die Grübchen an ihren Ellenbogen zu zeigen; andere blinzeln, beginnen zu lachen, wieder andere öffnen ihre Gewänder. Es sind errötende Jungfrauen darunter, stolze Matronen, Königinnen mit einem großen Gefolge von Gepäck und Sklaven.

Antonius für sich. Ah! Auch er!

Der Buddha. Nachdem ich den bösen Geist besiegt hatte, nährte ich mich während zwölf Jahren ausschließlich von Wohlgerüchen; – und da ich die fünf Tugenden, die fünf Fähigkeiten, die zehn Kräfte, die achtzehn Substanzen erworben hatte und vorgedrungen war in die vier Sphären der unsichtbaren Welt, fiel mir die Erkenntnis zu. Ich wurde der Buddha.

Alle Götter verneigen sich; die, welche mehrere Köpfe haben, senken sie gleichzeitig.

Er hebt seine erhabene Hand empor und fährt fort:

Mit Hinblick auf die Erlösung der Lebewesen habe ich hunderttausende von Opfern gebracht. Ich gab den Armen seidene Kleider, Betten, Wagen, Häuser, Haufen von Gold und Diamanten. Ich gab meine Hände den Verstümmelten, meine Beine den Hinkenden, meine Augen den Blinden; ich schnitt meinen Kopf ab für die Enthaupteten.

Zur Zeit da ich König war, verteilte ich Provinzen; zur Zeit da ich Brahmane war, habe ich niemanden verachtet. Da ich Einsiedler war, sagte ich zärtliche Worte zu dem Räuber, der mich erwürgte. Da ich ein Tiger war, ließ ich mich vor Hunger sterben.

Und nachdem ich in diesem letzten Dasein das Gesetz verkündet, habe ich nichts mehr zu tun. Die große Zeitenfolge hat sich vollendet! Die Menschen, Tiere, Götter, Bambuswälder, die Ozeane, die Gebirge, die Sandkörner des Ganges, mit den Myriaden von Myriaden Sternen, alles wird nun sterben; – und so lange bis Neues ersteht, wird eine Flamme tanzen auf den Ruinen der zerstörten Welten!

Da faßt die Götter ein Schwindel, sie wanken, fallen in Krämpfe und speien ihr Leben aus. Ihre Kronen springen in Stücke, ihre Fahnen fliegen fort. Sie reißen sich ihre Attribute, ihre Geschlechtsteile fort, werfen die Schalen, aus denen sie Unsterblichkeit getrunken, über die Schulter, erwürgen sich mit ihren Schlangen, verflüchten sich in Rauch; – und da alles verschwunden ist, spricht Hilarion langsam: Was du eben gesehen, ist der Glauben von mehreren hundert Millionen Menschen.

Antonius liegt auf der Erde, das Gesicht in den Händen. Aufrecht bei ihm, dem Kreuz den Rücken kehrend, steht Hilarion und betrachtet ihn.

Geraume Zeit geht vorüber.

Da erscheint ein seltsames Wesen mit dem Kopf eines Menschen auf einem Fischleib. Er bewegt sich aufrecht in der Luft vorwärts, indem er den Sand mit seinem Schweife schlägt; – und dieses Patriarchengesicht mit den kleinen Armen macht Antonius lachen.

Oannes mit klagender Stimme: Hab Achtung vor mir! Ich bin der Zeitgenosse des Uranfangs.

Ich habe die formlose Welt bewohnt, in welcher zwitterartige Tiere unter der Last einer undurchdringlichen Atmosphäre in der Tiefe der dunkelschattigen Fluten schlummerten, – als noch die Finger, die Flossen und die Flügel ineinander verschmolzen und Augen ohne Kopf wie Mollusken umherschwammen unter Stieren mit menschlichem Antlitz und Schlangen mit Hundepfoten.

Über all diese Wesen hin streckte Omorôca, gekrümmt wie ein Reif, ihren Frauenleib aus. Aber Belus schnitt sie glatt in zwei Hälften, bildete die Erde aus der einen, den Himmel aus der anderen, und die beiden sich gleichenden Welten beschauen sich gegenseitig.

Ich, das erste Bewußtsein des Chaos, bin dem Abgrund entstiegen, um die Materie zu erhärten, um die Formen zu ordnen; ich habe den Menschen den Fischfang, das Säen, die Schrift und die Göttergeschichte gelehrt.

Seit jener Zeit lebte ich in den Sümpfen, die zurückblieben von der Sintflut. Aber die Wüste wächst rings um sie, der Wind streut Sand hinein, die Sonne zehrt sie auf; – und ich sterbe auf meinem Lager von Schlamm, indem ich durch das Wasser hindurch die Sterne betrachte. Ich kehre dorthin zurück.

Er springt und verschwindet im Nil.

Hilarion. Das ist ein alter Gott der Chaldäer!

Antonius ironisch. Welches waren denn die von Babylon?

Hilarion. Du kannst sie sehen!

Und sie befinden sich auf der Plattform eines viereckigen Turmes; dieser überragt sechs andere Türme, welche bei zunehmender Höhe sich verjüngen und so eine ungeheuerliche Pyramide bilden. Man unterscheidet am Fuße eine große schwarze Masse – ohne Zweifel die Stadt –, ausgebreitet in die Ebene. Die Luft ist kalt, der Himmel von düsterem Blau; zahlreiche Sterne flimmern.

Auf der Mitte der Plattform erhebt sich eine Säule aus weißem Stein. Priester in Leinengewändern schreiten rings um sie hin und wieder, derart, daß sie durch ihre Wendungen einen beweglichen Kreis beschreiben; und erhobenen Hauptes betrachten sie die Sterne.

Hilarion bezeichnet Antonius mehrere von ihnen. Sie haben dreißig Oberhäupter; fünfzehn betrachten was über der Erde, fünfzehn was unter der Erde ist. In regelmäßigen Abständen schwingt sich einer von ihnen aus den oberen Regionen in die unteren, während ein anderer die unteren verläßt, um hinaufzusteigen zu den höchsten.

Von sieben Planeten sind zwei von gutem, zwei von schlechtem, drei von zweifelhaftem Einfluß. Alles in der Welt ist abhängig von diesen ewigen Feuern. Je nach ihrer Lage und ihrer Bewegung kann man Weissagungen feststellen; – kurz, du stehst auf dem ehrwürdigsten Platz der Erde. Pythagoras und Zoroaster sind sich hier begegnet. Seit zwölftausend Jahren beobachten diese Menschen den Himmel, um die Götter besser kennen zu lernen.

Antonius. Die Gestirne sind keine Götter!

Hilarion. Jene sagen: Ja! Denn die Dinge rings um uns vergehen; der Himmel aber bleibt unwandelbar wie die Ewigkeit.

Antonius. Er hat aber doch einen Herrn!

Hilarion zeigt auf die Säule. Diesen da: Belus, der erste Strahl, die Sonne, das Männliche! – Die andere, die er befruchtet, ist unter ihm.

Antonius erblickt einen von Lampen erleuchteten Garten. Er befindet sich mitten in der Menge in einer Allee von Zypressen. Rechts und links führen kleine Wege nach Hütten, die in einem hinter Gitterwerk aus Schilfrohr versteckten Granatenhain errichtet sind.

Die Männer tragen in der Mehrzahl spitze Mützen mit aufgeputzten Kleidern, gleich dem Gefieder der Pfauen. Da gibt es Leute aus dem Norden in Bärenfell gekleidet, Nomaden in dunkelbraunen Wollmänteln, bleiche Gangariden mit langen Ohrringen; und die Stände wie die Nationen scheinen durcheinandergemengt; denn Seeleute und Steinschneider drängen sich neben Fürsten, welche Tiaren von Karfunkeln tragen und hohe Stöcke mit ziselierten Knaufen. Alle bewegen sich, indem sie die Nüstern weiten, vereint in dem gleichen Verlangen. Von Zeit zu Zeit löst sich die Masse um einem langen, bedeckten, von Ochsen gezogenen Wagen Platz zu machen, oder es ist ein Esel, der auf seinem Rücken ein in Schleier eingemummtes Weib schaukelt und gleichfalls gegen die Hütten zu verschwindet.

Antonius fürchtet sich; er möchte wieder zurückkommen. Allein eine unbeschreibliche Neugier drängt ihn mit fort.

Am Fuße der Zypressen in geraden Reihen kauern Weiber auf Hirschfellen und alle haben als Diadem ein Geflecht von Stricken. Einige, prächtig gekleidet, rufen laut die Vorübergehenden an. Furchtsamere verbergen ihr Gesicht unter den Armen, während hinter ihnen eine Matrone, offenbar ihre Mutter, sie ermahnt.

Andere, den Kopf in einen schwarzen Schal gehüllt mit völlig nacktem Leib, scheinen von ferne Statuen aus Fleisch und Bein. Sobald ein Mann ihnen Geld auf die Knie geworfen hat, erheben sie sich.

Und man hört Küsse unter dem Laub, – mitunter einen langen, schrillen Schrei.

Hilarion. Das sind die Jungfrauen von Babylon, die sich der Göttin preisgeben.

Antonius. Welcher Göttin?

Hilarion. Hier ist sie!

Und er zeigt ihm ganz am Ende der Allee auf der Schwelle einer beleuchteten Grotte einen Steinblock, der das Geschlechtsorgan eines Weibes darstellt.

Antonius. Schändlich! Welch ein Greuel, der Gottheit ein Geschlecht zu geben!

Hilarion. Du stellst ihn dir ja auch als lebende Person vor!

Antonius befindet sich wieder im Dunkeln.

Er bemerkt in der Luft einen leuchtenden Kreis, wagrecht ruhend auf Flügeln. Diese Art Ring umgibt, wie ein zu lockerer Gürtel, die Gestalt eines kleinen Mannes, der auf dem Haupte eine Mitra, in der Hand eine Krone trägt und dessen Unterkörper unter großen, wie ein Rock ausgebreiteten Federn verschwindet. Es ist

Ormuz, der Gott der Perser. Er flattert, indem er schreit:

Ich habe Angst! Ich sehe schon seinen Rachen!

Ich hatte dich besiegt, Ahriman! Aber du beginnst von Neuem!

Zuerst lehntest du dich gegen mich auf und bewirktest den Untergang des Ältesten der Geschöpfe: Kaiomortz, des Stiermenschen. Dann hast du das erste Menschenpaar verführt, Meschia und Meschiane; du hast die Finsternis in den Herzen verbreitet, du hast den Himmel bestürmt mit deinen Scharen.

Ich hatte die meinigen, das Volk der Sterne; und unter meinem Throne überschaute ich alle die wohlgeordneten Gestirne.

Mithra, mein Sohn, bewohnte eine unzugängliche Gegend. Er empfing dort die Seelen und ließ sie von dort ausfliegen, und jeden Morgen erhob er sich um seinen Reichtum zu ergießen.

Der Glanz des Firmaments wurde zurückgestrahlt von der Erde. Das Feuer leuchtete auf den Bergen, – ein Abbild des anderen Feuers, aus dem ich alle Wesen geschaffen hatte. Um es vor Verunreinigung zu bewahren, verbrannte man die Toten nicht. Die Schnäbel der Vögel trugen sie himmelwärts.

Ich hatte Ordnung geschaffen in den Weideplätzen, in der Beackerung des Landes, mit dem Opferholz, der Form der Trinkschalen, für die Worte, die man bei Schlaflosigkeit sprechen muß; – und meine Priester lagen beständig in Gebeten, damit die Ehrfurcht ewig währte wie die Gottheit. Man reinigte sich mit Wasser, man opferte Brote auf den Altären, man beichtete mit lauter Stimme seine Sünden.

Homa gab sich den Menschen zu trinken, um ihnen seine Stärke mitzuteilen.

Während die Genien des Himmels die Dämonen bekämpften, verfolgten die Kinder des Iran die Schlangen. Der König, den zahllose Hofleute auf den Knien bedienten, stellte meine Person vor, trug meinen Kopfputz. Seine Gärten hatten die Pracht eines Himmels auf Erden; und auf seinem Grabe ist er dargestellt, wie er ein Ungeheuer erwürgt: Das Sinnbild des Guten, welches das Böse ausrottet.

Denn ich sollte eines Tages, durch die Gunst der unbegrenzten Zeit, Ahriman endgültig besiegen.

Aber der Raum zwischen uns beiden schwindet; die Nacht steigt herauf! Hierher, ihr Amschaspanden, Izeden, Ferweren! Zu Hilfe, Mithra! Nimm dein Schwert! Caosyac, der du wiederkehren mußt für die Erlösung des Alls, verteidige mich! Wie? ... Niemand!

Ah, ich sterbe! Ahriman, du bist der Herr!

Hilarion, hinter Antonius, unterdrückt einen Schrei der Freude – und Ormuz versinkt in der Finsternis.

Hierauf erscheint

Die große Diana von Ephesus, schwarz, mit Augen von Email, die Ellenbogen an den Hüften, die Vorderarme ausgebreitet, die Hände offen.

Löwen klettern auf ihren Schultern; Früchte, Blumen und Sterne überkreuzen sich auf ihrem Busen; weiter unten entfalten sich drei Reihen von Brüsten und vom Bauch bis zu den Füßen ist sie eingezwängt in einen engen Schaft, aus welchem mit halben Leib Stiere, Hirsche, Greife und Bienen hervorkommen. – Man sieht sie im bleichen Glanze einer silbernen Scheibe, welche, rund wie der Vollmond, hinter ihrem Haupte angebracht ist.

Wo ist mein Tempel?

Wo sind meine Amazonen?

Was ist mir doch? Ich, die Makellose, werde von einer Schwäche befallen!

Ihre Blumen verblühen, ihre überreifen Früchte fallen ab. Die Löwen, die Stiere beugen den Nacken; erschöpft geifern die Hirsche, und die Bienen sterben surrend auf der Erde.

Sie preßt ihre Brüste, eine nach der andern – sie sind alle leer! Da birst der Schaft unter einer verzweifelten Anstrengung. Sie ergreift ihn von unten wie den Schoß eines Kleides und wirft ihre Tiere, ihre Blüten hinein, – dann tritt sie zurück ins Dunkel.

Und in der Ferne hört man Stimmen murmeln, grollen, brüllen, schreien und schnauben. Die schwere Nachtluft wird durch die Atemdünste noch mehr verdichtet. Die Tropfen eines warmen Regens fallen.

Antonius. Wie ist das schön, der Duft der Palme, das Beben der grünen Blätter, die Klarheit der Quellen! Ich möchte mich flach auf die Erde legen um sie an meinem Herzen zu fühlen; und mein Leben würde wieder neue Kräfte schöpfen aus ihrer ewigen Jugend.

Er vernimmt das Gerassel von Kastagnetten und Zymbeln; inmitten einer Schar von Landleuten führen Männer in weißen Tuniken mit roten Streifen einen Esel mit reichem Geschirr, bemalten Hufen, den Schwanz mit Bändern geschmückt. Ein Kästchen, bedeckt mit einem Überzug aus gelber Leinwand, schwankt auf seinem Rücken zwischen zwei Körben. Der eine derselben nimmt die Gaben auf, die man hineinlegt: Eier, Trauben, Birnen und Käse, Geflügel, Kleingeld; und der zweite ist voll von Rosen, welche die Führer des Esels vor ihm beim Gehen entblättern.

Diese haben Ohrgehänge, große Mäntel, gefochtenes Haar und geschminkte Wangen; ein Kranz von Ölzweigen wird auf ihrer Stirn abgeschlossen durch ein Medaillon mit einer kleinen Figur; Dolche stecken in ihren Gürteln; – und sie schwingen Peitschen mit Ebenholzgriffen und je drei Riemen, die mit Knochenstückchen versehen sind.

Aufrecht, wie einen Kandelaber, stellen die letzten des Zuges eine große Fichte auf den Boden, welche an ihrem Wipfel brennt und deren unterste Zweige einen kleinen Hammel beschatten.

Der Esel ist stehen geblieben. Man nimmt den Überzug ab. Darunter ist eine zweite Hülle aus schwarzem Filz. Da beginnt einer der Männer in weißer Tunika zu tanzen, wobei er auf der Schellentrommel spielt; ein anderer, auf den Knien vor dem Kästchen, schlägt das Tamburin und

Der Älteste der Schar beginnt:

Hier ist die gütige Göttin! Die idäische Urmutter der syrischen Berge! Kommt herbei, ihr wackeren Leute! Sie spendet die Freude, heilt die Kranken, bringt Erbschaften und befriedigt die Liebenden.

Wir führen sie durch die Lande bei guter und schlechter Witterung. Oft lagern wir unter freiem Himmel und nicht alle Tage haben wir einen wohlbestellten Tisch. Räuber hausen in den Wäldern. Wilde Tiere stürzen sich aus ihren Höhlen. Schlüpfrige Pfade führen an Abgründen hin. Da ist sie, da ist sie!

Sie entfernen die Hülle und ein Kästchen, das mit kleinen Rieseln besetzt ist, wird sichtbar.

Höher, wie die Zedern schwebt sie im blauen Äther. Weiter wie die Winde umfaßt sie die Welt. Ihr Atem strömt aus den Nüstern des Tigers; ihre Stimme grollt unter den Vulkanen, ihr Zorn ist das Gewitter; die Blässe ihres Angesichtes bleichte den Mond. Sie bringt die Ernten zur Reife, die Rinde zum Schwellen, den Bart zum wachsen. Spendet ihr etwas, denn sie haßt die Geizigen!

Das Kästchen öffnet sich und man unterscheidet unter einem Baldachin aus blauer Seide ein kleines Bild der Cybele – funkelnd von Flittergold, mit Türmen bekrönt, sitzend in einem Wagen aus rotem Stein, von zwei Löwen mit erhobenen Pranken gezogen.

Die Menge drängt sich, um sie zu sehen.

Der Archigallos fährt fort:

Sie liebt den Schall des Tympanon, das Stampfen der Füße, das Heulen der Wölfe, die hallenden Berge und die tiefen Schluchten, die Mandelblüte, die Granate und die grünen Feigen, den wirbelnden Tanz, die girrenden Flöten, den süßen Seim, die salzige Träne – und Blut!

Für dich, für dich! Mutter der Berge!

Sie peitschen sich mit ihren Geißeln und die Hiebe klatschen auf ihrer Brust. Das Fell der Tamburine schwingt zum Zerspringen. Sie nehmen ihre Messer und schlitzen sich die Arme auf.

Sie ist traurig; laßt uns auch traurig sein! Ihr zu Gefallen muß man leiden! Auf diese Weise werden euch eure Sünden erlassen. Das Blut wäscht alles rein; sprenget seine Tropfen aus wie Blumen! Sie verlangt nach dem eines andern – eines reinen!

Der Oberpriester erhebt sein Messer gegen den Hammel.

Antonius von Grauen erfaßt. Tötet nicht das Lamm!

Ein Purpurstrahl sprüht auf.

Der Priester besprengt damit die Menge; und alle, auch Antonius und Hilarion, stehen um den brennenden Baum und beobachten schweigend die letzten Zuckungen des Opfers.

Aus der Mitte der Priester tritt ein Weib, – ganz genau dem Bilde in dem Kästchen gleichend.

Sie bleibt stehen, da sie einen Jüngling mit einer phrygischen Mütze bemerkt. Seine Schenkel sind mit einer engen Hose bekleidet; diese ist an einzelnen Stellen in regelmäßigen Rauten geschlitzt, welche mit farbigen Schleifen zusammengefaßt sind. Er stützt sich mit dem Ellenbogen gegen einen der Äste des Baumes in schmachtender Stellung und hält eine Flöte in der Hand.

Cybele umschlingt seinen Leib mit beiden Armen. Um dich zu finden, durchstreifte ich alle Lande – und die Hungersnot verheerte die Gegenden. Du hast mich betrogen! Gleichviel, ich liebe dich! Wärme meinen Leib! Wir wollen uns vereinen!

Atys. Der Lenz kehrt nicht zurück, ewige Mutter! Trotz meiner Liebe ist es mir nicht möglich, dein Wesen zu durchdringen. Ich möchte mich mit einem farbigen Gewand bedecken, wie das deine! Ich beneide dich um deine milchstrotzenden Brüste, um die Länge deiner Haare, um deine breiten Hüften, aus denen die lebenden Wesen entspringen. Warum bin ich nicht du! Warum bin ich kein Weib? – Nein, niemals, geh!

Meine Mannheit ist mir ein Gräuel!

Mit einem scharfen Stein entmannt er sich, dann beginnt er rasend zu laufen, indem er sein abgeschnittenes Glied emporhebt.

Die Priester tun dasselbe, wie der Gott, die Gläubigen wie die Priester. Männer und Weiber vertauschen ihre Gewänder, umarmen sich; – und dieser Wirbel von bluttriefenden Fleischmaßen zieht in die Weite, während die Stimmen, immerfort hörbar, kreischender und gellender werden, gleich denen, die man vernimmt bei Leichenfeiern.

   

Oben auf einem großen mit Purpur bespanntem Katafalk steht ein Bett von Ebenholz, umgeben von Fackeln und Körben aus Silberflechtwerk, in welchen Lattich, Malven und Fenchel grünen. Auf den Stufen sitzen von oben bis unten Frauen, ganz in Schwarz gekleidet, mit gelöstem Gürtel und nackten Füßen; sie tragen große Blumensträuße mit schwermütigen Mienen.

Auf der Erde, an den Ecken des Aufbaues, rauchen Alabasterurnen, gefüllt mit Myrrhen.

Man unterscheidet auf dem Bette die Leiche eines Mannes. Er läßt den Arm hängen; ein Hund heult und leckt ihm die Nägel.

Die Fackeln stehen so enge gereiht, daß man sein Gesicht nicht sehen kann. Antonius wird von Angst erfaßt. Er befürchtet, jemand zu erkennen.

Das Schluchzen der Frauen verstummt, und nach einiger Zeit des Schweigens singen

Alle eintönig. Schön! Schön! Er ist schön! Genug geschlafen, erhebe das Haupt! Auf!

Rieche an unseren Sträußen! Es sind Narzissen und Anemonen, gepflückt in deinen Gärten, um dir zu gefallen. Belebe dich, du machst uns Angst!

Sprich! Wessen bedarfst du? Willst du Wein trinken? Willst du liegen in unseren Betten? Willst du von den Honigkuchen essen, welche die Form von kleinen Vögeln haben?

Wir wollen ihm die Flanken pressen, die Brust ihm küssen! Da! Fühlst du sie, unsere ringbeladenen Hände, wie sie über deinen Leib gleiten und unsere Lippen, die deinen Mund suchen und unsere Haare, die deine Schenkel fegen! Ohnmächtiger Gott, der du taub bist für unsere Bitten!

Sie schreien auf und zerfleischen sich das Gesicht mit den Nägeln, dann verstummen sie – und man hört immerfort das heulen des Hundes.

Wehe, wehe! Das schwarze Blut fließt auf seinem schneeigen Fleische. Seht, wie seine Knie sich zusammenkrampfen, wie seine Rippen einsinken. Die Blüten seines Angesichts haben ihren Purpur ausgeträufelt. Er ist tot!

So laßt uns weinen und trauern.

Sie kommen alle der Reihe nach und legen ihr langes Haar – von ferne schwarzen und blonden Schlangen gleich – zwischen den Fackeln nieder; – und der Katafalk senkt sich sanft bis zum Boden einer dunklen Grabhöhle, welche hinter ihm gähnt. Da neigt sich

Ein Weib über die Leiche.

Ihre Haare, welche sie nicht abgeschnitten hat, umhüllen sie vom Kopf bis zu den Fersen.

Sie vergießt so viele Tränen, daß ihr Schmerz nicht von der Art sein kann, wie der der anderen, sondern übermenschlich, grenzenlos.

Antonius denkt an die Mutter Jesu.

Sie spricht:

Du entwichest dem Osten, und du nahmst mich, die ich ganz von Tau erzitterte, in deine Arme, o Sonne! Tauben flatterten über den Azur deines Mantels; unsere Küsse zeugten linde Lüfte im Laub, und ich gab mich deiner Liebe hin im wonnigen Genusse meiner Schwäche. Wehe, wehe! Warum wolltest du in die Berge schweifen?

In der Herbstnachtgleiche hat dich ein Eber verwundet.

Du bist tot, und die Brunnen weinen, die Bäume neigen sich. Der Winter pfeift durch das nackte Gesträuch.

Meine Augen werden sich schließen, da dich das Dunkel bedeckt. Nun weilst du auf der anderen Seite der Welt, bei meiner Nebenbuhlerin, die mächtiger ist als ich.

O Persephone! Alles Schöne steigt hinab zu dir und kehrt nimmer zurück.

Während sie sprach, haben ihre Gefährtinnen den Toten aufgenommen, um ihn in das Grab zu senken. Er bleibt ihnen in den Händen, es war nur eine Leiche aus Wachs.

Antonius empfindet darüber etwas wie eine Erleichterung.

Alles verschwindet; – und die Hütte, die Felsen, das Kreuz sind wieder da. Indes unterscheidet er auf der anderen Seite des Nils ein Weib, das mitten in der Wüste steht.

Sie hält in ihrer Hand das Ende eines langen, schwarzen Schleiers, der ihr Gesicht verhüllt, während sie mit dem linken Arm ein kleines Kind trägt, das sie säugt. Ihr zur Seite kauert ein großer Affe im Sand.

Sie erhebt das Haupt zum Himmel – und trotz der Entfernung hört man ihre Stimme:

Isis. O Neith Anfang aller Dinge! Ammon Herr der Ewigkeit, Ptha Weltenschöpfer, Thoth sein Verstand, ihr Götter des Amenthi, Dreigestalten zugehörig den Landesbezirken; Sperber in den Lüften, Sphinx am Tempelrande, Ibis stehend zwischen den Hörnern der Rinder, ihr Planeten, Sternbilder, ihr Gestade, du Murmeln des Windes, Wiederglanz des Lichtes: verkündet mir, wo sich Osiris befindet!

Ich habe ihn gesucht auf allen Kanälen und auf allen Seen und weiter noch bis Byblos, der phönizischen Stadt. Anubis, mit gespitzten Ohren, sprang kläffend um mich und wühlte mit seiner Schnauze in den Tamarindenbüschen. Dank sei dir, Hundeköpfiger, du guter, Dank!

Freundlich gibt sie dem Affen zwei oder drei kleine Schläge auf den Kopf.

Der scheußliche Typhon mit rotem Haar hatte ihn getötet, in Stücke zerrissen. Wir haben alle seine Glieder wiedergefunden. Aber das habe ich nicht, welches mich fruchtbar gemacht hat.

Sie stößt gellende Klagerufe aus.

Antonius ist von Wut erfüllt. Er wirft nach ihr mit Steinen und beschimpft sie.

Schamlose! Geh fort, geh fort!

Hilarion. Hab' Ehrfurcht vor ihr! Es ist die Religion deiner Vorfahren! Du hast ihre Amulette getragen in deiner Wiege.

Isis. Ehedem, wenn der Sommer wiederkehrte, verjagte die Überschwemmung die unreinen Tiere nach der Wüste. Die Dämme öffneten sich, die Barken stießen aufeinander, keuchende Erde trank den Fluß mit trunkenen Zügen. Du, stierhörniger Gott, strecktest dich aus auf meiner Brust – und man hörte das Brüllen des unsterblichen Kindes.

Die Saaten, die Ernten, das Dreschen des Korns und die Weinlesen erfolgten in regelmäßigem Gange mit dem Wechsel der Jahreszeiten. In den immerklaren Nächten strahlten große Sterne. Die Tage waren getaucht in unwandelbaren Glanz. Man sah, wie ein königliches Paar, die Sonne und den Mond zu beiden Seiten des Horizontes. Wir thronten beide in einer erhabeneren Welt, Zwillingsherrscherpaar, vermählt seit wir dem ewigen Schoße entsprungen, – er ein Szepter tragend mit dem Windhundskopf, ich eines mit der Lotosblüte, beide aufrecht mit vereinten Händen; – und die Umwälzungen des Reiches änderten nichts an unserer Haltung.

Ägypten dehnte sich unter uns, großartig und ernst, lang gestreckt wie ein Tempelgang, mit den Obelisken zur Rechten, den Pyramiden zur Linken, seinem Labyrinth in der Mitte, – und überall Alleen von Ungeheuern, Wälder von Säulen, schwere Pylonen zu beiden Seiten der Tore, welche auf ihrem höchsten Punkte die Erdkugel zwischen zwei Flügeln trugen.

Die Wesen seines Tierkreises fanden sich wieder auf seinen Weidegründen, erfüllten mit ihren Formen und Farben seine geheimnisvolle Schrift. Geteilt in zwölf Bezirke, wie das Jahr in zwölf Monate – jeder Monat und jeder Tag hatte seinen eigenen Gott – wiederholte es die unveränderliche Ordnung des Himmels; und der Mensch, welcher starb, verlor nicht seine Gestalt, sondern, durchtränkt mit Essenzen wurde er unzerstörbar und ging schlafen während dreitausend Jahren in einem Ägypten des Schweigens. Dieses dehnte sich, größer als das andere, unter der Erde aus. Man stieg auf Treppen in Säle hinab, in welchen die Freuden der Guten dargestellt waren und die Qualen der Bösen und alles was sich in der dritten, unsichtbaren Welt ereignet. Längs der Mauern geschichtet erwarteten die Toten in gemalten Särgen ihr Los; und die Seele, welche von den Wanderungen befreit war, schlummerte weiter bis zum Erwachen in einem anderen Leben.

Osiris kam jedoch bisweilen zurück zu mir. Sein Schatten hat mich zur Mutter des Harpokrates gemacht.

Sie betrachtet das Kind.

Er ist es! Das sind seine Augen! Das ist sein Haar, wie Widderhörner geringelt. Du wirst sein Werk wiederbeginnen. Wir werden von neuem aufblühen wie der Lotos. Ich bin immer noch die große Isis! Noch niemand hat meinen Schleier gehoben! Meine Frucht ist die Sonne.

Frühlingssonne, Wolken verdunkeln dein Antlitz! Der Hauch Typhons verschlingt die Pyramiden. Eben sah ich, wie die Sphinx entfloh. Sie gallopierte wie ein Schakal.

Ich suche meine Priester, im Leinenmantel mit großen Harfen, meine Priester, die einen heiligen Nachen trugen, geziert mit silbernen Rosetten. Keine Feste mehr auf meinen Seen! Keine Beleuchtungskünste in meinem Delta! Keine Schalen voll Milch mehr in Philä! Apis ist seit langem nicht mehr erschienen.

Ägypten, Ägypten! Deinen unbeweglichen Göttern sind die Schultern gebleicht durch den Rot der Vögel, und der Wind, der über die Wüste zieht, fegt die Asche deiner Toten. – Anubis, Hüter der Schatten, verlaß mich nicht!

Der Hundskopfaffe ist verschwunden.

Sie schüttelt das Kind.

Aber ... was hast du? ... Deine Hände sind kalt, dein Kopf fallt zurück!

Harpokrates ist gestorben.

Da stößt sie einen dermaßen schrillen, trauervollen und herzzerreißenden Schrei aus, daß Antonius ihn durch einen Schrei erwidert und die Arme öffnet, um sie zu stützen.

Sie ist nicht mehr da. Er senkt das Haupt, von Scham erdrückt.

Alles, was er gesehen, vermengt sich in seinem Geiste. Es ist wie der Taumel einer Reise, wie die Übelkeit eines Rausches. Er möchte hassen; aber sein Herz wird weich gestimmt von einem zagen Mitleid. Er beginnt reichliche Tränen zu vergießen.

Hilarion. Was macht dich denn so traurig?

Antonius nachdem er lange in sich selbst gesucht. Ich denke an alle die Seelen, welche durch diese falschen Götter dem Verderbnis preisgegeben wurden.

Hilarion. Findest du nicht, daß sie ... mitunter ... gewisse Ähnlichkeiten mit dem wahren haben?

Antonius. Das ist ein Fallstrick des Teufels, um die Gläubigen besser verführen zu können. Er greift die Starken an vermittels des Geistes, die andern durch das Fleisch.

Hilarion. Aber die Unzucht zeigt in ihrer Raserei die Uneigennützigkeit der Buße. Die wahnwitzige Liebe für den Leib beschleunigt dessen Zerstörung, – und gesteht offen durch seine Ohnmacht zu, wie groß das Bereich des Unmöglichen ist.

Antonius. Was ist mir daran gelegen! Der Ekel steigt mir bis zum Halse vor diesen bestialischen Göttern, die es immer nur mit Gemetzel und Blutschande zu tun haben.

Hilarion. Erinnere dich in der Heiligen Schrift an alle die Dinge, welche dir Ärgernis geben, weil du nicht imstande bist, sie zu begreifen. Ebenso können diese Götter unter ihren sündhaften Formen die Wahrheit enthalten.

Es bleiben noch etliche zu sehen. Kehre dich um!

Antonius. Nein, Nein! Das ist gefährlich!

Hilarion. Vor kurzem wolltest du sie noch kennen lernen. Sollte dein Glaube durch Lügen zum Wanken gebracht werden? Was fürchtest du?

Die Felsen vor Antonius sind zum Gebirge geworden.

Eine Wolkenlinie durchschneidet es auf halber Höhe. Und darüber erscheint ein anderes Gebirge, ungeheuer, ganz grün, unregelmäßig, durchfurcht von Tälern, auf dessen Gipfel in einem Lorbeerhaine ein Palast von Bronze steht, mit goldenen Dachplatten und Kapitälen aus Elfenbein.

In der Mitte des Säulenganges sitzt Jupiter auf einem Throne, riesenhaft mit nacktem Oberkörper. Er hält die Siegesgöttin in der einen, den Blitzstrahl in der anderen Hand und der Adler, zwischen seinen Füßen, erhebt den Kopf.

Juno, neben ihm, rollt die großen Augen, über welchen aus einem hohen Diadem rauchähnlich ein Schleier quillt und im Winde wallt.

Dahinter steht Minerva auf einem Piedestal, sich auf ihre Lanze stützend. Das Gorgonenhaupt bedeckt ihre Brust und ein Leinenmantel fällt in regelmäßigen Falten bis zu den Nägeln der Zehen herab. Ihre meergrünen Augen, welche unter dem Visier glänzen, blicken aufmerksam in die Ferne.

Rechts von dem Palaste reitet der greise Neptun auf einem Delphin, der mit seinen Flossen eine große azurne Fläche peitscht, – den Himmel oder das Meer; denn der Horizont des Ozeans geht in den blauen Äther über, die beiden Elemente vermischen sich.

Auf der anderen Seite steht der grimmige Pluto, in nachtfarbenem Mantel, mit diamantener Krone und Ebenholzszepter, mitten auf einer Insel, die von den Windungen des Styx umströmt wird; – und dieser Fluß der Schatten stürzt sich in das Reich der Finsternis, welches unter dem Felsabhang ein großes schwarzes Loch, einen formlosen Abgrund bildet.

Mars, in Erz gepanzert, schwingt mit wilder Geste sein breites Schild und das Schwert.

Herkules, weiter unten, betrachtet ihn, auf seine Keule gestützt.

Apollo, mit strahlendem Antlitz, lenkt mit gestrecktem rechten Arm vier galloppierende Schimmel und

Ceres, in einem von Ochsen gezogenen Wagen, nähert sich ihm, eine Sichel in der Hand.

Bacchus folgt ihr auf einem niederen Wagen, sanft von Luxen gezogen. Dick, bartlos, Weinranken um die Stirne, zieht er vorbei und hält einen Mischkrug, der von Wein überströmt. Silen, an seiner Seite schwankt auf einem Esel. Pan, mit spitzen Ohren, bläst in die Hirtenflöte; die Mimalloneïden schlagen die Trommeln, die Mänaden streuen Blumen, die Bacchantinnen werfen den Kopf nach hinten mit aufgelösten Haaren.

Diana, mit geschürzter Tunika, tritt aus dem Wald in Begleitung ihrer Nymphen.

In der Tiefe einer Höhle hämmert Vulkan mit den Kabiren das Eisen; hier und dort ergießen die alten Flußgötter, gelehnt auf grüne Steine, ihre Urnen; die Musen stehen in den Tälern und singen.

Die Horen, alle von gleicher Größe, halten sich bei den Händen gefaßt, und Merkur ruht quer über einem Regenbogen, mit seinem Schlangenstab, seinen Flügelschuhen und seinem geflügelten Hut.

Auf der obersten Höhe der Götterstufen aber, unter federzarten Wolken, aus deren Rundungen bei jeder Wendung Rosen fallen, betrachtet sich Venus-Anadyomene in einem Spiegel; ihre Augen gleiten schmachtend unter den etwas schweren Lidern.

Sie hat volles, blondes Haar, das über ihre Schultern rollt, kleine Brüste, eine schlanke Taille, die Hüften ausgebuchtet wie die zierliche Rundung der Lyra, die beiden Schenkel vollkommen rund, Grübchen rings um die Knie und zarte Füße; unweit ihres Mundes flattert ein Schmetterling. Die Pracht ihres Leibes erzeugt rund um sie einen Strahlenkranz von perlmutternem Glanz. Und der ganze übrige Olymp ist getaucht in eine purpurne Morgenröte, die sich unmerklich bis auf die Höhen des blauen Himmels verbreitet.

Antonius. Ah, meine Brust weitet sich! Eine Wonne, die ich noch nicht gekannt, dringt mir bis in die tiefste Seele. Wie ist das schön, wie ist das schön!

Hilarion. Sie neigten sich aus Wolkenhöhen, um die Schwerter zu führen; man begegnete ihnen am Wegesrande, man befaß sie in seinem Hause; – und dieses Vertrautsein vergöttlichte das Leben.

Dies hatte den einzigen Zweck: frei und schön zu sein. Die weiten Gewänder erleichterten die Vornehmheit der Gebärden. Die Stimme des Redners, am Meere geübt, rollte in klangvollen Wellen durch die marmornen Hallen. Nackt rang der ölgesalbte Ephebe in der vollen Sonne. Die frömmste Handlung bestand darin, reine Formen zur Schau zu stellen.

Und diese Menschen achteten die Ehefrauen, die Greise, die Bittsteller. Hinter dem Herkulestempel stand ein Altar für die Göttin des Mitleids. Man brachte Opfer dar mit blumenumwundenen Händen. Sogar das Andenken war unbefleckt von der Fäulnis der Toten. Es blieb von ihnen nur ein Häufchen Asche. Die Seele, überfließend in den unendlichen Äther, ward zu den Göttern entrückt.

Sich zu Antonius' Ohr neigend:

Und sie leben immer noch! Der Kaiser Konstantin betet Apollo an. Du findest die Dreifaltigkeit in den Mysterien von Samothrake wieder, die Taufe bei Isis, die Auferstehung bei Mithra, das Martyrium eines Gottes in den Bacchusfesten, Proserpina ist die heilige Jungfrau, Aristäus – Jesus!

Antonius bleibt mit gesenktem Blick. Dann plötzlich wiederholt er das Glaubensbekenntnis von Jerusalem – so gut er sich erinnern kann – indem er bei jedem Absatz einen tiefen Seufzer ausstößt:

Ich glaube an einen einigen Gott, den Vater, – und an einen einigen Herrn, Jesum Christum, – den erstgeborenen Sohn Gottes, – der Fleisch und Mensch geworden ist, – der gekreuzigt wurde – und begraben, – der aufgefahren ist zum Himmel – und der wiederkommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten, – dessen Reich kein Ende haben wird; – und an einen einigen Heiligen Geist, – und an eine einige Taufe der Buße, – und an eine einige, heilige katholische Kirche, – und an die Auferstehung des Fleisches, – und an das ewige Leben.

Alsbald wächst das Kreuz, dringt durch die Wolken und wirft seinen Schatten über den Himmel der Götter.

Alle erblassen. Der Olymp hat gebebt.

Antonius unterscheidet an seinen Grundfesten, halb verloren in den Höhlen, oder die Steine mit ihren Schultern stützend, riesige angekettete Leiber. Das sind die Titanen, die Riesen, die Hekatoncheiren, die Zyklopen.

Eine Stimme erhebt sich, undeutlich und fürchterlich, – wie das Rollen der Wogen, wie das Stöhnen der Wälder unter dem Sturm, wie das Heulen des Windes in den Abgründen:

Wir haben es gewußt! Die Götter müssen enden. Uranus wurde verstümmelt durch Saturn. Saturn durch Jupiter. Er selbst wird vernichtet werden. Jeder zu seiner Zeit. Das ist das Schicksal.

Nach und nach versinken sie im Berge und verschwinden. Das goldene Dach des Palastes fliegt in alle Winde.

Jupiter ist herabgestiegen von seinem Throne. Der Donnerkeil zu seinen Füßen raucht wie ein erlöschender Brand, – und der Adler reckt den Hals und rafft mit dem Schnabel seine ausfallenden Federn zusammen.

So bin ich also nicht mehr der Herr der Dinge, der Allergütigste, Allerhöchste, der Gott der athenischen Stämme und der griechischen Völker, Urahne aller Könige, der Agamemnon des Himmels! Adler der Apotheosen, welcher Hauch aus dem Erebus trieb dich bis zu mir? Oder bringst du mir, auffliegend vom Schlachtfelde des Mars, die Seele des letzten Kaisers?

Ich will keine Menschenseele mehr! Möge die Erde sie bewahren, mögen sie sich wälzen in ihrer niederen Gemeinheit. Sie haben jetzt die Herzen von Sklaven, vergessen den Schimpf, die Vorfahren, den Eid; und überall triumphiert die Dummheit der Menge, die Mittelmäßigkeit des Einzelnen, die Häßlichkeit der Rassen.

Sein Atem jagt, als wolle er die Rippen sprengen, er ringt die Hände. Weinend reicht ihm Hebe eine Trinkschale. Er ergreift sie.

Nein, nein! Solange es noch, gleichviel wo, einen Kopf gibt, der noch einen Gedanken in sich schließt, der die Unordnung haßt und das Gesetz erfaßt, solange wird der Geist Jupiters leben.

Aber die Schale ist leer.

Er neigt sie langsam auf den Nagel seines Fingers.

Kein Tropfen mehr! Wenn die Ambrosia versiegt, so schwinden auch die Unsterblichen dahin.

Die Schale entgleitet seiner Hand; er stützt sich gegen eine Säule, den Tod im Herzen.

Juno. Hättest du nicht soviel Liebeshändel gehabt. Adler, Stier, Schwan, Goldregen, Wolke und Flamme, alle Formen hast du angenommen, hast das Licht in alle Elemente zerstreut, hast deine Haare auf allen Betten verloren. Die Scheidung ist diesmal unwiderruflich, aufgelöst ist unsere Herrschaft, unsere Existenz!

Sie entfernt sich durch die Lüfte.

Minerva hat keine Lanze mehr, und Raben, welche in den Skulpturen des Frieses genistet haben, kreisen um sie und schnappen nach ihrem Helm.

Laßt mich sehen, ob meine Schiffe, das glänzende Meer durchfurchend, zurückgekehrt sind in meine drei Häfen, warum die Lande so öde geworden und was jetzt die Töchter Athens treiben.

Im Monat Hekatombeon zog mein ganzes Volk zu mir, geführt von seinen Richtern und Priestern. Die langen Reihen von Jungfrauen schritten heran in weißen Gewändern, mit goldenen Chitonen; Schalen Körbe und Schirme in den Händen. Dann kamen die dreihundert Opferrinder, Greise, welche grüne Zweige schwenkten, Soldaten, die ihre Waffen zusammenschlugen, hymnensingende Epheben, Flötenspieler, Lyraspieler, Rhapsoden, Tänzerinnen; – und endlich am Maste eines auf Rädern laufenden Dreiruderers mein großer Schleier, gestickt von Jungfrauen, welche man ein Jahr lang auf besondere Weise ernährt hatte. Und hatte man ihn in allen Straßen, auf allen Plätzen, vor allen Tempeln gezeigt, so wurde er Schritt für Schritt den Akropolishügel hinaufgebracht, an den Propyläen vorbei, hinein ins Parthenon. Aber Schwindel erfaßt mich, – mich, die Sinnreiche! Wie? kein einziger Gedanke mehr? Ich zittere, schlimmer als ein Weib.

Sie bemerkt hinter sich eine Ruine, stößt einen Schrei aus und stürzt, an der Stirne getroffen, rücklings zu Boden.

Herkules hat seine Löwenhaut zurückgeworfen; er stemmt sich mit den Füßen an, krümmt den Rücken, beißt sich die Lippen und macht maßlose Anstrengungen, den zusammenstürzenden Olymp zu stützen.

Ich habe die Kerkopen, die Amazonen und die Zentauren besiegt, habe viele Könige getötet. Ich habe das Horn des Achelous zerbrochen, eines großen Flusses. Ich habe Berge geteilt und Ozeane vereint. Versklavte Länder habe ich befreit; unbewohnte Gebiete habe ich bevölkert. Ich habe die gallischen Lande durchwandert. Ich bin durch die Wüste gezogen, wo man durstet. Ich verteidigte die Götter und ich machte mich frei von der Omphale. Aber der Olymp ist zu schwer. Meine Arme verlieren ihre Kraft. Ich sterbe!

Er wird unter den Trümmern zerschmettert.

Pluto. Deine Schuld ist es, Amphytrione! Warum bist du in mein Reich hinabgestiegen!

Der Geier, welcher an den Eingeweiden des Tityos frißt, hob den Kopf, Tantalus bekam feuchte Lippen, das Rad des Ixion stand still. Indes streckten die Keren ihre Krallen aus, um die Seelen zurückzuhalten; die Furien würgten verzweifelt die Schlangen in ihren Haaren und Cerberus, durch dich angekettet, röchelte geifernd aus seinen drei Rachen.

Du hattest das Tor halb offen gelassen. Andere sind gekommen. Das Licht des Menschen ist in den Tartarus gedrungen.

Er versinkt in der Finsternis.

Neptun. Mein Dreizack erzeugt keine Stürme mehr.

Die Ungeheuer, welche Schrecken erregten, sind verwest auf dem Grunde der Gewässer.

Amphitrite, die mit ihren weißen Füßen über den Schaum lief, die grünen Nereïden, die man am Horizonte wahrnahm, die schuppigen Sirenen, welche die Schiffe anhielten, um Geschichten zu erzählen, und die alten Tritonen, welche in die Muscheln bliesen, – alles ist tot! Verschwunden ist die Heiterkeit des Meeres.

Ich werde es nicht überleben! Möge der weite Ozean mich bedecken.

Er verschwindet im Azur.

Diana in Schwarz gekleidet, inmitten ihrer Hunde, die zu Wölfen geworden sind.

Die Freiheit der großen Wälder hat mich berauscht, mit dem Geruch der wilden Tiere, den Dünsten der Sümpfe.

Die Frauen, deren Schwangerschaft ich beschirmte, bringen tote Kinder zur Welt. Der Mond erbebt unter den Beschwörungen der Hexen. Ich habe Verlangen nach etwas Gewaltsamem, Ungeheuerlichem. Ich möchte Gift schlürfen, mich auflösen in Dämpfen, in Träumen! ...

Und eine vorüberziehende Wolke führt sie fort.

Mars barhäuptig, blutbespritzt. Zuerst kämpfte ich allein, forderte mit Schmähungen ein ganzes Heer heraus, gleichgültig gegen Heimatliebe, aus reiner Freude am Gemetzel.

Dann hatte ich Gefährten. Sie zogen zum Klange der Flöten, wohlgeordnet in gleichem Schritt, atemholend über ihren Schildern, mit hohem Federbusch, die Lanze schräg gesenkt. Man warf sich in die Schlacht mit lautem Adlerschrei. Der Krieg war ergötzlich wie ein Gelage. Dreihundert Mann widersetzten sich ganz Asien.

Aber sie kommen wieder, die Barbaren!

In Myriaden, zu Millionen! Da sie an Anzahl, Maschinen und List uns überlegen sind, ist es besser, wie ein Held zu sterben.

Er tötet sich.

Vulkan, sich mit einem Schwamm seine schweißigen Glieder wischend. Die Welt wird kalt. Man muß die Quellen heizen, die Feuerberge und die Flüsse, welche Metalle unter der Erde wälzen! – Schlaget fester zu! Aus vollem Arm! Mit all euren Kräften!

Die Kabiren verwunden sich mit ihren Hämmern, blenden sich mit den Funken und, sich weitertastend, verlieren sie sich im Dunkel.

Ceres, aufrecht in ihrem Wagen, welcher durch Räder mit Flügeln an den Naben getragen wird.

Halt, halt!

Man hatte guten Grund, die Fremden auszuschließen, die Atheisten, die Epikuräer und die Christen! Das Mysterium des Korbes ist enthüllt worden, das Heiligtum entweiht, alles ist verloren.

Sie fährt in jähem, rasenden Abstieg, indem sie verzweifelt schreit und sich die Haare rauft.

Ha, nichts als Lüge! Daïra ist mir nicht wiedergegeben worden. Die eherne Stimme ruft mich zu den Toten.

Das ist ein zweiter Tartarus! Von dort kommt man nicht zurück! O Grauen!

Der Abgrund verschlingt sie.

Bacchus wild lachend. Was liegt daran! Des Archonten Frau ist mein Weib! Sogar das Gesetz wird betrunken. Mein ist der neue Sang und die vielfältigen Formen.

Das Feuer, welches meine Mutter verschlang, rollt in meinen Adern. Möge es noch wilder brennen – und wäre es mein Tod!

Männlich und weiblich, gut für alle, gebe ich mich euch hin, Bacchantinnen und euch, ihr Bacchanten! Die Rebe wird sich um den Stamm der Bäume ranken!

Heulet, tanzet, windet euch! Entfesselt den Tiger und den Sklaven! Mit wütenden Zähnen beißet das Fleisch!

Und Pan, Silen, die Satyren, die Bacchantinnen, Mimalloneïden und Mänaden, mit ihren Schlangen, Fackeln und schwarzen Masken werfen sich Blumen zu, enthüllen einen Phallus und küssen ihn; sie schwingen das Tympanon, schlagen mit dem Thyrsusstab, werfen sich mit Muscheln; sie verschlingen Trauben, erwürgen einen Bock – und zerreißen Bacchus.

Apollo peitscht seine Renner, sein gebleichtes Haar flattert fort. Hinter mir ließ ich das steinige Delos in solcher Klarheit, daß dort alles wie tot erscheint. Nun versuche ich Delphi zu erreichen, bevor seine Begeisterung weckenden Dünste völlig verflogen sind. Die Maultiere fressen seinen Lorbeer ab, die verirrte Pythia findet sich nicht wieder. Durch gewaltige Anspannung werde ich erhabene Dichtungen erzielen, Denkmäler für die Ewigkeit, und die ganze Materie wird durchdrungen werden von den Schwingungen meiner Zithara!

Er greift in die Saiten. Sie springen, peitschen ihm ins Gesicht. Er wirft sie fort und, indem er sein Viergespann wütend geißelt:

Nein! Genug der Formen! Noch weiter, ganz zum Gipfel! In die reine Idee!

Aber die Pferde scheuen, bäumen sich und zerschellen den Wagen. Verstrickt in die Trümmer der Deichsel und in das Gewirr des Geschirres stürzt er kopfüber in den Abgrund. Der Himmel hat sich verdunkelt.

Venus blau vor Kälte, fröstelt: Mit meinem Gürtel bildete ich den ganzen Horizont von Hellas.

Von den Rosen meiner Wangen leuchteten seine Gefilde, seine Gestade waren geschnitten nach der Form meiner Lippen und seine Berge, weißer als meine Tauben, erbebten unter dem Meißel seiner Bildner. Man findet meine Seele wieder in der Anordnung der Feste, im Aufbau der Haare, im Zwiegespräch der Philosophen und in der Verfassung der Republiken.

Aber ich habe die Männer zu sehr geliebt. Amor hat mich entehrt.

Sie stürzt weinend nieder.

Die Welt ist abscheulich. Meiner Brust fehlt die Luft.

Merkur, Erfinder der Lyra, Führer der Seelen, trage mich fort.

Sie legt einen Finger auf ihren Mund, beschreibt eine riesige Parabel und stürzt in den Abgrund.

Man sieht nichts mehr. Die Dunkelheit ist vollkommen geworden.

Indes blitzen die Augen Hilarions wie zwei rotglühende Pfeile.

Antonius bemerkt endlich seine hohe Gestalt. Mehrmals schon, während du sprachst, schienst du mir zu wachsen; – und das war keine Täuschung. Wie? erkläre mir … Dein Wesen erfüllt mich mit Grauen!

Schritte nähern sich.

Was ist das nur?

Hilarion streckt den Arm aus. Sieh hin!

Und Antonius unterscheidet im bleichen Mondlicht eine endlose Karawane, welche auf dem Felsenkamme vorüberzieht; – und alle aus dem Zug stürzen, einer nach dem andern, von der Felswand in die Tiefe.

Es sind zunächst die drei großen Götter von Samothrake: Axieros, Axiokeros, Axiokersa zu einem Bündel vereinigt, in Purpur eingemummt, mit erhobenen Händen.

Äskulap nähert sich mit schwermütiger Miene, ohne auch nur Samos und Telesphoros zu sehen, welche ihm angstvolle Fragen stellen.

Der eläïsche Sosipolis in Gestalt einer Pythonschlange rollt seine Kreise nach dem Abgrund. Doespoena stürzt schwindelnd von selbst hinein. Britomartis, heulend vor Angst, krampft sich an die Maschen ihres Netzes. Die Zentauren kommen in vollem Galopp und stürzen im wirren Durcheinander in den schwarzen Schlund. Hinter ihnen zieht hinkend die jammervolle Schar der Nymphen.

Die Wiesennymphen sind staubbedeckt, die Waldnymphen stöhnen und bluten, verwundet von der Axt des Holzhauers.

Die Gelluden, Strygen, Empusen, alle die höllischen Göttinnen werfen ihre Hakenstäbe, ihre Fackeln und Nattern zu einer Pyramide zusammen; – und obenauf sitzt Eurynome auf dem Balge eines Geiers, bläulich wie die Fleischfliege und verschlingt ihre eigenen Arme.

Dann verschwindet in einem Wirbel zusammen: Orthia, die Blutdürstige, Hymnia von Orchomenos, die Laphria von Patras, Aphia von Ägina, Bendis von Thrazien, Stymphalia mit den Vogelbeinen. Triopas hat an Stelle der drei Augen nur noch drei Augenhöhlen. Erichtonius kriecht mit kraftlosen Beinen wie ein Krüppel auf seinen Händen.

Hilarion. Ist es nicht eine Wonne, sie alle in der Erniedrigung, im Todeskampfe zu sehen! Steige mit mir auf diesen Fels und du wirst sein wie Xerxes, der seine Heeresschau hielt.

Siehst du da unten, ganz ferne, mitten im Nebel, diesen blondbärtigen Riesen, der eine Keule fallen läßt, die vom Blute gerötet ist? Es ist der Skythe Zalmoxis, zwischen zwei Planeten: Atimpasa (Venus) und Orsiloche (Luna).

Noch ferner tauchen aus bleichem Gewölk die Götter, welche man bei den Kimmeriern, noch weiter als Thule verehrte!

Ihre großen Säle waren heiß, und beim Glanze der nackten Schwerter, welche das Gewölbe schmückten, tranken sie Meth aus elfenbeinernen Hörnern. Sie aßen die Walfischleber aus Kupferplatten, welche von Dämonen geschmiedet waren, oder sie hörten den gefangenen Zauberern zu, wie sie ihre Hände über die steinernen Harfen gleiten ließen.

Sie sind müde! Sie frieren! Der Schnee lastet auf ihren Bärenfellen und ihre Füße zeigen sich durch die Risse ihrer Sandalen.

Sie beweinen die Steppen, wo sie auf rasigen Hügeln Atem schöpften in der Schlacht, die langen Schiffe, deren Schnabel die Eisberge durchschnitt und die Schlittschuhe, deren sie sich bedienten, um der Kreisbahn der Pole zu folgen, wobei sie auf ihren Armen das ganze Firmament trugen, das sich mit ihnen drehte.

Ein Schneesturm hüllt sie ein.

Antonius senkt den Blick nach einer anderen Seite. Und er bemerkt – sich schwarz abhebend auf rotem Grunde seltsame Gestalten mit Kinnbändern und Panzerhandschuhen, die sich Kugeln zuwerfen, übereinander wegspringen, Grimassen schneiden und wie toll herumtanzen.

Hilarion. Das sind die zahllosen Äsaren, die Götter Etruriens. Hier ist Tagês, der Erfinder der Vogeldeutung. Er versucht mit einer Hand die Einteilungen des Himmels zu vermehren und stützt sich mit der andern auf die Erde. Mag er dorthin zurückkehren.

Nortia betrachtet die Mauer, in welche sie Nägel schlug, um die Zahl der Jahre anzuzeichnen. Die Fläche ist davon bedeckt und die letzte Zahlenreihe ist abgelaufen.

Wie zwei Wanderer, die durch ein Unwetter verschlagen wurden, schützen sich Kastur und Pulutuk unter dem gleichen Mantel.

Antonius schließt die Augen. Genug, genug!

Aber mit lautem Flügelschlag ziehen alle Siegesgöttinnen des Kapitols durch die Luft, – sie bergen ihre Stirn in den Händen und verlieren die an ihren Armen hängenden Trophäen.

Janus, der Herr der Dämmerung, flieht auf einem schwarzen Widder, und von seinen zwei Gesichtern ist das eine schon verwest, das andere schläft ein vor Ermattung. Summanus – der Gott des dunklen Himmels, hat keinen Kopf mehr; er preßt einen alten, radförmigen Kuchen an sein Herz.

Vesta – unter einer eingestürzten Kuppel versucht ihre erloschene Lampe wiederzubeleben.

Bellona schlitzt sich die Backen auf, ohne das Blut, das ihre Gläubigen reinigte, zum Fließen zu bringen.

Antonius. Erbarmen! Sie ermüden mich!

Hilarion. Ehemals belustigten sie!

Und er zeigt ihm in einem Haine von Elsbeerbäumen ein völlig nacktes Weib auf allen Vieren wie ein Tier; es wird besprungen von einem schwarzen Mann, der in jeder Hand eine Fackel trägt.

Das ist die Göttin von Aricia mit dem Dämon Virbius. Ihr Priester, der König des Waldes, mußte ein Mörder sein; – und die flüchtigen Sklaven, die Leichenschänder, die Straßenräuber der via Salaria, die Krüppel von der Sublicischen Brücke, das ganze Gesindel aus den Dachstuben der Suburba – kannten keinen Gottesdienst, der ihnen lieber gewesen wäre.

Die Patrizierinnen aus der Zeit des Marc-Anton zogen die Libitina vor.

Und er zeigt ihm, unter Zypressen und Rosensträuchern ein anderes, mit Schleiern umhülltes Weib, das lächelt. Um sie herum liegen Hacken, Bahren, schwarze Tücher, alle Geräte für ein Begräbnis. Ihre Diamanten glänzen von ferne unter Spinnweben. Die skelettähnlichen Larvengeister zeigen zwischen den Zweigen durch ihre Gebeine und die Lemurengespenster spannen ihre Fledermausflügel.

Am Rain eines Feldes sitzt der alte Gott Terminus, entwurzelt, gebeugt, ganz mit Rot bedeckt.

Die Riesenleiche des Vertumnus wird mitten in einer Furche von roten Hunden verschlungen.

Weinend entfernen sich die ländlichen Gottheiten: Sartor, Sarrator, Vervactor, Collina, Vallona, Hostilinus, – alle bedeckt mit Kapuzenmänteln und jeder trägt etwas: eine Erdhacke, eine Heugabel, eine Hürde oder einen Sauspieß.

Hilarion. Ihre Seele war es, die dem Landhaus zum Wohlstand verhalf, mit seinen Taubenschlägen, seiner Murmeltier- und Weinbergschneckenzucht, seinen durch Netze geschützten Hühnerhöfen, mit seinen warmen, zedernduftenden Ställen.

Sie schützten das ganze elende Volk, das seine Fußketten über die steinigen Gründe des Sabinerlandes schleppte; die, welche die Schweine mit dem Horn zusammenriefen, und die, welche oben auf den Ulmen die Frucht sammelten oder auf den kleinen Pfaden die düngerbeladenen Esel trieben. Der Bauer, keuchend über dem Griff seines Pfluges, bat sie um Stärkung seiner Arme, und die Kuhhirten saßen im Schatten der Linden beim milchgefüllten Flaschenkürbis und wetteiferten mit ihren Lobliedern auf der Rohrflöte.

Antonius seufzt.

Und in der Mitte eines Raumes auf einer Erhöhung enthüllt sich ein Bett aus Elfenbein, umgeben von Personen mit Kienfackeln.

Das sind die Gottheiten des Ehestands. Sie erwarten die Braut! Domiduca mußte sie herbeiführen, Virgo ihren Gürtel lösen, Subigo sie aufs Bett legen, – und Praëma mußte ihr die Arme ausbreiten, indem sie ihr zärtliche Worte ins Ohr flüsterte.

Aber sie kommt nicht! Sie verabschieden die andern: Nona und Decima, die Pflegerinnen der Kranken, die drei Nixii, die Geburtshelfer, die zwei Ammen Educa und Potina – und Carna die Wiegerin, deren Weißdornstrauß die bösen Träume vom Kinde fern hält.

Später hätte ihm Offipago die Knie gestärkt, Barbatus den Bart verliehen, Stimula die ersten Gelüste, Volupia den ersten Genuß. Fabulinus lehrte sprechen, Numera das Rechnen, Camoena den Gesang und Consus das Nachdenken.

Der Raum ist leer; am Bettrande bleibt nur noch Naenia – hundertjährig; – sie mümmelt für sich die Klage, welche sie beim Tode der Greise zu heulen pflegte. Aber bald ist sie übertönt von durchdringendem Geschrei. Es sind

Die Hauslaren, kauernd im Hintergrunde des Atriums, in Hundsfell gekleidet, den Leib mit Blumen geschmückt. Sie halten ihre geschlossenen Hände gegen die Wangen und weinen aus ganzer Seele.

Wo ist der Anteil an Speisen, den man uns bei jeder Mahlzeit darbrachte, die gute Pflege der Dienerin, das Lächeln der Frau und die Heiterkeit der kleinen Knaben, die auf dem Mosaik des Hofes mit Knöchelchen spielten? Waren sie dann großgeworden, so hingen sie uns ihr Halsbandkügelchen aus Gold oder Leder an die Brust.

Wie waren wir glücklich, wenn am Abend eines Triumphes sich der Herr des Hauses bei der Heimkehr nassen Auges zu uns wandte. Er erzählte von seinen Kämpfen; und das enge Haus ward stolzer als ein Palast und geheiligt wie ein Tempel.

Wie waren sie lieblich, die Mahlzeiten in der Familie, besonders am Tage nach dem Totenfeste der Feralien. In ihrer Zärtlichkeit für die Verstorbenen vergaßen sie alle Zwistigkeiten, man umarmte sich und trank auf den Ruhm der Vergangenheit und auf die Hoffnungen für die Zukunft.

Aber die Ahnen aus bemaltem Wachs, die hinter uns eingeschlossen stehen, bedecken sich langsam mit Schimmel. Die neuen Geschlechter haben uns, um sich an uns für ihre Enttäuschungen zu rächen, die Kinnbacken zerschlagen; unter den Zähnen der Ratten zerfallen unsere hölzernen Leiber.

Und die unzähligen Götter, welche die Tore bewachen, die Küche, den Keller, die Badestuben, zerstreuen sich nach allen Seiten, es gleicht dem Wimmeln riesiger Ameisen oder dem Aufflattern großer Schmetterlinge.

Crepitus läßt sich vernehmen.

Auch mich hat man ehedem verehrt. Man brachte mir Spenden dar. Ich war ein Gott.

Der Athener grüßte mich als ein Vorzeichen des Glückes, während der fromme Römer mir mit gehobenen Fäusten fluchte und der ägyptische Priester, der sich der Bohnen enthielt, zitterte vor meiner Stimme und erbleichte bei meinem Geruch.

Wenn der Soldatenessig über die unrasierten Bärte floß, wenn man sich mit Eicheln, Erbsen und rohen Zwiebeln bewirtete, wenn der zerstückelte Bock in der ranzigen Butter der Hirten kochte: dann kehrte man sich nicht um den Nachbarn und niemand tat sich Zwang an. Die kräftige Nahrung machte die Verdauung geräuschvoll. Unter der Sonne, im freien Land, konnten sich die Leute gemächlich erleichtern.

So lebte ich dahin, ohne Ärgernis zu geben, wie die andern Bedürfnisse des Lebens: wie Mena, die Plage der Jungfrauen und die sanfte Rumina, welche die schwellende, blaugeaderte Brust der Amme beschützt. Ich war voll Frohsinn. Ich machte lachen. Der Gast streckte sich meinetwegen vor Behagen und duftete seine ganze Fröhlichkeit durch die Öffnungen seines Leibes aus.

Ich hatte auch meine Tage des Glanzes!

Der gute Aristophanes brachte mich auf die Bühne und der Kaiser Claudius Drusus ließ mich an seiner Tafel sitzen. In den purpurgesäumten Tuniken der Patrizier bin ich majestätisch umgezogen. Die Goldgefäße ertönten wie Tympanons unter mir; – und wenn das Innere des Herrschers, angefüllt mit Muränen, Trüffeln und Pasteten, sich mit Dröhnen Lust machte, erfuhr das achtungsbeflissene Weltall, daß der Cäsar gegessen hatte.

Jetzt aber bin ich unter den Pöbel verbannt, – und man bezeugt Abscheu schon bei meinem bloßen Namen.

Und Crepitus entfernt sich unter Seufzen.

Dann ein Donnerschlag:

Eine Stimme. Ich war der Gott der Heerschaaren, der Herr, der Herrgott!

Ich habe auf den Hügeln die Zelte Jakobs aufgeschlagen und mein Volk auf der Flucht in der Sandwüste ernährt.

Ich bin es, der Sodom verbrannte! Ich bin es, der die Erde in den Schlund der Sintflut hinabzog, der den Pharao ertrinken ließ mitsamt den königlichen Prinzen, den Kriegswagen und den Rosselenkern.

Ich war ein eifersüchtiger Gott und haßte die andern Götter. Ich zermalmte die Unreinen und zerschmetterte die Hochmütigen; und große Betrübnis ging von mir aus nach allen Seiten, wie ein Dromedar, das freigelassen ward in einem Maisfeld.

Um Israel zu befreien, erwählte ich die Einfältigen. Engel mit Flammenflügeln sprachen zu ihnen aus den Büschen.

Gesalbt mit Narden, Zimmet und Myrrhen, in durchsichtigen Gewändern und Schuhen mit hohen Absätzen gingen die Frauen furchtlosen Herzens hin und ermordeten Feldherrn. Die Propheten wurden fortgetragen im wehenden Winde.

Ich habe mein Gesetz eingegraben in steinerne Tafeln. Es umschloß mein Volk wie eine Burg. Mein Volk war es. Ich war sein Gott. Mein war die Erde, mein die Menschen mit ihren Gedanken, ihren Werken, ihren Ackergeräten und ihrer Nachkommenschaft.

Meine Lade ruhte in einem dreifachen Heiligtume, hinter purpurnen Vorhängen und brennenden Leuchtern. Ich hatte zu meinem Dienst einen ganzen Stamm, der die Weihrauchgefäße schwang, und den Hohepriester in violettem Gewande, welcher auf seiner Brust kostbare, symmetrisch geordnete Steine trug.

Wehe, wehe! Das Allerheiligste hat sich aufgetan, der Vorhang ist zerrissen, die Wohlgerüche des Brandopfers haben sich verflüchtet in alle Winde. Das Schakal winselt in den Gräbern; mein Tempel ist zerstört, mein Volk ist verstreut!

Man hat die Priester erdrosselt mit den Schnüren ihrer Gewänder.

Die Frauen sind in der Sklaverei, die Gefäße eingeschmolzen!

Die Stimme entfernt sich.

Ich war der Gott der Heerscharen, der Herr, der Herrgott!

Alsdann tritt ungeheuere Stille ein; tiefe Nacht.

Antonius. Alle sind dahingeschwunden.

Und Jemand spricht: Ich bleibe.

Hilarion steht vor ihm – aber verwandelt, schön wie ein Erzengel, leuchtend wie eine Sonne, – und so groß, daß, um ihn zu erschauen,

Antonius den Kopf zurückbeugen muß. Wer bist du?

Hilarion. Mein Reich ist von der Weite des Weltalls, und mein Sehnen kennt keine Grenzen. Immerzu schreite ich fort, befreie den Geist und wäge die Welten, ohne Haß, ohne Furcht, ohne Mitleid, ohne Liebe – und ohne Gott. Man nennt mich die Wissenschaft.

Antonius fährt zurück. Du dürftest eher – der Teufel sein!

Hilarion heftet auf ihn seine Blicke. Willst du ihn sehen?

Antonius kann sich nicht von diesem Blicke freimachen; er wird erfaßt von der Neugier nach dem Teufel. Sein Grauen steigert sich, sein Verlangen übersteigt alle Maße.

Wenn ich ihn nun sähe ... wenn ich ihn sähe? ...

Dann in einem Anfall von Wut:

Die Abscheu, die ich davor hätte, würde mich für immer von ihm befreien. – Ja!

Ein gespaltener Fuß zeigt sich.

Antonius fühlt Reue.

Aber der Teufel hat ihn schon auf seine Hörner geworfen und führt ihn mit fort.


 << zurück weiter >>