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1.

In der Thebaïs, auf der Höhe eines Gebirges, Terrasse in Halbmondform gerundet, eingeschlossen von großen Steinen.

Die Hütte des Eremiten nimmt den Hintergrund ein. Sie ist aus Lehm und Röhricht gefertigt, mit flachem Dache, ohne Türe. Man unterscheidet im Innern einen Krug mit einem schwarzen Brot; in der Mitte, auf einer Holzsäule, ein dickes Buch. Auf der Erde, hier und dort, Fasern von Flechtwerk, zwei oder drei Matten, einen Korb, ein Messer.

Zehn Schritte von der Hütte ist ein langes Kreuz in den Boden gepflanzt; am andern Ende der Plattform neigt sich ein alter, gewundener Palmbaum über dem Abgrund; denn das Gebirge fällt steil ab, und der Nil bildet am Fuße der Felswand scheinbar einen See. Die Aussicht ist rechts und links beschränkt durch die Einfriedung der Felsen. Aber nach der Seite der Wüste erstrecken sich, gleich abgestuften Dünungen, ungeheure gleichlaufende Wellenlinien von aschblonder Tönung, eine hinter der andern, ständig ansteigend; und jenseits der Sandmassen, ganz in der Ferne, bildet die libysche Bergkette eine kreidefarbene Mauer, leicht verwischt durch violette Dünste. Gegenüber senkt sich die Sonne. Der Himmel im Norden ist von perlgrauer Färbung, während sich im Zenit purpurne Wolken, hingestreckt wie die Flocken einer Riesenmähne, über die blaue Wölbung dehnen. Diese Flammenspeichen verdunkeln sich, die azurblauen Partien nehmen eine perlmutterfarbene Bleichung an; die Sträucher, die Kiesel, die Erde, alles erscheint jetzt hart wie Bronze, und im Raume schwebt ein goldener Staub, so fein, daß er sich verliert in den Schwingungen des Lichtes.

Der heilige Antonius,

welcher einen langen Bart trägt, lange Haare und eine Tunika von Ziegenfell, sitzt mit gekreuzten Beinen, beschäftigt mit Mattenflechten. Da die Sonne verschwindet, stößt er einen schweren Seufzer aus und spricht, den Horizont bewachend:

Wieder ein Tag! Ein Tag vorüber!

Einstmals war ich doch nicht so elend!

Vor dem Ende der Nacht begann ich meine Gebete; dann stieg ich hinab zum Flusse, Wasser zu holen, und ich kam zurück über den rauhen Pfad mit dem Schlauch auf meiner Schulter, Hymnen singend. Dann machte es mir Freude, alles in meiner Hütte zu ordnen. Ich nahm mein Werkzeug; ich war bedacht, daß meine Matten ganz gleichmäßig wurden und meine Körbe leicht; denn meine geringste Betätigung erschien mir damals als eine Pflicht, die nichts Mühseliges an sich hatte. Zu geregelten Stunden verließ ich meine Arbeit, und indem ich, die beiden Arme ausgebreitet, betete, fühlte ich, wie eine Quelle von Erbarmen aus Himmelshöhen sich in mein Herz ergoß. Jetzt ist sie versiegt. Warum? ...

Langsam schreitet er durch die felsige Umfriedung.

Alle tadelten mich, als ich das Elternhaus verließ. Meine Mutter sank sterbend zu Boden, aus der Ferne machte mir meine Schwester Zeichen zurückzukommen, und die andere weinte, Ammonaria, dieses Kind, das ich jeden Abend am Rande der Zisterne traf, wenn sie ihre Büffel zur Tränke führte. Sie lief mir nach. Die Ringe an ihren Füßen glitzerten im Staub und ihre Tunika, offen an den Hüften, flatterte im Wind. Der alte Asket, der mich fortführte, rief ihr Schmähungen nach. Unsere beiden Kamele galoppierten immerzu, und ich habe niemanden wiedergesehen.

Zuerst wählte ich als Aufenthalt das Grab eines Pharao. Aber ein Zauber kreist in diesen unterirdischen Palästen, wo die Schatten verdichtet scheinen durch den ehemaligen Rauch von Weihedüften. Aus der Tiefe der Sarkophage hörte ich eine schmerzliche Stimme steigen, die mich rief; oder ich sah plötzlich die entsetzlichen Dinge lebendig werden, die auf den Mauern gemalt waren, und ich floh bis zum Strand des roten Meeres in die Ruinen einer Feste. Dort hatte ich als Gesellschaft die Skorpione, die sich zwischen den Steinen hinschleifen, und über meinem Haupte kreisten Adler unablässig in dem blauen Himmel.

Nachts wurde ich von Krallen zerrissen, von Schnäbeln gebissen, von weichen Flügeln gestreift; fürchterliche Dämonen heulten mir in die Ohren und warfen mich zu Boden. Einmal kamen mir sogar die Leute einer Karawane, die nach Alexandrien zog, zu Hilfe und nahmen mich hierauf mit sich fort.

Dann wollte ich mich belehren lassen von dem guten greisen Didymus. Obwohl er blind war, kam ihm niemand gleich in der Kenntnis der heiligen Schrift. Wenn die Lehrstunde zu Ende war, verlangte er nach meinem Arm, um spazieren zu gehen.

Ich führte ihn auf das Paneum, von wo aus man den Leuchtturm wahrnimmt und das hohe Meer. Dann kamen wir zurück über den Hafen, umdrängt von Menschen aller Nationen, bis zu den Kimmerien, in Bärenfelle gekleidet, und den Gymnosophisten des Ganges, die mit Kuhmist eingerieben sind. Aber unaufhörlich gab es da irgendeine Schlägerei in den Straßen, wegen der Juden, welche die Steuern nicht zahlen, oder der Aufständigen halber, welche die Römer verjagen wollten. Außerdem ist die Stadt voll von Ketzern, Anhängern von Manès, Valentinus, Basilides, Arius – alle fallen über einen her, um zu diskutieren und einen zu überzeugen.

Ihre Reden kommen mir manchmal in Erinnerung. Umsonst bemüht man sich, nicht darauf zu achten! es verwirrt einen doch!

Ich flüchtete nach Colzim, und meine Bußtätigkeit war so stark, daß ich keine Furcht mehr hatte vor Gott. Einige sammelten sich um mich, um Anachoreten zu werden. Ich legte ihnen eine praktische Disziplin auf, aus Haß gegen die Albernheiten der Gnostik und gegen die Anmaßung der Philosophen. Von allen Seiten schickte man mir Botschaften. Von weiter Ferne kam man mich zu besuchen. Unterdessen folterte das Volk die Gläubigen und der Durst nach dem Martyrium zog mich nach Alexandrien. Die Verfolgung war seit drei Tagen eingestellt worden! Als ich davon zurückkam, wurde ich aufgehalten durch eine Menschenwelle vor dem Serapistempel. Das war, wie man mir sagte, ein letztes warnendes Beispiel, das der Statthalter geben wollte. In der Mitte der Säulenhalle, in voller Sonne, war ein nacktes Weib an eine Säule festgebunden, zwei Soldaten peitschten sie mit Riemengeißeln; bei jedem Hieb wand sich ihr ganzer Körper. Sie beugte sich zurück mit offenem Munde, – und über die Menge hinweg, durch ihre langen Haare, welche ihre Züge bedeckten, glaubte ich Ammonaria zu erkennen. Allein ... diese da war größer – und schön – wunderschön! Fährt mit den Händen über die Stirn. Nein, nein! Ich will nicht daran denken!

Ein anderesmal rief mich Athanasius, ich solle ihn gegen die Arianer stützen. Im ganzen blieb es bei Beschimpfungen und Gelächter. Aber seitdem ist er verleumdet, abgesetzt und verjagt worden. Wo ist er jetzt? Ich weiß nichts. Man kümmert sich viel darum, nur Nachrichten zu bringen! All meine Schüler haben mich verlassen, Hilarion wie die andern.

Er war vielleicht 15 Jahre alt, als er kam, und so intelligent und wißbegierig, daß er mir jeden Augenblick Fragen stellte. Dann hörte er zu mit nachdenklicher Miene, und die Dinge, deren ich bedurfte, brachte er mir ohne Murren, behende wie ein Zicklein, im übrigen fröhlich, daß er die Patriarchen zum Lachen gebracht hätte. Das war ein Sohn für mich!

Der Himmel ist rot, die Erde vollkommen schwarz. Unter den Windstößen erheben sich Sandwolken wie große Leichentücher und fallen dann wieder zurück. Plötzlich, in einer Lichtung, ziehen Vögel vorüber, welche eine dreieckige Gruppe bilden, ähnlich einem Stück Metall, dessen Rand in zitternde Schwingungen geraten ist. Antonius sieht ihnen nach.

Ach wie gerne wollte ich ihnen folgen!

Wie oft habe ich nicht auch mit Neid die langen Schiffe betrachtet, deren Segel gleich Flügel sind, besonders, wenn sie diejenigen mit sich in die Ferne nahmen, die ich bei mir aufgenommen hatte. Was hatten wir für gute Stunden! Welch ein Ergießen! Keiner hat mich mehr gefesselt als Ammon; er erzählte mir von seiner Reise nach Rom, von den Katakomben, dem Kolosseum, der Frömmigkeit erlauchter Frauen, und tausend anderen Dingen! – und ich habe nicht mit ihm ziehen wollen!

Woher kommt meine Hartnäckigkeit, ein derartiges Leben weiterzuführen? Ich hätte gut getan, bei den Mönchen von Nitrium zu bleiben, da sie mich doch inständig darum gebeten hatten. Sie bewohnen Einzelzellen und stehen trotzdem untereinander in Verbindung. Am Sonntag ruft die Trompete sie in die Kirche zusammen, wo man drei Strickpeitschen hängen sieht, die dazu dienen, die Missetäter, die Diebe und die Einbrecher, zu bestrafen; denn ihre Disziplin ist streng. Bei alledem fehlt es ihnen nicht an gewissen Annehmlichkeiten. Gläubige bringen ihnen Eier, Früchte und sogar Instrumente, um sich die Dornen aus den Füßen zu ziehen. Weingärten liegen um Pisperi, die Leute von Pabenum haben ein Floß, um Lebensmittel zu holen.

Holzschnitt: Hermann Lismann

Hilarion als Knabe.

Ich hätte aber meinen Brüdern besser gedient, wäre ich einfach Priester geworden.

Man hilft den Armen, verteilt die Sakramente, man hat ein Ansehen in den Familien.

Im übrigen sind auch die Laien nicht alle verdammt und es läge nur an mir ... zum Beispiel ... Grammatiker, Philosoph zu werden. Ich hätte in meinem Zimmer eine Sphäre aus Rohr, immer Schreibtäfelchen zur Hand, junge Leute um mich, und an meiner Türe, als Kennzeichen aufgehängt, einen Lorbeerkranz.

Aber es steckt zu viel Hoffart in diesen Triumphen, Soldat sein wäre besser. Ich war stark und kühn – hinreichend um die Seile der Wurfmaschinen zu spannen, dunkle Wälder zu durchstreifen, mit dem Helm auf dem Kopfe in rauchende Städte einzudringen! ... Nichts hinderte mich auch daran, mit meinem Gelde eine Stelle als Zollbeamter an irgendeiner Brücke zu kaufen, und die Reisenden hätten mir Geschichten erzählt, und aus ihrem Gepäck eine Menge merkwürdiger Dinge gezeigt.

Die Kaufleute von Alexandrien fahren an Festtagen auf dem Fluß von Kanopus und trinken Wein aus den Kelchen des Lotos, beim Lärm der Tamburine, welche die Kneipen längs der Ufer erzittern machen. Jenseits schützen kegelförmig geschnittene Bäume die ruhigen Gutshöfe gegen den Südwind. Das Dach des Hauses stützt sich auf schlanke kleine Säulen, die so nahe stehen wie die Stäbe eines Gitters, und durch ihre Zwischenräume überschaut der Hausherr, ausgestreckt auf einen langen Liegestuhl, all seine Felder ringsum, mit den Jägern im Korn, der Kelter, in welcher man den Wein preßt, mit den Ochsen, welche das Getreide stampfen. Seine Kinder spielen auf dem Boden, seine Frau neigt sich, um ihn zu umarmen.

In der weißlichen Dunkelheit der Nacht erscheinen hier und dort spitze Schnauzen, mit ganz geraden Ohren und funkelnden Augen. Antonius geht auf sie zu; Steine rollen, die Tiere fliehen. Es war eine Herde Schakale.

Ein einziges ist zurückgeblieben, es hält sich auf zwei Pfoten, den Körper im Halbkreis und den Kopf schief, in einer Haltung voll Mißtrauens.

Wie ist es schön! Ich möchte ihm sanft über den Rücken streicheln.

Antonius pfeift, um es anzulocken. Das Schakal verschwindet.

Ah! Es läuft zu den andern! O diese Einsamkeit! Diese Langweile!

Bitter lachend.

Ein schönes Dasein: Stöcke vom Palmbaum im Feuer zu drehen um daraus Hirtenstäbe zu machen, Körbe zu formen und Matten zu nähen, dann all das mit den Nomaden auszutauschen gegen Brot, an dem Du dir die Zähne ausbeißen kannst! Ach über mein Elend! So wird das niemals enden? Selbst der Tod wäre besser! Ich kann nicht mehr! genug, genug!

Stampft auf, geht raschen Schrittes in der Felsenmitte umher, bleibt endlich atemlos stehen, bricht in Schluchzen aus, wirft sich seitlings auf die Erde.

Die Nacht ist ruhig, zahlreiche Sterne flimmern, man hört nur das Klappern der Taranteln.

Die beiden Arme des Kreuzes bilden einen Schatten auf dem Sande. Antonius, weinend, bemerkt ihn.

Bin ich gar so schwach, mein Gott! Mut, steh auf!

Er tritt in seine Hütte, entdeckt eine vergrabene Kohle, zündet eine Leuchte an und stellt sie auf die Holzsäule, so daß das dicke Buch beleuchtet wird.

Wenn ich nähme ... das Leben der Apostel? ... Ja! ... gleichgültig wo! »Er sah den Himmel aufgetan mit einem großen Tuch, das herabhing an den vier Zipfeln, in welchen es alle Sorten gab von Tieren der Erde und wilden Bestien, Gewürm und Vögeln; und eine Stimme sagte zu ihm: Petrus, erhebe Dich, töte und iß!«

Demnach wollte der Herr, daß sein Apostel von allem essen sollte? ... während ich ...

Antonius bleibt mit dem Kinn auf der Brust. Das Beben der Buchseiten, welche der Wind bewegt, läßt ihn den Kopf erheben und er liest:

»Die Juden töteten alle ihre Feinde mit Schwertern und sie machten ein großes Blutbad unter ihnen, also daß sie mit denen, so sie haßten, nach Willen taten.«

Es folgt die Aufzählung der Leute, die sie getötet haben! 75 000. Sie haben viel gelitten. Übrigens ihre Feinde waren die Feinde des wahren Gottes. Und wie sie ihre Rache genossen haben mögen, indem sie die Götzendiener niedermetzelten! Die Stadt quoll sicherlich über von Leichen! Da lagen welche am Garteneingang, auf den Treppen, so hochgehäuft in den Zimmern, daß die Türen sich nicht mehr in den Angeln drehten! ...

Aber siehe da, wie ich mich versenke in Gedanken an Mord und Blut!

Er öffnet das Buch an einer anderen Stelle.

»Nebukadnezar warf sich zur Erde aufs Angesicht und betete Daniel an.« Ah, das ist gut! Der Allerhöchste erhöht seine Propheten über die Könige; dieser da lebte doch in Gastmählern, ständig trunken von Hoffart und Lust. Aber Gott, zur Strafe, hat ihn zum Tiere gewandelt. Er lief auf allen Vieren!

Antonius beginnt zu lachen und die Arme ausbreitend, verblättert er mit den Fingerspitzen die Seiten des Buches. Seine Augen fallen auf folgenden Satz:

»Ezechias hatte große Freude über ihre Ankunft.«

»Er zeigte ihnen seine Parfüms, sein Gold und sein Silber, all seine Gewürze, seine wohlriechenden Öle, all seine wertvollen Gefäße und was er noch in seinen Schatzkammern besaß.«

Ich stelle es mir vor ... man sah aufgehäuft bis zur Decke: Edelsteine, Diamanten, Dareiken. Ein Mensch, der davon einen so großen Haufen besitzt, ist nicht mehr den andern gleich. Er träumt, indem er sie betastet, daß er hier das Ergebnis einer Menge unendlicher Anstrengungen inne hat, gleichsam das Leben der Völker, welches er an sich gesaugt und welches er wieder ausgießen könne.

Das ist eine kluge Maßregel, die den Königen Nutzen bringt. Der weiseste von ihnen hat es daran nicht fehlen lassen. Seine Flotten brachten ihm Ebenholz, Affen ... Wo steht es doch?

Er blättert lebhaft. Ah, hier!

»Die Königin von Saba, welche den Ruhm Salomons hörte, kam, ihn zu versuchen, indem sie ihm Rätsel aufgab.«

Wie durfte sie wagen, ihn zu versuchen? Der Teufel hat wohl Jesus versuchen wollen! Aber Jesus hat triumphiert, weil er Gott war, und Salomon – vielleicht dank seiner Wissenschaft als Magier. Sie ist herrlich diese Wissenschaft! Denn die Welt – wie mir ein Philosoph erklärt hat – bildet eine Einheit, deren Teile sich alle einander beeinflussen, wie die Organe eines einzigen Körpers. Es handelt sich darum, die natürlichen Liebeskräfte und die Abstoßungen der Dinge zu erkennen und sie dann gegeneinander auszuspielen ... Man könnte demnach ändern an dem, was die unwandelbare Ordnung zu sein scheint?

Da werfen sich die beiden Schatten, welche hinter ihm durch die Arme des Kreuzes gezeichnet werden, nach vorne. Sie sehen aus wie zwei große Hörner; Antonius schreit auf.

Zu Hilfe, mein Gott!

Der Schatten ist an seine Stelle zurückgekehrt.

Ah! – es war eine Täuschung, nichts anderes! – Es ist unnütz, daß ich mir den Geist zermartere! Ich habe nichts zu tun – gar nichts zu tun!

Er setzt sich, kreuzt die Arme.

Und dennoch, ich glaubte das Gefühl einer Annäherung zu haben ... Aber warum sollte »Er« kommen. Übrigens kenne ich nicht etwa seine Hinterlist? Ich habe den scheußlichen Anachoreten zurückgestoßen, der mir lachend warme Brötchen anbot, den Zentauren, der versuchte, mich auf seinen Rücken zu nehmen, und jenes schwarze Kind, das mitten im Sande erschien und sehr schön war und mir sagte, es hieße der Geist der Unzucht. Antonius schreitet lebhaft umher.

Auf meinen Befehl erbaute man diese Menge von heiligen Zufluchtsstätten, die voll sind von Mönchen mit Büßerhemden unter ihren Ziegenfellen, so zahlreich, daß man ein Heer bilden könnte! Ich habe Kranke aus der Ferne geheilt, habe Teufel ausgetrieben; ich habe den Fluß passiert inmitten von Krokodilen; der Kaiser Konstantin hat mir drei Briefe geschrieben; Balacius, der auf die meinigen gespien hatte, wurde in Stücke zerrissen; das Volk von Alexandrien schlug sich, als ich wieder erschien, um mich zu sehen, und Athanasius hat mich auf die Straße zurückgeleitet. Was für ein Lebenswerk habe ich aber auch hinter mir! Nun sind es mehr als dreißig Jahre, daß ich in der Wüste weile, um immerfort zu seufzen! Ich habe auf meinem Rücken achtzig Pfund Bronze getragen, wie Eusebius; ich habe meinen Leib den Stichen der Insekten ausgesetzt, wie Makarius; ich bin dreiundfünfzig Nächte geblieben, ohne ein Auge zu schließen, wie Pakomius, und die, welche man enthauptet, mit glühenden Zangen zwickt und verbrennt, haben vielleicht weniger Verdienst, denn mein Leben ist ein ständiges Martyrium.

Antonius verlangsamt seinen Schritt.

Gewiß, es gibt keinen Menschen mehr in einer so tiefen Trostlosigkeit! Die mildtätigen Herzen werden seltener. Man gibt mir nichts mehr. Mein Mantel ist abgenutzt. Ich habe keine Sandalen, nicht einmal einen Napf! Denn ich habe all meine Habe an die Armen und an meine Familie verteilt, ohne einen Obolus zurückzubehalten. Und wäre es auch nur um einige Werkzeuge, die unentbehrlich sind für meine Arbeit, zu erhalten: ich brauche etwas Geld. O, nicht viel, eine kleine Summe! Ich wäre sparsam damit.

Die Kirchenväter von Nicäa saßen in Gewändern von Purpur, wie Magier, auf Thronen den Wänden entlang, und man hat sie mit einem Festmahl bewirtet, mit Ehren überhäuft, besonders Paphnucius, weil er halb erblindet und ein Krüppel ist seit der Verfolgung des Diokletian! Der Kaiser hat ihm mehrmals sein totes Auge geküßt; was für eine Dummheit! Übrigens hatte das Konzil recht armselige Mitglieder! Theophilus, ein Bischof von Skythien, ein anderer von Persien, Johannes, ein Rinderhirte, Spiridion! Alexander war zu alt. Athanasius hätte den Arianern mehr Milde zeigen müssen, um Zugeständnisse von ihnen zu erhalten!

Hätten sie denn welche gemacht? Sie wollten mich nicht hören. Derjenige, welcher gegen mich sprach – ein großer junger Mensch mit gekräuseltem Barte – warf mir mit ruhiger Miene verfängliche Einwände an den Kopf, und während ich nach Worten suchte, bemüßigten sie sich, mich anzuglotzen mit ihren frechen Gesichtern, indem sie wie die Hyänen bellten. Ach, daß ich sie nicht alle durch den Kaiser verbannen lassen kann, oder besser sie verprügeln, zermalmen, sie leiden sehen! Ich – ich leide bitterlich.

Die Kraft versagt ihm. Er stützt sich gegen seine Hütte.

Das kommt von zu vielem Fasten!

Meine Kräfte gehen dahin!

Könnte ich essen ... nur ein einzigesmal ... ein Stück Fleisch!

Er schließt halb die Augen, mit Schmachten.

Ah! Rotes Fleisch! ... eine Weintraube, in die man hineinbeißt! ... geronnene Milch, die zittert in einer Schüssel! ...

Aber was ist mir! ... was ist mir doch! ...

Ich fühle, wie mein Herz aufschwillt, wie das Meer, wenn es sich staut vor dem Gewitter. Eine unendliche Schlaffheit überwältigt mich, und die heiße Luft scheint mir das Parfüm von Weiberhaaren mit sich zu wälzen. Und doch ist keine Frau gekommen? ... Er wendet sich gegen den Saumpfad zwischen den Felsen.

Von dort kommen sie, gewiegt von ihren Tragsesseln in den schwarzen Armen der Eunuchen. Sie steigen ab und falten ihre ringbeladenen Hände, sie knien nieder. Sie erzählen mir von ihren Beklemmungen. Das Verlangen nach einer übermenschlichen Wollust quält sie; sie möchten sterben, sie haben in ihren Träumen Götter gesehen, welche sie riefen; und der Saum ihres Gewandes fällt auf meine Füße. Ich stoße sie zurück. O nein, noch nicht! rufen sie, was soll ich tun! Alle Bußen wären ihnen recht. Sie verlangen die gröbsten, die meinigen zu teilen, mit mir zu leben. Es ist schon lange her, daß ich ihrer welche gesehen! Vielleicht kommt eben eine? Warum nicht? Wenn ich plötzlich ... die Glöckchen eines Maulesels im Gebirge klingeln hören würde. Es scheint mir ...

Antonius klettert auf einen Felsen, am Eingang des Pfades, und er beugt sich herunter, seine Augen in die Finsternis bohrend.

Ja! da unten, ganz im Grunde, bewegt sich eine Masse, wie Leute, die ihren Weg suchen. Sie ist da! Sie werden irre.

Ruft. Auf diese Seite! komm, komm! Das Echo wiederholt: komm, komm! Er läßt verstört seine Arme fallen, welche Schande! o du armer Antonius! Und sofort hört er flüstern: Armer Antonius.

Einer da? Antwort?

Der Wind, der durch die Zwischenräume der Felsen streicht, spielt melodisch; und in diesem verworrenen Klingen unterscheidet Antonius Stimmen, wie wenn die Luft spräche. Sie sind leise, eindringlich, zischelnd.

Die Erste. Willst du Weiber haben?

Die Zweite. Oder lieber einen großen Haufen Geldes!

Die Dritte. Einen Degen, der glänzt?

Und die andern. Das ganze Volk bewundert dich! Schlafe doch ein! Du wirst sie erwürgen, geh, du wirst sie erwürgen.

Gleichzeitig verwandeln sich die Dinge. Am Rande des Abhanges, der alte Palmbaum, mit seinem Büschel gelber Blätter, wird der Torso eines über dem Abgrund geneigten Weibes, dessen lange Haare flattern. Antonius wendet sich gegen die Hütte, und der Schemel, auf dem das große Buch mit seinen von schwarzen Buchstaben starrenden Seiten liegt, scheint ihm ein Strauch, ganz bedeckt von Schwalben.

Die Leuchte ist's ohne Zweifel, die ein Spiel des Lichtes verursachte ... Ich will sie auslöschen.

Er löscht sie aus, tiefe Dunkelheit; und plötzlich ziehen mitten durch die Luft: zuerst ein Wasserstreifen, eine Dirne, die Ecke eines Tempels, ein Soldatengesicht, ein Wagen mit zwei Schimmeln, die sich aufbäumen.

Diese Bilder kommen unvermutet, stoßweise, heben sich von der Nacht ab, wie Scharlachmalerei auf Ebenholz. Ihre Bewegung nimmt zu. Sie ziehen mit schwindelnder Schnelle vorbei, dann bleiben sie stehen und verblassen allmählich, verschwimmen, oder sie verfliegen und sofort kommen andere.

Antonius schließt seine Augen.

Die Bilder vervielfältigen sich, umzingeln ihn, belagern ihn, und er fühlt nur noch einen brennenden Krampf in der Magengegend.

Trotz des Tosens in seinem Kopfe empfindet er ein ungeheures Schweigen, das ihn von der Welt trennt. Er versucht zu sprechen; unmöglich. Es ist, als lösten sich die Bande seines Seins, und widerstandslos sinkt Antonius auf die Matte.


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