Johann Gottlieb Fichte
Die Bestimmung des Menschen
Johann Gottlieb Fichte

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Zweites Buch.

Wissen.

Unmuth und Angst nagte an meinem Innern. Ich verwünschte die Erscheinung des Tages, der mich zu einem Leben rief, dessen Wahrheit und Bedeutung mir zweifelhaft worden war. Ich erwachte die Nächte aus beunruhigenden Träumen. Ich suchte ängstlich nach einem Lichtschimmer, um aus diesen Irrgängen des Zweifels zu entkommen. Ich suchte, und fiel stets tiefer in das Labyrinth.

Einst um die Stunde der Mitternacht schien eine wunderbare Gestalt vor mir vorüber zu gehen, und mich anzureden: Armer Sterblicher, hörte ich sagen; du häufest Fehlschlüsse auf Fehlschlüsse, und dünkest dich weise.

Du erbebst vor Schreckbildern, die du dir selbst erst mit Mühe geschaffen hast. Erkühne dich wahrhaft weise zu werden. – Ich bringe dir keine neuen Offenbarungen. Was ich dir lehren kann, das weißt du längst, und du sollst dich jetzt desselben nur erinnern. Ich kann dich nicht täuschen; denn du selbst wirst mir in allem Recht geben, und würdest du doch getäuscht, so würdest du es durch dich. Ermanne dich; höre mich, beantworte meine Fragen. – –

Ich faßte Muth – Er beruft sich auf meinen eignen Verstand. Ich will es darauf wagen. Er kann nichts in mich hinein denken; was ich denken soll, das muß ich selbst denken, eine Ueberzeugung, die ich fassen soll, muß ich selbst in mir erzeugen. – Rede, rief ich, was du auch seist, wunderbarer Geist, ich will hören; frage, ich will antworten.

Der Geist. Du nimmst doch an, daß diese Gegenstände da, und jene dort, wirklich außer dir vorhanden sind?

Ich. Allerdings nehme ich das an.

D. G. Und woher weißt du, daß sie vorhanden sind?

I. Ich sehe sie, ich werde sie fühlen, wenn ich sie betaste, ich kann ihren Ton hören; sie offenbaren sich mir durch alle meine Sinne.

D. G. So! – Du wirst vielleicht weiterhin die Behauptung, daß du die Gegenstände sehest und fühlest, und hörest, zurücknehmen. Jetzt will ich reden, so wie du redest, als ob du wirklich vermittelst deines Sehens, Fühlens u. s. w. Gegenstände wahrnehmest – Aber auch nur vermittelst deines Sehens, Fühlens, und deiner übrigen äußern Sinne. Oder ist es nicht so: Nimmst du anders wahr, außer durch die Sinne; und giebt es für dich irgend einen Gegenstand außer dadurch, daß du ihn siehest, oder fühlest, u. s. w.

I. Keineswegs.

D. G. Also, es sind wahrnehmbare Gegenstände für dich vorhanden, lediglich zufolge einer Bestimmung deines äußern Sinnes: du weißt von ihnen lediglich vermittelst deines Wissens von dieser Bestimmung deines Sehens, Fühlens u. s. f. Deine Aussage: es sind Gegenstände außer mir, stützt sich auf die, ich sehe, höre, fühle, u. s. f.

I. Dies ist meine Meinung.

D. G. Nun, und wie weißt du denn wieder, daß du siehst, hörst, fühlst?

I. Ich verstehe dich nicht. – Deine Frage scheint mir sogar sonderbar.

D. G. Ich will das Verständniß derselben erleichtern. – Siehst du etwa wieder dein Sehen, und fühlst dein Fühlen; oder auch, hast du etwa noch einen besonderen höheren Sinn, durch den du deine äußern Sinne, und die Bestimmungen derselben wahrnimmst?

I. Keinesweges. Daß ich sehe, und fühle, und was ich sehe und fühle, weiß ich unmittelbar, und schlechthin; ich weiß es, indem es ist, und dadurch, daß es ist, ohne Vermittelung und Durchgang durch einen andern Sinn. – Darum kam mir eben deine Frage sonderbar vor, weil sie diese Unmittelbarkeit des Bewußtseins in Zweifel zu setzen schien.

D. G. Dies war nicht ihre Absicht; sie sollte dich nur veranlassen, dir selbst diese Unmittelbarkeit recht klar zu machen. Also du hast ein unmittelbares Bewußtsein deines Sehens und Fühlens?

I. Ja.

D. G. Deines Sehens und Fühlens, sagte ich. Du bist dir wonach das Sehende im Sehen, das Fühlende im Fühlen; und indem du des Sehens dir bewußt bist, bist du dir einer Bestimmung, oder Modification deiner selbst bewußt?

I. Ohne Zweifel.

D. G. Du hast ein Bewußtsein deines Sehens, Fühlens, u. s. w. und dadurch nimmst du den Gegenstand wahr. Könntest du ihn nicht wahrnehmen auch ohne dieses Bewußtsein? Könntest du nicht etwa einen Gegenstand erkennen durch das Gesicht, oder durch das Gehör, ohne zu wissen, daß du sähest oder hörest?

I. Keineswegs.

D. G. Sonach wäre das unmittelbare Bewußtsein deiner selbst und deiner Bestimmungen die ausschließende Bedingung alles andern Bewußtseins, und du weißt etwas, nur in wiefern du weißt – daß du dieses etwas weißt: – es kann in dem letztern nichts vorkommen, was nicht in dem erstern liegt.

I. So meine ich es.

D. G. Also, daß Gegenstände sind, weißt du nur dadurch, daß du sie siehst, fühlst u. s. w. und daß du siehst oder fühlst, weißt du nur dadurch, daß du es eben weißt, daß du es unmittelbar weißt. Was du nicht unmittelbar wahrnimmst, das nimmst du überhaupt nicht wahr?

I. Ich sehe das ein.

D. G. In aller Wahrnehmung nimmst du zunächst nur dich selbst, und deinen eigenen Zustand wahr; und was nicht in dieser Wahrnehmung liegt, wird überhaupt nicht wahrgenommen?

I. Du wiederholst, was ich dir schon zugegeben habe.

D. G. Und ich würde nicht müde werden, es in allen Wendungen zu wiederholen, wenn ich befürchten müßte, daß du es noch nicht begriffen, dir noch nicht unvertilgbar eingeprägt hättest. – Kannst du sagen: ich bin mir äußerer Gegenstände bewußt?

I. Keineswegs, wenn ich es genau nehme: denn das Sehen und Fühlen u. s. w., womit ich die Dinge umfasse, ist nicht das Bewußtsein selbst, sondern nur dasjenige, dessen ich mir am ersten und unmittelbarsten bewußt bin. Der Strenge nach könnte ich nur sagen: ich bin mir meines Sehens oder Fühlens der Dinge bewußt.

D. G. Nun, so vergiß denn nie wieder, was du jetzo klar eingesehen hast. In aller Wahrnehmung nimmst du lediglich deinen eignen Zustand wahr.


Aber ich will deine Sprache fortreden, weil sie die gewöhnliche ist. Du siehst, fühlst, hörst die Dinge, sagtest du. Wie, das heißt, mit welchen Eigenschaften siehst oder fühlst du dieselben?

I. Ich sehe jenen Gegenstand roth, diesen blau; ich werde, wenn ich sie betaste, diesen glatt, jenen rauh, diesen kalt, jenen warm fühlen.

D. G. Du weißt sonach, was das ist: roth, blau, glatt, rauh, kalt, warm?

I. Ohne Zweifel weiß ich es.

D. G. Willst du mir es nicht beschreiben?

I. Das läßt sich nicht beschreiben. – Siehe, richte dein Auge nach diesem Gegenstande; was du durch das Gesicht empfinden wirst, indem du ihn siehst, dies nenne ich roth. Betaste die Fläche dieses andern Gegenstandes; was du dann fühlen wirst, dies nenne ich glatt. Auf dieselbe Weise bin ich zu dieser Kenntniß gelangt, und es gibt keine andere, sie zu erwerben.

D. G. Aber kann man denn nicht wenigstens aus einigen schon durch die unmittelbare Empfindung bekannten Eigenschaften andere von ihnen verschiedene durch Schlüsse finden? Wenn z. B. Jemand zwar die rothe, grüne, gelbe, aber nie die blaue Farbe gesehen, zwar das Saure, Süße, Salzige, aber nie das Bittere geschmeckt hätte, würde dieser nicht durch bloßes Nachdenken, und Vergleichung erkennen können, was blau oder bitter sei, ohne etwas der Art zu sehen oder zu schmecken?

I. Keinesweges. Was Sache der Empfindung ist, läßt sich nur empfinden, nicht denken; es ist kein abgeleitetes, sondern ein schlechthin unmittelbares.

D. G. Sonderbar: Du rühmst dich einer Erkenntniß, von welcher du mir nicht angeben kannst, wie du zu ihr gelangt seist. Denn siehe, du behauptest dieses am Gegenstande zu sehen, ein Anderes zu fühlen, ein Drittes zu hören; du mußt sonach das Sehen, vom Fühlen, und beides vom Hören zu unterscheiden vermögen?

I. Ohne Zweifel.

D. G. Du behauptest ferner diesen Gegenstand roth, jenen blau zu sehen, diesen glatt, jenen rauh zu fühlen. Du mußt sonach roth von blau, glatt von rauh unterscheiden können?

I. Ohne Zweifel.

D. G. Nun hast du diesen Unterschied nicht durch Nachdenken und Vergleichung dieser Empfindungen in dir selbst gelernt, wie du so eben versichert. Aber vielleicht hast du in Vergleichung der Gegenstände außer dir durch ihre rothe oder blaue Farbe, durch ihre glatte oder rauhe Oberfläche, gelernt, was du in dir selbst als roth oder blau, als glatt oder rauh zu empfinden habest?

I. Dies ist unmöglich; denn die Wahrnehmung der Gegenstände geht von der Wahrnehmung meines eignen Zustandes aus, und wird durch diese bedingt, nicht aber umgekehrt. Gegenstände unterscheide ich erst dadurch, daß ich meine eignen Zustände unterscheide. Daß diese bestimmte Empfindung mit dem völlig willkürlichen Zeichen roth, und jene mit dem Zeichen blau, glatt, rauh, bezeichnet werde, kann ich lernen; nicht aber, daß, und wie sie als Empfindungen unterschieden seien. Daß sie verschieden sind, weiß ich schlechthin dadurch, daß ich von mir selbst weiß, daß ich mich fühle, und daß ich in beiden mich anders fühle. Wie sie verschieden sind, kann ich nicht beschreiben; aber ich weiß es, sie sind so verschieden, wie mein Selbstgefühl in beiden verschieden ist; und diese Unterscheidung der Gefühle ist eine unmittelbare, keineswegs eine erlernte und abgeleitete Unterscheidung.

D. G. – Die du unabhängig von aller Erkenntniß der Dinge machen kannst?

I. Die ich unabhängig von ihr machen muß, denn diese Erkenntniß ist selbst von jener Unterscheidung abhängig.

D. G. Die dir sonach unmittelbar durch das bloße Selbstgefühl gegeben ist?

I. Nicht anders.

D. G. Aber dann solltest du dich begnügen, zu sagen: ich fühle mich afficirt auf diejenige Weise, die ich roth, blau, glatt, rauh, nenne; du solltest diese Empfindungen lediglich in dich selbst versetzen: nicht aber sie auf einen gänzlich außer dir liegenden Gegenstand übertragen, und für Eigenschaften dieses Gegenstandes ausgeben, was doch nur deine eigne Modifikation ist.

Oder sage mir; nimmst du, wenn du den Gegenstand roth zu sehen, glatt zu fühlen glaubst, mehr, und etwas Anderes wahr, als daß du auf eine gewisse Weise afficirt bist?

I. Ich habe im Vorhergehenden klar eingesehen, daß ich in der That nicht mehr wahrnehme, als du sagst; und jene Uebertragung dessen, was nur in mir ist, auf etwas außer mir, deren ich mich doch nicht enthalten kann, scheint jetzt mir selbst höchst sonderbar.

Ich empfinde in mir selbst, nicht im Gegenstande, denn ich bin ich selbst, und nicht der Gegenstand; ich empfinde sonach nur mich selbst, und meinen Zustand, nicht aber den Zustand des Gegenstandes. Wenn es ein Bewußtsein des Gegenstandes giebt, so ist dasselbe wenigstens nicht Empfindung, oder Wahrnehmung; so viel ist klar.


D. G. Du folgerst rasch. Laß uns die Sache von allen Seiten überlegen, damit ich mich sicher setze, daß du nicht einst das jetzt freigebig Zugestandene wieder zurücknehmest.

Giebt es denn an dem Gegenstande, wie du dir ihn gewöhnlich denkst, noch etwas Anderes, außer seiner rothen Farbe, seiner glatten Fläche und dergleichen, kurz, noch etwas, außer den Merkmalen, die du durch die unmittelbare Empfindung erhältst?

I. Ich glaube ja: außer diesen Eigenschaften ist noch das Ding, welches dieselben an sich hat; der Träger der Eigenschaften.

D. G. Diesen Träger der Eigenschaften, durch welchen Sinn magst du ihn wol wahrnehmen? Siehst du ihn, oder fühlst du ihn, hörst ihn, u. s. w. oder giebt es etwa für ihn noch einen besondern Sinn?

I. Nein –, ich denke, ich sehe ihn und fühle ihn.

D. G. In der That? Dies laß uns doch näher untersuchen! Bist du jemals deines Sehens überhaupt dir bewußt, oder immer nur eines bestimmten Sehens?

I. Ich habe allemal eine bestimmte Gesichtsempfindung.

D. G. Und welches war diese bestimmte Gesichtsempfindung in Hinsicht des Gegenstandes da?

I. Die der rothen Farbe.

D. G. Und dieses Roth ist etwas Positives, eine einfache Empfindung, ein bestimmter Zustand deiner selbst?

I.. Dies habe ich begriffen.

D. G. Du solltest sonach das Rothe schlechtweg als einfaches sehen, als mathematischen Punkt, und siehst es auch wol nur als solchen. In dir wenigstens, als deine Affection, ist es doch offenbar ein einfacher bestimmter Zustand, ohne alle Zusammensetzung, den man als mathematischen Punkt bilden müßte. Oder findest du es anders?

I. Ich muß dir Recht geben.

D. G. Nun aber verbreitest du dieses einfache Roth über eine breite Fläche, die du ohne Zweifel nicht siehst, da du ja nur roth schlechtweg siehst. Wie magst du zu dieser Fläche kommen?

I. Es ist allerdings sonderbar. – Doch, ich glaube die Erklärung gefunden zu haben. Ich sehe die Fläche freilich nicht, aber ich fühle sie, indem ich mit meiner Hand über sie hinweggleite. Meine Empfindung durch das Gesicht bleibt während dieses Fühlens fortdauernd dieselbe; und darum dehne ich die rothe Farbe über die ganze Fläche aus, welche ich fühle, indeß ich immer dasselbe Roth sehe.

D. G. So könnte es sich verhalten, wenn du nur die Fläche fühltest. Aber laß uns sehen, ob dies möglich ist. Du fühlst doch nie überhaupt, fühlst dein Fühlen, und bist nun desselben dir bewußt?

I. Keineswegs. Jede Empfindung ist eine bestimmte. Es wird nie nur blos gesehen, oder gefühlt, oder gehört, sondern immer etwas Bestimmtes, die rothe, grüne, blaue Farbe, das Kalte, Warme, Glatte, Rauhe, der Schall der Violine, die Stimme des Menschen, und dergleichen, gesehen, gefühlt, gehört. – Laß das unter uns abgemacht sein.

D. G. Gern. – Du fühlst sonach, indem du die Fläche zu fühlen vorgiebst, unmittelbar doch nur – glatt, oder rauh oder des etwas?

I. Allerdings.

D. G. Dieses Glatte oder Rauhe ist nun doch wol eben so, wie die rothe Farbe, ein Einfaches, ein Punkt in dir, dem Empfindenden? – Und ich frage mit demselben Rechte, warum du das Einfache eines Fühlens über eine Fläche verbreitest, mit welchem ich fragte, warum du mit einem Einfachen des Gesichts so verfuhrest?

I. Aber diese glatte Fläche ist vielleicht nicht in allen Punkten gleich glatt, sondern in jedem in einem andern Grade glatt, nur daß es mir an Fertigkeit, diese Grade bestimmt von einander zu unterscheiden, und an Wortzeichen gebricht, sie zu behalten und anzugeben. Doch unterscheide ich etwas, mir selbst unbewußt, setze dieses Unterschiedene neben einander, und so entsteht mir die Fläche.

D. G. Kannst du in demselben ungetheilten Momente auf entgegengesetzte Art empfinden – auf eine sich gegenseitig aufhebende Weise afficirt sein?

I. Keinesweges.

D. G. Jene verschiedenen Grade der Glätte, die du annehmen willst, um zu erklären, was du nicht erklären kannst, sind doch wol, inwiefern sie verschieden sind, entgegengesetzte Empfindungen, die in dir aufeinander folgen?

I. Ich kann dies nicht läugnen.

D. G. Du solltest sie sonach, wie du sie wirklich empfindest, als nach einander folgende Veränderungen desselben mathematischen Punkts setzen, wie du auch bei andern Gelegenheiten wirklich verfährst; keineswegs aber nebeneinander, als gleichzeitige Eigenschaften mehrerer Punkte in einer Fläche.

I. Ich sehe dies ein, und finde, daß durch meine Voraussetzung nichts erklärt ist. – Aber – meine Hand, mit der ich den Gegenstand berühre, und ihn bedecke, ist ja selbst eine Fläche, und dadurch nehme ich den Gegenstand als Fläche wahr; und als größere Fläche, denn meine Hand, indem ich diese mehrmals über ihn verbreiten kann.

D. G. Deine Hand ist eine Fläche? Wie weißt du denn das? Wie kommst du überhaupt zum Bewußtsein deiner Hand? Giebt es eine andere Weise als die, daß du entweder durch sie etwas Anderes fühlest, daß sie Werkzeug ist, oder daß du sie selbst vermittelst eines andern Theils deines Leibes fühlest, daß sie Gegenstand ist?

I. Nein, es giebt keine andere. Ich fühle durch meine Hand etwas Bestimmtes, oder ich fühle sie durch einen andern Theil meines Leibes. Ein unmittelbares absolutes Gefühl meiner Hand überhaupt habe ich nicht, eben so wenig als meines Sehens oder Fühlens überhaupt.

D. G. Bleiben wir gegenwärtig bei dem Falle stehen, da deine Hand Werkzeug ist, indem dieser auch für den zweiten mit entscheidet! – In der unmittelbaren Wahrnehmung derselben, kann in diesem Falle nichts weiter liegen, als was zum Fühlen gehört, was dich und hier insbesondere deine Hand, als das Betastende im Betasten, das Fühlende im Fühlen vorstellt. Nun fühlst du entweder einerlei; so sehe ich nicht, warum du diese einfache Empfindung über eine fühlende Fläche verbreitest, und nicht an einem fühlenden Punkte dich begnügest; oder du fühlst Verschiedenes, so fühlst du dasselbe doch nach einander, und ich sehe abermals nicht ein, warum du diese Gefühle nicht in einem und eben demselben Punkte einander folgen läßt. – Daß dir deine Hand als Fläche erscheint, ist eben so unerklärlich, als daß dir überhaupt eine Fläche außer dir erscheint. Bediene dich sonach nicht des ersten zur Erklärung des zweiten, ehe du nicht das erste selbst erklärt hast. – Der zweite Fall, da deine Hand, oder welches Glied deines Körpers du willst, selbst Gegenstand eines Gefühls ist, ist aus dem ersten leicht zu beurtheilen. Du fühlst dieses Glied vermittelst eines andern, welches dann das fühlende ist. Ich erhebe über dieses letztere dieselben Fragen, welche ich so eben über deine Hand erhob, und du wirst sie mir eben so wenig beantworten können, als du diese beantworten konntest.

So verhält es sich mit der Fläche deiner Augen, und mit jeder Fläche an deinem Leibe. Es mag wol sein, daß das Bewußtsein einer Ausdehnung außer dir von dem Bewußtsein deiner eignen Ausdehnung, als materiellen Leibes, ausgeht, und dadurch bedingt ist. Aber dann hast du nur zunächst diese Ausdehnung deines materiellen Leibes zu erklären.

I. Es ist genug. Ich sehe schon klärlich ein, daß ich die Flächenausdehnung der Eigenschaften an den Körpern weder sehe, noch fühle, noch durch irgend einen andern Sinn fasse: ich sehe ein, daß es mein beständiges Verfahren ist, zu verbreiten, was doch eigentlich in der Empfindung nur ein Punkt ist; nebeneinander zu stellen, was ich doch eigentlich nacheinander setzen sollte, indem in der bloßen Empfindung schlechthin kein Nebeneinander, sondern nur ein Nacheinander stattfindet. Ich entdecke, daß ich in der That eben so verfahre, wie der Geometer mich seine Figuren construiren läßt, und den Punkt zur Linie, die Linie zur Fläche ausdehne. Es nimmt mich Wunder, wie ich dazu komme.

D. G. Du thust noch mehr und noch Wunderbareres. Diese Oberfläche, die du am Körper annimmst, kannst du freilich weder sehen noch fühlen, noch durch irgend einen Sinn wahrnehmen; aber man kann doch in einem gewissen Zusammenhange sagen, daß du auf ihr die rothe Farbe erblickst, oder die Glätte fühlst. Aber du führst nun selbst diese Oberfläche fort, und dehnst sie aus zum mathematischen Körper; wie du eben zugestanden hast, daß du die Linie zur Fläche ausdehnst. Du nimmst noch ein daseiendes Inwendiges des Körpers hinter seiner Oberfläche an. Sage mir, kannst du denn hinter dieser Oberfläche etwas sehen, oder fühlen, oder durch irgend einen Sinn wahrnehmen?

I. Keinesweges; der Raum hinter der Oberfläche ist mir undurchsichtig, und undurchgreifbar, und fällt in keinen meiner Sinne.

D. G. Und doch nimmst du ein solches Inwendiges an, daß du schlechthin nicht wahrnimmst.

I. Ich gestehe es; und meine Verwunderung vermehrt sich.

D. G. Was ist denn nun das, was du hinter der Oberfläche denkst?

I. Nun, – ich denke etwas der Oberfläche Aehnliches; etwas Empfindbares.

D. G. Wir müssen dies bestimmt wissen. – Kannst du die Masse, aus welcher dir nun der Körper besteht, theilen?

I. Ich kann sie, versteht sich nicht mit Instrumenten, sondern in Gedanken, ins Unendliche theilen. Kein möglicher Theil ist der kleinste, so daß er nicht wieder getheilt werden könnte.

D. G. Kommst du in dieser Theilung auf irgend einen Theil, von dem du dächtest, daß er an sich nicht mehr wahrnehmbar, nicht sichtbar, nicht fühlbar u. s. w. sei – an sich, sage ich, wenn er es auch etwa für deine Sinnenwerkzeuge sein sollte?

I. Keineswegs.

D. G. Sichtbar, fühlbar überhaupt? – oder mit einer bestimmten Eigenschaft, Farbe, Glätte, oder Rauhheit oder dergleichen?

I. Auf die letzte Weise. Es giebt nichts Sichtbares oder Fühlbares überhaupt, weil es kein Sehen oder Fühlen überhaupt giebt.

D. G. Du verbreitest sonach die Empfindbarkeit, und zwar deine eigne, die, dir bekannte Empfindbarkeit, die Sichtbarkeit als gefärbt, die Fühlbarkeit als rauh oder glatt u. s. w. durch die ganze Masse hindurch; und diese selbst ist überall nichts anders, als das Empfindbare selbst. Oder findest du es anders?

I. Keineswegs; was du sagst, folgt aus dem, was ich so eben eingesehen und dir zugestanden habe.

D. G. Und doch empfindest du wirklich hinter der Oberfläche nichts, und hast hinter ihr nichts empfunden?

I. Wenn ich sie durchbreche, werde ich empfinden.

D. G. Das weißt du sonach im Voraus. – Und die Theilung ins Unendliche, in welcher du nie auf ein schlechthin Unempfindbares stoßen zu können behauptest, hast du doch nie ausgeführet, noch kannst du sie ausführen?

I. Ich kann sie nicht ausführen.

D. G. Du denkst sonach zu einer Empfindung, die du wirklich gehabt, eine andere hinzu, die du nicht gehabt?

I. – Ich empfinde nur, was ich auf die Oberfläche setze; ich empfinde nicht, was hinter derselben liegt, und nehme doch auch da ein Empfindbares an. – Ja ich muß dir Recht geben.

D. G. Die wirkliche Empfindung kommt zum Theil mit dem, was du über sie vor ihr voraus vorhersagtest, überein?

I. – Wenn ich die Oberfläche des Körpers durchbreche, finde ich hinter derselben in der That ein Empfindbares, wie ich es vorhersagte. – Ja ich muß dir auch hierin Recht geben.

D. G. Zum Theil aber sagst du etwas über die Empfindung aus, was in gar keiner wirklichen Wahrnehmung vorkommen kann.

I. – Ich sage aus, daß ich bei einer Theilung der körperlichen Masse ins Unendliche doch nie auf einen Theil stoßen würde, der an sich unempfindbar sei, da ich doch mich bescheide, die Masse nicht ins Unendliche theilen zu können. – Ja ich muß dir auch hierin Recht geben.

D. G. Also, es bleibt nichts an deinem Gegenstande übrig, als das Empfindbare – das was Eigenschaft ist; dieses Empfindbare nun verbreitest du durch einen zusammenhängenden ins Unendliche theilbaren Raum, und der wahre Träger der Eigenschaften des Dinges, den du suchtest, wäre sonach der Raum, den es einnimmt?

I. Ohnerachtet ich mich nicht dabei beruhigen kann, sondern innerlich fühle, daß ich außer diesem Empfindbaren, und diesem Raume noch etwas Anderes am Gegenstande denken muß, so kann ich dieses Andere dir doch nicht aufzeigen, und muß dir daher zugestehen, daß ich bis jetzt als Träger nichts finde, denn den Raum selbst.

D. G. – Gestehe immer, was du eben jetzt einsiehst. Die noch vorhandenen Dunkelheiten werden sich allmählich aufklären, und das Unbekannte wird bekannt werden. – Der Raum selbst aber wird nicht wahrgenommen, und du begreifst nicht, wie du zu demselben gelangst, und wie du dazu kommst, ein Empfindbares durch ihn auszubreiten?

I. So ist's.

D. G. Eben so wenig begreifst du, wie du überhaupt zur Annahme eines Empfindbaren außer dir gelangst, da du doch nur deine eigne Empfindung in dir, nicht als Eigenschaft eines Dinges, sondern als Affection deiner selbst wahrnimmst?

I. So ist's. Ich sehe klar ein, daß ich nur mich selbst, meinen eignen Zustand schlechthin aber nicht den Gegenstand wahrnehme; daß ich diesen nicht sehe, nicht fühle, nicht höre u. s. w., sondern daß vielmehr gerade da, wo der Gegenstand sein soll, alles Sehen, Fühlen u. s. w. ein Ende hat.

Aber ich habe eine Ahnung. Empfindungen, als Affectionen meiner selbst, sind schlechthin nichts Ausgedehntes, sondern ein Einfaches; und verschiedene sind nicht neben einander im Raume, sondern sie folgen nach einander in der Zeit. Nun aber verbreite ich dennoch dieselben durch einen Raum. Wie wäre es, wenn gerade durch diese Verbreitung, und unmittelbar mit ihr, das, was eigentlich nur Empfindung ist, sich mir in ein Empfindbares verwandelte, und wenn es gerade dieser Punkt wäre, von welchem aus ein Bewußtsein des Gegenstandes außer mir entstände?

D. G. Deine Ahnung dürfte sich bewähren. – Aber wir würden, wenn wir auch unmittelbar sie zur Ueberzeugung zu erheben vermöchten, dadurch noch immer keine vollständige Einsicht erhalten, denn es würde stets die noch höhere Frage zu beantworten übrig bleiben: wie kommst du denn nun erst dazu, die Empfindung durch einen Raum zu verbreiten? Fassen wir daher gleich diese Frage; und fassen wir sie – ich habe meine Gründe dazu – gleich allgemeiner auf folgende Weise: wie magst du überhaupt dazu kommen, mit deinem Bewußtsein, das doch unmittelbar nur Bewußtsein deiner selbst ist, aus dir herauszugehen, und zu der Empfindung, die du wahrnimmst, ein Empfundenes und Empfindbares hinzu zu setzen, das du nicht wahrnimmst?


I. Süß, oder bitter, eben so übel- oder wohlriechend, eben so rauh oder glatt, kalt oder warm am Dinge bedeutet, was einen solchen Geschmack und Geruch, und ein solches Gefühl in mir erregt. Eben so ist es mit den Tönen. Immer wird eine Beziehung auf mich bezeichnet, und es fällt mir nicht ein, daß der süße, oder bittere Geschmack, der Wohlgeruch oder der üble u. s. w. in dem Dinge sei; er ist in mir, und wird meiner Ansicht nach durch das Ding nur erregt. Zwar scheint es mit den Empfindungen durchs Gesicht, mit den Farben, welche nicht reine Empfindung, sondern ein Mittelding sein mögen, sich anders zu verhalten; wenn ich es aber genau überlege, so bedeutet roth, und dergleichen, doch gleichfalls dasjenige, was eine gewisse bestimmte Gesichtsempfindung in mir hervorbringt. Und dies leitet mich zur Einsicht, wie ich überhaupt zu einem Dinge außer mir kommen möge. Ich bin afficirt, dies weiß ich schlechthin: diese meine Affection muß einen Grund haben: in mir liegt dieser Grund nicht, sonach außer mir: So schließe ich schnell, und mir unbewußt; und setze einen solchen Grund, den Gegenstand. Dieser Grund muß ein solcher sein, aus dem sich gerade diese bestimmte Affection erklären lasse; ich bin auf die Weise afficirt, welche ich den süßen Geschmack nenne; der Gegenstand muß sonach von der Art sein, daß er süßen Geschmack errege, oder mit einer Redeverkürzung, er muß selbst süß sein. Dadurch erhalte ich die Bestimmung des Gegenstandes.

D. G. Es dürfte an dem, was du sagst, einiges Wahre sein, ohnerachtet es nicht alles wahr ist, was darüber zu sagen wäre. Wie es sich hiemit verhalte, werden wir ohne Zweifel zu seiner Zeit finden. Da du jedoch in andern Fällen ganz unstreitig zufolge des Satzes vom Grunde – ich will die Behauptung, die du so eben machtest, daß etwas, hier deine Affection, einen Grund haben müsse, den Satz vom Grunde nennen, – da du, sage ich, in andern Fällen unstreitig zufolge dieses Satzes dir etwas erdenkst, so kann es nicht überflüssig sein, dieses Verfahren genau kennen zu lernen, und uns völlig klar zu machen, was du eigentlich thust, indem du es anwendest. Setzen wir vorläufig voraus, daß deine Erklärung vollkommen richtig sei, und daß du durch einen unvermerkten Schluß vom Begründeten auf den Grund, überhaupt erst zur Annahme eines Dinges kommest – was war es, dessen du dir als deiner Wahrnehmung bewußt warest?

I. Daß ich auf eine bestimmte Weise afficirt sei.

D. G. Aber eines dich afficirenden Dinges warest du, wenigstens als einer Wahrnehmung, dir nicht bewußt?

I. Keinesweges, ich habe dir dies schon zugestanden.

D. G. Du setzest sonach, vermittelst des Satzes vom Grunde, zu einem Wissen, das du hast, ein anderes, das du nicht hast?

I. Du drückst dich sonderbar aus.

D. G. Vielleicht gelingt es mir, diese Sonderbarkeit zu heben. Uebrigens laß du meine Ausdrücke dir sein, was sie dir sein können. Sie sollen dich nur leiten, daß du denselben Gedanken innerlich in dir erzeugest, den ich selbst in mir erzeugt habe, nicht aber dir zur Vorschrift dienen, wie du zu reden habest. Hast du den Gedanken einmal fest, und klar ergriffen, dann drücke ihn selbst aus, wie du willst und so mannichfaltig als du willst, du bist sicher, daß du ihn immer gut ausdrücken wirst.

Wie und wodurch weißt du von der Affection deiner selbst?

I. Es wird mir schwer, meine Antwort in Worte zu fassen: – Weil mein Bewußtsein als subjectives, als Bestimmung meiner, inwiefern ich überhaupt Intelligenz bin, unmittelbar auf diese Affection, als ihr Bewußtes geht, und damit unzertrennlich vereinigt ist; weil ich überhaupt Bewußtsein nur habe, inwiefern ich von einer solchen Affection weiß; von ihr weiß, so wie ich von mir überhaupt weiß.

D. G. Du hast gleichsam ein Organ, das Bewußtsein selbst, womit du deine Affection fassest?

I. Ja.

D. G. Aber ein Organ, mit welchem du den Gegenstand fassest, hast du nicht?

I. Seitdem du mich überzeugt hast, daß ich den Gegenstand weder sehe noch fühle, noch durch irgend einen äußern Sinn fasse, finde ich mich genöthigt, zu gestehen, daß ich kein solches Organ habe.

D. G. Bedenke dich hierbei wohl. Es könnte dir verübelt werden, daß du mir dies zugestehst. – Was ist denn dein äußerer Sinn überhaupt, und wie kannst du ihn einen äußern nennen, wenn er sich nicht auf äußere Gegenstände bezieht, und das Organ für dieselben ist?

I. Ich will Wahrheit, und kümmere mich wenig darum, was man mir verübeln werde. – Ich unterscheide schlechthin, weil ich es unterscheide, grün, süß, roth, glatt, bitter, Wohlgeruch, rauh, Violinenschall, Uebelgeruch, Klang der Trompete. Unter diesen Empfindungen setze ich nun einige in gewisser Rücksicht eben so schlechthin gleich, wie ich sie in anderer Rücksicht schlechthin unterscheide; so empfinde ich grün und roth unter sich; süß und bitter unter sich, glatt und rauh unter sich u. s. w. als gleich, und diese Gleichheit empfinde ich als sehen, schmecken, fühlen u. s. w. Sehen, Schmecken u. s. w. sind ja nicht selbst wirkliche Empfindungen, denn ich sehe, oder schmecke nie schlechtweg, wie du schon vorhin bemerkt hast, sondern sehe immer roth oder grün u. s. w., schmecke immer süß oder bitter u. s. w. Sehen, Schmecken und dergleichen, sind nur höhere Bestimmungen wirklicher Empfindungen, sind Classen, denen ich die letztern, jedoch nicht willkürlich, sondern durch die unmittelbare Empfindung selbst geleitet, unterordne. Ich sehe sonach in ihnen überall keine äußeren Sinne, sondern nur besondere Bestimmungen des Objects, des innern Sinnes, meiner Affectionen. Wie sie mir zu äußeren Sinnen werden, oder genauer, wie ich darauf komme, sie dafür zu halten, und so zu nennen, davon ist jetzt eben die Frage. – Ich nehme mein Geständniß, daß ich kein Organ für den Gegenstand habe, nicht zurück.

D. G. Nun redest du doch von Gegenständen, als ob du wirklich von ihnen wüßtest, und ein Organ des Wissens für sie hättest?

I. Ja.

D. G. Und dies thust du, deiner obigen Voraussetzung nach, zufolge des Wissens, das du wirklich hast, und wofür du ein Organ hast, und um dieses Wissens willen.

I. So ist's.

D. G. Dein wirkliches Wissen, – das von deinen Affectionen, ist dir gleichsam ein unvollständiges Wissen, das, deiner Behauptung nach, durch ein anderes ergänzt werden muß. Dieses andere Neue denkst du dir, beschreibst du dir, nicht als ein solches, das du hast, denn du hast es keinesweges, sondern als ein solches, das du eigentlich noch über dein wirkliches haben solltest, und haben würdest, wenn du ein Organ dafür hättest. Du scheinst gleichsam zu sagen: von den Dingen weiß ich freilich nichts; aber es müssen doch Dinge sein, und – wenn ich sie nur finden könnte, so würden sie sich finden. Du denkst dir ein anderes Organ, welches freilich das deinige nicht ist, und dieses beziehst du auf sie, damit fassest du sie auf, – immer nur in Gedanken, wie sich versteht. Du hast der Strenge nach kein Bewußtsein der Dinge, sondern nur ein (eben durch das Herausgehen aus deinem wirklichen Bewußtsein vermittelst des Satzes vom Grunde erzeugtes) Bewußtsein von einem (seinsollenden, und an sich notwendigen, wenn gleich dir nicht zukommenden) Bewußtsein der Dinge: und jetzt wirst du einsehen, daß du deiner Voraussetzung nach, allerdings zu einem Wissen, das du hast, ein anderes hinzufügst, das du nicht hast.

I. Ich muß es zugeben.

D. G. Nennen wir von nun an dieses zweite, zufolge eines andern angenommene Wissen ein vermitteltes, und das erste das unmittelbare Wissen. – Eine gewisse Schule nennt das so eben beschriebene Verfahren, in wiefern wir es nämlich beschrieben haben, eine Synthesis; wobei du dir wenigstens hier nur kein Verknüpfen zweier schon vor dem Verknüpfen vorher vorhandenen Glieder, sondern ein Anknüpfen, und Hinzuthun eines ganz neuen, erst durch das Anknüpfen entstehenden Gliedes, an ein anderes, unabhängig von demselben vorhandenes, zu denken hast.


Also das erste Bewußtsein findest du fertig, so wie du dich selbst findest, und du findest dich nicht ohne dasselbe; das zweite erzeugst du erst zufolge des ersten.

I. Nur nicht in der Zeit nach dem ersten; denn ich bin mir des Dinges in demselben ungetheilten Momente bewußt, da ich mir meiner selbst bewußt werde.

D. G. Von einer solchen Folge rede ich keinesweges, sondern, meine ich, wenn du hinterher über jenes ungetheilte Bewußtsein deiner selbst, und des Dinges nachdenkst, beide unterscheidest, und nach ihrem Zusammenhange fragst, so findest du, daß das letztere durch das erstere bedingt, – nur unter Voraussetzung des erstern als möglich zu denken sei, nicht aber umgekehrt?

I. So finde ich's; und wenn du nur das sagen wolltest, so gebe ich dir deine Behauptung zu, und habe sie dir schon zugegeben.(A 109-111). (B 83-85). (C 67-69). (S.W. 215-216).

D. G. Du erzeugst, sage ich, das zweite Bewußtsein: du bringst es durch einen wirklichen Act deines Geistes hervor. Oder findest du es anders?

I. Ich habe dir freilich mittelbar auch schon dies zugegeben. Ich setze zu dem Bewußtsein, das ich finde, so wie ich mich selbst finde, ein anderes hinzu, das ich keinesweges in mir finde; ich ergänze, und verdopple gleichsam mein wirkliches Bewußtsein, und dies ist denn allerdings ein Act. Aber ich gerathe in Versuchung entweder mein Geständniß, oder meine ganze Voraussetzung zurückzunehmen. Der Acte meines Geistes nämlich, bin ich als solcher mir sehr wohl bewußt: ich weiß es, wenn ich einen allgemeinen Begriff bilde, oder in zweifelhaften Fällen eine von den möglichen Handelsweisen, die vor mir liegen, wähle; des Acts aber, durch welchen ich deiner Behauptung nach die Vorstellung eines Gegenstandes außer mir hervorbringen soll, bin ich mir auf keine Weise bewußt.

D. G. Laß dich dadurch nicht irre machen. Der Acte deines Geistes wirst du dir nur bewußt, in wiefern du durch einen Zustand der Unbestimmtheit und Unentschlossenheit hindurchgehest, dessen du dir gleichfalls bewußt wirst, und welchem jene Acte ein Ende machen. Eine solche Unentschiedenheit findet in unserm Falle nicht statt: der Geist braucht nicht erst zu berathschlagen, welchen Gegenstand er zu seiner bestimmten Empfindung hinzu zu setzen habe, es kommt ihm von selbst. Man hat auch dafür eine Unterscheidung in der philosophischen Sprache. Ein Act des Geistes, dessen wir uns als eines solchen bewußt werden, heißt Freiheit. Ein Act, ohne Bewußtsein des Handelns, bloße Spontaneität. Bemerke wohl, daß ich dir ein unmittelbares Bewußtsein des Actes, als eines solchen, keinesweges anmuthe, sondern nur dies, daß, wenn du hinterher darüber nachdenkst, du findest, es müsse ein Act sein. – Die höhere Frage, was es sei, das eine solche Unentschlossenheit, und das Bewußtsein unsers Handelns nicht aufkommen lasse, wird sich ohne Zweifel tiefer unten von selbst lösen.

Man nennt diesen Act deines Geistes denken, welches Worts ich mich auch bisher, mit deiner Beistimmung bedient habe; und man sagt, daß das Denken mit(A 111-113). (B 85-86). (C 69-70). (S.W. 216-217). Spontaneität geschehe, zum Unterschiede von der Empfindung welche bloße Recepticität sei. Wie kommst du nun in deiner obigen Voraussetzung dazu, zu der Empfindung, die du allerdings hast, noch einen Gegenstand hinzu zu denken, von welchem du nichts weißt?

I. Meine Empfindung muß einen Grund haben: setze ich voraus, und folgere nun weiter.

D. G. Willst du mir nicht zuvörderst sagen, was dies heiße, ein Grund?

I. Ich finde etwas so oder so bestimmt. Ich kann mich nicht damit begnügen, zu wissen, daß es so ist: und nehme an, es sei so geworden, und zwar nicht durch sich selbst, sondern durch eine fremde Kraft. Diese fremde Kraft, die es so machte, enthält den Grund, und die Aeußerung, durch welche sie es so machte, ist der Grund dieser Bestimmung des Dinges. Meine Empfindung hat einen Grund, heißt, sie ist durch eine fremde Kraft in mir hervorgebracht.

D. G. Diese fremde Kraft denkst du nun zu deiner Empfindung, der du dir unmittelbar bewußt bist, hinzu, und so soll dir die Vorstellung eines Gegenstandes entstehen? – Es sei.

Nun bemerke wohl: wenn die Empfindung einen Grund haben muß, so gebe ich dir die Richtigkeit deines Schlusses zu, und sehe ein, mit welchem vollkommenen Rechte du Gegenstände außer dir annimmst, ohnerachtet du von ihnen nichts weißt, noch wissen kannst. Aber wie weißt du denn, und wie denkst du mir denn zu erweisen, daß sie einen Grund haben müssen? Oder in der Allgemeinheit, in der du den Satz oben aufstelltest; warum kannst du dich denn nicht damit begnügen, zu wissen, daß etwas so ist; warum nimmst du denn an, daß es so geworden sei; oder, wenn ich dir das übersehen wollte, daß es durch eine fremde Kraft so geworden sei? Ich bemerke, daß du dies immer nur voraussetzest.

I. Ich bekenne es. Aber ich kann in der That nicht anders, als so denken. – Es scheint, ich weiß es unmittelbar.

D. G. Was diese Antwort, du wissest es unmittelbar, bedeuten könne, wollen wir sehen, wenn wir auf dieselbe, als die einzig mögliche, zurückgebracht werden sollten. Jetzt(A 113-115). (B 87-88). (C 70-72). (S.W. 218). wollen wir erst alle anderen möglichen Wege versuchen, um jene Behauptung, daß etwas einen Grund haben müsse, abzuleiten.

Weißt du es etwa durch unmittelbare Wahrnehmung?

I. Wie könnte ich, da in der Wahrnehmung immer nur liegt, daß in mir etwas sei, eigentlich wie ich bestimmt sei: nie aber daß es geworden sei, noch viel weniger, daß es durch eine fremde, außer aller Wahrnehmung liegende Kraft geworden sei?

D. G. Oder ist es ein Satz, den du durch Beobachtung der Dinge außer dir, deren Grund du stets außer ihnen selbst findest, dir gebildet und zur Allgemeinheit erhoben hast, und jetzt nun auch auf dich selbst und deinen Zustand anwendest?

I. Behandle mich nicht wie ein Kind, und muthe mir nicht greifliche Absurditäten an. Ich gelange durch den Satz des Grundes erst zu Dingen außer mir; wie kann ich denn hinwiederum erst durch sie, diese Dinge außer mir, zu diesem Satze gelangt sein? Ruht die Erde auf dem großen Elephanten, und der große Elephant – wiederum auf der Erde?

D. G. Oder ist etwa jener Satz Folgesatz aus einer andern allgemeinen Wahrheit?

I. – Welche hinwiederum weder in der unmittelbaren Wahrnehmung, noch in der Beobachtung der äußern Dinge begründet sein könnte, und nach deren Ursprung du abermals Frage erheben würdest? – Ich könnte diese vorausgesetzte Grundwahrheit doch auch nur unmittelbar wissen. Besser, ich sage sogleich dasselbe von dem Satze des Grundes, und bleibe über deine Muthmaßung unentschieden.

D. G. Es sei: wir erhielten sonach, außer dem ersten unmittelbaren Wissen durch Empfindung unsers Zustandes, noch ein zweites unmittelbares Wissen, das auf allgemeine Wahrheiten geht.

I. So scheint es.

D. G. Das besondere Wissen, von welchem hier die Rede ist: daß deine Affectionen einen Grund haben müssen; ist völlig unabhängig von der Erkenntniß der Dinge?

I. Freilich; diese wird ja selbst erst durch jenes vermittelt.

D. G. Und du hast es schlechthin in dir selbst?

I. Schlechthin: denn erst vermittelst desselben gehe ich aus mir selbst heraus.

D. G. Du schreibst sonach aus dir selbst und durch dich selbst, und durch dein unmittelbares Wissen dem Sein, und dem Zusammenhange desselben Gesetze vor?

I. Wenn ich es recht bedenke, so schreibe ich nur meinen Vorstellungen über das Sein und seinen Zusammenhang, Gesetze vor, und es wird vorsichtiger sein, diesen Ausdruck zu wählen.

D. G. Es sei. – Wirst du dir nun wol dieses Gesetzes auf eine andere Weise bewußt, als indem du darnach verfährst?

I. – Mein Bewußtsein hebt an mit der Empfindung meines Zustandes; unmittelbar damit verknüpfe ich die Vorstellung eines Gegenstandes nach dem Gesetze des Grundes; beides, das Bewußtsein meines Zustandes, und die Vorstellung eines Gegenstandes, sind unzertrennlich vereint, es fällt zwischen sie kein Bewußtsein, es fällt vor diesem Einen untheilbaren Bewußtsein kein anderes Bewußtsein. – Nein, es ist unmöglich, daß ich dieses Gesetz eher und anders mir bewußt werde, als indem ich darnach verfahre.

D. G. Also du verfährst darnach, ohne dir desselben besonders bewußt zu sein; du verfährst unmittelbar und schlechthin darnach. – So eben aber warst du dir desselben bewußt, und drücktest es als allgemeinen Satz aus. Wie magst du zu diesem besonderen Bewußtsein gelangen?

I. Ohne Zweifel so: ich beobachte mich späterhin, und werde inne, daß ich so verfahre, und fasse dieses Gemeinsame meines Verfahrens in einen allgemeinen Satz.

D. G. Du kannst dir also deines Verfahrens bewußt werden?

I. Ohne Zweifel. – Ich errathe die Absicht deiner Fragen; – hier liegt die oben erwähnte zweite Art des unmittelbaren Bewußtseins, das meines Thuns so wie die Empfindung die erste Art ist, das Bewußtsein meines Leidens.

D. G. Richtig. – Du kannst, sagte ich, deines Verfahrens dir bewußt werden hinterher, durch freie Beobachtung deiner selbst, und Reflexionen über dich selbst; aber du mußt dir dessen nicht bewußt werden: – du wirst dir dessen nicht unmittelbar bewußt, so wie du nur innerlich handelst?

I. Ich muß mir desselben doch ursprünglich bewußt werden, denn ich bin mir ja der Vorstellung des Gegenstandes unmittelbar mit der Empfindung zugleich bewußt. – – Ich habe die Auflösung gefunden: Ich werde mir meines Thuns unmittelbar bewußt; nur nicht als eines solchen, sondern es schwebt mir vor als ein gegebenes. Dieses Bewußtsein ist Bewußtsein des Gegenstandes. Hinterher, durch freie Reflexion kann ich mir desselben auch als eines Thuns bewußt werden.

Mein unmittelbares Bewußtsein ist zusammengesetzt aus zwei Bestandtheilen, dem Bewußtsein meines Leidens, der Empfindung; und dem meines Thuns, in Erzeugung eines Gegenstandes nach dem Satze des Grundes; welches letztere an die erstere sich unmittelbar anschließt. Das Bewußtsein des Gegenstandes ist nur ein nicht dafür erkanntes Bewußtsein meiner Erzeugung einer Vorstellung vom Gegenstande. Um diese Erzeugung weiß ich schlechthin dadurch, daß ich es selbst bin, der da erzeugt. Und so ist alles Bewußtsein nur ein unmittelbares, ein Bewußtsein meiner selbst, und ist nunmehro vollkommen begreiflich. Folgere ich dir so recht?

D. G. Unvergleichlich. Aber woher die Nothwendigkeit und Allgemeinheit, mit der du deine Sätze, so wie hier den Satz vom Grunde, aussagst?

I. Aus dem unmittelbaren Gefühle, daß ich nicht anders verfahren kann, so gewiß ich Vernunft habe, und kein vernünftiges Wesen außer mir anders verfahren kann, so gewiß es ein vernünftiges Wesen ist. Alles Zufällige, dergleichen hier meine Affection war, hat einen Grund, heißt: ich habe von jeher einen Grund hinzugedacht, und Jeder, der nur denken wird, wird gleichfalls genöthigt sein, einen Grund hinzu zu denken.

D. G. Du siehst sonach ein, daß alles Wissen lediglich ein Wissen von dir selbst ist, daß dein Bewußtsein nie über dich selbst hinausgeht, und daß dasjenige, was du für ein Bewußtsein des Gegenstandes hältst, nichts ist, als ein Bewusstsein deines Setzens eines Gegenstandes, welches du nach einem innern Gesetze deines Denkens mit der Empfindung zugleich nothwendig vollziehst?


I. Folgere nur muthig fort: ich habe dich nicht stören wollen, und habe sogar selbst geholfen, die beabsichtigten Schlüsse zu entwickeln. – Jetzt aber ernsthaft: ich nehme meine ganze Voraussetzung, daß ich vermittelst des Satzes vom Grunde auf Dinge außer mir komme, zurück; und habe sie innerlich zurückgenommen, sobald wir dadurch auf eine greifliche Unrichtigkeit gestoßen waren.

Nämlich auf diese Weise, würde ich mir auch nur einer bloßen Kraft außer mir, und dieser als einer nur gedachten bewußt werden; so wie ich etwa zur Erklärung der magnetischen Erscheinungen eine magnetische, zur Erklärung der elektrischen Erscheinungen eine elektrische Kraft in der Natur denke.

Als ein solcher bloßer Gedanke, und Gedanke einer bloßen Kraft, erscheint mir nun meine Welt nicht. Sie ist etwas Ausgedehntes; etwas durch und durch, nicht wie die Kraft nur durch ihre Aeußerung, sondern an sich, Empfindbares; sie bringt nicht, wie diese, hervor, sondern sie hat Eigenschaften; ich bin mir ihres Auffassens innerlich ganz anders bewußt, als ich eines bloßen Denkens mir bewußt werde, es erscheint mir als Wahrnehmung, unerachtet bewiesen ist, daß es keine sei, und es mir schwer fallen dürfte, diese Art des Bewußtseins zu beschreiben, und von den andern Arten zu sondern.

D. G. Du mußt denn doch eine solche Beschreibung versuchen; außerdem verstehe ich dich nicht, und wir kommen nie ins Klare.

I. Ich will versuchen, mir einen Weg zu derselben zu bahnen. – Ich bitte dich, Geist, wenn dein Organ dem meinigen gleich ist, so hefte dein Auge auf den rothen Gegenstand da vor uns, gieb dich unbefangen dem Eindrucke hin, und vergiß indessen deine Schlüsse; und nun sage mir aufrichtig was in dir vorgeht.

D. G. Ich kann mich in die Weise deines Organs völlig hinein versetzen; und es ist nicht meine Sache, irgend einen nur wirklich vorhandenen Eindruck abzuläugnen. Sage mir nur, was in mir vorgehen soll.

I. Uebersiehst und fassest du nicht die Fläche, ich sage, die Fläche, unmittelbar mit einem Blicke; steht sie nicht auf einmal ganz vor dir da? Bist du nur auf die entfernteste dunkelste Weise dir dieses Ausdehnens eines einfachen rothen Punktes zu einer Linie, und dieser Linie zu einer Fläche bewußt, wovon du oben redetest? Hinterher erst theilst du diese Fläche, und denkst dir auf ihr Punkte und Linien. Würdest du nicht, und würde nicht Jeder, der sich nur unbefangen beobachtet, unabhängig von deinen obigen Schlüssen, behaupten, und darauf bestehen, daß er wirklich eine Fläche, eine so und so gefärbte Fläche, sähe?

D. G. Ich gebe dir alles zu; und finde mich in der Selbstbeobachtung gerade so, wie du es beschreibst.

Aber zuvörderst hast du doch nicht vergessen, daß es nicht unsre Absicht ist, einander zu erzählen, was im Bewußtsein vorkommt, wie in einer Zeitung des menschlichen Geistes; sondern die verschiedenen Begebenheiten desselben im Zusammenhange zu denken, und eine durch die andere zu erklären, und aus der andern abzuleiten: daß sonach keine deiner Beobachtungen, die freilich nicht geläugnet, sondern erklärt werden müssen, keinen meiner richtigen Schlüsse umstoßen können?

I. Ich werde dies nie aus den Augen lassen.

D. G. Dann übersiehe nicht über der merklichen Aehnlichkeit dieses Bewußtseins der Körper außer dir, welches du noch nicht benennen kannst, mit der wirklichen Wahrnehmung, die große Verschiedenheit, die denn doch auch zwischen beiden stattfindet.

I. Ich war so eben im Begriffe, die Verschiedenheit anzugeben. Beides erscheint allerdings als ein unmittelbares, nicht erlerntes, oder erzeugtes Bewußtsein. Aber die Empfindung ist Bewußtsein meines Zustandes. Nicht so das Bewußtsein des Dinges, in welchem zunächst schlechthin keine Beziehung auf mich liegt. Ich weiß, daß es ist, und damit gut; mich geht es nicht an. Wenn ich in der ersten mir erscheine als ein weicher Ton, der bald so bald so geformt, und gedruckt, und gepreßt wird; erscheine ich mir im zweiten als ein Spiegel, vor welchem die Gegenstände blos vorübergehen, ohne daß er selbst im Mindesten dadurch verändert wird.

Aber dieser Unterschied spricht für mich. Ich scheine um so mehr ein besonderes, von der Empfindung meines Zustandes völlig unabhängiges Bewußtsein von einem Sein, – ich sage von einem Sein, – außer mir wirklich zu haben, da dieses letztere sich von dem ersteren auch der Art nach verschieden findet.

D. G. Du beobachtest gut; übereile dich nur nicht im Schließen.

Wenn das, worüber wir oben uns einverstanden haben, wahr bleibt, – und du unmittelbar nur deiner selbst dir bewußt sein kannst; wenn das Bewußtsein, von welchem hier die Rede ist, ein Bewußtsein deines Leidens nicht ist, ein Bewußtsein deines Thuns nicht sein soll, könnte es denn nicht etwa ein nur nicht dafür erkanntes Bewußtsein deines eignen Seins sein? – Deines Seins, in wiefern du wissend, oder Intelligenz bist?

I. Ich verstehe dich nicht, aber hilf mir nach, denn ich wünschte dich zu verstehen.

D. G. Ich muß deine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, denn ich bin genöthigt hier tiefer zu gehen als je, und weit auszuholen.

Was bist du?

I. Um dir deine Frage auf das Allgemeinste zu beantworten; ich bin Ich, ich selbst.

D. G. Ich bin mit dieser Antwort sehr wohl zufrieden. – Was bedeutet das, wenn du sagst: Ich: was liegt in diesem Begriffe, und wie bringst du ihn zu Stande?

I. Ich kann mich hierüber nur durch Entgegensetzung deutlich machen. – Das Ding soll etwas sein außer mir dem Wissenden. Ich bin das Wissende selbst, Eins mit dem Wissenden. – Es entsteht über das Bewußtsein des erstern die Frage: wie kann, da das Ding nicht von sich weiß, ein Wissen vom Dinge entstehen; wie kann, da ich nicht selbst das Ding bin, noch irgend eine seiner Bestimmungen, da alle diese Bestimmungen desselben lediglich in den Umkreis seines eigenen Seins fallen, keinesweges aber in den des meinigen, ein Bewußtsein des Dinges in mir entstehen? Wie kommt das Ding herein in mich? Welches ist das Band zwischen dem Subjecte, Mir, und dem Objecte meines Wissens, dem Dinge? Diese Frage findet in Absicht meiner nicht statt. Ich habe das Wissen in mir selbst, denn ich bin Intelligenz. Was ich bin, davon weiß ich, weil ich es bin, und wovon ich unmittelbar dadurch weiß, daß ich überhaupt nur bin, das bin ich, weil ich unmittelbar davon weiß. Es bedarf hier keines Bandes zwischen Subject und Object; mein eignes Wesen ist dieses Band. Ich bin Subject und Object: und diese Subject-Objectivität, dieses Zurückkehren des Wissens in sich selbst, ist es, die ich durch den Begriff Ich bezeichne, wenn ich dabei überhaupt etwas Bestimmtes denke.

D. G. Also, Identität beider, des Subjects, und Objects, wäre dein Wesen, als Intelligenz?

I. Ja.

D. G. Kannst du nun diese, die Identität, das, was weder Subject, noch Object ist, sondern beiden zum Grunde liegt, aus dem erst beides wird, – kannst du es fassen, desselben dir bewußt werden?

I. Keinesweges. Es ist Bedingung alles meines Bewußtseins, daß das Bewußtseiende, und das Bewußte als zweierlei erscheine. Ein anderes Bewußtsein kann ich mir nicht einmal denken. Wie ich mich finde, finde ich mich als Subject und Object, welche beide aber unmittelbar verbunden sind.

D. G. Kannst du des Moments, da das unbegreifliche Eine sich in diese beide trennt, bewußt werden?

I. Wie könnte ich, da ja mein Bewußtsein erst mit, und durch ihre Trennung möglich wird; da mein Bewußtsein selbst es eigentlich ist, welches sie trennt? Aber über das Bewußtsein hinaus giebt es kein Bewußtsein.

D. G. Diese Getrenntheit sonach wäre dasjenige, was du nothwendig in dir findest, so wie du deiner dir bewußt wirst? Sie wäre dein eigentliches ursprüngliches Sein?

I. So ist's.

D. G. Und worin wäre dieselbe gegründet?

I. Ich bin Intelligenz, und habe das Bewußtsein in mir selbst. Jene Getrenntheit ist Bedingung, sie ist Resultat des Bewußtseins überhaupt. Sie ist sonach in mir selbst gegründet, wie dieses.

D. G. Du bist Intelligenz, sagtest du, wenigstens ist hier allein davon die Rede; und du wirst dir als solche Object. Dein Wissen sonach als objectives stellt sich vor dich selbst, vor dein Wissen als subjectives hin, und schwebt demselben vor; freilich, ohne daß du dieses Hinstellens dir bewußt werden kannst?

I. So ist's.

D. G. Kannst du nicht etwas zur genauern Charakteristik des subjectiven, und des objectiven, nämlich so wie dasselbe im Bewußtsein erscheint, beibringen?

I. Das Subjective erscheint, als in sich selbst enthaltend, den Grund eines Bewußtseins der Form nach, keinesweges aber in Rücksicht des bestimmten Inhalts. Daß ein Bewußtsein, ein inneres Schauen und Bilden da ist, davon liegt der Grund in ihm selbst; daß gerade dies geschaut wird, darin hängt es von dem objectiven ab, darauf es geheftet ist, und durch welches es gleichsam fortgerissen wird. Das Objective im Gegentheil enthält den Grund seines Seins in sich selbst, es ist an und für sich, ist, wie es ist, weil es nun einmal so ist. – Das Subjective erscheint als der leidende und stillhaltende Spiegel des Objectiven; das letztere schwebt dem ersten vor. – Daß das Erstere abspiegelt, davon liegt der Grund in ihm selbst. Daß gerade dies und nichts Anderes in ihm abgespiegelt wird, davon liegt der Grund im letztern.

D. G. Das Subjective überhaupt, seiner innern Natur nach, wäre sonach gerade so beschaffen, wie du oben insbesondere das Bewußtsein eines Seins außer dir beschriebst?

I. Es ist wahr: und diese Übereinstimmung ist merkwürdig. Ich fange an zur Hälfte glaublich zu finden, daß aus den innern Gesetzen meines Bewußtseins selbst die Vorstellung von einem ohne mein Zuthun außer mir stattfindenden Sein hervorgehen, und diese Vorstellung doch im Grunde nichts anders sein könne, als die Vorstellung dieser Gesetze selbst.(A. 131-123). (B 101-102). (C 82-83). (S.W. 226-227).

D. G. Warum nur zur Hälfte?

I. Weil ich noch nicht einsehe, warum es gerade zu einer solchen Vorstellung ihrem Inhalte nach, zu einer Vorstellung von einer durch den zusammenhängenden Raum ausgedehnten Masse, ausfalle.

D. G. Daß es denn doch nur deine Empfindung sei, die du durch den Raum verbreitest, hast du schon oben eingesehen; daß diese in ein Empfindbares gerade durch ihre Ausdehnung in dem Raume sich verwandeln möge, hast du geahnet. Wir hätten es sonach vor der Hand lediglich mit dem Raume selbst zu thun, und nur dessen Entstehung aus dem bloßen Bewußtsein begreiflich zu machen.

I. So ist es.

D. G. So laß uns den Versuch anstellen. Ich weiß, daß du dir deiner intelligenten Thätigkeit nicht als solcher bewußt werden kannst, inwiefern sie ursprünglich und unveränderlich auf Eins geheftet bleibt; in diesem Zustande, der mit ihrem Sein anhebt, und der nicht vertilgt werden kann, ohne daß ihr Sein mit vertilgt werde, und ein solches Bewußtwerden werde ich dir sonach nicht anmuthen. Aber du kannst dir ihrer bewußt werden, inwiefern sie von einem veränderlichen Zustande innerhalb des unveränderlichen fortschwebt zu einem andern veränderlichen. Wenn du sie nun in dieser Verrichtung vor dich hinstellst; wie erscheint sie dir – diese innere Agilität deines Geistes?

I. Mein geistiges Vermögen scheint sich innerlich hin und her zu bewegen, schnell von Einem auf das Andere zu fahren; kurz, es erscheint mir als ein Linienziehen. – Ein bestimmtes Denken macht einen Punkt in dieser Linie.

D. G. Warum nun gerade als ein Linienziehen?

I. Soll ich Gründe angeben für dasjenige, aus dessen Umkreise ich nicht herausgehen kann, ohne aus meinem eignen Dasein herauszugehen? – Es ist schlechthin so.

D. G. So demnach erscheint dir ein besonderer Act deines Bewußtseins. Wie wird dir nun dein, nicht hervorgebrachtes, sondern angestammtes Wissen überhaupt, von welchem alles besondere Denken nur die Erneuerung und weitere Bestimmung ist – wie wird es dir im Bilde erscheinen?

I. Offenbar als ein solches, in welchem man nach allen Richtungen hin Linien ziehen, und Punkte machen kann: also als – Raum.

D. G. Und nun wird dir vollkommen klar sein, wie etwas, das doch aus dir selbst hervorgeht, dir als ein Sein außer dir erscheinen könne, ja nothwendig erscheinen müsse.

Du bist zur wahren Quelle der Vorstellungen von Dingen außer dir hindurchgedrungen. Diese Vorstellung ist nicht Wahrnehmung, du nimmst nur dich selbst wahr: sie ist eben so wenig Gedanke; die Dinge erscheinen dir nicht als ein blos Gedachtes. Sie ist wirklich, und in der That absolut unmittelbares Bewußtsein eines Seins außer dir, eben so wie die Wahrnehmung unmittelbares Bewußtsein deines Zustandes ist. – Laß dich nicht durch Sophisten, und Halbphilosophen übertäuben: die Dinge erscheinen dir nicht durch einen Repräsentanten; des Dings, das da ist, und sein kann, wirst du dir unmittelbar bewußt; und es giebt kein anderes Ding, als das, dessen du dir bewußt wirst. Du selbst bist dieses Ding; du selbst bist durch den innersten Grund deines Wesens, deine Endlichkeit, vor dich selbst hingestellt, und aus dir selbst herausgeworfen; und alles, was du außer dir erblickst, bist immer du selbst. Man hat dieses Bewußtsein sehr passend Anschauung genannt. In allem Bewußtsein schaue ich mich selbst an; denn ich bin Ich: für das Subjective, das Bewußtseiende, ist es Anschauung. Und das Objective, das Angeschaute und Bewußte, bin abermals ich selbst, dasselbe Ich, welches auch das anschauende ist, – nur eben objectiv, vorschwebend dem Subjectiven. In dieser Rücksicht ist dieses Bewußtsein – ein thätiges Hinschauen, dessen, was ich anschaue; ein Herausschauen meiner selbst aus mir selbst; Heraustragen meiner selbst aus mir selbst durch die einige Weise des Handelns, die mir zukommt, durch das Schauen. Ich bin ein lebendiges Sehen. Ich sehe – Bewußtsein – sehe mein Sehen – bewußtes.

Darum ist auch dieses Ding dem Auge deines Geistes durchaus durchsichtig, weil es dein Geist selbst ist. Du theilst,(A 135-137). (B 104-106). (C 84-86). (S.W. 228-229). du begränzest, du bestimmst die möglichen Formen der Dinge, und die Verhältnisse dieser Formen von aller Wahrnehmung vorher. Kein Wunder; du begränzest und bestimmst dadurch immer nur dein Wissen selbst, wovon du ohne Zweifel weißt. Darum wird ein Wissen vom Dinge möglich. Es ist nicht im Dinge, und strömt nicht von ihm aus. Es strömt von dir aus, in dem es ist, und dessen eigenes Wesen es ist.

Es giebt keinen äußern Sinn, denn es giebt keine äußere Wahrnehmung. Wohl aber giebt es eine äußere Anschauung – nicht des Dinges – sondern diese äußere Anschauung – dieses, außerhalb des subjectiven und ihm als vorschwebend erscheinende, Wissen – ist selbst das Ding, und es giebt kein anderes. Durch diese äußere Anschauung hindurch wird nun auch selbst die Wahrnehmung als eine äußere, und die Sinne, als äußere, erblickt. Es bleibt ewig wahr, denn es ist erwiesen: Ich sehe oder fühle immer die Fläche: wohl aber schaue ich an mein Sehen, oder Fühlen, als Sehen oder Fühlen einer Fläche. Der erleuchtete, durchsichtige, durchgreifbare und durchdringliche Raum, das reinste Bild meines Wissens, wird nicht gesehen, sondern angeschaut, und in ihm wird mein Sehen selbst angeschaut. Das Licht ist nicht außer mir, sondern in mir, und ich selbst bin das Licht. Du antwortetest oben auf meine Frage: wie du von deinem Sehen, Fühlen u. s. w. überhaupt von deinem Empfinden wissest: du wissest unmittelbar davon. Jetzt wirst du mir vielleicht dieses unmittelbare Bewußtsein deines Empfindens näher bestimmen können.

I. Es muß ein doppeltes sein. Die Empfindung ist selbst ein unmittelbares Bewußtsein; ich empfinde mein Empfinden. Dadurch entsteht mir nun keinesweges irgend eine Erkenntniß eines Seins, sondern nur das Gefühl meines eignen Zustandes. Aber ich bin ursprünglich nicht blos empfindend, sondern auch anschauend; denn ich bin nicht blos ein praktisches Wesen, sondern auch Intelligenz. Ich schaue mein Empfinden auch an; und so entsteht mir aus mir selbst und meinem Wesen die Erkenntniß eines Seins. Die Empfindung verwandelt sich in ein Empfindbares; meine Affection, Roth, Glatt und(A 137-140). (B 106-108). (C 86-87). (S.W. 229-230). dergleichen, in ein Rothes, Glattes u. s. w. außer mir: welches – und dessen Empfindung, ich im Raume anschaue, weil mein Anschauen selbst der Raum ist. So wird auch klar, warum ich Flächen zu sehen oder zu fühlen glaube, die ich doch in der That weder sehe noch fühle. Ich schaue nur an mein Sehen oder Fühlen, als Sehen oder Fühlen einer Fläche.

D. G. Du hast mich, oder eigentlicher, dich selbst, wohl verstanden.


I. Aber dann entsteht mir das Ding gar nicht, weder bemerkt noch unbemerkt durch einen Schluß vermittelst des Satzes vom Grunde; sondern es schwebt mir unmittelbar vor, und steht schlechthin vor meinem Bewußtsein, ohne irgend eine Folgerung. Ich kann nicht, wie ich so eben that, sagen, daß die Empfindung sich in ein Empfindbares verwandle. Das Empfindbare, als solches, ist im Bewußtsein das Erste. Nicht von einer Affection, die da roth, glatt und dergleichen, sondern von einem Rothen, Glatten u. s. w. außer mir, hebt das Bewußtsein an.

D. G. Wenn du mir nun aber erklären sollst, was das sei, Roth, Glatt und dergleichen; wirst du mir anders antworten können, als, es sei, was dich auf eine gewisse Weise afficire, die du roth, glatt und dergleichen nennest?

I. Wohl – wenn du mich fragst, und ich auf deine Frage, und auf das Erklären überhaupt mich einlasse. Ursprünglich aber fragt mich Niemand, und ich selbst frage mich nicht. – Ich vergesse mich selbst gänzlich, und verliere mich in der Anschauung; werde mir meines Zustandes gar nicht, sondern nur eines Seins außer mir, bewußt. Das Rothe, Grüne und dergleichen ist eine Eigenschaft des Dinges, es ist eben roth oder grün, und damit gut. Es wird nicht weiter erklärt; eben so wenig, als unsrer obigen Uebereinkunft nach, dasselbe, als Affection weiter erklärt werden kann. – Bei der Gesichtsempfindung ist dies am auffallendsten. Die Farbe erscheint außer mir, und der sich selbst überlassene, nicht weiter über sich nachdenkende Menschenverstand möchte wol schwerlich darauf gerathen, Roth oder Grün zu erklären, als dasjenige, was eine bestimmte Affection in ihm errege.

D. G. Ohne Zweifel aber auch süß oder sauer? – Es gehört nicht hierher zu untersuchen, ob der Eindruck durchs Gesicht überhaupt reine Empfindung, – ob er nicht vielmehr ein Mittelding zwischen Empfindung und Anschauung, und das Verbindungsmittel beider in unserm Geiste sei. – Aber ich gebe dir deine Bemerkung vollkommen zu, und sie ist mir höchst willkommen. Du kannst allerdings dir selbst in der Anschauung verschwinden; und ohne eine besondere Aufmerksamkeit auf dich selbst, oder ohne Interesse für irgend ein äußeres Handeln, verschwindest du dir sogar natürlich und nothwendig. – Dies ist die Bemerkung, auf welche die Vertheidiger eines vorgeblichen Bewußtseins – an sich außer uns vorhandener Dinge, sich berufen, wenn man ihnen zeigt, daß der Satz des Grundes, durch welchen auf sie geschlossen werden könnte, doch nur in uns sei; sie läugnen dann, daß überhaupt ein Schluß gemacht werde; und dies muß man ihnen, in wiefern sie von dem wirklichen Bewußtsein in gewissen Fällen reden, ja nicht abstreiten wollen: – dieselben Vertheidiger, welche, wenn man ihnen nun die Natur der Anschauung aus den eignen Gesetzen der Intelligenz erklärt, selbst wiederum den Schluß machen; und nicht müde werden zu wiederholen, daß denn doch etwas außer uns sein müsse, welches uns nöthige, gerade so vorzustellen.

I. Ereifre dich jetzo nicht über diese, sondern belehre mich. Ich habe keine vorgefaßte Meinung, sondern will die wahre Meinung erst suchen.

D. G. Dennoch geht die Anschauung nothwendig aus von der Wahrnehmung deines eigenen Zustandes, nur daß du dieser Wahrnehmung dir nicht immer deutlich bewußt wirst, wie du oben durch Schlüsse eingesehen hast. Auch ist sogar in demjenigen Bewußtsein, da du im Objecte dich selbst verlierst, stets etwas, das nur durch ein unvermerktes Denken an dich selbst, und genaues Beobachten deines eignen Zustandes, möglich ist.

I. – Daß sonach stets, und allgegenwärtig das Bewußtsein des Seins außer mir von dem, nur nicht bemerkten, Bewußtsein meiner selbst begleitet würde?

D. G. Nicht anders.

I. Das Erstere durch das Letztere bestimmt würde; – so würde, wie es ist?

D. G. So meine ich's.

I. Zeige mir dies, so genügt mir.

D. G. Setzest du die Dinge überhaupt nur im Raume, oder setzest du jedes als ausfüllend einen bestimmten Theil des Raumes?

I. Das Letztere, jedes Ding hat seine bestimmte Größe.

D. G. Und die verschiedenen Dinge, fallen sie dir in dieselben Theile des Raumes?

I. Keinesweges; sie schließen einander aus. Sie sind neben, über und unter, hinter und vor einander; mir näher, oder von mir entfernter.

D. G. Und wie kommst du zu diesem Messen und Ordnen derselben im Raume? Ist es Empfindung?

I. Wie könnte es, da der Raum selbst keine Empfindung ist.

D. G. Oder Anschauung?

I. Dies kann nicht sein. Die Anschauung ist unmittelbar und untrüglich. Was in ihr liegt, erscheint nicht als hervorgebracht, und kann nicht täuschen. Aber über dem nach Gutdünken Schätzen, und Ermessen und Ueberlegen der Größe eines Gegenstandes, seiner Entfernung, seiner Lage zu andern Gegenständen, betreffe ich mich sogar; und es ist eine jedem Anfänger bekannte Bemerkung, daß wir ursprünglich die Gegenstände alle in derselben Linie neben einander erblicken, daß wir erst lernen müssen, ihre größere Entfernung oder Nähe zu schätzen, daß das Kind nach dem entfernten Gegenstande greift, als ob derselbe unmittelbar vor seinen Augen liege, und daß der Blindgeborne, der plötzlich das Gesicht erhielte, dasselbe thun würde. Jene Vorstellung ist sonach ein Urtheil; keine Anschauung, sondern ein Ordnen meiner mannigfaltigen Anschauungen durch den Verstand. – Auch kann ich in dieser Schätzung der Größe, Entfernung u. s .w. irren; und die sogenannten Gesichtstäuschungen scheinen gar nicht Täuschungen durch das Gesicht, sondern irrige Urtheile zu sein über die Größe des Gegenstandes, über die Größe seiner Theile im Verhältniß gegen einander, und was daraus folgt, über seine wahre Figur, über seine Entfernung von mir und andern Gegenständen. Im Raume überhaupt, indem ich ihn anschaue, ist er wirklich, und die Farbe die ich an ihm sehe, sehe ich gleichfalls wirklich; und hierin findet sich keine Täuschung.

D. G. Und welches mag wohl das Princip dieser Beurtheilung – daß ich den bestimmtesten und leichtesten Fall setze, – der Beurtheilung der Nähe oder Entfernung der Gegenstände von dir sein? wonach magst du sie schätzen, diese Entfernung?

I. Ohne Zweifel nach der größern Stärke oder Schwäche übrigens gleichartiger Eindrücke. – Ich erblicke vor mir zwei Gegenstände von demselben Roth. Der, dessen Farbe ich deutlicher sehe, ist mir näher; der, dessen Farbe ich schwächer erblicke, entfernter, und um so viel entfernter, als ich sie schwächer erblicke.

D. G. Also nach dem Maße der Stärke oder Schwäche beurtheilst du die Entfernung: und diese Stärke oder Schwäche selbst beurtheilst du? –

I. Offenbar nur, inwiefern ich auf meine Affectionen als solche merke, und noch dazu auf einen sehr feinen Unterschied in denselben, merke. – Du hast mich besiegt. Alles Bewußtsein des Gegenstandes außer mir ist durch das klare, genaue Bewußtsein meines eignen Zustandes bestimmt, und es wird in demselben immer ein Schluß vom Begründeten in mir auf einen Grund außer mir gemacht.

D. G. Du giebst dich bald besiegt, und ich muß nun selbst statt deiner den Streit gegen mich fortführen. – Mein Beweis kann doch nur gelten für diejenigen Fälle, da ein eigentliches Erwägen und Ueberlegen der Größe, der Entfernung, der Lage des Gegenstandes stattfindet, und du dir dessen bewußt wirst. Du wirst aber gestehen, daß dies das Gewöhnliche nicht ist, daß du vielmehr meistentheils unmittelbar in demselben ungetheilten Momente, da du dir des Gegenstandes bewußt wirst, dir zugleich seiner Größe, Entfernung u. s. w. bewußt wirst.

I. Wenn einmal die Entfernung des Gegenstandes nur nach der Stärke des Eindrucks beurtheilt wird, so ist dieses schnelle Urtheil lediglich die Folge des ehemaligen Erwägens. Ich habe durch lebenslängliche Uebung gelernt, schnell die Stärke des Eindrucks zu bemerken, und die Entfernung darnach zu beurtheilen. Es ist ein schon ehemals durch Arbeit Zusammengesetztes aus Empfindung, Anschauung, und ehemaligem Urtheil, – von welchem meine gegenwärtige Vorstellung ausgeht; welcher letztern allein ich mir bewußt werde. Ich fasse nicht mehr überhaupt das Roth, Grün und dergleichen außer mir, sondern ein Roth oder Grün, von dieser, und dieser, und dieser Entfernung auf; dieser letzte Zusatz aber ist bloße Erneuerung eines schon ehemals durch Ueberlegung zu Stande gebrachten Urtheils.

D. G. Ist dir nun nicht zugleich klar geworden, ob du das Ding außer dir anschauest, oder ob du es denkest, oder ob du beides thust, und in wiefern jedes von beiden?

I. Vollkommen; und ich glaube jetzt die vollständigste Einsicht in die Entstehung der Vorstellung von einem Gegenstande außer mir erlangt zu haben.

  1. Ich bin schlechthin, weil Ich Ich bin, meiner selbst mir bewußt; und zwar theils als eines praktischen Wesens, theils als einer Intelligenz. Das erste Bewußtsein ist Empfindung, das zweite die Anschauung, der unbegränzte Raum.
  2. Unbegränztes kann ich nicht fassen, denn ich bin endlich. Ich begränze daher durch Denken einen gewissen Raum im allgemeinen Raume, und setze den ersten zum letzten in ein gewisses Verhältniß.
  3. Der Maßstab dieses begränzten Raums ist das Maß meiner eignen Empfindung; nach einem Satze, den man sich etwa denken, und so ausdrücken könnte: was mich in dem und dem Maße afficirt, ist im Raume in dem und dem Verhältnisse zu dem übrigen mich afficirenden zu setzen.

Die Eigenschaft des Dinges stammt aus der Empfindung meines eignen Zustandes; der Raum, den es erfüllt, aus der Anschauung. Durch Denken wird beides verknüpft, die erstere auf den letztern übertragen. Es ist allerdings so, wie wir oben sagten: dadurch daß es in den Raum gesetzt wird, wird mir Eigenschaft des Dinges, was eigentlich nur mein Zustand ist; aber es wird in dem Raum gesetzt nicht durch Anschauen, sondern durch Denken, durch messendes und ordnendes Denken. Ein Erdenken, Erschaffen durch Denken, liegt jedoch in diesem Acte nicht, sondern lediglich ein Bestimmen des durch Empfindung und Anschauung, unabhängig vom Denken, Gegebnen.

D. G. Was mich in dem und dem Maße afficirt, ist in dem und dem Verhältnisse zu setzen; folgerst du beim Begränzen und Ordnen der Gegenstände im Raume. Liegt nun der Behauptung, daß dich etwas in einem gewissen Maße afficire, nicht die Voraussetzung zum Grunde, daß es dich überhaupt afficire?

I. Ohne Zweifel.

D. G. Und ist irgend eine Vorstellung eines äußern Gegenstandes möglich, der nicht auf diese Weise im Raume begränzt und geordnet werde?

I. Nein; kein Gegenstand ist überhaupt im Raume, sondern jeder ist in einem bestimmten Raume.

D. G. Sonach wird in der That, ob du dir nun dessen bewußt werdest, oder nicht, jeder äußere Gegenstand vorgestellt, als dich afficirend; so gewiß er vorgestellt wird, als einen bestimmten Raum einnehmend.

I. Das folgt allerdings.

D. G. Und welcher Art von Vorstellung ist die von einem dich afficirenden?

I. Offenbar ein Denken; und zwar ein Denken nach dem oben erörterten Satze des Grundes. – Ich sehe jetzt noch bestimmter ein, daß das Bewußtsein des Gegenstandes auf zweierlei Art an mein Selbstbewußtsein gleichsam angeheftet ist, theils durch die Anschauung, theils durch das Denken nach dem Satze des Grundes. Der Gegenstand ist, so sonderbar dies scheine, beides; unmittelbares Object meines Bewußtseins, und erschlossen.

D. G. Beides wohl in verschiedener Rücksicht und Ansicht. – Du mußt dieses Denkens des Gegenstandes dir doch bewußt werden können?

I. Ohne Zweifel; unerachtet ich desselben gewöhnlich nicht bewußt werde.

D. G. Du erdenkst dir sodann zu dem Leiden in dir, deiner Affection, eine Thätigkeit außer dir hinzu, so wie du oben das Denken nach dem Satze des Grundes beschriebest?

I. Ja.

D. G. Und mit derselben Bedeutung und Gültigkeit, als du es oben beschriebest. Du denkst nun einmal so, und mußt so denken, du kannst es nicht ändern, und kannst weiter nichts wissen, als daß du so denkest?

I. Nicht anders. Wir haben alles dies im Allgemeinen schon auseinandergesetzt.

D. G. Du erdenkst dir den Gegenstand, sagte ich: in wiefern er das Gedachte ist, ist er Product lediglich deines Denkens?

I. Allerdings; denn so folgt es aus dem Obigen.

D. G. Und was ist nun dieser gedachte, dieser nach dem Satze des Grundes erschloßne Gegenstand?

I. Eine Kraft außer mir.

D. G. Die du weder empfindest, noch anschauest?

I. Keinesweges. Ich bleibe mir immer sehr wohl bewußt, daß ich sie schlechthin nicht unmittelbar, sondern nur vermittelst ihrer Aeußerungen fasse; ungeachtet ich ihr ein Dasein unabhängig von mir zuschreibe. Ich werde afficirt, denke ich; es muß sonach doch etwas geben, das mich afficirt.

D. G. Sonach sind allerdings das angeschaute Ding, und das gedachte Ding, zwei sehr verschiedene Dinge. Das dir wirklich unmittelbar vorschwebende, und durch den Raum verbreitete, ist das angeschaute; die innere Kraft in demselben, die dir gar nicht vorschwebt, sondern deren Dasein du nur durch einen Schluß behauptest, ist das gedachte Ding.

I. Die innere Kraft in demselben, sagtest du; und ich bedenke mir eben, daß du Recht hast. Ich setze diese Kraft selbst auch in den Raum, trage sie auf die denselben ausfüllende angeschaute Masse über.

D. G. Wie sollen denn, deiner notwendigen Ansicht nach, diese Kraft und diese Masse sich gegen einander selbst verhalten?

I. So: Die Masse mit ihren Eigenschaften ist selbst Wirkung und Aeußerung der innern Kraft. Diese Kraft hat zwei Wirkungen; eine, wodurch sie sich selbst erhält, und sich diese bestimmte Gestalt giebt, in der sie erscheint; eine andere auf mich, da sie mich auf eine bestimmte Weise afficirt.

D. G. Du suchtest vorhin noch einen andern Träger der Eigenschaften, als den Raum, in welchem sie sich befinden; noch ein anderes Dauerndes in dem Wechsel der Veränderungen, als ihn, diesen Raum?

I. Wohl, und dieses Dauernde ist gefunden. Es ist die Kraft selbst. Sie bleibt bei allem Wechsel ewig dieselbe, und sie ist's, welche Eigenschaften annimmt und trägt.

D. G. Jetzt einen Blick auf alles bis jetzt Gefundene. Du fühlst dich in einem gewissen Zustande, den du roth, glatt, süß u. s. w. nennest. Du weißt darüber nichts, als daß du dich eben fühlst, und dich so fühlst, oder weißt du mehr? – Liegt im bloßen Gefühle noch etwas Anderes, als – das bloße Gefühl?

I. Nein.

D. G. Es ist ferner die Bestimmung deiner selbst als Intelligenz, daß dir ein Raum vorschwebt. Oder weißt du hierüber mehr?

I. Keinesweges.

D. G. Zwischen jenem gefühlten Zustande, und diesem dir vorschwebenden Raume ist nun nicht der geringste Zusammenhang; außer, daß nun einmal beides in deinem Bewußtsein vorkommt. Oder siehst du etwa noch einen andern Zusammenhang?

I. Ich sehe keinen.

D. G. Nun aber bist du auch denkend, eben so schlechthin, wie du fühlend und anschauend bist; und du weißt darüber nichts weiter, als, daß du es eben bist. Du fühlst deinen Zustand nicht blos, sondern du denkst ihn auch; aber er giebt dir keinen vollständigen Gedanken; du bist genöthigt, im Denken noch etwas anders zu ihm hinzusetzen, einen Grund desselben außer dir, eine fremde Kraft. Weißt du nun hierüber mehr, als – daß du eben so denkst, und eben genöthigt bist, so zu denken?

I. Ich kann darüber nicht mehr wissen. Ich kann mir nichts außer meinem Denken denken; denn dadurch, daß ich es denke, wird es ja mein Denken, und fällt unter die unvermeidlichen Gesetze desselben.

D. G. Durch dieses Denken entsteht dir nun erst ein Zusammenhang zwischen deinem Zustande, den du fühlst, und dem Raume, den du anschauest, du denkst in den letztern den Grund des erstern hinein. Oder ist es nicht so?

I. Es ist so. Daß ich den Zusammenhang beider in meinem Bewußtsein nur durch mein Denken hervorbringe, und daß dieser Zusammenhang weder gefühlt, noch angeschaut wird, hast du klärlich nachgewiesen. Von einem Zusammenhange außer meinem Bewußtsein aber kann ich nicht reden, einen solchen kann ich auf keine Weise darstellen; denn eben, indem ich davon rede, weiß ich ja davon, und, da dieses Bewußtsein nur ein Denken sein kann, denke ich ihn ja; und es ist ganz derselbe Zusammenhang, der in meinem gemeinen natürlichen Bewußtsein vorkommt, und kein anderer. Ich bin über dieses Bewußtsein um keines Haares Breite hinaus gekommen; eben so wenig, als ich je über mich selbst hinweg springen kann. Alle Versuche, einen solchen Zusammenhang an sich, ein Ding an sich, das mit dem Ich an sich, an sich zusammenhängt, zu denken, sind lediglich ein Ignoriren unsers eignen Denkens, ein sonderbares Vergessen, daß wir keinen Gedanken haben können, ohne ihn – eben zu denken. Jenes Ding an sich ist ein Gedanke; der – ein stattlicher Gedanke sein soll, und welchen doch Niemand gedacht haben will.

D. G. Von dir also habe ich keine Einwendungen zu fürchten gegen die entschlossene Aufstellung des Satzes, daß das Bewußtsein eines Dinges außer uns absolut nichts weiter ist, als das Product unsers eignen Vorstellungsvermögens, und daß wir über das Ding nichts weiter wissen, als was wir darüber – eben wissen, durch unser Bewußtsein setzen, – dadurch, daß wir überhaupt Bewußtsein, und ein so bestimmtes, unter solchen Gesetzen stehendes Bewußtsein haben, hervorbringen?

I. Ich kann nichts dagegen einwenden; es ist so.

D. G. – Keine Einwendungen gegen den kühnern Ausdruck desselben Satzes: daß wir bei dem, was wir Erkenntniß und Betrachtung der Dinge nennen, immer und ewig nur uns selbst erkennen, und betrachten, und in allem unserm Bewußtsein schlechterdings von nichts wissen, als von uns selbst, und unsern eignen Bestimmungen.

Ich sage: auch dagegen wirst du nichts einwenden können; denn wenn einmal das außer uns überhaupt uns nur durch unser Bewußtsein selbst entsteht, so kann ohne Zweifel auch das Besondere und Mannichfaltige dieser Außenwelt auf keinem andern Wege entstehen; und wenn der Zusammenhang dieses Außer uns mit uns selbst nur ein Zusammenhang in unsern Gedanken ist, so ist der Zusammenhang der mannichfaltigen Dinge unter einander selbst ohne Zweifel kein anderer. Ich könnte die Gesetze, nach denen dir ein Mannichfaltiges von Gegenständen entsteht, die doch unter sich zusammenhängen, mit eiserner Notwendigkeit einander gegenseitig bestimmen, und auf diese Weise ein Weltsystem bilden, wie du es dir selbst sehr wohl beschrieben hast – ich könnte diese Gesetze dir eben so klar in deinem eignen Denken nachweisen, als ich jetzt die Entstehung eines Gegenstandes überhaupt und seines Zusammenhanges mit dir selbst dir darin nachgewiesen habe; und ich überhebe mich dieses Geschäftes lediglich darum, weil ich finde, daß du mir das Resultat, worauf allein es mir ankommt, ohne dies zugeben mußt.

I. Ich sehe alles ein, und muß dir alles zugeben.

D. G. Und mit dieser Einsicht, Sterblicher, sei frei, und auf ewig erlöset von der Furcht, die dich erniedrigte und quälte. Du wirst nun nicht länger vor einer Nothwendigkeit zittern, die nur in deinem Denken ist, nicht länger fürchten von Dingen unterdrückt zu werden, die deine eignen Producte sind, nicht länger dich, das Denkende, mit dem aus dir selbst hervorgehenden Gedachten, in Eine Klasse stellen. So lange du glauben konntest, daß ein solches System der Dinge, wie du es dir beschrieben, unabhängig von dir außer dir wirklich existire, und daß du selbst ein Glied in der Kette dieses Systems sein möchtest, war diese Furcht gegründet. Jetzt nachdem du eingesehen hast, daß alles dies nur in dir selbst und durch dich selbst ist, wirst du ohne Zweifel nicht vor dem dich fürchten, was du für dein eignes Geschöpf erkannt hast.

Von dieser Furcht nur wollte ich dich befreien. Jetzt bist du von ihr erlöst, und ich überlasse dich dir selbst.


I. Halt, betrüglicher Geist. Ist dies die Weisheit ganz, zu der du mir Hoffnung gemacht hast, und rühmst du, daß du so mich befreiest? – Du befreiest mich, es ist wahr: Du sprichst mich von aller Abhängigkeit los; indem du mich selbst in Nichts, und alles um mich herum, wovon ich abhängen könnte, in Nichts verwandelst. Du hebst die Nothwendigkeit auf, dadurch, daß du alles Sein aufhebest, und rein vertilgst.

D. G. Sollte die Gefahr so groß sein?

I. Du kannst noch spotten? – Nach deinem Systeme? –

D. G. Meinem Systeme? worüber wir übereingekommen sind, haben wir gemeinschaftlich mit einander erzeugt: wir haben beide daran gearbeitet, und du hast alles sowohl eingesehen als ich selbst; meine wahre vollständige Denkart aber errathen zu wollen, möchte vor der Hand noch dir schwerlich anstehen.

I. Nenne deine Gedanken wie du willst; kurz, nach allem Bisherigen ist Nichts, absolut nichts als Vorstellungen, Bestimmungen eines Bewußtseins, als bloßen Bewußtseins. Die Vorstellung aber ist mir nur Bild, nur Schatten einer Realität; sie kann mir an sich selbst nicht genügen, und ist an sich selbst nicht von dem geringsten Werthe. Ich könnte mir gefallen lassen, daß diese Körperwelt außer mir in eine bloße Vorstellung verschwände, und in Schatten sich auflösete; an ihr hängt mein Sinn nicht; aber nach allem Bisherigen, verschwinde ich selbst nicht minder denn sie; gehe ich selbst über in ein bloßes Vorstellen ohne Bedeutung und ohne Zweck. Oder sage mir selbst, ist es anders?

D. G. Ich sage gar nichts in meinem Namen. Untersuche selbst, hilf dir selbst.

I. Ich schwebe mir selbst vor als Körper im Raume, mit Sinnenwerkzeugen, Handelswerkzeugen, als physische Kraft, bestimmbar durch einen Willen. Du wirst von allem diesem sagen, was du oben überhaupt von Gegenständen außer mir, dem Denkenden, sagtest, daß es ein zusammengesetztes Product aus meinem Empfinden, Anschauen, Denken sei.

D. G. Ohne Zweifel werde ich das. Ich werde dir sogar, wenn du es verlangst, Schritt vor Schritt die Gesetze aufzeigen, nach denen du dir in deinem Bewußtsein zu einem organischen Leibe, mit solchen Sinnen, zu einer physischen Kraft u. s. w. wirst, und du wirst gezwungen werden, mir in allem Recht zu geben.

I. Das sehe ich voraus. Wie ich zugeben mußte, daß das Süße, Rothe, Harte und dergleichen nichts sei, als mein eigner innerer Zustand, und daß es nur durch die Anschauung und das Denken aus mir heraus in den Raum versetzt, und als Eigenschaft eines unabhängig von mir existirenden Dinges betrachtet werde; eben so werde ich zugeben müssen, daß dieser Leib mit seinen Werkzeugen nichts ist, als eine Versinnlichung meiner selbst des innerlich Denkenden, zu einer bestimmten Raumerfüllung; werde zugeben müssen, daß Ich, das geistige, die reine Intelligenz, und Ich, dieser Leib in der Körperwelt, ganz und gar Eins sind, und eben dasselbe; – nur angesehen von zwei Seiten, – nur aufgefaßt durch zwei verschiedene Vermögen, die erste durch das reine Denken, der zweite durch die äußere Anschauung.

D. G. So würde das Resultat einer angestellten Untersuchung allerdings ausfallen.

I. Und jenes denkende, geistige Wesen, jene Intelligenz, die durch die Anschauung in einen irdischen Leib verwandelt wird, was kann sie selbst nach diesen Grundsätzen sein, als ein Product meines Denkens, etwas blos und lediglich – Erdachtes, weil ich nun einmal, nach einem mir unbegreiflichen von nichts ausgehendem, – und zu nichts hingehendem Gesetze – gerade so erdichten muß.

D. G. Wohl möglich.

I. Du wirst kleinlaut und einsilbig. Es ist nicht nur möglich; es ist nach diesen Grundsätzen nothwendig.

Jenes vorstellende, denkende, wollende, intelligente Wesen, oder wie du es nennen magst, welches das Vermögen vorzustellen, zu denken u. s. w. hat, in welchem dieses Vermögen ruht, oder wie du etwa diesen Gedanken fassen willst – wie gelange ich denn dazu? Werde ich desselben mir unmittelbar bewußt? Wie könnte ich? Nur des wirklichen bestimmten Vorstellens, Denkens, Wollens, als einer bestimmten Begebenheit, in mir, werde ich mir unmittelbar bewußt, keinesweges aber des Vermögens dazu, und noch weniger eines Wesens, in dem dieses Vermögen ruhen soll. Ich schaue unmittelbar an dieses bestimmte Denken, das ich im gegenwärtigen Momente vornehme, und dieses und dieses in andern Momenten; und hiebei hat diese innre intellectuelle Anschauung, dieses unmittelbare Bewußtsein sein Ende. Dieses innerlich angeschaute Denken, denke ich nun selbst wieder; aber dasselbe ist nach den Gesetzen, unter denen nun einmal mein Denken steht, ein Halbes und Unvollständiges für mein Denken; eben so wie oben das Denken meines bloßen Zustandes in der Empfindung nur ein halber Gedanke war. Wie ich oben zu dem Leiden unvermerkt eine Thätigkeit hinzudachte, so denke ich hier zu dem bestimmten (meinem wirklichen Denken oder Wollen) ein bestimmbares, (ein unendlich mannichfaltiges mögliches Denken oder Wollen) hinzu: weil ich muß, und aus demselben Grunde, ohne meines Hinzudenkens, als eines solchen, mir bewußt zu werden. Dieses mögliche Denken fasse ich weiter als ein bestimmtes Ganze auf; abermals weil ich muß, da ich nichts Unbestimmtes fassen kann, und so wird es mir ein endliches Vermögen zu denken; und sogar, da durch dieses Denken mir etwas unabhängig von dem Denken Vorhandenes vorgestellt wird, ein Sein und Wesen, das dieses Vermögen hat.

Doch: es läßt sich aus höhern Prinzipien noch anschaulicher machen, wie dieses denkende Wesen bloß durch sein eignes Denken sich erzeugt. – Mein Denken ist überhaupt genetisch: – eine Erzeugung des unmittelbar Gegebnen voraussetzend, und dieselbe beschreibend. Die Anschauung liefert das nackte Factum, und nichts weiter. Das Denken erklärt dieses Factum, und knüpft es an ein anderes, in der Anschauung keinesweges liegendes, sondern rein durch das Denken selbst erzeugtes, aus welchem es (dieses Factum) hervorgehe. So hier. Ich bin mir eines bestimmten Denkens bewußt; so weit und nicht weiter das anschauende Bewußtsein. Ich denke dieses bestimmte Denken; das heißt, ich lasse es aus einer, jedoch bestimmbaren, Unbestimmtheit hervorgehen. – So verfahre ich mit jedem Bestimmten, das im unmittelbaren Bewußtsein vorkommt, und daher entstehen mir alle diese Reihen von Vermögen, und von Wesen, die diese Vermögen besitzen, welche ich annehme.

D. G. Du bist dir sonach, auch in Absicht deiner selbst, nur bewußt, daß du diesen oder jenen bestimmten Zustand empfindest, so bestimmt anschauest, so bestimmt denkest?

I. Daß Ich empfinde, Ich anschaue, Ich denke? – als Realgrund das Empfinden, Anschauen, Denken hervorbringe? – Keinesweges. Auch nicht so viel lassen mir deine Grundsätze übrig.

D. G. Auch wohl möglich!

I. Auch nothwendig, denn siehe nur selbst: Alles was ich weiß, ist mein Bewußtsein selbst. Jedes Bewußtsein ist entweder ein unmittelbares, oder ein vermitteltes. Das erstere ist Selbstbewußtsein, das zweite, Bewußtsein dessen, was nicht ich selbst ist. Was ich Ich nenne, ist sonach schlechthin nichts anders, als eine gewisse Modifikation des Bewußtseins, welche Modification Ich heißt, eben weil sie ein unmittelbares, ein in sich zurückgehendes, und nicht nach außen gerichtetes Bewußtsein ist. – Da alles Bewußtsein nur unter Bedingung des unmittelbaren Bewußtseins möglich ist, so versteht sich, daß das Bewußtsein Ich alle meine Vorstellungen begleitet, in ihnen, wenn auch nicht immer von mir deutlich bemerkt, nothwendig liegt, und ich in jedem Momente meines Bewußtseins sage: Ich, Ich, Ich, und immer Ich – nämlich Ich, und nicht das bestimmte in diesem Momente gedachte Ding außer mir. – Auf diese Weise würde mir das Ich in jedem Momente verschwinden und wieder neu werden; zu jeder neuen Vorstellung würde ein neues Ich entstehen; und Ich würde nie etwas anders bedeuten, als Nichtding.

Dieses zerstreute Selbstbewußtsein wird nun durch das Denken, durch das bloße Denken, sage ich, in der Einheit des – erdichteten Vermögens vorzustellen; zusammengefaßt. Alle Vorstellungen, die von dem unmittelbaren Bewußtsein meines Vorstellens begleitet werden, sollen, zufolge dieser Erdichtung, aus Einem und demselben Vermögen, das in Einem und demselben Wesen ruht, hervorgehen; und so erst entsteht mir der Gedanke von Identität, und Persönlichkeit meines Ich und von einer wirkenden und reellen Kraft dieser Person; nothwendig eine bloße Erdichtung, da jenes Vermögen und jenes Wesen selbst nur erdichtet ist.

D. G. Du folgerst richtig.

I. Und du hast deine Freude daran? – Ich kann sonach wohl sagen: es wird gedacht – doch: kaum kann ich auch dies sagen – also, vorsichtiger, es erscheint der Gedanke: daß ich empfinde, anschaue, denke; keinesweges aber: ich empfinde, schaue an, denke. Nur das erstere ist Factum; das zweite ist hinzu erdichtet.

D. G. Wohl ausgedrückt!

I. Es giebt überall kein Dauerndes, weder außer mir, noch in mir, sondern nur einen unaufhörlichen Wechsel. Ich weiß überall von keinem Sein, und auch nicht von meinem eignen. Es ist kein Sein. – Ich selbst weiß überhaupt nicht, und bin nicht. Bilder sind: sie sind das Einzige, was da ist, und sie wissen von sich, nach Weise der Bilder: – Bilder die vorüberschweben, ohne daß etwas sei, dem sie vorüberschweben; die durch Bilder von den Bildern zusammenhängen, Bilder, ohne etwas in ihnen Abgebildetes, ohne Bedeutung und Zweck. Ich selbst bin eins dieser Bilder; ja, ich bin selbst dies nicht, sondern nur ein verworrenes Bild von den Bildern. – Alle Realität verwandelt sich in einen wunderbaren Traum, ohne ein Leben, von welchem geträumt wird, und ohne einen Geist, dem da träumt; in einen Traum, der in einem Traume von sich selbst zusammenhängt. Das Anschauen ist der Traum; das Denken, – die Quelle alles Seins, und aller Realität, die ich mir einbilde, meines Seins, meiner Kraft, meiner Zwecke, – ist der Traum von jenem Traume.

D. G. Du hast alles sehr gut gefaßt. Bediene dich immer der schneidendsten Ausdrücke und Wendungen, um dieses Resultat verhaßt zu machen, wenn du dich ihm nur unterwerfen mußt. Und dies mußt du. Du hast klar eingesehen, daß es nun einmal nicht anders ist. Oder – möchtest du etwa dein Geständniß zurücknehmen, und diese Zurücknahme mit Gründen rechtfertigen?

I. Keinesweges. Ich habe eingesehen, und sehe klar ein, daß es so ist; ich kann es nur nicht glauben.

D. G. Du siehst es ein; und kannst es nur nicht glauben? Das ist ein Anderes.

I. Du bist ein ruchloser Geist: deine Erkenntniß selbst ist Ruchlosigkeit, und stammt aus Ruchlosigkeit, und ich kann es dir nicht danken, daß du mich auf diesen Weg gebracht hast.

D. G. Kurzsichtiger! Das nennen deines gleichen Ruchlosigkeit, wenn man sich getraut, zu sehen, was da ist, und so weit sieht als sie selbst; und dann auch noch weiter. – Ich habe dich nach Wohlgefallen die Resultate unserer Untersuchung ziehen, aus einander setzen, in gehässige Ausdrücke fassen lassen. Glaubtest du denn, daß diese Resultate mir weniger bekannt wären, und daß ich nicht sowohl begriffe, als du, wie durch jene Grundsätze alle Realität durchaus vernichtet, und in einen Traum verwandelt würde? Hast du mich denn für einen blinden Verehrer und Lobredner dieses Systems, als vollständigen Systems des menschlichen Geistes, gehalten?

Du wolltest wissen; und hattest dafür einen sehr falschen Weg eingeschlagen; du suchtest das Wissen da, wohin kein Wissen reicht, und hattest dich schon überredet, etwas einzusehen, das gegen das innere Wesen aller Einsicht streitet. Ich fand dich in diesem Zustande. Ich wollte dich von deinem falschen Wissen befreien; keineswegs aber dir das wahre beibringen.

Du wolltest wissen von deinem Wissen. Wunderst du dich, daß du auf diesem Wege auch nichts weiter erfuhrst, als – wovon du wissen wolltest, von deinem Wissen selbst; und möchtest du, daß es anders sei? Was durch das Wissen, und aus dem Wissen entsteht, ist nur ein Wissen. Alles Wissen aber ist nur Abbildung, und es wird in ihm immer etwas gefordert, das dem Bilde entspreche. Diese Forderung kann durch kein Wissen befriedigt werden; und ein System des Wissens ist nothwendig ein System bloßer Bilder, ohne alle Realität, Bedeutung und Zweck. Hast du etwas anders erwartet? Willst du das innere Wesen deines Geistes ändern, und deinem Wissen anmuthen mehr zu sein, denn ein Wissen?

Die Realität, die du schon erblickt zu haben glaubtest, eine unabhängig von dir vorhandene Sinnenwelt, deren Sklav du zu werden fürchtetest, ist dir verschwunden; denn diese ganze Sinnenwelt entsteht nur durch das Wissen, und ist selbst unser Wissen; aber Wissen ist nicht Realität, eben darum, weil es Wissen ist. Du hast die Täuschung eingesehen, und kannst, ohne deine bessere Einsicht zu verläugnen, dich nie derselben wieder hingeben. Und dies ist denn das einzige Verdienst, das ich an dem Systeme, das wir so eben mit einander gefunden, rühme: es zerstört und vernichtet den Irrthum. Wahrheit geben kann es nicht; denn es ist in sich selbst absolut leer. Nun suchst du denn doch etwas, außer dem bloßen Bilde liegendes Reelles – mit deinem guten Rechte, wie ich wohl weiß – und eine andere Realität, als die so eben vernichtete, wie ich gleichfalls weiß. Aber du würdest dich vergebens bemühen, sie durch dein Wissen, und aus deinem Wissen zu erschaffen, und mit deiner Erkenntniß zu umfassen. Hast du kein anderes Organ, sie zu ergreifen, so wirst du sie nimmer finden.

Aber du hast ein solches Organ. Belebe es nur, und erwärme es; und du wirst zur vollkommensten Ruhe gelangen. Ich lasse dich mit dir selbst allein.

 


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