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2.

Da zeichnet sich ein großer Schatten auf der Erde ab, feiner als ein natürlicher Schatten, längs seiner Ränder von anderen Schatten eingesäumt.

Es ist der Teufel, den Ellbogen gestützt auf das Dach der Hütte, und unter seinen beiden Flügeln tragend – wie eine Riesenfledermaus, die ihre Jungen säugt – die sieben Todsünden, deren fratzenschneidende Gesichter undeutlich hervorlugen. Antonius, die Augen immer noch geschlossen, genießt seine Untätigkeit, und er streckt seine Glieder auf der Matte aus.

Sie scheint ihm mehr und mehr weich zu sein – ja sie polstert sich auf, wird höher und höher, wird zum Bett, zur Schaluppe; Wasser plätschert an ihren Seiten. Rechts und links erheben sich zwei schwarze Landzungen, die bebaute Felder beherrschen, mit vereinzelten Sykomoren. Ein Schall von Glöckchen, Tamburinen und Sängern tönt aus der Ferne. Es sind die Leute, die nach Kanopus gehen, um im Serapistempel zu schlafen und Träume zu bekommen. Antonius weiß das – und er gleitet, vom Wind getrieben, zwischen den beiden Kanalufern dahin. Die Blätter des Papyrus und die roten Blüten der Wasserlilien, von Übermenschengröße, neigen sich über ihn. Er liegt ausgestreckt auf dem Boden der Barke; ein Ruder schleift rückwärts im Wasser. Von Zeit zu Zeit kommt ein lauer Hauch und die schlanken Schilfrohre klatschen aneinander. Das Murmeln der kleinen Wellen läßt nach. Ein Schlummer der Betäubung umfängt ihn. Er träumt, er sei ein Einsiedler von Ägypten. Plötzlich fährt er auf und erhebt sich.

Habe ich geträumt? Es war so deutlich, daß ich daran zweifle! die Zunge brennt mir, ich habe Durst.

Er tritt in seine Hütte und tastet aufs Geradewohl überall umher.

Sieh da: der Boden ist feucht? hat es geregnet? Stücke meines Kruges! Er ist zerbrochen! ... aber der Schlauch?

Er findet ihn.

Leer! Vollständig leer!

Um zum Flusse niederzusteigen, bräuchte ich mindestens drei Stunden, und die Nacht ist so tief, daß ich mich nicht zurechtfinden würde. Mein Eingeweide windet sich! wo ist das Brot?

Nachdem er lange gesucht, rafft er ein Stück Kruste auf, kleiner als ein Ei.

Holzschnitt: Hermann Lismann

Der Teufel.

Wie? Sollten es die Schakale geholt haben? ah, verflucht!

Und wütend wirft er das Brot zur Erde.

Kaum ist dies geschehen, so steht ein Tisch da, bedeckt mit allen guten Dingen zum Essen. Die Byssusmatte, gestreift wie die Kopfbinde der Sphinxe, erzeugt selbsttätig leuchtende Wellen. Es liegen darauf riesige Viertel roten Fleisches, große Fische, Vögel mit ihren Federn, Vierfüßler mit den Haaren, Früchte von fast menschlicher Färbung, und Stücke weißen Eises und violette Kristallkannen strahlen sich gegenseitig wieder. Antonius unterscheidet in der Mitte des Tisches einen aus allen Poren dampfenden Eber, die Füße unter dem Bauch, die Augen halb geschlossen, und der Gedanke dies ungeheure Tier essen zu können, ergötzt ihn aufs äußerste. Dann gibt es da Dinge, die er nie gesehen: schwarzes Gehacktes, goldfarbene Gelées, Ragouts, auf denen Schwämme schwimmen wie Seeblumen auf den Teichen, Schaumspeisen, so leicht wie Wölkchen. Und der Duft von alldem führt den Salzgeruch des Ozeans mit sich, die Frische der Brunnen, das würzige Wehen der Wälder. Er spannt seine Nüstern so weit er kann; er geifert und sagt sich, daß er genug daran habe für ein Jahr, für zehn Jahre, für sein ganzes Leben!

Je weiter er seine gieren Blicke über die Gerichte schweifen läßt, desto mehr häufen sie sich, bilden eine Pyramide, deren Kanten einstürzen. Die Weine beginnen zu fließen, die Fische zu zappeln, das Blut in den Schüsseln kocht, das Fleisch der Früchte quillt empor wie verliebte Lippen. Und der Tisch steigt bis zu seiner Brust, bis an sein Kinn, – es steht nur ein einziger Teller darauf und ein einziges Brot; sie liegen gerade vor ihm.

Er will das Brot ergreifen. Andere Brote bieten sich dar.

Für mich! – – Alles! Aber ...

Antonius weicht zurück.

An Stelle eines Brotes sind da mehrere! Das ist ein Wunder, also das Gleiche, was unser Heiland getan!

In welcher Absicht? Ah, – alles andere ist ebenso unverständlich! Ha, Satan, fort, fort mit dir!

Ein Fußtritt gegen den Tisch und er verschwindet.

Nichts mehr? – Nein!

Er atmet tief auf.

Ah, die Versuchung war stark! Aber wie ich mich davon befreit habe!

Er erhebt das Haupt, strauchelt über einen klingenden Gegenstand.

Was ist denn das?

Antonius bückt sich.

Siehe da! Eine Trinkschale! Irgendein Reisender wird sie verloren haben. Das ist nichts Außerordentliches ...

Er befeuchtet seinen Finger und reibt daran.

Das glänzt! Metall! Indes ich kann nicht unterscheiden ...

Er zündet die Leuchte an und untersucht die Schale.

Sie ist von Silber, am Rande geschmückt mit Eierstab, mit einer Medaille in der Mitte des Bodens.

Er löst die Medaille mit einem Nageldruck ab.

Das ist ein Geldstück, das Kurs hat ... etwa 7–8 Drachmen, nicht mehr! Immerhin! Ich könnte mir wohl damit ein Schafsfell erhandeln.

Ein Aufleuchten der Fackel wirft plötzlich Licht auf die Schale.

Nicht möglich! Aus Gold! Ja! – ganz aus Gold.

Ein anderes größeres Geldstück findet sich auf dem Schalenboden. Unter diesem entdeckt er mehrere andere.

Aber das gibt schon eine Summe – groß genug, um drei Ochsen – ein kleines Feld zu kaufen.

Die Schale ist jetzt angefüllt mit Goldstücken.

Was denn? Hundert Sklaven, Soldaten, eine Menge um kaufen zu können, was ...

Die körnige Einfassung löst sich ab und bildet eine Perlenkette.

Mit diesem Kleinod könnte ich die Frau des Kaisers selbst gewinnen!

Mit einem Ruck läßt Antonius das Halsband auf sein Handgelenk gleiten. Er hält die Schale mit der Linken und mit dem andern Arm hebt er die Leuchte, um besser zu sehen. Wie das Wasser aus einem Becken rieselt, so ergießen sich in einem unaufhörlichen Strom – dergestalt, daß es einen Hügel auf dem Sande bildet –: Diamanten, Karfunkeln und Saphiren, untermischt mit großen Goldstücken, geprägt mit den Bildnissen der Könige.

Wie, wie? Stateren, Zyklen, Dareiken, Aryandeiken! Alexander, Demetrius, die Ptolomäer, Cäsar! Aber keiner von ihnen hatte so viel! Nichts ist mehr unmöglich! Kein Leiden mehr! Und dieser Glanz, der mich blendet! Ah, mein Herz quillt über! Wie ist das schön! ja, ja! Immer zu, niemals genug! Und wollte ich davon auch unaufhörlich ins Meer werfen, es bliebe mir immer noch! Warum davon etwas verlieren? Ich werde alles behalten, ohne es irgend jemand zu sagen; ich werde mir im Felsen eine Kammer aushöhlen lassen, die im Inneren mit Bronzeplatten ausgeschlagen ist, – und ich werde dorthin gehen, um zu fühlen, wie die Goldhaufen unter meinen Fersen einsinken; ich werde mit meinen Armen darin wühlen, wie in Säcken voll Korn. Ich will mir das Gesicht damit einreiben, mich darauf schlafen legen!

Er läßt die Leuchte fahren, um den Haufen zu umfassen und fällt auf die Brust zur Erde. Er erhebt sich. Die Stelle ist völlig leer.

Was hab ich getan! Wäre ich gestorben in dieser Stunde, das hätte mich die Hölle gekostet, unwiderruflich die Hölle!

Er zittert an allen Gliedern.

So bin ich also verdammt! Nein, nein, meine Schuld ist's: Ich lasse mich mit allen Schlingen fangen! Man kann nicht dümmer und schändlicher sein! Ich möchte mich schlagen oder vielmehr mich herausreißen aus meinem Körper! Es ist allzu lange, daß ich an mich halte. Ich habe das Bedürfnis, zu rächen, zu schlagen, zu töten! Ist es doch, als hätte ich eine Herde wilder Bestien in meiner Seele! Ich möchte mit Beilhieben mitten in einer Menschenmenge ... Ah! ein Dolch! ...

Er wirft sich auf sein Messer, das er entdeckt hat. Es gleitet aus seiner Hand, und Antonius bleibt gegen die Mauer seiner Hütte gelehnt, den Mund weit offen, unbeweglich – wie im Starrkrampf.

Die ganze Umgebung ist verschwunden. Er glaubt sich in Alexandrien auf dem Paneum, einem künstlichen Berg, welcher, von einer Treppe in Schneckenwindungen umgeben, im Mittelpunkt der Stadt errichtet ist.

Gegenüber von ihm erstreckt sich der See Mareotis, rechts das Meer, links das Land – und unmittelbar unter seinen Augen ein Gewirr von flachen Dächern. Diese werden von Süden nach Norden und von Ost nach West durchzogen von zwei Straßen, welche sich kreuzen und in ihrer ganzen Länge eine Reihe von Säulenhallen bilden mit korinthischen Kapitälen. Über diese doppelte Kolonnade ragen Häuser mit farbigen Fensterscheiben. Einige von ihnen tragen außerhalb gewaltige Holzkäfige, in denen die Außenluft sich verfängt.

Monumentalbauten verschiedenen Stils türmen sich dicht beisammen auf. Ägyptische Pylonen überragen griechische Tempel, Obelisken erscheinen wie Lanzen zwischen roten Ziegelzinnen. In der Mitte der Plätze stehen Hermen mit spitzen Ohren und Anubisstatuen mit Hundeköpfen. Antonius unterscheidet Mosaiken in den Höfen und an den Deckenbalken aufgehängte Teppiche. Er umfaßt mit einem Blick die beiden Häfen (den Großhafen und den Eunostos), beide zirkusrund, getrennt durch einen Damm, die Verbindung zwischen Alexandria und dem steil abfallenden Eiland, auf welchem sich der Leuchtturm erhebt: ein vierkantiger Bau von 500 Ellen Höhe und neun Stockwerken mit einem rauchenden Berg schwarzer Kohlen auf der Spitze. Kleine Innenhäfen bilden Ausschnitte in den Hauptanlagen. Der Damm ist, an beiden Enden abgeschlossen durch ein kleines Bauwerk, auf Marmorsäulen mitten ins Meer gebaut. Segelschiffe ziehen unten durch, – und schwere Schuten, von Waren strotzend, Ruderboote mit Elfenbein verkleidet, Gondeln mit Zeltdächern überdeckt, Dreiruderer und Zweiruderer, alle Arten von Schiffen fahren umher oder stationieren an den Kais.

Rings um den großen Hafen liegen in ununterbrochener Reihenfolge königliche Gebäude: Der Palast der Ptolomäer, das Museum, das Posidium, das Cäsareum, das Timonium, in welches sich Marc Anton flüchtete, das Soma, welches das Grab Alexanders enthält – während auf dem andern Ende der Stadt, hinter dem Eunostos, in einer Vorstadt, die Glas-, Parfüm- und Papyrosfabriken sichtbar sind.

Herumziehende Verkäufer, Lastträger, Eseltreiber laufen und drängen umher. Hier und dort ein Priester des Osiris mit dem Pantherfell auf der Schulter, ein römischer Soldat mit Bronzehelm, viele Neger. An der Schwelle der Kaufläden stehen Frauen, arbeiten Handwerker, und das Knirschen der Wagen scheucht die Vögel auf, welche auf der Erde die Abfälle der Schlächtereien und die Fischreste verschlingen.

Über das eintönige Weiß der Häuser zieht sich die Zeichnung der Straßen wie ein schwarzes Netz. Die grasbedeckten Märkte erscheinen darin wie grüne Sträuße, die Trockenböden der Färber wie Farbflecken, die Goldornamente an den Tempelgiebeln wie leuchtende Punkte, – alldas umfaßt von der ovalen Einfriedung der grauen Mauern, unter der Wölbung des blauen Himmels, gelagert am regungslosen Meer. Aber die Menschenmenge hält ein in ihrem Treiben und blickt nach Sonnenuntergang, von woher sich ungeheure Staubwirbel nähern.

Es sind die Mönche der Thebaïs, gekleidet in Ziegenfell, mit Knütteln bewaffnet, einen Chorgesang des Krieges und des Glaubens heulend mit dem Kehrreim: »Wo sind sie? Wo sind sie?« Antonius begreift, daß sie kommen, um die Arianer zu töten.

Plötzlich leeren sich die Straßen, – und man sieht nur noch fliehende Schritte. Die Einsiedler sind jetzt in der Stadt. Ihre fürchterlichen Keulenstöcke, mit Nägeln beschlagen, wirbeln wie stählerne Sonnen. Man hört das Krachen von zertrümmerten Gegenständen in den Häusern. Von Zeit zu Zeit tritt Stille ein. Dann erhebt sich großes Geschrei.

Von einem Ende der Straßen zum andern schiebt sich die Menge in ständiger Bestürzung. Mehrere tragen Spieße. Hie und da treffen sich zwei Gruppen und verschmelzen zu einer, und diese Masse gleitet über das Pflaster, löst sich auf, stürzt zu Boden. Aber immer erscheinen wieder die Männer mit den langen Haaren. Rauchschwaden schlingen sich aus Häuserwinkeln, Türflügel krachen auf, Mauerstrecken stürzen ein, Architrave brechen zusammen.

Antonius findet all seine Feinde wieder, einen nach dem andern; er erkennt einige, die er vergessen hatte; ehe er sie tötet, beschimpft er sie. Er reißt Bäuche auf, erwürgt, schlägt nieder, zieht die Greise am Barte nach, zermalmt die Kinder, prügelt die Verwundeten.

Und man rächt sich am Luxus: wer nicht lesen kann, zerreißt die Bücher; andere zerschlagen, ruinieren die Statuen, die Gemälde, die Möbel, die Truhen, tausend Kostbarkeiten, von denen sie den Gebrauch gar nicht kennen und die sie schon deshalb erbittern.

Mitunter machen sie atemlos halt, dann beginnen sie von neuem.

Die Bewohner sind klagend in die Höfe geflüchtet. Die Frauen heben ihr tränendes Auge, ihre nackten Arme zum Himmel. Um die Einsiedler zu erweichen umschlingen sie deren Knie; sie werden zurückgestoßen. Und das Blut spritzt bis zur Decke, fällt in Streifen längs der Mauern zurück, rieselt an den enthaupteten Leichenstümpfen, füllt die Wasserleitungen, bildet auf der Erde breite, rote Tümpel.

Antonius ist davon besudelt bis zu den Knien. Er watet darin; er schlürft die Tropfen auf seinen Lippen und zittert vor Wonne, das Blut an seinen Gliedern zu spüren unter seiner haarigen Tunika, die davon trieft.

Die Nacht kommt. Das ungeheure Lärmen mildert sich. Die Einsiedler sind verschwunden.

Plötzlich bemerkt Antonius auf den äußeren Galerien, welche die neun Stockwerke des Leuchtturmes umsäumen, starke schwarze Linien, als wären es Raben, die dort verweilten. Er läuft dorthin und befindet sich auf der Spitze. Ein großer Kupferspiegel, gegen die hohe See gedreht, reflektiert die Schiffe, die draußen fahren.

Antonius macht es Vergnügen sie zu betrachten, und je länger er sie betrachtet, desto größer wird ihre Anzahl.

Sie sind zusammengedrängt in einem halbmondförmigen Golf. Dahinter, auf einem Vorgebirge, thront eine neue Stadt von römischer Architektur mit steinernen Kuppeln, kegelförmigen Dächern, rosigem und blauem Marmor und einem riesigem Überfluß von Erz an den Voluten der Kapitäle, an den Häuserzinnen, an den Ecken der Gesimse. Ein Zypressenhain beherrscht die Stadt. Die Farbe des Meeres ist grüner, die Luft kühler. Auf den Bergen am Horizont liegt Schnee.

Antonius sucht seinen Weg, da spricht ihn ein Mann an mit den Worten: »Kommt, man erwartet Euch!« Er durchschreitet ein Forum, tritt in einen Hof, bückt sich unter einer Türe und kommt vor die Fassade des Palastes, die eine wächserne Gruppe schmückt, darstellend den Kaiser Konstantin, im Begriff, einen Drachen niederzustoßen. Ein Becken aus Porphyr trägt in seiner Mitte eine goldene Muschel, gefüllt mit Pistazien. Sein Führer sagt, er könne davon nehmen. Er tut es. Hierauf verliert er sich in einer endlosen Reihe von Gemächern. Längs der Mauern sieht man in Mosaik Feldherren, welche dem Kaiser auf der Handfläche eroberte Städte darbieten. Und ringsum sind Basaltsäulen, Gitter aus Silberdraht geflochten, Elfenbeinsitze, perlgestickte Teppiche.

Das Licht fällt aus den Wölbungen, Antonius schreitet weiter. Laue Dünste ziehen umher; er hört hie und da das leise Klatschen einer Sandale; Wächter, in den Vorgemächern aufgestellt, gleich Automaten, halten über ihren Schultern vergoldete Stäbe.

Endlich befindet er sich am Ende eines Saales, der im Hintergrund mit hyazinthfarbenen Vorhängen abgeschlossen ist. Sie öffnen sich, und enthüllen den Kaiser, auf einem Throne sitzend, in violetter Tunika, rote Halbstiefel mit schwarzen Bändern an den Füßen.

Ein Perlendiadem krönt sein Haar, das in symmetrischen Ringellocken geordnet ist. Er hat hängende Lider, eine gerade Nase, der Gesichtsausdruck ist träge und tückisch. An den Ecken des Baldachins, der sich über seinem Haupte spannt, sind vier goldene Tauben angebracht und am Fuße des Thrones zwei lagernde Löwen aus Email. Die Tauben beginnen zu girren, die Löwen zu brüllen. Der Kaiser rollt die Augen, Antonius tritt vor und sofort, ohne Umschweife, erzählen sie sich, was sich ereignet hat. In den Städten von Antiochia, Ephesos und Alexandrien hat man die Tempel geplündert und aus den Götterstatuen Töpfe und Pfannen gemacht; der Kaiser lacht reichlich darüber. Antonius wirft ihm seine Duldsamkeit gegenüber den Novatianern vor. Aber der Kaiser gerät in Zorn: Novatianer, Arianer, Melesianer, alle verdrießen ihn; denn wenn die Christen Bischöfe ernennen, die wieder von fünf oder sechs Personen abhängen, handelt es sich nur darum, diese zu gewinnen, um alle andern auf seiner Seite zu haben. So hat er es auch nicht daran fehlen lassen, ihnen bedeutende Summen zuzuweisen. Aber die Väter des Konzils von Nicäa seien ihm ein Greuel.

»Wir wollen sie aufsuchen!« Antonius folgt ihm. Und sie befinden sich ebenen Fußes auf einer Terrasse.

Sie hat den Ausblick auf eine Rennbahn, voll Menschen, überragt von Säulenhallen, in welchen die übrige Menge promeniert.

In der Mitte des Rennfeldes erhebt sich eine schmale Plattform, welche auf ihrer Längsseite einen kleinen Minervatempel trägt, die Statue des Konstantin und drei verschlungene Bronzeschlangen, an einem Ende große hölzerne Eier, am anderen sieben Delphine mit emporgeringelten Schwänzen.

Holzschnitt: Hermann Lismann

Paphnucius.

Hinter dem kaiserlichen Zelt staffeln sich die Kammerpräfekten, die Sklavenaufseher und die Patrizier auf, bis zum ersten Stockwerk einer Kirche, deren sämtliche Fenster von Frauen besetzt sind. Rechts ist die Tribüne der blauen Wache, links die der grünen, darunter eine Abteilung Soldaten und auf gleicher Höhe mit der Arena eine Reihe korinthischer Bogengänge, welche die Eingänge zu den Logen bilden.

Das Rennen soll beginnen, die Pferde stellen sich in einer Reihe auf. Hohe Federbüsche, zwischen ihre Ohren aufgepflanzt, schaukeln sich wie Bäume im Winde, und sie schütteln bei ihren Sprüngen muschelförmige Wagen, welche von Lenkern geführt werden in einer Art bunten Harnisch mit Ärmeln, die am Handgelenk eng, an den Armen weit sind, die Beine nackt, der ganze Bart und die Stirnhaare rasiert nach Art der Hunnen.

Antonius ist zuerst betäubt durch das Stimmengewirr. Ringsum sieht er nichts als geschminkte Gesichter, buntscheckige Gewänder, goldenen Schmuck, und der Sand der Arena glänzt in seiner Weiße wie ein Spiegel.

Der Kaiser unterhält sich mit ihm. Er vertraut ihm wichtige Dinge an, Geheimnisse, gesteht ihm die Ermordung seines Sohnes Crispus, fragt ihn sogar um Rat wegen seiner Gesundheit.

Indes bemerkt Antonius Sklaven im Hintergrund der Logen. Es sind die Väter des Nicäischen Konzils, in Lumpen, verkommen. Der Märtyrer Paphnucius strählt einem Pferde die Mähne. Theophilus wäscht die Beine eines anderen. Johannes malt die Hufe des dritten, Alexander sammelt Pferdemist in einem Korb. Antonius geht mitten unter ihnen durch. Sie bilden eine Gasse, bitten ihn, sich für sie zu verwenden, küssen ihm die Hand. Die ganze Menge verhöhnt sie, und über allemaßen genießt er ihre Erniedrigung. Siehe, er ist einer der Großen des Hofes geworden, Vertrauter des Kaisers, erster Minister! Konstantin setzt ihm sein Diadem auf die Stirne. Antonius behält es auf und findet an dieser Ehrung nichts Besonderes.

Und alsbald ersteht aus dem Dunkel ein ungeheurer Saal, erleuchtet von goldenen Kandelabern.

Säulen, so hoch, daß sie sich fast im Dämmerschatten verlieren, reihen sich hinter Tischen, welche sich bis zum Horizonte dehnen, – dort erscheinen in einem leuchtenden Dunst schichtweise aufgetürmte Treppen, Folgen von Bogengängen, Kolosse, Türme und dahinter ein nebelhafter Saum von Palästen, überragt von Zedern, welche die Dunkelheit mit ihren schwarzen Massen übertreffen.

Die Gäste, veilchenbekränzt, stützen die Ellenbogen auf ganz niedere Polsterlager. Längs dieser beiden Reihen gießen geneigte Henkelkrüge Wein aus, – und ganz im Hintergrund, allein, auf dem Haupte die Tiara, mit Karfunkeln bedeckt, ißt und trinkt der König Nabuchodonosor.

In seiner Rechten und Linken schwenken zwei Reihen Priester mit Spitzhauben Weihrauchgefäße. Unter ihm auf der Erde wälzen sich, ohne Arme und Füße, die gefangenen Könige, denen er Knochen zum Benagen zuwirft; weiter unten befinden sich seine Brüder, mit verbundenen Augen – sie sind alle blind.

Ein unaufhörliches Wimmern steigt vom Grunde der Sklavenkerker empor. Die süßen, langsamen Klänge einer hydraulischen Orgel wechseln mit den Stimmen von Chören, und man fühlt, daß rings um den Saal sich eine endlose Stadt dehnt, ein Ozean von Menschen, dessen Wellen gegen die Mauern schlagen.

Eilende Sklaven tragen Schüsseln, Weiber gehen umher und bieten zu trinken an; die Körbe ächzen unter der Last der Brote, und ein Dromedar schreitet hin und her, mit durchlöcherten Schläuchen beladen, und läßt den Saft des Eisenkrautes träufeln, um die Steinfliesen zu erfrischen.

Wilde führen Löwen herbei. Tänzerinnen, das Haar in Netze gefaßt, drehen sich auf den Händen und schnauben Feuer durch die Nase; schwarze Gaukler zeigen ihre Kunststücke, nackte Kinder werfen sich mit Schneeballen, welche von den hellen Silbergefäßen abprallen und zerplatzen. Das Lärmen und Schreien ist so ungeheuer, daß man ein Gewitter zu hören glaubt und eine ganze Wolke von Fleisch und Atem schwebt über dem Gelage. Hie und da zuckt ein Funken der großen Fackelbrände, losgerissen durch den Wind, wie ein fallender Stern durch die Nacht.

Der König wischt sich mit seinem Arm die Salböle aus dem Gesicht. Er ißt aus den geheiligten Gefäßen, dann zerbricht er sie, und in Gedanken zählt er seine Flotten, seine Armeen, seine Völker. In einer Weile wird er, vielleicht aus Laune, seinen Palast verbrennen samt seinen Gästen.

Er gedenkt den Turm von Babel wieder aufzubauen und Gott zu entthronen.

Antonius liest aus der Ferne auf seiner Stirn all seine Gedanken. Sie durchdringen ihn – und er wird Nabuchodonosor.

Alsbald ist es ihm, als hätte er sich vollgeschlungen von Verderbnis und Vernichtungswut, und es ergreift ihn das Verlangen, sich in Niederträchtigkeit zu wälzen. Ist doch die Erniedrigung dessen, was dem Menschen Schrecken einjagt, eine Schmach, die ihrem Geiste angetan wird, eine neue Art, sie in Bestürzung zu versetzen, und da nichts erbärmlicher ist als ein rohes Vieh, wirft sich Antonius auf alle Viere über den Tisch und brüllt wie ein Stier. Er fühlt einen Schmerz an der Hand – ein Kiesel hat ihn durch Zufall verletzt – und er findet sich wieder vor seiner Hütte.

Die Umfriedung der Felsen ist leer. Die Sterne strahlen. Alles schweigt.

Holzschnitt: Hermann Lismann

Nabuchodonosor.

Und wiederum habe ich mich verblenden lassen! Warum diese Dinge? Sie kommen von den Erhebungen des Fleisches! Ah, ich Elender!

Er stürzt in die Hütte, nimmt dort ein Bündel von Stricken, die an den Enden mit Metallhaken versehen sind, entblößt sich bis zum Gürtel und das Haupt zum Himmel hebend:

Nimm meine Buße an, o du mein Gott, verschmähe sie nicht ob ihrer Schwäche. Mache sie scharf, lang, gründlich! Es ist Zeit! Ans Werk!

Er gibt sich einen wütenden Hieb.

O weh! Nein! Kein Erbarmen.

Er beginnt von neuem.

Oh, oh, jeder Hieb zerreißt mir die Haut, zerschneidet mir die Glieder! Das brennt fürchterlich!

Ei, das ist nicht so schrecklich! Man gewöhnt sich daran! Mir scheint sogar ...

Antonius hält inne.

Weiter doch, Feigling, immer zu! Schön, schön! Auf die Arme, in den Rücken, auf die Brust, den Bauch, überallhin! Pfeift, ihr Strähnen, beißt mich, zerreißt mich! Ich möchte, daß die Tropfen meines Blutes bis an die Sterne spritzten, daß meine Knochen krachten, meine Nerven sich entblößten! Zangen, Marterbänke, geschmolzenes Blei herbei! Die Märtyrer haben ganz andere Dinge ertragen! nicht wahr Ammonaria?

Der Schatten der Teufelshörner erscheint wieder.

Ich hätte an die Säule neben der deinen festgebunden werden können, dir gegenüber unter deine Augen; ich hätte deine Schreie mit meinen Seufzern erwidert und unsere Schmerzen wären zusammengeflossen, unsere Seelen hätten sich verschmolzen.

Er peitscht sich mit Raserei.

Da, da, noch eins, für dich! Aber da ist mir's, als ob ein Kitzel mich überliefe. Welche Qual, welche Wonne! Wie Küsse deucht es mir! Mein Mark zerschmilzt, ich sterbe!

Und er sieht sich gegenüber drei Reiter auf Wildeseln, bekleidet mit grünen Gewändern, Lilien in den Händen haltend, alle sich ähnlich von Gesicht.

Antonius wendet sich um und er sieht drei andere Reiter von gleicher Art, auf gleichen Eseln in derselben Haltung.

Er weicht zurück. Da kommen all die Esel gleichzeitig einen Schritt näher, reiben die Schnauze an ihm und schnappen nach seinen Kleidern. Stimmen rufen:

Hierher, hierher, hier ist es! Und Standarten erscheinen zwischen den Bergspalten und Köpfe von Kamelen mit rotseidenen Halftern, Maulesel mit Gepäck beladen und Weiber, bedeckt mit gelben Schleiern, rittlings auf Schecken sitzend. Die schnaufenden Tiere lagern sich, die Sklaven stürzen sich auf die Ballen, entrollen bunte Teppiche, man breitet auf der Erde glänzende Dinge aus.

Ein weißer Elefant mit einer Schabrake aus Goldgewebe kommt herbei und schüttelt den Straußenfederbusch auf seiner Stirne. Auf seinem Rücken, unter Kissen von blauer Wolle, die Beine gekreuzt, mit halbgeschlossenen Augen den Kopf wiegend, sitzt ein Weib, so prächtig gekleidet, daß sie rings Strahlen sprüht. Die Menge wirft sich zu Boden, der Elefant beugt das Knie, und läßt sich über seine Schulter gleiten, steigt auf den Teppich und nähert sich dem hl. Antonius.

die Königin von Saba

Ihr Kleid aus Goldbrokat, regelmäßig eingeteilt durch Falbeln von Perlen, Gagaten und Saphiren, faßt ihren Leib in ein enges Mieder; dasselbe ist mit farbigen Applikationen erhöht gearbeitet, welche die zwölf Zeiten des Tierkreises darstellen. Sie hat ganz hohe Stelzschuhe an, von denen der eine schwarz ist mit silbernen Sternen besät und einem Halbmond – und der andere weiß, mit Goldpünktchen bedeckt, und einer Sonne in der Mitte.

Aus ihren breiten, mit Smaragden und Vogelfedern besetzten Ärmeln sieht man nackt ihren kleinen runden Arm, geschmückt am Handgelenk mit einem Armband aus Ebenholz und ihre ringbeladenen Hände enden mit so spitzen Nägeln, daß ihre Fingerspitzen fast Nadeln gleichen.

Eine Kette von Goldplättchen zieht sich ihr unter dem Kinn längs über die Wangen, rollt sich in Spiralen um ihr Haar, das mit blauem Puder eingestäubt ist, dann steigt sie wieder herab, streift ihre Schultern und wird über ihrem Busen durch einen diamantenen Skorpion festgehalten, der seine Zunge zwischen ihre Brüste reckt. Zwei mächtige blonde Perlen hängen schwer an ihren Ohren. Der Rand ihrer Augenlider ist schwarz gemalt. Auf der linken Wange hat sie ein braunes Muttermal, und sie atmet auf mit offenem Munde, als wenn die Schnürbrust sie beengte.

Sie schüttelt beim Gehen einen grünen Sonnenschirm mit Elfenbeingriff, eingesäumt mit vergoldeten Glöckchen, und zwölf kleine, krausköpfige Neger tragen die lange Schleppe ihres Kleides, deren äußerstes Ende ein Affe hält und es von Zeit zu Zeit in die Höhe hebt.

Holzschnitt: Hermann Lismann

Königin von Saba.

Sie spricht: Ah, schöner Eremit, schöner Eremit! Es vergeht mir das Herz! Vor Ungeduld habe ich zuviel mit dem Füßchen gestampft, daß ich Schwielen an der Ferse bekommen habe, und ich habe mir einen meiner Nägel abgebrochen! Ich schickte Hirten aus, die auf den Bergen stehen blieben, die Augen schirmend mit der Hand, und Jäger, welche deinen Namen ausriefen in den Wäldern, und Späher, welche über alle Landstraßen eilten und jeden der Vorübergehenden fragten: Habt Ihr ihn gesehen?

Des Nachts weinte ich, das Gesicht gegen die Wand gelehnt. Meine Tränen haben auf die Dauer zwei kleine Löcher im Mosaik gebildet, wie die Tümpel von Seewasser in den Felsen; denn ich liebe dich! Oh ja, gar sehr!

Sie faßt ihn am Bart.

Lach' doch, schöner Eremit, lach' doch! Ich bin sehr lustig. Du wirst sehen! Ich zupfe die Leier, ich tanze wie eine Biene und ich weiß eine Menge von Geschichten zu erzählen, eine unterhaltender wie die andere. Du kannst dir nicht ausdenken, was für einen langen Weg wir gemacht haben. Sieh die Wildesel an von den grünen Eilboten, sie sind tot vor Ermattung.

Die Esel liegen ausgestreckt auf der Erde, ohne sich zu regen.

Seit drei großen Monden sind sie gelaufen, immer zu, mit einem Kieselstein zwischen den Zähnen, um den Wind zu hemmen, den Schweif immer kerzengerade, die Knie immer gebeugt und immer im Galopp. Man wird ihresgleichen nicht mehr finden! Ich bekam sie von meinem Großvater mütterlicherseits, dem Kaiser Saharil, dem Sohne des Jakhschab, des Sohnes Jaarabs, des Sohnes Kastans. Ach, lebten sie noch! Wir spannten sie an eine Kutsche für uns und kehrten rasch nach Hause zurück! Aber – wie? an was denkst du?

Sie mustert ihn.

Ja, wenn du mein Mann bist, werde ich dich kleiden, parfümieren, enthaaren.

Antonius bleibt unbeweglich, steifer wie ein Pfahl, bleich wie eine Leiche.

Du siehst traurig aus; ist es, weil du deine Hütte verlassen sollst? Ich habe alles für dich verlassen, sogar den König Salomon, der gewiß viel Weisheit besitzt, 20 000 Kriegswagen und einen schönen Bart! Ich habe dir meine Hochzeitsgeschenke mitgebracht. Wähle!

Sie geht umher zwischen den Reihen der Sklaven und Waren.

Hier ist Balsam von Genezareth, Weihrauch vom Kap Gardefan, Ladangummi, Kaneel und Silphium, gut, um die Saucen zu würzen. Hier drinnen sind Stickereien von Assur, Elfenbein vom Ganges, Purpur von Elisa, und diese Kiste mit Schnee enthält einen Schlauch voll Chalibon, einem Wein, der aufbewahrt wird für die Könige von Assyrien, und den man ungemischt trinkt aus dem Horn des Einhorns. Hier sind Halsketten, Spangen, Haarnetze, Sonnenschirme, Goldpuder aus Baasa, Zinnstein aus Tartessus, blaues Holz von Pandio, weiße Pelze von Issedonien, Karfunkel von der Insel Paläsimonda und Zahnstocher aus den Borsten des Taschas gefertigt, einem Tier, das sich unter der Erde aufhält und nicht mehr zu finden ist. Diese Kissen sind aus Emath, diese Mantelfranzen von Palmyra. Auf diesem Teppich aus Babylon sind – aber komm doch, so komm doch! –

Sie zieht den hl. Antonius am Ärmel. Er widersteht. Sie fährt fort:

Dies feine Gewebe, das unter den Fingern knistert wie Funken, ist der berühmte gelbe Stoff, den die Kaufleute aus Bactriana gebracht. Sie brauchten 43 Dolmetscher auf ihrer Reise. Ich lasse dir davon Kleider machen, die du zu Hause anziehen magst.

Öffnet die Schließhaken an dem Kästchen aus Sykomorenholz und gebt mir die Elfenbeinkassette, die sich am Sattelknauf meines Elefanten befindet.

Man zieht aus einer Schachtel etwas Rundes, Schleierbedecktes, und bringt eine kleine, ziselierte Truhe.

Willst du das Schild des Dschian-ben-Dschian, welcher die Pyramiden gebaut hat? Hier ist es. Es ist zusammengesetzt aus sieben Drachenhäuten, die übereinandergelegt mit Diamantschrauben zusammengefaßt und in der Galle eines Vatermörders gegerbt sind. Auf einer Seite sind alle Kriege dargestellt, welche seit Erfindung der Waffen stattgefunden haben, auf der anderen alle Kriege, welche noch bis zum Ende der Welt stattfinden werden. Der Blitz prallt davon ab, wie eine Kugel von Kork. Ich werde es dir an den Arm geben und du magst es auf der Jagd tragen. Aber: wenn du wüßtest, was ich in meiner kleinen Büchse habe! dreh sie um, versuche sie zu öffnen! Niemand wird es gelingen; küsse mich, ich werde es dir dann sagen.

Sie faßt den hl. Antonius bei beiden Wangen; er stößt sie mit gestreckten Armen zurück.

Es war in einer Nacht, da verlor der König Salomon den Kopf. Endlich wurden wir handelseinig. Er erhob sich, ging hinaus mit leisen Schritten ...

Sie dreht sich um sich selbst.

He, He! Schöner Eremit, du erfährst es nicht, du erfährst es nicht!

Sie schüttelt ihren Schirm, daß alle Glöckchen ertönen.

Und ich habe noch viele andere Sachen, siehst du! Ich habe Schätze, die verschlossen sind in Galerien, in denen man sich verirrt wie in einem Walde. Ich habe Sommerpaläste aus Rohrgeflecht, habe Winterpaläste aus schwarzem Marmor. Inmitten von Seen, groß wie das Meer, habe ich Inseln, rund wie Silbermünzen, alle bedeckt von Perlmutter; ihre Ufer lassen Musik ertönen beim Anprall der lauen Wogen, die über den Sand rollen. Die Sklaven meiner Küchen nehmen Vögel aus meinen Vogelhäusern und holen den Fisch aus meinen Teichen. Ich habe Künstler, die ständig sitzen, um mein Bild in harte Steine zu schneiden, keuchende Erzgießer, die meine Statuen formen, Meister der Parfümerie, welche den Saft der Pflanzen mit Essenzen mischen und Salben reiben. Ich habe Schneiderinnen, die mir die Stoffe zuschneiden, Goldarbeiter, die meine Schmuckstücke ausarbeiten, Haarkünstlerinnen, die neue Haartrachten für mich erfinden, und aufmerksame Maler gießen auf das Wandgetäfel kochende Harze, welche sie mit Fächern abkühlen. Ich habe Dienerinnen genug für ein ganzes Harem, Eunuchen genug für eine ganze Armee. Ich habe Heere, ich habe Völker! Ich habe in meinem Vorhof eine Wache von Zwergen, die auf dem Rücken elfenbeinerne Trompeten tragen.

Antonius seufzt.

Ich habe Gazellengespanne, Viergespanne mit Elefanten, Hunderte von Kamelpaaren und Stuten mit so langer Mähne, daß sich beim Galoppieren ihre Hufe darin verwickeln. Und Herden mit so breiten Hörnern, daß man die Waldungen vor ihnen niederschlagen muß, wenn sie weiden. Ich habe Giraffen, die in meinen Gärten promenieren und ihren Kopf auf den Rand meines Daches legen, wenn ich dort nach dem Essen die frische Luft genieße.

In einer Muschel sitzend, von Delphinen gezogen, mache ich Lustfahrten in den Grotten und höre das Wasser von den Tropfsteinen fallen. Ich fahre ins Land der Diamanten, wo die Magier, meine Freunde, mich die schönsten auswählen lassen; dann steige ich wieder ans Land und kehre heim.

Sie läßt einen schrillen Pfiff ertönen – und ein großer Vogel, vom Himmel niedersteigend, läßt sich auf dem Scheitel ihres Haares nieder, sodaß er den blauen Puder stäuben macht. Sein orangefarbenes Gefieder scheint aus metallischen Schuppen zusammengesetzt zu sein. Sein kleiner Kopf, mit einem silbernen Schopf geschmückt, zeigt ein menschliches Gesicht. Er hat vier Flügel, Geierkrallen und einen ungeheuren Pfauenschweif, den er als Rad hinter sich ausbreitet.

Er ergreift mit seinem Schnabel den Sonnenschirm der Königin, schwankt ein wenig, bis er das Gleichgewicht gefunden, dann bleibt er mit gesträubten Federn unbeweglich sitzen.

Dank, schöner Simorg-anka! der du mir mitgeteilt hast, wo sich mein Liebster verbarg! Dank, Dank! Gesandter meines Herzens! Schnell, wie der Wunsch, ist sein Flug. In einem Tage umfliegt er die ganze Welt. Abends kommt er zurück; er setzt sich an das Fußende meines Lagers und erzählt mir, was er gesehen hat, von den Meeren, die unter ihm vorbeigezogen, mit ihren Fischen und Schiffen, von den großen leeren Wüsten, die er von Himmelshöhen betrachtet, von all den Ernten, die sich auf den Feldern bogen, von den Pflanzen, die auf den Mauern verlassener Städte wucherten.

Sie ringt schmachtend die Hände.

Oh, wenn du wolltest wenn du wolltest ! ... Ich habe ein Sommerhaus auf einem Vorgebirge in der Mitte einer Landenge, zwischen zwei Ozeanen. Es ist getäfelt mit Glasplatten, der Boden belegt mit Schildpatt und steht allen vier Winden des Himmels offen. Von dort oben sehe ich, wie meine Flotten heimkehren, wie das Volk mit Lasten auf den Schultern den Hügel hinaufsteigt. – Wir würden auf Daunen schlafen, weicher als Wolken, wir tränken kalte Getränke aus Schalen von Früchten, und wir betrachteten die Sonne durch Smaragden! Komm! ...

Antonius weicht zurück. Sie nähert sich ihm, gereizten Tones.

Wie? Nicht reich, nicht kokett, nicht verliebt? Ist das all das nicht, was du haben willst, wie? Aber geil, fett, mit rauher Stimme, Haaren von Feuerfarbe und prallem Fleisch? Ziehst du einen Leib vor, der kalt ist wie Schlangenhaut? oder etwa große schwarze Augen, dunkler als die geheimnisvollen Höhlen? Betrachte sie, meine Augen!

Antonius betrachtet sie wider Willen.

All die Weiber, welchen du begegnet bist, von der Dirne an der Straßenecke, die unter ihrer Laterne singt, bis zu der Patrizierin, die Rosen entblättert von der Höhe ihrer Sänfte, all die Formen, die du gesehen, all die Phantasien deiner Sehnsucht, verlange sie! Ich bin kein Weib, ich bin eine Welt! Meine Kleider brauchen nur zu fallen, und du entdeckst an meinem Leibe eine ewige Folge von Geheimnissen!

Antonius steht mit Zähneklappern.

Wenn du deinen Finger auf meine Schulter legen wolltest, es wäre wie ein laufendes Feuer in deinen Adern. Die Besitznahme des kleinsten Teiles meines Leibes wird dich mit heißerer Freude erfüllen als die Eroberung eines Kaiserreichs. Reich mir deine Lippen! Meine Küsse haben den Geschmack einer Frucht, die in deinem Herzen schmilzt! Ah, wie sollst du dich verlieren unter meinen Haaren, schlürfen an meiner Brust, an meinen Gliedern dich ergötzen; meine Augensterne sollen dich in Flammen setzen, in meinen Armen, in einem Wirbel ...

Antonius macht das Zeichen des Kreuzes.

Du verachtest mich! Lebwohl!

Sie entfernt sich, weinend, dann sich zurückwendend:

Ist es auch gewiß? Ein so schönes Weib!

Sie lacht und der Affe, der den Saum ihres Gewandes hält, hebt ihn auf.

Du wirst es bereuen, schöner Eremit, du wirst seufzen! dich ärgern! Aber, was liegt mir daran! la-la-la-oh-oh-oh!

Sie entfernt sich hüpfend, das Gesicht in den Händen.

Die Sklaven ziehen an dem hl. Antonius vorbei, die Pferde, Dromedare, der Elefant, die Dienerinnen, die Maulesel, denen man wieder aufgeladen, der Affe, die grünen Läufer, in der Hand ihre Lilie, zerbrochen – und die Königin von Saba zieht ab, mit einer Art krampfhaften Glucksen, das einem Schluchzen gleicht – oder einem Kichern.


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