Johann Gottlieb Fichte
Die Bestimmung des Menschen
Johann Gottlieb Fichte

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Erstes Buch.

Zweifel.

So wohl glaube ich nunmehr einen guten Theil der Welt, die mich umgiebt, zu kennen; und ich habe in der That Mühe und Sorgfalt genug darauf verwendet. Nur der übereinstimmenden Aussage meiner Sinne, nur der beständigen Erfahrung, habe ich Glauben zugestellt; ich habe betastet, was ich erblickt, ich habe zerlegt, was ich betastet hatte; ich habe meine Beobachtungen wiederholt, und mehrmals wiederholt; ich habe die verschiedenen Erscheinungen unter einander verglichen; und nur, nachdem ich ihren genauen Zusammenhang einsah, nachdem ich eine aus der andern erklären, und ableiten, und den Erfolg im Voraus berechnen konnte, und die Wahrnehmung des Erfolgs meiner Berechnung entsprach, habe ich mich beruhigt. Dafür bin ich nun auch der Richtigkeit dieses Theils meiner Erkenntnisse so sicher, als meines eignen Daseins, schreite mit festem Tritte in der mir bekannten Sphäre meiner Welt einher, und wage in jedem Augenblicke Dasein und Wohlsein auf die Untrüglichkeit meiner Ueberzeugungen.

Aber, – was bin ich selbst, und was ist meine Bestimmung?

Ueberflüssige Frage! Es ist schon lange her, daß meine Belehrung über diesen Gegenstand geschlossen ist, und es würde Zeit erfordern, um alles das, was ich hierüber ausführlich gehört, gelernt, geglaubt habe, mir zu wiederholen.

Und auf welchem Wege bin ich denn zu diesen Kenntnissen gelangt, welche zu besitzen ich mich dunkel erinnere? Habe ich, getrieben durch eine brennende Wißbegier, mich hindurchgearbeitet durch Ungewißheit, durch Zweifel und Widersprüche? Habe ich, so wie etwas Glaubliches sich mir darbot, meinen Beifall aufgehalten, das Wahrscheinliche geprüft, und wieder geprüft, und geläutert, und verglichen, – bis eine innre Stimme unverkennbar und unwiderstehlich mir zurief: So, nur so ist's, so wahr du lebest und bist? – Nein, ich erinnere mich keines solchen Zustandes. Jene Belehrungen wurden mir entgegen gebracht, ehe ich ihrer begehrte; es wurde mir geantwortet, ehe ich die Fragen aufgeworfen hatte. Ich hörte zu, weil ich es nicht vermeiden konnte; es blieb in meinem Gedächtnisse hängen, soviel als der Zufall fügte; ohne Prüfung, und ohne Theilnahme ließ ich Alles an seinen Ort gestellt sein.

Wie könnte ich sonach mich überreden, daß ich in der That Erkenntnisse über diesen Gegenstück des Nachdenkens besitze? Wenn ich nur dasjenige weiß, und von ihm überzeugt bin, was ich selbst gefunden, – nur dasjenige wirklich kenne, was ich selbst erfahren habe, so kann ich in der That nicht sagen, daß ich über meine Bestimmung das Geringste wisse; ich weiß blos, was Andre darüber zu wissen behaupten; und das Einzige, was ich hierin wirklich versichern kann, ist dies, daß ich so oder so über diese Gegenstände sprechen gehört.

Ich habe sonach bisher, indeß ich mit genauer Sorgfalt das Minderwichtige selbst untersuchte, in Ansehung des Wichtigsten auf die Treue und die Sorgfalt Fremder mich verlassen. Ich habe Andern eine Theilnahme für die höchsten Angelegenheiten der Menschheit, einen Ernst, eine Genauigkeit zugetraut, die ich in mir selbst keinesweges gefunden hatte. Ich habe sie unbeschreiblich höher geachtet als mich selbst. –

Was sie etwa Wahres wissen, woher können sie es wissen, außer durch eignes Nachdenken? Und warum sollte ich durch dasselbe Nachdenken nicht dieselbe Wahrheit finden, da ich eben so viel bin als sie? Wie sehr habe ich bisher mich selbst herabgesetzt und verachtet!

Ich will, daß es nicht länger so sei! Mit diesem Augenblicke will ich in meine Rechte eintreten, und Besitz nehmen von der mir gebührenden Würde. Alles Fremde sei aufgegeben. Ich will selbst untersuchen. Sei es, daß geheime Wünsche, wie die Untersuchung, endigen mögen, daß eine vorliebende Neigung für gewisse Behauptungen, in mir sich rege; ich vergesse und verläugne sie, und ich werde ihr keinen Einfluß auf die Richtung meiner Gedanken verstatten. Ich will mit Strenge und Sorgfalt zu Werke gehen, ich will mir Alles aufrichtig bekennen. – Was ich als Wahrheit finde, wie es auch immer laute, soll mir willkommen sein. Ich will wissen. Mit derselben Sicherheit, mit welcher ich darauf rechne, daß dieser Boden mich tragen wird, wenn ich darauf trete, daß dieses Feuer mich verbrennen würde, wenn ich mich ihm näherte, will ich darauf rechnen können, was ich selbst bin, und was ich sein werde. Und sollte man etwa dies nicht können, so will ich wenigstens das wissen, daß man es nicht kann: Und selbst diesem Ausgange der Untersuchung will ich mich unterwerfen, wenn er sich mir als Wahrheit entdeckt. – Ich eile meine Aufgabe zu lösen.


Ich ergreife die forteilende Natur in ihrem Fluge, und halte sie einen Augenblick an, fasse den gegenwärtigen Moment fest ins Auge, und denke nach über ihn! – über diese Natur, an welcher bisher meine Denkkraft entwickelt, und für die Schlüsse, die auf ihrem Gebiete gelten, gebildet wurde. –

Ich bin von Gegenständen umgeben, die ich als für sich bestehende, und gegenseitig von einander geschiedene Ganze anzusehen mich genöthigt fühle: Ich erblicke Pflanzen, Bäume, Thiere. Ich schreibe jedem Einzelnen Eigenschaften und Merkmale zu, woran ich sie von einander unterscheide; dieser Pflanze eine solche Form, der andern eine andere; diesem Baume solche, dem andern anders gestaltete Blätter.

Jeder Gegenstand hat seine bestimmte Anzahl von Eigenschaften, keine darüber, noch darunter. Auf jede Frage, ob er dieses sei, und jenes, ist für den, der ihn durchaus kennt, ein entscheidendes Ja möglich, oder ein entscheidendes Nein, das allem Schwanken zwischen Sein und Nichtsein ein Ende macht. Alles was da ist, ist etwas, oder es ist dieses etwas nicht; ist gefärbt oder nicht gefärbt; hat eine gewisse Farbe, oder hat diese Farbe nicht; ist schmackhaft oder nicht schmackhaft; ist fühlbar oder nicht fühlbar, und so in das Unbestimmte fort.

Jeder Gegenstand besitzt jede dieser Eigenschaften in einem bestimmten Grade. Giebt es einen Maßstab für eine gewisse Eigenschaft, und vermag ich ihn anzulegen, so findet sich ein bestimmtes Maß derselben, welches sie nicht um das Mindeste überschreitet, noch unter ihm zurückbleibt. – Messe ich die Höhe dieses Baums; sie ist bestimmt, und er ist um keine Linie höher oder niedriger als er ist. Betrachte ich das Grün seiner Blätter; es ist ein bestimmtes Grün, nicht um das Mindeste dunkler oder heller, frischer oder verblichener, als es ist; ob es mir gleich am Maßstabe und am Worte für diese Bestimmung fehlt. Werfe ich meinen Blick auf diese Pflanze; sie steht auf einer bestimmten Stufe zwischen ihrem Entkeimen und ihrer Reife; beiden nicht um das Mindeste näher oder entfernter, als sie es ist. – Alles was da ist, ist durchgängig bestimmt; es ist was es ist und schlechthin nichts Anderes.

Nicht etwa, daß ich überhaupt nichts zwischen widersprechenden Bestimmungen in der Mitte Schwebendes zu denken vermöchte. Ich denke allerdings unbestimmte Gegenstände, und mehr als die Hälfte meines Denkens besteht aus dergleichen Gedanken. Ich denke einen Baum überhaupt. Hat dieser Baum überhaupt, Früchte oder nicht, Blätter oder nicht, und falls er welche hat, welches ist ihre Anzahl? Zu welcher Gattung von Bäumen gehört er? Wie groß ist er? und so weiter. Alle diese Fragen bleiben unbeantwortet, und mein Denken ist hierüber unbestimmt, so gewiß ich nicht einen besondern Baum, sondern den Baum überhaupt zu denken mir vornahm. Nur spreche ich diesem Baume überhaupt – das wirkliche Dasein ab, eben darum, weil er unbestimmt ist. Alles Wirkliche hat seine bestimmte Anzahl von allen möglichen Eigenschaften des Wirklichen überhaupt, und hat jede derselben in einem bestimmten Maße, so gewiß es wirklich ist; ob ich mich gleich bescheide, vielleicht nicht Eines Gegenstandes Eigenschaften durchaus erschöpfen, und den Maßstab an dieselben anlegen zu können. –


Aber die Natur eilt fort in ihrer stäten Verwandlung: Und indeß ich noch rede über den aufgefaßten Moment, ist er entflohen, und Alles hat sich verändert; und ehe ich ihn auffaßte, war gleichfalls Alles anders. Wie es war, und wie ich es auffaßte, war es nicht immer gewesen, es war so geworden.

Warum nun und aus welchem Grunde war es gerade so geworden, wie es geworden war; warum hatte die Natur unter den unendlich mannichfaltigen Bestimmungen, die sie annehmen kann, in diesem Momente gerade diese angenommen, die sie wirklich angenommen hatte, und keine andere?

Deswegen, weil ihnen gerade diejenigen vorhergingen, die ihnen vorhergingen, und keine möglichen andern; und weil die gegenwärtigen gerade ihnen, und keinen möglichen andern folgten. Wäre im vorhergehenden Momente irgend etwas um das Mindeste anders gewesen, als es war, so würde auch im gegenwärtigen irgend etwas anders sein, als es ist. – Und aus welchem Grunde war im vorhergehenden Momente Alles so, wie es war? Deswegen, weil es in dem, der diesem vorherging, so war, wie es in ihm war. Und dieser hing wieder ab von dem, der ihm vorherging; dieser letzte abermals von seinem vorhergehenden; – und so aufwärts ins Unbestimmte fort. Eben so wird in dem zunächstfolgenden Momente die Natur bestimmt sein, wie sie es sein wird, deswegen, weil sie im gegenwärtigen so bestimmt ist, wie sie es ist; und es würde nothwendig in diesem zunächstfolgenden Momente irgend etwas anders sein, als es sein wird, wenn im gegenwärtigen nur das Mindeste anders wäre, als es ist. Und in dem Momente, der diesem folgen wird, wird Alles so sein, wie es sein wird, deswegen, weil in dem zunächstfolgenden Momente Alles so sein wird, wie es sein wird; und so wird sein nachfolgender wieder von ihm abhängen, wie er von seinem vorhergehenden abhängen wird; und so abwärts in das Unbestimmte fort.

Die Natur schreitet durch die unendliche Reihe ihrer möglichen Bestimmungen ohne Anhalten hindurch; und der Wechsel dieser Bestimmungen ist nicht gesetzlos, sondern streng gesetzlich. Was da ist in der Natur, ist nothwendig so, wie es ist, und es ist schlechthin unmöglich, daß es anders sei. Ich trete ein in eine geschlossene Kette der Erscheinungen, da jedes Glied durch sein vorhergehendes bestimmt wird, und sein nachfolgendes bestimmt; in einem festen Zusammenhang, da ich aus jedem gegebenen Momente alle möglichen Zustände des Universums durch bloßes Nachdenken würde finden können, aufwärts, wenn ich den gegebenen Moment erklärte, abwärts, wenn ich aus ihm ableitete; wenn ich aufwärts die Ursachen, durch welche allein er wirklich werden konnte, abwärts die Folgen, die er nothwendig haben muß, aufsuchte. Ich empfange in jedem Theile das Ganze, weil jeder Theil nur durch das Ganze ist, was er ist; durch dieses aber nothwendig das ist.


Was ist es denn also eigentlich, das ich soeben gefunden habe? Wenn ich meine Behauptungen im Ganzen übersehe, so finde ich dies als den Geist derselben: Jedem Werden ein Sein vorauszusetzen, woraus und wodurch es geworden ist, jedem Zustande einen anderen Zustand, jedem Sein ein anderes Sein vorauszudenken, und schlechthin nichts aus dem Nichts entstehen zu lassen.

Verweile ich hiebei länger, entwickle und mache mir vollkommen klar, was darin liegt! – Denn es könnte leicht sein, daß von meiner klaren Einsicht in diesen Punkt meines Nachdenkens das ganze Glück meiner fernern Untersuchung abhinge.

Warum, und aus welchem Grunde sind denn nun die Bestimmungen der Gegenstände in diesem Momente gerade diejenigen, die sie sind, – hub ich an zu fragen. Ich setzte sonach ohne weitern Beweis, und ohne die mindeste Untersuchung, als ein an sich bekanntes, unmittelbar Wahres und schlechthin Gewisses voraus, – wie es denn auch ist, und wie ich es noch jetzt finde, und stets finden werde – ich setzte, sage ich, voraus, daß sie einen Grund hätten; – daß sie nicht durch sich selbst, sondern durch etwas außer ihnen Liegendes, Dasein und Wirklichkeit hätten. Ich fand ihr Dasein für ihr eignes Dasein nicht hinlänglich, und fühlte mich genöthigt, um ihrer selbst willen noch ein anderes Dasein, außer ihnen anzunehmen. Warum nun wol fand ich das Dasein jener Beschaffenheiten oder Bestimmungen nicht hinlänglich? warum fand ich es als ein unvollständiges Dasein? Was mag es sein in ihnen, das mir einen Mangel verräth? Dies ohne Zweifel ist es: zuvörderst sind jene Beschaffenheiten gar nichts an und für sich, sie sind nur etwas an einem andern; Beschaffenheiten eines Beschaffenen, Formen eines Geformten; und ein solches die Beschaffenheit Annehmende und Tragende, – ein Substrat derselben, nach dem Ausdrucke der Schule, – wird für die Denkbarkeit derselben immer vorausgesetzt. Ferner, daß ein solches Substrat eine bestimmte Beschaffenheit habe, drückt einen Zustand der Ruhe und des Stillestehens seiner Verwandlungen, ein Anhalten seines Werdens aus. Versetze ich es in Veränderung, so ist in ihm keine Bestimmtheit mehr, sondern ein Uebergehen aus einem Zustande in den entgegengesetzten andern durch Unbestimmtheit hindurch. Der Zustand der Bestimmtheit des Dinges ist sonach Zustand und Ausdruck eines bloßen Leidens; und ein bloßes Leiden ist ein unvollständiges Dasein. Es bedarf einer Thätigkeit, die diesem Leiden entspreche, aus welcher sich dasselbe erklären, durch, und vermittelst welcher es sich erst denken lasse; oder, wie man sich gewöhnlich ausdrückt, die den Grund dieses Leidens enthalte.

Was ich dachte, und zu denken genöthigt war, war daher keinesweges dies, daß die verschiedenen auf einander folgenden Bestimmungen der Natur als solche einander bewirken; – daß die gegenwärtige Beschaffenheit sich selbst vernichte, und in dem künftigen Momente, da sie selbst nicht mehr ist, eine andere, die nicht sie selbst ist, und die in ihr nicht liegt, an ihrer Stelle hervorbringe, welches völlig undenkbar ist. Die Beschaffenheit bringt weder sich selbst, noch etwas Anderes außer ihr hervor.

Eine thätige, dem Gegenstande eigentümliche und sein eigentliches Wesen ausmachende Kraft ist es, welche ich dachte und denken mußte, um die allmähliche Entstehung, und den Wechsel jener Bestimmungen zu begreifen.

Und wie denke ich mir diese Kraft, welches ist ihr Wesen und die Art ihrer Aeußerung? Keine andere, als die, daß sie unter diesen bestimmten Umständen, durch sich selbst, und um ihrer selbst willen diese bestimmte Wirkung, – und schlechthin keine andere – diese aber auch ganz sicher und unfehlbar, hervorbringe. –

Das Princip der Thätigkeit, des Entstehens und Werdens an und für sich ist rein in ihr selbst, so gewiß sie Kraft ist, und in nichts außer ihr; die Kraft wird nicht getrieben, oder in Bewegung gesetzt, sie setzt sich selbst in Bewegung. Der Grund davon, daß sie gerade auf diese bestimmte Weise sich entwickelt, liegt theils in ihr selbst, weil sie diese Kraft ist und keine andere, theils außer ihr selbst, in den Umständen, unter denen sie sich entwickelt. Beides, die innere Bestimmung der Kraft durch sich selbst, und ihre äußere, durch die Umstände, muß sich vereinigen, um eine Veränderung hervorzubringen. Was das Erste anbelangt: die Umstände, das ruhende Sein und Bestehen der Dinge bringen kein Werden hervor, denn in ihnen selbst liegt das Gegentheil alles Werdens, das ruhige Bestehen. Was das Zweite betrifft: Jene Kraft ist, so gewiß sie denkbar sein soll, eine durchgängig bestimmte; aber ihre Bestimmtheit wird vollendet durch die Umstände, unter denen sie sich entwickelt. – Eine Kraft denke ich nur; eine Kraft ist für mich nur, in wiefern ich eine Wirkung wahrnehme; eine unwirksame Kraft, die doch eine Kraft sein sollte und kein ruhendes Ding, ist völlig undenkbar. Jede Wirkung aber ist bestimmt, und da die Wirkung nur der Abdruck, nur eine andere Ansicht des Wirkens selbst ist, – die wirkende Kraft ist im Wirken bestimmt, und der Grund dieser ihrer Bestimmtheit liegt theils in ihr selbst, weil sie außerdem gar nicht als ein Besonderes und für sich Bestehendes gedacht würde, theils außer ihr, weil ihre eigene Bestimmtheit nur als eine bedingte gedacht werden kann.

Es ist hier eine Blume dem Boden entwachsen, und ich schließe daraus auf eine bildende Kraft in der Natur. Eine solche bildende Kraft ist für mich überhaupt da lediglich, in wiefern es für mich diese Blume und andere, und Pflanzen überhaupt, und Thiere giebt; ich kann diese Kraft nur durch ihre Wirkung beschreiben, und sie ist für mich schlechthin nichts weiter, als – das – eine solche Wirkung Hervorbringende; das – Blumen und Pflanzen, und Thiere, und überhaupt organische Gestalten Erzeugende. Ich werde ferner behaupten, es habe an diesem Platze eine Blume, und diese bestimmte Blume entsprießen können, lediglich in wiefern alle Umstände sich vereinigten, um dieselbe möglich zu machen. Durch diese Vereinigung aller Umstände für ihre Möglichkeit aber ist mir die Wirklichkeit der Blume noch keinesweges erklärt; und ich bin genöthigt, noch eine besondere, durch sich selbst wirkende, ursprüngliche Naturkraft anzunehmen; und zwar bestimmt eine Blumen hervorbringende; denn eine andre Naturkraft würde vielleicht unter denselben Umständen ganz etwas Andres hervorgebracht haben. Ich erhalte sonach folgende Ansicht des Universum.

Es ist, wenn ich die sämmtlichen Dinge als Eins, als Eine Natur ansehe, Eine Kraft; es sind, wenn ich sie als Einzelne betrachte, mehrere Kräfte, – die nach ihren innern Gesetzen sich entwickeln, und durch alle möglichen Gestalten, deren sie fähig sind, hindurchgehen, und alle Gegenstände in der Natur sind nichts Anderes, als jene Kräfte selbst in einer gewissen Bestimmung. Die Aeußerung jeder einzelnen Naturkraft wird bestimmt, – wird zu derjenigen, die sie ist, – theils durch ihr inneres Wesen, theils durch ihre eignen bisherigen Aeußerungen, theils durch die Aeußerungen aller übrigen Naturkräfte, mit denen sie in Verbindung steht; aber sie steht, da die Natur ein zusammenhängendes Ganzes ist, mit allen in Verbindung. – Sie wird durch dieses Alles unwiderstehlich bestimmt. Nachdem sie nun einmal ihrem inneren Wesen nach diejenige ist, die sie ist, und unter diesen Umständen sich äußert, fällt ihre Aeußerung, nothwendig so aus, wie sie ausfällt, und es ist schlechterdings unmöglich, daß sie um das Mindeste anders sei, als sie ist.

In jedem Momente ihrer Dauer ist die Natur ein zusammenhängendes Ganze; in jedem Momente muß jeder einzelne Theil derselben so sein, wie er ist, weil alle übrigen sind, wie sie sind; und du könntest kein Sandkörnchen von seiner Stelle verrücken, ohne dadurch, vielleicht unsichtbar für deine Augen, durch alle Theile des unermeßlichen Ganzen hindurch etwas zu verändern. Aber jeder Moment dieser Dauer ist bestimmt durch alle abgelaufenen Momente, und wird bestimmen alle künftigen Momente; und du kannst in dem gegenwärtigen keines Sandkornes Lage anders denken, als sie ist, ohne daß du genöthigt würdest, die ganze Vergangenheit ins Unbestimmte hinauf, und die ganze Zukunft ins Unbestimmte herab dir anders zu denken. Mache, wenn du willst, den Versuch mit diesem Körnchen Flugsandes, das du erblickst. Denke es dir um einige Schritte weiter landeinwärts liegend. Dann müßte der Sturmwind, der es vom Meere hertrieb, stärker gewesen sein, als er wirklich war. Dann müßte aber auch die vorhergehende Witterung, durch welche dieser Sturmwind und der Grad desselben bestimmt wurde, anders gewesen sein, als sie war, und die ihr vorhergehende, durch die sie bestimmt wurde; und du erhältst in das Unbestimmte und Unbegränzte hinauf eine ganz andere Temperatur der Luft, als wirklich stattgefunden hat, und eine ganz andere Beschaffenheit der Körper, welche auf diese Temperatur Einfluß haben, und auf welche sie Einfluß hat. – Auf Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit der Länder, vermittelst dieser und selbst unmittelbar auf die Fortdauer der Menschen, hat sie unstreitig den entscheidendsten Einfluß. Wie kannst du wissen, – denn da es uns nicht vergönnt ist, in das Innere der Natur einzudringen, so reicht es hier hin, Möglichkeiten aufzuzeigen, – wie kannst du wissen, ob nicht bei derjenigen Witterung des Universum, deren es bedurft hätte, um dieses Sandkörnchen weiter landeinwärts zu treiben, irgend einer deiner Vorväter vor Hunger, oder Frost oder Hitze, würde umgekommen sein, ehe er den Sohn erzeugt hatte, von welchem du abstammest? – Daß du sonach nicht sein würdest, und Alles, was du in der Gegenwart, und für die Zukunft zu wirken wähnest, nicht sein würde, weil – ein Sandkörnchen an einer andern Stelle liegt.


Ich selbst mit Allem, was ich mein nenne, bin ein Glied in dieser Kette der strengen Naturnothwendigkeit. Es war eine Zeit, – so sagen mir Andere, die in dieser Zeit lebten, und ich selbst bin durch Folgerungen genöthigt, eine solche Zeit, deren ich nicht unmittelbar mir bewußt, anzunehmen – es war eine Zeit, in der ich noch nicht war, und ein Moment, in welchem ich entstand. Ich war nur für Andere, noch nicht für mich. Seitdem hat allmählich mein Selbstbewußtsein sich entwickelt, und ich habe in mir gewisse Fähigkeiten, und Anlagen, Bedürfnisse und natürliche Begierden gefunden. – Ich bin ein bestimmtes Wesen, das zu irgend einer Zeit entstanden ist.

Ich bin nicht durch mich selbst entstanden. Es wäre die höchste Ungereimtheit anzunehmen, daß ich gewesen sei, ehe ich war, um mich selbst zum Dasein zu bringen. Ich bin durch eine andere Kraft außer mir wirklich worden. Und durch welche wohl, als durch die allgemeine Naturkraft, da ich ja ein Theil der Natur bin? Die Zeit meines Entstehens, und die Eigenschaften, mit denen ich entstand, waren durch diese allgemeine Naturkraft bestimmt; und alle die Gestalten, unter denen sich diese mir angebornen Grundeigenschaften seitdem geäußert haben, und äußern werden, so lange ich sein werde, sind durch dieselbe Naturkraft bestimmt. Es war unmöglich, daß statt meiner ein Anderer entstände; es ist unmöglich, daß dieser nunmehro Entstandene in irgend einem Momente seines Daseins anders sei, als er ist und sein wird.

Daß meine Zustände nun eben von Bewußtsein begleitet werden, und einige derselben, – Gedanken, Entschließungen, und dergleichen – sogar nichts anders zu sein scheinen, als Bestimmungen eines bloßen Bewußtseins: darf mich in meinen Folgerungen nicht irre machen. Es ist die Naturbestimmung der Pflanze, sich regelmäßig auszubilden, die des Thiers, sich zweckmäßig zu bewegen, die des Menschen, zu denken. Warum sollte ich Anstand nehmen, das Letzte eben so für die Aeußerung einer ursprünglichen Naturkraft anzuerkennen, als das Erste und Zweite? Nichts, als das Erstaunen könnte mich daran verhindern; indem das Denken allerdings eine weit höhere und künstlichere Naturwirkung ist, als die Bildung der Pflanzen, oder die eigentümliche Bewegung der Thiere; aber wie könnte ich jenem Affecte Einfluß verstatten auf eine ruhige Untersuchung? Erklären kann ich freilich nicht, wie die Naturkraft den Gedanken hervorbringe; aber kann ich denn besser erklären, wie sie die Bildung einer Pflanze, die Bewegung eines Thiers hervorbringe? Aus bloßer Zusammensetzung der Materie das Denken abzuleiten, – auf dieses verkehrte Unternehmen werde ich freilich nicht verfallen; könnte ich denn daraus auch nur die Bildung des einfachsten Mooses erklären? – Jene ursprünglichen Naturkräfte sollen überhaupt nicht erklärt werden, noch können sie erklärt werden; denn sie selbst sind es, aus denen alles Erklärbare zu erklären ist. Das Denken ist nun einmal, es ist schlechthin, so wie die Bildungskraft der Natur nun einmal ist, und schlechthin ist: Es ist in der Natur; denn das Denkende entsteht und entwickelt sich nach Naturgesetzen: es ist sonach durch die Natur. Es giebt eine ursprüngliche Denkkraft in der Natur, wie es eine ursprüngliche Bildungskraft giebt.

Diese ursprüngliche Denkkraft des Universum schreitet fort, und entwickelt sich in allen möglichen Bestimmungen, deren sie fähig ist, so wie die übrigen ursprünglichen Naturkräfte fortschreiten und alle möglichen Gestalten annehmen. Ich bin eine besondere Bestimmung der bildenden Kraft, wie die Pflanze; eine besondere Bestimmung der eigenthümlichen Bewegungskraft, wie das Thier; und überdies noch eine Bestimmung der Denkkraft: und die Vereinigung dieser drei Grundkräfte zu Einer Kraft, zu Einer harmonischen Entwicklung, macht das unterscheidende Kennzeichen meiner Gattung aus; so wie es die Unterscheidung der Pflanzengattung ausmacht, lediglich Bestimmung der bildenden Kraft zu sein.

Gestalt, eigenthümliche Bewegung, Gedanke in mir hängen nicht etwa von einander ab, und folgen auseinander: so daß ich meine, und mit ihr die mich umgebenden Gestalten und Bewegungen so dächte, weil sie so sind; oder daß umgekehrt sie so würden, weil ich sie so dächte, sondern sie sind allzumal und unmittelbar die harmonierenden Entwicklungen einer und eben derselben Kraft, deren Aeußerung nothwendig zu einem mit sich innig zusammenstimmenden Wesen meiner Gattung wird, und die man Menschenbildende Kraft nennen könnte. Es entsteht in mir ein Gedanke schlechthin, und eben so schlechthin die ihm entsprechende Gestalt, und eben so schlechthin die beiden entsprechende Bewegung. Ich bin nicht was ich bin, weil ich es denke oder will; noch denke oder will ich es, weil ich es bin, sondern ich bin und denke, – beides schlechthin; beides aber stimmt aus einem höheren Grunde zusammen.

So gewiß jene ursprünglichen Naturkräfte etwas für sich sind, und ihre eignen innern Gesetze und Zwecke haben, so gewiß müssen die einmal zur Wirklichkeit gekommenen Aeußerungen derselben, falls nur die Kraft sich selbst überlassen bleibt, und nicht durch eine fremde ihr überlegne unterdrückt wird, eine Zeitlang dauern, und einen gewissen Umfang von Verwandlungen beschreiben. Was in demselben Augenblicke verschwindet, da es entstand, ist gewiß nicht Aeußerung einer Grundkraft, sondern nur Folge von der Zusammenwirkung mehrerer Kräfte. Die Pflanze, eine besondere Bestimmung der bildenden Naturkraft, geht sich selbst überlassen von ihrem ersten Entkeimen, bis zur Reife des Samens. Der Mensch, eine besondere Bestimmung aller Naturkräfte in ihrer Vereinigung, geht sich selbst überlassen von der Geburt fort zum Tode vor Alter. Daher die Lebensdauer der Pflanze wie des Menschen, und die verschiedenen Bestimmungen dieses ihres Lebens.

Diese Gestalt, diese eigenthümliche Bewegung, dieses Denken in Harmonie mit einander, – diese Fortdauer aller jener wesentlichen Eigenschaften unter mancherlei außerwesentlichen Verwandlungen, kommen mir zu, in wiefern ich ein Wesen meiner Gattung bin. – Aber die Menschenbildende Naturkraft hat sich schon dargestellt, ehe ich entstand, unter mancherlei äußern Bedingungen und Umständen. Diese äußern Umstände sind es, welche die besondere Weise ihrer gegenwärtigen Wirksamkeit bestimmen, in denen sonach der Grund liegt, daß gerade ein solches Individuum meiner Gattung wirklich wird. Dieselben Umstände können nie zurückkehren, weil dann das Natur-Ganze selbst zurückkehren und zwei Naturen statt Einer entstehen würden: es können daher diejenigen Individuen nie wieder wirklich werden, die es schon einmal waren. – Ferner, die Menschenbildende Naturkraft stellt sich dar in derselben Zeit, da auch ich bin, unter allen in dieser Zeit möglichen Umständen. Keine Vereinigung solcher Umstände ist derjenigen vollkommen gleich, durch welche ich wirklich wurde, wenn nicht das Ganze sich in zwei vollkommen gleiche, und unter einander nicht zusammenhängende Welten theilen soll. Es können zu derselben Zeit nicht zwei vollkommen gleiche Individuen wirklich sein. Dadurch ist denn bestimmt, was ich, ich, diese bestimmte Person, sein mußte; und das Gesetz, nach welchem ich der wurde, der ich bin, ist im(A 31-32). (B 23-25). (C 18-20). (S.W. 181-182). Allgemeinen gefunden. Ich bin dasjenige, was die Menschenbildende Kraft, – nachdem sie gewesen ist, was sie war – nachdem sie noch außer mir ist, was sie ist, – nachdem sie in diesem bestimmten Verhältnisse zu andern ihr widerstreitenden Naturkräften sich befindet – werden konnte; und, weil in ihr selbst kein Grund liegen kann, sich zu beschränken, da sie es konnte, nothwendig werden mußte. Ich bin, der ich bin, weil in diesem Zusammenhange des Naturganzen nur ein solcher und schlechthin kein anderer möglich war; und ein Geist, der das Innere der Natur vollkommen übersähe, würde aus der Erkenntnis eines einzigen Menschen bestimmt angeben können, welche Menschen von jeher gewesen, und welche zu jeder Zeit sein würden; in Einer Person würde er alle wirklichen Personen erkennen. Dieser mein Zusammenhang mit dem Naturganzen ist es denn, der da bestimmt, alles was ich war, was ich bin, und was ich sein werde: und derselbe Geist würde aus jedem möglichen Momente meines Daseins unfehlbar folgern können, was ich vor demselben gewesen sei, und was ich nach demselben sein werde. Alles was ich je bin und werde, bin ich und werde ich schlechthin nothwendig, und es ist unmöglich, daß ich etwas anders sei.


Zwar bin ich meiner selbst, als eines selbstständigen, und in mehreren Begebenheiten meines Lebens, freien Wesens mir innigst bewußt; aber dieses Bewußtsein läßt aus den aufgestellten Grundsätzen sich sehr wohl erklären, und mit den so eben gezogenen Folgerungen sich vollkommen vereinigen. Mein unmittelbares Bewußtsein, die eigentliche Wahrnehmung, geht nicht über mich selbst und meine Bestimmungen hinaus, ich weiß unmittelbar nur von mir selbst; was ich darüber hinaus zu wissen vermag, weiß ich nur durch Folgerung, – auf die Weise, wie ich soeben auf ursprüngliche Naturkräfte geschlossen habe, die doch keineswegs in den Umkreis meiner Wahrnehmungen fallen. Ich aber, das was ich mein Ich, meine Person nenne, bin nicht die Menschenbildende Naturkraft selbst, sondern nur eine ihrer Aeußerungen; und nur dieser Aeußerung bin ich(A 33-35). (B 25-27). (C 20-21). (S.W. 182-183). mir, als meines Selbst, bewußt, nicht jener Kraft, auf welche ich nur, durch die Nothwendigkeit mich selbst zu erklären schließe. Diese Aeußerung aber ist, ihrem wirklichen Sein nach, allerdings etwas aus einer ursprünglichen und selbstständigen Kraft Hervorgehendes, und muß im Bewußtsein als solches gefunden werden. Deswegen finde ich mich überhaupt als ein selbstständiges Wesen. – Aus eben diesem Grunde erscheine ich mir als frei in einzelnen Begebenheiten meines Lebens, wenn diese Begebenheiten Aeußerungen der selbstständigen Kraft sind, die mir für mein Individuum zu Theil geworden; als zurückgehalten und eingeschränkt, wenn durch eine Verkettung äußerer Umstände, die in der Zeit entstehen, nicht aber in der ursprünglichen Beschränkung meines Individuum liegen, ich nicht einmal das kann, was ich meiner individuellen Kraft nach wol könnte; als gezwungen, wenn diese individuelle Kraft durch die Uebermacht anderer ihr entgegengesetzten, sogar ihrem eigenen Gesetze zuwider, sich zu äußern genöthigt wird.

Gieb einem Baume Bewußtsein, und laß ihn ungehindert wachsen, seine Zweige verbreiten, die seiner Gattung eigenthümlichen Blätter, Knospen, Blüthen, Früchte hervorbringen. Er wird sich wahrhaftig nicht dadurch beschränkt finden, daß er nun gerade ein Baum ist, und gerade von dieser Gattung, und gerade dieser Einzelne in dieser Gattung; er wird sich frei finden, weil er in allen jenen Aeußerungen nichts thut, als was seine Natur fordert; er wird nichts Anderes thun wollen, weil er nur wollen kann, was diese fordert. Aber laß sein Wachsthum, durch ungünstige Witterung, durch Mangel an Nahrung, oder durch andere Ursachen zurückgehalten werden; er wird sich begrenzt und gehindert fühlen, weil ein Trieb, der wirklich in seiner Natur liegt, nicht befriedigt wird. Binde seine frei umherstrebenden Aeste an ein Geländer, nöthige ihm durch Einpfropfung fremde Zweige auf; er wird sich zu einem Handeln gezwungen fühlen: seine Aeste wachsen allerdings fort, aber nicht nach der Richtung, die die sich selbst überlassene Kraft genommen haben würde; er bringt allerdings Früchte, aber nicht die, die seine ursprüngliche Natur forderte. – Im unmittelbaren Selbstbewußtsein erscheine ich mir als frei; durch Nachdenken über die ganze Natur finde ich, daß Freiheit schlechterdings unmöglich ist: das erstere muß dem letztern untergeordnet werden, denn es ist selbst durch das letztere sogar zu erklären.


Welche hohe Befriedigung gewährt dieses Lehrgebäude meinem Verstande! Welche Ordnung, welcher feste Zusammenhang, welche leichte Uebersicht kommt dadurch in das Ganze meiner Erkenntnisse! Das Bewußtsein ist hier nicht mehr jener Fremdling in der Natur, dessen Zusammenhang mit einem Sein so unbegreiflich ist; es ist einheimisch in derselben, und selbst eine ihrer nothwendigen Bestimmungen. Die Natur erhebt sich allmählich in der bestimmten Stufenfolge ihrer Erzeugungen. In der rohen Materie ist sie ein einfaches Sein; in der organisierten geht sie in sich selbst zurück, um auf sich innerlich zu wirken, in der Pflanze sich zu gestalten, im Thiere, sich zu bewegen; im Menschen, als ihrem höchsten Meisterstücke, kehrt sie in sich zurück, um sich selbst anzuschauen, und zu betrachten: sie verdoppelt sich gleichsam in ihm und wird aus einem bloßen Sein, Sein und Bewußtsein in Vereinigung.

Wie ich von meinem eignen Sein, und den Bestimmungen desselben wissen müsse, ist in diesem Zusammenhange leicht zu erklären. Mein Sein, und mein Wissen hat denselben gemeinschaftlichen Grund; meine Natur überhaupt. Es ist kein Sein in mir, das nicht eben darum, weil es mein Sein ist, zugleich von sich wisse. – Eben so begreiflich wird das Bewußtsein der körperlichen Gegenstände außer mir. Die Kräfte, aus deren Aeußerung meine Persönlichkeit besteht, die bildende, die sich selbst bewegende, die denkende Kraft in mir, sind nicht diese Kräfte in der Natur überhaupt, sondern nur ein bestimmter Theil derselben; und daß sie nur dieser Theil sind, kommt daher, weil außer mir noch so und so viel anderes Sein stattfindet. Aus dem Ersten läßt sich das Letztere berechnen, aus der Beschränkung das Beschränkende. Weil ich dieses oder jenes, das doch in den Zusammenhang des gesammten Seins gehört, nicht bin, darum muß dasselbe außer mir sein; so folgert und berechnet die denkende Natur in mir. Meiner Beschränkung bin ich mir unmittelbar bewußt, weil sie ja zu mir selbst gehört, und nur durch sie ich überhaupt da bin; das Bewußtsein des Beschränkenden, dessen, was ich nicht selbst bin, ist durch das Erstere vermittelt, und fließt aus ihm. –

Weg also mit jenen vorgegebnen Einflüssen, und Einwirkungen der äußern Dinge auf mich, durch die sie mir eine Erkenntniß von sich einströmen sollen, die in ihnen selbst nicht ist, und von ihnen nicht ausströmen kann. Der Grund, warum ich etwas außer mir annehme, liegt nicht außer mir, sondern in mir selbst, in der Beschränktheit meiner eignen Person; vermittelst dieser Beschränktheit geht die denkende Natur in mir, – heraus aus sich selbst, und erhält eine Uebersicht ihrer selbst im Ganzen; jedoch in jedem Individuum aus einem eignen Gesichtspunkte. –

Auf dieselbe Weise entsteht mir der Begriff von denkenden Wesen meines Gleichen. Ich, oder die denkende Natur in mir, denkt Gedanken, die aus ihr selbst, als individueller Naturbestimmung, sich entwickelt haben sollen, andere, die sich nicht aus ihr selbst entwickelt haben sollen. Und so ist es dann in der That. Die erstern sind allerdings mein eigentümlicher, individueller Vertrag zu dem Umfange des allgemeinen Denkens in der Natur; die letztern sind aus den erstern nur gefolgert, als solche, welche in diesem Umfange allerdings auch stattfinden müssen, aber da sie nur gefolgert sind, nicht in mir, sondern in andern denkenden Wesen; und von hieraus schließe ich erst auf denkende Wesen außer mir. – Kurz: die Natur wird in mir ihrer selbst im Ganzen sich bewußt; aber nur so, daß sie von dem individuellen Bewußtsein meiner anhebe, und von ihm aus fortgehe zum Bewußtsein des allgemeinen Seins, durch Erklärung nach dem Satze des Grundes: das heißt, daß sie die Bedingungen denke, unter denen allein eine solche Gestalt, solche Bewegung, ein solches Denken, aus welchen meine Person besteht, möglich wurde. Der Satz des Grundes ist der Punkt des Ueberganges von dem Besondern, das sie selbst ist, zu dem Allgemeinen, das außer ihr ist; das unterscheidende Kennzeichen beider Arten der Erkenntniß ist dies, daß die erste – unmittelbare Anschauung, die letzte – Folgerung ist.

In jedem Individuum erblickt die Natur sich selbst aus einem besondern Gesichtspunkte. Ich nenne mich ich, und dich du: du nennest dich ich, und mich du: ich liege für dich außer dir, wie du für mich außer mir liegst. Ich begreife außer mir zuerst, was mich zunächst begränzt; du, was dich zunächst begränzt; von diesem Punkte aus gehen wir durch seine nächsten Glieder hindurch weiter, – aber wir beschreiben sehr verschiedene Reihen, die sich wol hier und da durchschneiden, aber nirgends nach derselben Richtung neben einander fortlaufen. – Es werden alle möglichen Individuen, sonach auch alle möglichen Gesichtspunkte des Bewußtseins wirklich. Dieses Bewußtsein aller Individuen zusammengenommen macht das vollendete Bewußtsein des Universum von sich selbst aus; und es giebt kein anderes, denn nur im Individuum ist vollendete Bestimmtheit und Wirklichkeit.

Die Aussage des Bewußtseins eines jeden Individuum ist untrüglich, wenn es nur wirklich das bis jetzt beschriebene Bewußtsein ist; denn dieses Bewußtsein entwickelt sich aus dem ganzen gesetzmäßigen Laufe der Natur; aber die Natur kann nicht sich selbst widersprechen. Ist irgendwo irgend eine Vorstellung, so muß es wol auch ein derselben entsprechendes Sein geben, denn die Vorstellungen werden nur mit der Erzeugung des ihnen entsprechenden Seins zugleich erzeugt. – Jedem Individuum ist sein besonderes Bewußtsein durchaus bestimmt, denn dasselbe geht aus seiner Natur hervor; keiner kann andere Erkenntnisse, und einen andern Grad ihrer Lebhaftigkeit haben, als er wirklich hat. Der Inhalt seiner Erkenntnisse wird bestimmt durch den Standpunkt, welchen er im Universum einnimmt. Die Deutlichkeit und Lebhaftigkeit derselben durch die höhere oder geringere Wirksamkeit, welche die Kraft der Menschheit in seiner Person zu äußern vermag. Gieb der Natur eine einzige Bestimmung einer Person, scheine sie so geringfügig als sie wolle, sei es der Lauf eines einzigen Muskels, die Biegung eines Haares, und sie sagt dir, wenn sie ein allgemeines Bewußtsein hätte, und dir antworten(A 42-44). (B 32-34). (C 26-27). (S.W. 186-187). könnte, alle Gedanken, welche diese Person die ganze Zeit ihres Bewußtseins hindurch denken wird.

Eben so begreiflich wird in diesem Lehrgebäude die bekannte Erscheinung in unserm Bewußtsein, die wir Willen nennen. Ein Wollen ist das unmittelbare Bewußtsein der Wirksamkeit einer unserer innern Naturkräfte. Das unmittelbare Bewußtsein eines Strebens dieser Kräfte, das noch nicht Wirksamkeit ist, weil es durch gegenstrebende Kräfte gehemmt wird, ist im Bewußtsein Neigung oder Begierde; der Kampf der streitenden Kräfte, Unentschlossenheit; der Sieg der einen, Willensentschluß. Ist die strebende Kraft blos diejenige, die uns mit der Pflanze oder dem Thiere gemein ist; so ist in unserm innern Wesen schon eine Trennung und Herabsetzung erfolgt, das Begehren ist unserm Range in der Reihe der Dinge nicht gemäß, sondern unter demselben, und kann nach einem gewissen Sprachgebrauche sehr wohl ein niederes genannt werden. Ist jenes Strebende die ganze ungetheilte Kraft der Menschheit; so ist das Begehren unserer Natur gemäß, und kann ein höheres genannt werden. Das Streben der letztern überhaupt gedacht, läßt sich füglich ein sittliches Gesetz nennen. Eine Wirksamkeit der letztern ist ein tugendhafter Wille, und die daraus erfolgende Handlung Tugend. Ein Sieg der ersten ohne Harmonie mit der letztern ist Untugend; ein Sieg derselben über die letztere und gegen ihren Widerstreit ist Laster.

Die Kraft, welche jedesmal siegt, siegt nothwendig; ihr Uebergewicht ist durch den Zusammenhang des Universum bestimmt; sonach ist durch denselben Zusammenhang auch die Tugend, die Untugend und das Laster jedes Individuum unwiderruflich bestimmt. Gieb der Natur nochmals den Lauf eines Muskels, die Biegung eines Haares an einem bestimmten Individuum, und sie wird dir, wenn sie im Ganzen denken, und dir antworten könnte, daraus alle guten Thaten, und alle Unthaten seines Lebens von Anbeginn bis an sein Ende angeben. Aber darum hört die Tugend nicht auf Tugend, und das Laster Laster zu sein. Der Tugendhafte ist eine edle, der Lasterhafte eine unedle und verwerfliche, jedoch aus dem Zusammenhange des Universum nothwendig erfolgende Natur.

Es gibt Reue, und sie ist das Bewußtsein des fortdauernden Strebens der Menschheit in mir, auch nachdem dasselbe besiegt worden, verbunden mit dem unangenehmen Gefühl, daß es besiegt worden; ein beunruhigendes, aber doch köstliches Unterpfand unsrer edleren Natur. Aus diesem Bewußtsein unsers Grundtriebes entsteht auch das Gewissen, und die größere oder geringere Schärfe und Reizbarkeit bis zu dem absoluten Mangel desselben bei verschiedenen Individuen. Der Unedlere ist der Reue nicht fähig, weil die Menschheit in ihm auch nicht einmal so viel Kraft hat, um niedere Triebe zu bestreiten. Belohnung und Strafe sind die natürlichen Folgen der Tugend und des Lasters zur Hervorbringung neuer Tugend und neuen Lasters. Durch häufige bedeutende Siege nämlich wird unsre eigenthümliche Kraft ausgebreitet, und verstärkt; durch Mangel an aller Wirksamkeit, oder häufigen Niederlagen, wird sie immer schwächer. – Nur die Begriffe Verschuldung und Zurechnung haben keinen Sinn, außer den für das äußere Recht. Verschuldet hat sich derjenige, und ihm wird sein Vergehen zugerechnet, der die Gesellschaft nöthigt, künstliche äußere Kräfte anzuwenden, um die Wirksamkeit seiner der allgemeinen Sicherheit nachtheiligen Triebe zu verhindern.


Meine Untersuchung ist geschlossen, und meine Wißbegier befriedigt. Ich weiß, was ich überhaupt bin, und worin das Wesen meiner Gattung besteht. Ich bin eine durch das Universum bestimmte Aeußerung einer durch sich selbst bestimmten Naturkraft. Meine besondern persönlichen Bestimmungen vermittelst ihrer Gründe einzusehen, ist unmöglich, denn ich kann in das Innere der Natur nicht eindringen. Aber ich werde mir derselben unmittelbar bewußt. Ich weiß ja wohl, was ich in dem gegenwärtigen Momente bin, ich kann mich größtenteils erinnern, was ich ehmals war, und ich werde ja erfahren, was ich sein werde, dann, wenn ich es sein werde.

Von dieser Entdeckung Gebrauch für mein Handeln zu machen, kann mir nicht einfallen, denn ich handle ja(A 47-49). (B 36-37). (C 28-30). (S.W. 188-189). überhaupt nicht, sondern in mir handelt die Natur: mich zu etwas Anderem zu machen, als wozu ich durch die Natur bestimmt bin, dies kann ich mir nicht vornehmen wollen, denn ich mache mich gar nicht, sondern die Natur macht mich selbst und Alles was ich werde. Ich kann bereuen, und mich freuen, und gute Vorsätze fassen; – ohnerachtet ich der Strenge nach auch dies nicht einmal kann, sondern Alles mir von selbst kommt, wenn es mir zu kommen bestimmt ist; – aber ich kann ganz sicher durch alle Reue, und durch alle Vorsätze nicht das Geringste an dem ändern, was ich nun einmal werden muß. Ich stehe unter der unerbittlichen Gewalt der strengen Nothwendigkeit; bestimmt sie mich zu einem Thoren und Lasterhaften, so werde ich ohne Zweifel ein Thor und ein Lasterhafter werden; bestimmt sie mich zu einem Weisen und Guten, so werde ich ohne Zweifel ein Weiser und Guter werden. Es ist nicht ihre Schuld noch Verdienst, noch das meinige. Sie steht unter ihren eigenen Gesetzen, ich unter den ihrigen: Es wird, nachdem ich dies einsehe, das Beruhigendste sein, auch meine Wünsche ihr zu unterwerfen, da ja mein Sein ihr völlig unterworfen ist.


O, diese widerstrebenden Wünsche! Denn warum sollte ich mir länger die Wehmuth, den Abscheu, das Entsetzen verhehlen, welche, so wie ich einsah, wie die Untersuchung endigen werde, mein Inneres ergriffen? Ich hatte es mir heilig versprochen, daß die Neigung keinen Einfluß auf die Richtung meines Nachdenkens haben sollte; und ich habe ihr in der That mit Bewußtsein keinen verstattet. Aber darf ich es mir darum am Ende nicht gestehen, daß dieser Ausgang meinen tiefsten innersten Ahnungen, Wünschen, Forderungen widerspreche? Und wie kann ich, trotz der Richtigkeit, und der schneidenden Schärfe der Beweise, die mir in dieser Ueberlegung zu sein scheint, an eine Erklärung meines Daseins glauben, die der innigsten Wurzel meines Daseins, die dem Zwecke, um dessen willen ich allein sein mag, und ohne welchen ich mein Dasein verwünsche, so entscheidend widerstreitet?

Warum muß mein Herz trauern und zerrissen werden,(A 49-51). (B 37-39). (C 30-31). (S.W. 180-190). von dem, was meinen Verstand so vollkommen beruhigt? Da nichts in der Natur sich widerspricht, ist nur der Mensch ein widersprechendes Wesen? – Oder, vielleicht nicht der Mensch, sondern nur ich und diejenigen, welche mir gleichen? Hätte ich vielleicht hingehen sollen in dem freundlichen Wahne, der mich umgab, mich in dem Umfange des unmittelbaren Bewußtseins meines Seins erhalten, und die Frage nach den Gründen desselben, deren Beantwortung mich jetzt elend macht, nie erheben sollen? Aber wenn diese Beantwortung recht hat, so mußte ich jene Frage erheben; ich erhob sie nicht, sondern die denkende Natur in mir erhob sie. – Ich war zum Elende bestimmt, und ich beweine vergebens die verlorne Unschuld meines Geistes, welche nie zurückkehren kann.


Aber Muth gefaßt! Verlasse mich alles Andere, wenn nur dieser mich nicht verläßt. – Um der bloßen Neigung willen, und liege sie noch so tief in meinem Innern, und erscheine sie noch so heilig, kann ich freilich nicht aufgeben, was aus unwidersprechlichen Gründen folgt; aber vielleicht habe ich in der Untersuchung geirrt, vielleicht habe ich die Quellen, aus denen sie geführt werden mußte, nur halb aufgefaßt, und einseitig angesehen. Ich sollte die Untersuchung von dem entgegengesetzten Ende aus wiederholen; damit ich nur einen Anfangspunkt für sie habe: – Was ist es denn doch, das in jener Entscheidung mich so gewaltig zurückstößt, und beleidigt? Was ist es, das ich statt derselben gefunden zu haben wünschte? Mache ich mir nur vor allen Dingen jene Neigung recht klar, auf welche ich mich berufe!

Daß ich bestimmt sein sollte, ein Weiser und Guter, oder ein Thor und Lasterhafter, zu sein, daß ich an dieser Bestimmung nichts ändern, von dem ersteren kein Verdienst, und an dem letzteren keine Schuld haben sollte, – dies war es, was mich mit Abscheu und Entsetzen erfüllte. Jener Grund meines Seins, und der Bestimmungen meines Seins außer mir selbst, dessen Aeußerung wiederum durch andere Gründe außer ihm bestimmt wurde, – er war es, der mich so heftig zurückstieß. Jene Freiheit, die gar nicht meine eigne, sondern die einer fremden Kraft außer mir, und selbst an dieser nur eine bedingte, nur eine halbe Freiheit war, – sie war es, die mir nicht genügte. Ich selbst, dasjenige, dessen ich mir als meiner selbst, als meiner Person bewußt bin, und welches in jenem Lehrgebäude als bloße Aeußerung eines höhern erscheint, – ich selbst will selbstständig, – nicht an einem Andern und durch ein Anderes, sondern für mich selbst Etwas sein; und will, als solches, selbst der letzte Grund meiner Bestimmungen sein. Den Rang, welchen in jenem Lehrgebäude jede ursprüngliche Naturkraft einnimmt, will ich selbst einnehmen; nur mit dem Unterschiede, daß die Weise meiner Aeußerungen nicht durch fremde Kräfte bestimmt sei. Ich will eine innere eigentümliche Kraft haben, mich auf unendlich mannichfaltige Weise zu äußern, eben so wie jene Naturkräfte: und die sich nun gerade so äußere, wie sie sich äußert, schlechthin aus keinem andern Grunde, als weil sie sich so äußert; nicht aber, wie jene Naturkräfte, weil es gerade unter diesen äußern Bedingungen geschieht.

Welches soll nun diesem meinem Wunsche zufolge der eigentliche Sitz und Mittelpunkt jener eigenthümlichen Kraft des Ich sein? Offenbar nicht mein Körper: den ich, wenigstens seinem Sein nach, wenn auch nicht nach seinen weitern Bestimmungen, für eine Aeußerung der Naturkräfte gern gelten lasse; auch nicht meine sinnlichen Neigungen, die ich für eine Beziehung dieser Kräfte auf mein Bewußtsein halte: – Sonach mein Denken und Wollen. Ich will nach einem frei entworfenen Zweckbegriffe mit Freiheit wollen, und dieser Wille, als schlechthin letzter, durch keinen möglichen höheren bestimmter, Grund soll zunächst meinen Körper, und vermittelst desselben, die mich umgebende Welt bewegen und bilden. Meine thätige Naturkraft soll nur unter der Botmäßigkeit des Willens stehen, und schlechthin durch nichts anders in Bewegung zu setzen sein, außer durch ihn. – So soll es sich verhalten: – es soll ein Bestes geben nach geistigen Gesetzen; dieses mit Freiheit zu suchen, bis ich es finde, es dafür zu erkennen, wenn ich es gefunden habe, soll ich das Vermögen haben, und es soll meine Schuld sein, wenn ich es nicht gefunden. Dieses Beste soll ich wollen können, schlechthin weil ich es will; und wenn ich statt desselben etwas Anderes will, soll ich die Schuld haben. Aus diesem Willen soll meine Handlung erfolgen, und ohne ihn soll überhaupt durch mich keine Handlung erfolgen, indem es gar keine mögliche andere Kraft meiner Handlungen geben soll, als meinen Willen. Erst jetzt soll meine durch den Willen bestimmte, und in seiner Botmäßigkeit stehende Kraft in die Natur eingreifen. Ich will der Herr der Natur sein, und sie soll mein Diener sein; ich will einen meiner Kraft gemäßen Einfluß auf sie haben, sie aber soll keinen haben auf mich.


Dies ist der Inhalt meiner Wünsche und Forderungen. Völlig gegen diese hat eine Untersuchung gesprochen, die meinen Verstand befriedigt. Wenn ich der ersten zufolge unabhängig sein soll von der Natur, und überhaupt von irgend einem Gesetze, das ich mir nicht selbst gebe, so bin ich nach der zweiten ein durchaus bestimmtes Glied in der Kette der Natur. Ob nun eine solche Freiheit, wie ich sie wünsche, auch nur denkbar ist, und wenn sie es sein sollte, ob nicht in einem durchgeführten und vollständigen Nachdenken selbst Gründe liegen, die mich nöthigen, dieselbe als wirklich anzunehmen, und mir sie zuzuschreiben, – wodurch sonach der Ausgang der vorigen Untersuchung widerlegt würde, davon ist die Frage.

Ich will frei sein, auf die angegebene Weise, heißt: ich selbst will mich machen, zu dem, was ich sein werde. Ich müßte sonach, – dies ist das Höchstbefremdende, und dem ersten Anscheine nach völlig Widersinnige, was in diesem Begriffe liegt, – ich müßte, was ich werden soll, in gewisser Rücksicht schon sein, ehe ich es bin, um mich dazu auch nur machen zu können; ich müßte eine doppelte Art des Seins haben, von denen das erste den Grund einer Bestimmung des zweiten enthielte. Beobachte ich nun hierüber mein unmittelbares Selbstbewußtsein im Wollen, so finde ich folgendes. Ich habe die Kenntniß mannichfaltiger Handelsmöglichkeiten, unter denen allen, wie es mir scheint, ich auswählen kann, welche ich will. Ich durchlaufe den Umkreis derselben, erweitere ihn, kläre mir das Einzelne auf, vergleiche es gegen einander, und wäge ab. Ich wähle endlich eins unter allen, bestimme darnach meinen Willen, und es erfolgt aus dem Willensentschlusse eine demselben gemäße Handlung. Hier bin ich nun allerdings im bloßen Denken meines Zwecks vorher, was ich hernach, und zufolge dieses Denkens, durch Wollen und Handeln wirklich bin; ich bin vorher als Denkendes, was ich kraft des Denkens späterhin als Handelndes bin. Ich mache mich selbst: Mein Sein durch mein Denken; mein Denken schlechthin durch das Denken. – Man kann auch dem bestimmten Zustande einer Aeußerung der bloßen Naturkraft, als etwa einer Pflanze, einen Zustand der Unbestimmtheit vorausdenken, in welchem ein reichhaltiges Mannichfaltiges von Bestimmungen gegeben ist, die sie, sich selbst überlassen, annehmen könnte. Dieses mannichfaltige Mögliche ist nun allerdings in ihr, in ihrer eigentümlichen Kraft gegründet; aber es ist nicht für sie, weil sie der Begriffe nicht fähig ist, sie kann nicht wählen, sie kann nicht durch sich selbst der Unbestimmtheit ein Ende machen; äußere Bestimmungsgründe müssen es sein, welche sie auf das Eine von allen möglichen einschränken, worauf sie selbst sich nicht einschränken kann. In ihr kann ihre Bestimmung nicht vor ihrer Bestimmung vorher stattfinden, denn sie hat nur Eine Weise bestimmt zu sein, – die ihrem wirklichen Sein nach. Daher kam es auch wol, daß ich mich oben genöthigt fand, zu behaupten, daß die Aeußerung jeder Kraft ihre vollendete Bestimmung von außen erhalten müsse. Ich dachte ohne Zweifel nur an solche Kräfte, die sich lediglich durch ein Sein äußern, aber des Bewußtseins unfähig sind. Von ihnen gilt denn auch die obige Behauptung ohne die mindeste Einschränkung; bei Intelligenzen findet der Grund dieser Behauptung nicht statt, und es scheint sonach übereilt, auch über diese sie auszudehnen.

Freiheit, wie sie oben gefordert wurde, ist nur in Intelligenzen denkbar, in ihnen aber ist sie es ohne Zweifel. Auch unter dieser Voraussetzung, ist der Mensch sowol, als die Natur vollkommen begreiflich. Mein Leib, und mein Vermögen in der Sinnenwelt zu wirken, ist eben so, wie in dem obigen Systeme, Aeußerung beschränkter Naturkräfte; und meine natürlichen Neigungen sind die Beziehungen dieser Aeußerung auf mein Bewußtsein. Die bloße Erkenntniß dessen, was ohne mein Zuthun da ist, entsteht unter dieser Voraussetzung einer Freiheit gerade so, wie in jenem Systeme; und bis auf diesen Punkt kommen beide überein. Nach jenem aber, – und hier hebt der Widerstreit beider Lehrgebäude an – nach jenem bleibt das Vermögen meiner sinnlichen Wirksamkeit unter der Botmäßigkeit der Natur, wird fortdauernd durch dieselbe Kraft in Bewegung gesetzt, die es auch hervorbrachte, und der Gedanke hat dabei überall nur das Zusehen; nach dem gegenwärtigen fällt dieses Vermögen, nachdem es nur einmal vorhanden ist, unter die Botmäßigkeit einer über alle Natur erhabenen, und von den Gesetzen derselben gänzlich befreiten Kraft, der Kraft der Zweckbegriffe, und des Willens. Der Gedanke hat nicht mehr blos das Zusehen, sondern von ihm geht die Wirkung selbst aus. Dort sind es äußere, mir unsichtbare Kräfte, die meiner Unentschlossenheit ein Ende machen, und meine Wirksamkeit, so wie das unmittelbare Bewußtsein derselben, meinen Willen, auf einen Punkt beschränken; eben so wie die durch sich selbst unbestimmte Wirksamkeit der Pflanze beschränkt wird: hier bin Ich es selbst, unabhängig und frei vom Einflusse aller äußern Kräfte, der seiner Unentschlossenheit ein Ende macht, und durch die frei in sich hervorgebrachte Erkenntniß des Besten sich bestimmt.


Welche von beiden Meinungen soll ich ergreifen? Bin ich frei und selbstständig, oder bin ich nichts an mir selbst, und lediglich Erscheinung einer fremden Kraft? Es ist mir so eben klar geworden, daß keine von beiden Behauptungen hinlänglich begründet ist. Für die erste spricht nichts als ihre bloße Denkbarkeit; für die letzte dehne ich einen an sich und in seinem Gebiete ganz wahren Satz weiter aus, als sein eigentlicher Grund reicht. Ist die Intelligenz bloße Naturäußerung, so thue ich ganz Recht daran, jenen Satz auch über sie auszudehnen: aber, ob sie es sei, davon ist eben die Frage; und diese soll durch Folgerung aus andern Sätzen beantwortet, nicht aber eine einseitige Antwort schon beim Anfange der Untersuchung vorausgesetzt, und aus dieser wieder abgeleitet werden, was ich selbst erst in sie hineinlegte. Kurz, aus Gründen zu erweisen, ist keine von den beiden Meinungen.

Eben so wenig entscheidet in dieser Sache das unmittelbare Bewußtsein. Weder der äußern Kräfte, die in dem Systeme der allgemeinen Notwendigkeit mich bestimmen, noch meiner eignen Kraft, durch welche in dem der Freiheit ich mich selbst bestimme, kann ich mir je bewußt werden. Welche von beiden Meinungen ich sonach ergreifen möge, ergreife ich sie immer schlechthin darum, weil ich sie nun einmal ergreife.

Das System der Freiheit befriedigt, das entgegengesetzte tödtet und vernichtet mein Herz, kalt und todt dastehen, und dem Wechsel der Begebenheiten nur zusehen, ein träger Spiegel der vorüberfliehenden Gestalten – dieses Dasein ist mir unerträglich, ich verschmähe und verwünsche es. Ich will lieben, ich will mich in Theilnahme verlieren, mich freuen und mich betrüben. Der höchste Gegenstand dieser Theilnahme für mich bin ich selbst; und das Einzige an mir, womit ich dieselbe fortdauernd ausfüllen kann, ist mein Handeln. Ich will Alles aufs Beste machen; will mich meiner freuen, wenn ich recht gethan habe; will mich über mich betrüben, wenn ich unrecht that; und sogar diese Betrübniß soll mir süß sein; denn es ist Theilnahme an mir selbst, und Unterpfand der künftigen Besserung. – In der Liebe nur ist das Leben, ohne sie ist Tod und Vernichtung.

Aber kalt und frech tritt das entgegengesetzte System hin, und spöttelt dieser Liebe. Ich bin nicht, und ich handle nicht, wenn ich dasselbe höre. Der Gegenstand meiner innigsten Zuneigung ist ein Hirngespinnst, eine greiflich nachzuweisende grobe Täuschung. Statt meiner ist und handelt eine fremde mir ganz unbekannte Kraft; und es wird mir völlig gleichgültig, wie diese sich entwickle. Beschämt stehe ich da mit meiner herzlichen Neigung, und mit meinem guten Willen; und erröthe vor dem, was ich für das Beste an mir erkenne, und um wessen willen ich allein sein mag, als vor einer lächerlichen Thorheit. Mein Heiligstes ist dem Spotte preisgegeben.

Ohne Zweifel war es die Liebe dieser Liebe, das Interesse für dieses Interesse, welches mich ohne mein Bewußtsein trieb, ehmals, ehe ich die Untersuchung erhob, die mich jetzt verwirrt und zur Verzweiflung führt, ohne weiteres mich für frei und für selbstständig zu halten: ohne Zweifel war es dieses Interesse, wodurch ich eine Meinung, die nichts für sich hat, als ihre eigne Denkbarkeit, und die Unerweislichkeit ihres Gegentheils, bis zur Ueberzeugung ergänzte; war es dieses Interesse, wodurch ich bis jetzt vor dem Unternehmen bewahrt wurde, mich selbst und mein Vermögen weiter erklären zu wollen.

Das entgegengesetzte System, trocken und herzlos, aber unerschöpflich im Erklären, erklärt selbst dieses mein Interesse für Freiheit, diesen meinen Abscheu gegen die widerstreitende Meinung. Es erklärt alles, was ich aus meinem Bewußtsein gegen dasselbe anführe, und so oft ich sage, daß es so und so sich verhalte, antwortet es mir immer gleich trocken und unbefangen; dasselbe sage ich auch, und ich sage dir noch überdies die Gründe, wodurch es nothwendig so wird. Du stehst, wird es mir auf alle meine Klagen antworten, indem Du von deinem Herzen, deiner Liebe, deinem Interesse sprichst, im Standpunkte des unmittelbaren Bewußtseins deines Selbst; und du gestehst dies, indem du sagst, daß du selbst der höchste Gegenstand deines Interesse seiest. Und hierüber ist denn bekannt, und schon oben auseinander gesetzt, daß dieses Du, wofür du dich so lebhaft interessirst, in wiefern es nicht Wirksamkeit, denn doch wenigstens Trieb deiner eigenthümlichen innern Natur ist; es ist bekannt, daß jeder Trieb, so gewiß er dies ist, in sich selbst zurückkehrt, und sich zur Wirksamkeit antreibt; und es ist sonach begreiflich, wie dieser Trieb sich im Bewußtsein als Liebe, und Interesse für ein freies, und eigentümliches Wirken nothwendig äußern müsse. Versetzest du dich aus diesem engen Gesichtspunkte des Selbstbewußtseins, in den höhern Standpunkt der Uebersicht des Universum, den du einzunehmen dir ja versprochen hast, so wird dir klar, daß, was du deine Liebe nanntest, nicht deine Liebe ist, sondern eine fremde Liebe: – das Interesse der ursprünglichen Naturkraft in dir, sich selbst als eine solche zu erhalten. – Und so berufe dich denn nicht weiter auf deine Liebe; denn wenn dieselbe auch außerdem etwas beweisen könnte, so ist hier sogar die Voraussetzung derselben unrichtig. Du liebst dich nicht, denn du bist überhaupt nicht; es ist die Natur in dir, die für ihre eigne Erhaltung sich interessirt. Daß, ohnerachtet in der Pflanze ein eigenthümlicher Trieb ist, zu wachsen, und sich zu bilden, die bestimmte Wirksamkeit dieses Triebes dennoch von außer ihr liegenden Kräften abhänge, giebst du ohne Widerstreit zu. Leihe dieser Pflanze auf einen Augenblick Bewußtsein, so wird sie ihren Trieb zu wachsen mit Interesse und Liebe in sich fühlen. Ueberzeuge sie durch Vernunftgründe, daß dieser Trieb für sich nicht das Geringste auszurichten vermag, sondern daß ihm das Maß seiner Aeußerung immer durch etwas außer ihm bestimmt wird; sie wird vielleicht gerade so reden, als du eben geredet hast; sie wird sich gebehrden, wie es einer Pflanze zu verzeihen ist, dir aber, als einem höhern, das Ganze der Natur denkenden Naturproducte, keinesweges ansteht.

Was kann ich gegen diese Vorstellung einwenden? Begebe ich mich auf ihren Grund und Boden, auf den so gerühmten Standpunkt einer Uebersicht des Universum, so muß ich ohne Zweifel mit Erröthen verstummen. Es ist also die Frage, ob ich überhaupt auf diesen Standpunkt mich stellen, oder in dem Umfange des unmittelbaren Selbstbewußtseins mich halten; ob der Erkenntniß die Liebe, oder der Liebe die Erkenntniß untergeordnet werden solle. Das Letztere steht in üblem Rufe bei verständigen Leuten, das Erstere macht mich unbeschreiblich elend, indem es mich selbst aus mir selbst vertilgt. Ich kann das Letztere nicht thun, ohne mir selbst als unüberlegt und thöricht zu erscheinen; ich kann das Erstere nicht, ohne mich selbst zu vernichten.

Unentschieden kann ich nicht bleiben: an der Beantwortung dieser Frage hängt meine ganze Ruhe, und meine ganze Würde. Eben so unmöglich ist es mir, mich zu entscheiden: ich habe schlechthin keinen Entscheidungsgrund weder für das Eine noch für das Andere.

Unerträglicher Zustand der Ungewißheit, und der Unentschlossenheit! Durch den besten, und den muthigsten Entschluß meines Lebens mußte ich in dich gerathen! Welche Macht kann mich von dir, welche Macht kann mich von mir selbst retten?

 


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