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Andreas Bichel
oder
der Mädchenschlächter

Im Sommer des Jahres 1806 verließ Barbara Reisinger, Tochter des Tagelöhners Peter Reisinger zu Loisenried, ihre Eltern, um eine Dienstherrschaft zu suchen, und - verschwand. Keine Nachricht über Aufenthalt und Schicksal dieses Mädchens kam wieder in ihr elterliches Haus.

Im Anfang des Jahres 1808 ereignete sich derselbe Fall mit einem anderen jungen Mädchen, der Katharina Seidel zu Regendorf. Sie ging eines Morgens von ihrem Haus hinweg, um sich bei einem gewissen Andreas Bichel aus einem sogenannten Erdspiegel wahrsagen zu lassen. Sie kehrte aber nicht wieder zu ihren Schwestern heim, die sich vergebens bei diesem Bichel nach der Verlorenen erkundigten.

Lange blieb das Verschwinden dieser Mädchen und jeder Verdacht einer Missetat der Obrigkeit verborgen. Die Eltern der Reisinger trösteten sich mit eitlen Hoffnungen, und die Schwestern der Seidel beklagten im stillen ihren Verlust. Zwar hörten die zurückgelassenen Schwestern da und dort, Bichels Eheweib verkaufe Kleidungsstücke von ihrer Katharina. Aber sie beachteten dieses zu wenig. Sie begnügten sich, zu Bichel selbst zu gehen und bei ihm wegen ihrer vermißten Schwester nachzufragen. Ihre arglose Unbefangenheit, ihre gutmütige Einfalt nahmen seine leeren Ausflüchte lange für Wahrheit.

Endlich gab ein Zufall den ersten Anlaß zu gerichtlicher Untersuchung. Die jüngere Schwester der vermißten Katharina Seidel mit dem Vornamen Walburga kam zufällig in die Werkstätte des Schneiders zu Regendorf und fand da einige Stücke Barchent von dem Rock ihrer Schwester. Jener sollte daraus dem Andreas Bichel eine Weste machen. Diese Entdeckung war zu auffallend. Walburga Seidel machte hiervon am 19. Mai 1808 dem Landgericht zu Burglengenfeld eine Anzeige.

Sie erzählte: Vor ungefähr dreizehn Wochen, während ihrer Abwesenheit, habe Andreas Bichel morgens um halb acht Uhr eine Weibsperson in das Haus ihrer Schwestern geschickt und die Katharina unter dem Vorwande zu sich rufen lassen, es sei jemand bei ihm, der sie sprechen wolle. Katharina sei auch zu ihm gegangen, aber gleich wieder zurückgekommen. Ihrer älteren Schwester Therese habe sie dann erzählt: Bichel wolle sie in einen Erdspiegel sehen lassen, worin sie ihr künftiges Schicksal lesen werde. Hierzu müsse sie aber so viele Kleider mitbringen, um sich dreimal umkleiden zu können. Das sei nötig. Und diese Kleider müßten hübsch fein und gut sein, die besten, die sie besitze. Katharina habe nun ihre Kleider zusammengepackt und sei zu Bichel geeilt. Aber seit diesem Augenblick ist sie nicht wieder erschienen. Gleich am zweiten oder dritten Tag nach ihrem Verschwinden habe die ältere Schwester, Therese, den Bichel, den sie zu Haus bei verschlossenen Türen angetroffen, wegen der Katharina zur Rede gestellt. Dieser habe ihr, ganz im Widerspruch mit dem, was er andern Leuten geäußert, nur zur Antwort gegeben, er wisse nichts von der abwesenden Katharina. Sie sei mit eben der Mannsperson davongegangen, auf deren Verlangen er sie in sein Haus bestellt habe. Dasselbe habe Bichel ihr selbst und ihrer Schwester vor acht Tagen auf wiederholte Anfrage geäußert. Übrigens sei gleich nach dem Verschwinden ihrer Schwester im ganzen Dorf die Rede gegangen, daß Bichel schon vor längerer Zeit auch eine Base von ihm in den Erdspiegel habe sehen lassen, die dann ebenfalls verschwunden sei. Deren Kleider wurden von Bichel mit der Bemerkung verkauft, sie bedürfe dieser Kleider nicht mehr. Sie sei gnädige Frau geworden, sie trage nun lange, französische Kleider.

Das Gericht begab sich sogleich am folgenden Tag selbst nach Regendorf, um die nötige Haussuchung bei Andreas Bichel zu veranstalten, seine Gefangennahme zu bewirken und an Ort und Stelle Erkundigungen einzuziehen. Bei der Ankunft des Gerichts war Bichel im Wald. Man sandte zwei Gerichtsdiener ab, um ihn gefangenzunehmen. Unterdessen wurde seine Frau im Hause bewacht, während das Gericht im Amtshause die ältere Schwester der Seidel, die Theresia, vernahm. Die bestätigte mit noch größerer Ausführlichkeit die Anzeige ihrer Schwester und gab zum Protokoll ein umständliches Verzeichnis aller Kleidungsstücke, welche die verschwundene Katharina in das Bichelsche Haus mitgenommen hatte. Auch bestimmte sie den 15. Februar desselben Jahres als den Tag, an dem ihre Schwester verschwunden sei.

Noch war die Vernehmung der Theresia Seidel nicht beendigt, als der Gerichtsdiener ein baumwollenes Tüchelchen vor Gericht brachte, das Bichel bei seiner Gefangennahme bei sich hatte und das er erst sehr ängstlich zu verbergen und dann wegzuwerfen bemüht gewesen war. Kaum erblickte Theresia Seidel dieses Tuch, so rief sie: »Jesus Maria! Das ist das Tüchelchen meiner Schwester Katharina!« Sie besichtigte es genauer und erkannte es wiederholt dafür.

Sogleich wurde Bichel ins Verhör genommen. Der gab vor, über die Ursache seiner Verhaftung nicht das mindeste zu wissen. Das Tüchelchen wollte er auf dem Trödelmakt in Regensburg gekauft haben. Den Barchent, den er dem Schneider für eine Weste gegeben, habe er von einer ihm ganz unbekannten Krämerin erstanden. Er leugnete jede nähere Bekanntschaft mit den Seidelschen Schwestern. Von der Katharina wollte er weiter nichts wissen, als daß ein ihm ganz unbekannter, junger Mann sie zu sich bestellt habe und daß sie wahrscheinlich mit diesem davongegangen sei. Er habe auch gehört, daß die Seidel zu Landshut in langen Kleidern gesehen worden sei. Allein sein ganzes Benehmen, seine ausweichenden, unwahrscheinlichen oder zu voreiligen Antworten, sein Stottern, seine Betroffenheit, sein bald erblassendes, bald in helle Röte aufflammendes Gesicht verrieten nur zu deutlich die noch verborgene Schuld. Insbesondere wurde er feuerrot, als man ihn fragte, ob er keinen Erdspiegel habe? Er leugnete aber gleichwohl, irgend etwas davon zu wissen. Nur einmal, etwa vor einem Jahre, da sei ein Mann mit einem Kropf und mit aufgeschwollenem Kinn in sein Haus gekommen. Der habe da den jungen Mädchen in einem Guckkasten Männer gezeigt.

Das Landrichteramt durchsuchte Bichels Wohnung und fand in der Stube eine Kiste mit verschiedenen Kleidungsstücken. Noch andere wurden auf dem Boden entdeckt, die der Gerichtsdiener Ziegler beim ersten Blick als Eigentum der Katharina Seidel erkannte. Bichels Eheweib wollte von den Sachen auf dem Boden durchaus nichts wissen. Die Kleider in der Kiste, so behauptete sie, habe sie zum Teil von ihrem Ehemann bekommen, der sie wiederum von dem Vater der ebenfalls vermißten Barbara Reisinger erhalten. Walburga und Theresia Seidel erkannten, unabhängig voneinander, viele der gefundenen Kleider für das Eigentum ihrer Schwester Katharina, andere für das Eigentum der Barbara Reisinger. Durch mehrere Zeugen wurde noch überdies dargetan, daß das Bichelsche Eheweib verschiedene Kleidungsstücke der beiden verschwundenen Mädchen teils feilgeboten, teils selbst getragen habe; weiter wurde bekannt, daß Bichel auch noch andere Mädchen unter dem Vorwande, ihnen die Zukunft zu weissagen, zu sich zu locken versucht habe, so wie er die vermißte Seidel am Tage ihres Verschwindens zu sich bestellte. Am selben Tage wurde sie nachmittags um zwei Uhr mit einem Päckchen in der Gegend des Bichelschen Hauses gesehen.

Alles das deutete auf ein großes, schreckliches Geheimnis. Aber noch immer fehlte es an dem Wesentlichsten, nämlich an dem Tatbestand des Verbrechens. Daß Katharina Seidel verschwunden, war gewiß. Daß Barbara Reisinger verschwunden, nicht minder. Daß ein Verbrechen zugrunde liegen müsse, daran war ebenfalls kein Zweifel. Aber welches Verbrechen? Entführung? Totschlag? Mord? Nirgends war hier eine sichere Spur zu finden. Überall gab es nur schwankende Mutmaßung. Die Leichname waren nicht zu entdecken. In Bichels Wohnung gab es nirgends Blutflecken oder andere Überreste einer gewaltsamen Tat.

Die Entdeckung war einem Hunde vorbehalten. Sooft der Gerichtsdiener mit seinem Hund an dem Bichelschen Hause vorüberging, sprang dieser auf den Holzschuppen zu und blieb spürend stehen, so daß er mehrmals abgerufen werden mußte. Da wurde man aufmerksam. Sein Herr schöpfte Verdacht. Er nahm einige Männer des Orts mit sich, um in und neben dem Schuppen nachzugraben. Kaum war in der hintern Ecke, wo Streu dicht zusammengedrückt auf einem Haufen lag, die Erde aufgegraben, so fand man verschiedene Knochen und hierauf anderthalb Schuh tief den Unterleib eines menschlichen Körpers mit verfaulten Fetzen braunen Kattuns. Oberhalb des Schuppens neben einer Kalkgrube lagen viele Holzscheite, und als auch diese weggeräumt waren, wurde in geringer Tiefe ein halbverfaulter Kopf mit dem oberen Körper gefunden. Der Gerichtsdiener vermutete sogleich auf die Barbara Reisinger. In einiger Entfernung von da fand sich bei weiterem Nachgraben ein zweiter menschlicher Körper. Der Unterleib war von dem Oberleib getrennt. Der Gerichtsdiener und die anwesenden Zeugen erkannten sogleich an den Gesichtszügen wie an den tombakenen Ohrringen die Katharina Seidel. Diese Überreste, mit Ausnahme des oberen Körpers der Reisinger, den Fäulnis und heftiger Übelgeruch aus der Grube zu nehmen nicht gestatteten, wurden von dem Gerichtsdiener sorgsam in die Stube geschafft und hier von vier Personen bewacht.

Eben sollte Andreas Bichel zum zweitenmal vernommen werden, als die Nachricht von dieser wichtigen Entdeckung dem Gericht gemeldet wurde. Es begab sich daher sogleich mit dem Landgerichtsphysikus und zwei Wundärzten nach Regendorf in das Bichelsche Haus. Man besah hier zuvörderst die Grube, worin der erste Unterkörper entdeckt worden war und hierauf den noch unausgegrabenen Körperteil, neben dem der halbverfaulte Kopf gelegen. Man erkannte in ihm einen weiblichen Oberleib. Noch deutlich sah man in der geöffneten Brust den verfaulten Herzklumpen. Die oberen Gliedmaßen lagen lose und zerstreut in der Grube umher. Bei der Untersuchung aller übrigen vorgefundenen Körperstücke ergab sich folgendes: Der zuerst gefundene Unterleib wurde an der Schweifung der Beine und an dem Beckenknochen für einen weiblichen Unterkörper erkannt. Die Füße waren oberhalb der Kniegelenke abgehackt. Der Kopf, der zu diesem Körper gehörte, war in seinen Zügen durch Fäulnis unkenntlich entstellt. Zeichen der Gewalttätigkeit fanden sich an dem Schädel nicht. Übrigens hatte er noch alle Zähne, und man sah, daß er mit sehr langen, schwarzbraunen Haaren bekleidet gewesen war. Der Landgerichtsphysikus erklärte in seinem später übergebenen, umständlichen Gutachten, daß, nach allen Umständen zu schließen, die vorhin bemerkten Teile wahrscheinlich zu einem und demselben weiblichen Körper gehörten.

Den Kopf des zweiten Körpers bedeckten noch schöne kastanienbraune Haare. In den Ohren waren gelbmetallene Ringe. Bei dem rechten Schlafbein gegen die Stirne zu und am Hinterhaupt fanden sich große, mit Blut unterlaufene Stellen, doch ohne Verletzung der Knochen. Im Halse, links neben dem Kehlkopfe, war ein Stich von ein Zoll Tiefe und 5/4 Zoll Breite, der aber weder die Blut- und Drosselschlagader, noch die Luftröhre verletzt hatte. Die Brust war der ganzen Länge nach mitten durch das Brustbein geöffnet. Lunge und Herz lagen darin noch unverletzt. Den Sachverständigen kam sogleich die Vermutung, diese Öffnung der Brust müsse mit einem Messer durch Aufschlagen eines Hammers geschehen sein. An den Bruststücken hingen noch die Arme herab, blau und mit Blut unterlaufen, doch ebenfalls ohne Knochenverletzung. Unter den Rippen waren die Rückenwirbel durchhauen und so der untere Leib von dem obern getrennt und in einen braunroten Rock gewickelt. Als dieser hinweggezogen war, fand man beide Füße über dem Kniegelenke abgehauen. Zwischen den Schenkeln den einen Fuß und oberhalb neben dem linken Schenkel den andern. Von den Baucheingeweiden war nichts zu finden. Erst später entdeckte man sie, besonders Magen und Netz, in der Dungstätte. Über diesen zweiten Körper bemerkt der Landgerichtsphysikus in seinem Gutachten, es lasse sich nicht bestimmt behaupten, daß die Person vor dem Aufschneiden tot oder nur tödlich verletzt gewesen sei. Habe sie einen Schlag auf den Kopf bekommen, so kann eine Hirnerschütterung möglich, vielleicht eine augenblickliche Betäubung die Folge gewesen sein. Aber auf der Stelle habe sie davon nicht sterben können. Anzunehmen, daß sie erdrosselt wurde, dazu sei kein Grund vorhanden. Daß sie an dem Stich in den Hals gestorben, sei ebenfalls nicht glaublich, weil kein Gefäß verletzt worden sei. Es müsse daher die eigentliche Todesursache in der gewaltsamen Öffnung und Zerstückelung des Körpers gesucht werden.

Der zum Protokoll vernommene Gerichtsdiener und die fünf Männer, die bei dem Ausgraben der Leichen zugegen gewesen waren, erkannten endlich in dem zweiten Körper die Katharina Seidel. Ihre beiden Schwestern erkannten die Ohrringe und noch vier silberne Knöpfe, die in dem Bichelschen Haus gefunden wurden. Aus Humanität verschonte man jedoch die Schwestern mit der Anerkennung des Leichnams selbst, die bei den vorhandenen übrigen Beweisen zwecklose Grausamkeit gewesen sein würde.

Jetzt wurde Bichel zum zweitenmal verhört. Er begann mit der Erklärung, nunmehr die Wahrheit sagen zu wollen. Aber seine erste Antwort war ein neues langes Märchen. Danach sollte die Katharina Seidel von fremden Leuten in seinem Hause getötet worden sein. Doch schon bei der folgenden Frage nahm er die Behauptung selbst wieder zurück und näherte sich der Wahrheit. Unter der Versicherung, er wolle nicht mehr verstockt sein und gern alles erzählen, wenn man ihn nur mit Strafe verschonen wolle, bekannte er, die Katharina mit einem Scheit Holz in einem Wortwechsel aus Zorn totgeschlagen zu haben. So kam er fast bei jeder Frage zu einer neuen Lüge, und nach jeder neuen Lüge zum Bekenntnisse einer neuen Wahrheit, die jedoch wieder mit Unwahrheiten vermischt und durch Ausflüchte beschönigt war. Endlich, bei fortgesetztem Bemühen, nicht das mindeste, selbst nicht das gleichgültigste gutwillig zu bekennen, fügte sich das Resultat zusammen, daß er die Seidel, nur um ihre Kleider zu besitzen, absichtlich ermordet, dann zerhackt und vergraben habe. Als sich nun auch die Untersuchung auf den in seinem Hause gefundenen zweiten Körper lenkte, erblaßte er. Er zitterte, errötete wieder, leugnete aber keck, von diesem Körper irgend etwas zu wissen. Er wollte sich bloß erinnern, daß einmal eine weitläufige Base von ihm, die in Loisenried geboren, deren Vater daselbst Tagelöhner sei, und sich Barbara nenne, ihren Zunamen wisse er nicht, bei dem Wirte Schwarzfischer zu Regendorf als Kellnerin gedient habe. Unlängst habe er sie wieder in Regensburg gesehen. Einige Kleidungsstücke derselben seien ihm im verwichenen Jahr von ihr teils als Geschenk, teils zum Verkauf gegeben worden.

Während dieses ganzen Verhörs, das 91 Fragestücke enthielt, bewährte sich der Inquisit standhaft als entschlossener Bösewicht. Seinen Blick auf den Boden geheftet, zeigte er bei jeder treffenden Frage nur den innern Kampf zwischen Bosheit und Verlegenheit, bei jeder Antwort, die einen neuen Umstand einräumte, innerlichen Grimm über die Wahrheit, welche die Gewalt der wider ihn zeugenden Tatsachen seinem Munde widerwillig entriß. Keine Träne kam aus seinem Auge, nicht die mindeste Reue aus seinem Herzen.

Das Gericht erinnerte sich glücklicherweise einer Stelle der Königlichen Verordnung vom 7. Juli 1806, die von der Abschaffung der Tortur handelt, die aber unter andern im § 21 verordnet, daß der Inquisit an Ort und Stelle geführt, ihm bei Mordtaten der Leichnam zur Anerkennung vorgelegt, auch, sofern dieses tunlich sei, sogleich in Gegenwart des Leichnams ein Verhör vorgenommen werden solle. Man transportierte daher den Bichel unter Bewachung nach Regendorf.

Erst wurde er in der Amtsstube vorgeführt. Schon bei seinem Eintritt überwältigte ihn der Gedanke, daß er nun am Orte seiner Verbrechen sei. Er kam der Ohnmacht nahe. Man mußte ihm Wasser zur Erquickung reichen. Der Landrichter redete ihm verständig und mit Herzlichkeit zu: »Du bist jetzt in deinem Wohnort, in der Nähe deines Hauses und deiner Verbrechen. Bekenne hier sogleich die volle reine Wahrheit! Man wird dich in dein Haus führen. Du wirst die Leichname selbst sehen.« Aber noch war sein Wille stärker als das mächtige Gefühl, das selbst seinen Körper bis zur Ohnmacht überwältigt hatte. Er blieb fest bei der Behauptung, von dem zweiten, angeblich in seinem Hause gefundenen Leichnam nichts zu wissen.

Nun wurde er in seine Wohnung geführt. In der Stube lagen auf Brettern die beiden Leichname, jeder so gut als möglich, zusammengefügt. Man führte ihn zum ersten der Barbara Reisinger. Er bebte an allen Gliedern. Seine Gesichtsmuskeln zuckten. Er forderte wieder Wasser zur Labung. Auf die Frage, ob er den Leichnam kenne, antwortete er: »Nein! Ich habe noch keine Leiche gesehen, die im Grabe gelegen hat.«

Man führte ihn zum zweiten Körper. Jetzt vermag er sich nicht mehr aufrecht zu halten. Er sinkt auf einen Stuhl. Dann erkennt er in diesem zweiten Körper die Katharina Seidel: »Ich erkenne sie an den Händen und an der Öffnung des Leibes.« Man hielt ihm seine Bestürzung bei dem ersten Leichnam vor. »Ich zitterte nur vor den Leuten«, war seine Antwort. »Wer wird auch bei solchen Auftritten nicht zittern!« Und er beharrte weiter auf seiner vorgeblichen Unwissenheit.

Indessen war der Eindruck jener Szene nicht verloren. In der Einsamkeit des Gefängnisses, unter den Schreckbildern der erregten Einbildungskraft, konnte er ihm nicht mehr widerstehen. Zwei Tage nachher verlangte Bichel selbst ein Verhör und bekannte sich auch des Mordes an der Barbara Reisinger schuldig. Er leugnete jedoch, wie bei dem Morde der Seidel, alle Teilnahme, ja sogar alles Mitwissen seines Weibes vor oder nach der Tat, auf das standhafteste.

Nachdem der Inquisit mehrmals verhört und alle Umstände dieser Mordtaten sowohl durch sein Bekenntnis wie durch Zeugenaussagen so genau als möglich in Gewißheit gesetzt worden war, geschah die Einsendung der Akten an das Königliche Appellationsgericht Neuburg, das in der Hauptsache am 4. Februar 1809 das Urteil gesprochen hat:

»Andreas Bichel ist von Regendorf auf die Richtstatt zu schleifen, ohne vorgängigen Gnadenstoß von unten auf lebendig zu rädern und dessen Leichnam auf das Rad zu legen.«

Das Urteil wurde hierauf samt den Akten zum Königlichen Oberappellationsgericht als zweiter Revisionsinstanz eingesandt, von dort in der Hauptsache bestätigt und alsdann zur allerhöchsten Stelle weitergeleitet.

Andreas Bichel, katholischer Religion, 48 Jahre alt, ist zu Wetterfeld gebürtig, wo sein Vater Tagelöhner war, der wie seine Mutter nicht mehr am Leben ist. Er heiratete zu Regendorf, wo er als Häusler wohnhaft ist und ein Wohnhaus von 200 Gulden besitzt. Mit seiner Frau hatte er keine Kinder gezeugt. Doch lebte er stets mit ihr im Frieden. Beide waren wie füreinander geschaffen. Sie schienen Geschwister zu sein. So sagen die Zeugen. Auch war im übrigen sein Ruf eben nicht der allerschlimmste. Was man in ihm als Fehler erkannte, schien sogar durch verschiedene, wenigstens nicht negative Tugenden gewissermaßen aufgewogen. Er war weder der Völlerei noch dem Spiel, noch der Zänkerei ergeben. Auch zeichnete er sich sogar durch seine Religiosität vorteilhaft aus, durch jene äußerliche, versteht sich, die auch mit den schlechtesten Sitten und dem bösartigsten Willen verträglich ist. Er besuchte regelmäßig den Gottesdienst. Dagegen ergab er sich der Dieberei, zwar nicht im großen, doch im kleinen. Besonders gefährdete er die Feldfrüchte seiner Nachbarn, wie wenigstens im Ort die allgemeine Rede ging. An dem Wirte Schwarzfischer, bei dem er drei Jahre als Tagelöhner gearbeitet, beging er eine Menge kleiner Mausereien von Erdäpfeln, Rüben und dergleichen, die ihm jener nachsah, bis er ihn endlich, nachdem er durch jene Nachsicht so dreist geworden, seinem Herrn das Heu vom Boden herab zu stehlen, aus seinem Hause zu jagen genötigt war.

Schon diese wenigen Züge sind bedeutend genug, um an ihnen einen habsüchtigen, niederträchtigen Charakter zu erkennen, der bloß zu feig ist, um sich an größeres zu wagen, der zwar nicht das Verbrechen selbst, sondern nur die Gefahren des Verbrechens scheut. Selbst die Friedfertigkeit gegen sein Weib, die Verträglichkeit mit seinen Nachbarn läßt sich, wenn man seine späteren Handlungen damit vergleicht, nicht aus der Gutmütigkeit seines Charakters, sondern nur aus einer feigen, weibischen Gemütsart erklären, die auch das Schlimme gern hingehen läßt, um nur nicht zu handeln, die nicht, beleidigt um nicht beleidigt zu werden, die Beleidigungen erträgt, weil sie zu furchtsam ist, sie zu rächen, die aber dann um so gräßlicher losbricht, wenn sie in sicherer Heimlichkeit Macht und Gelegenheit gefunden hat. Feigheit ist stets mit Tücke verbunden und der Grausamkeit aufs innigste verwandt. In eines Feigen Gemüt sammelt sich, um mich so auszudrücken, ein Vorrat von Haß, Ingrimm und Tücke, der durch seine Verschlossenheit genährt und nur durch niederträchtige Furcht bewacht, in zerstörendem Übermut hervorbricht, wo die Gelegenheit sich zu entschädigen erschienen ist. Selbst der Unschuldige, sobald er nur zugleich der Schwache, der Ohnmächtige ist, erscheint ihm bei Gelegenheit als ein erwünschtes Opfer, an dem er sich seines niedergehaltenen, gedemütigten Selbstgefühls einmal wieder freuend, die lang verhaltene Begierde labt. Wie alt und wahr ist nicht die Bemerkung, daß der niederträchtigste Sklave, sobald er zum Herrn geworden, der fürchterlichste der Tyrannen ist!

Ein anderer unverkennbarer Zug in dem Charakter dieses Verbrechers ist kleinliche Habsucht, die nach geringem Gewinn gierig umherschleicht, weil ihr zum größern der Mut gebricht. Seine Zurückgezogenheit, seine Nüchternheit, seine Entfernung von Spiel und Trunk erscheinen mir nur als Folgen dieses Charakterzuges, mithin nicht als Tugenden, sondern nur als Äußerungen eines weit größeren Lasters. Geiz und kleinliche Habsucht sind an sich schon, wo nicht mit eigentlicher Grausamkeit, doch mit Härte verbunden. Solche Begierden wurzeln meistens in starren Gemütern ohne Affekt und Gefühl, in kalten Naturen, denen es an menschlicher Lebenswärme gebricht, und die daher in den kleinen Mittelpunkt ihrer Selbstheit zurückgezogen, wie die Spinne verständig ihre Netze weben, worin sie arglistig auf ihren Vorteil lauern. Gesellt sich zu solcher Gefühllosigkeit, zu solcher Härte, Habgier und Feigheit, auch noch Roheit des Geistes, Mangel an Erziehung und Bildung, wohl gar ein beschränkter immer nur auf den einmal gefaßten Punkt stumpf hinstierenden Verstand, dann hat das Gemüt die Vollendung erreicht, durch die es der Verbrechen eines Bichel fähig wird. Ein Mensch solcher Gemütsart wird keine Tat vollbringen, welche Kraft, Mut oder Kühnheit fordert. Er wird keinen Raub, nicht einmal durch Einbruch oder Einsteigen einen Diebstahl wagen. Aber so, wie die Veranlassung dazu ist, wird er einen heimlichen Brand anlegen oder durch Gift hinrichten oder einen Schlafenden ermorden, ein Mädchen betrüglich zu sich locken, ihre schwachen Kräfte noch durch List wehrlos machen und dann, wäre es auch nur um ihre Kleider oder einige Groschen zu erhaschen, mit kaltem Blute schlachten. Das letzte tat Bichel.

Der erste Mord dieser Art, von dem die Akten erzählen – denn ob er überhaupt der erste war, darf man bei einem solchen Menschen wohl bezweifeln – wurde bald nach Michaelis im Jahre 1806 an der Barbara Reisinger von Loisenried begangen. Diese hielt sich, nachdem sie außer Dienst gekommen, bei ihren Eltern auf, ging aber gegen Michaelis von da hinweg, um einen neuen Dienst zu suchen. Sie begab sich deswegen nach Regendorf zu Andreas Bichel, der ihr einen Dienst verschaffen sollte. Sie traf ihn zu Haus mit seinem Weibe und äußerte ihm ihren Wunsch. Gerade jetzt, sagte er, wisse er ihr keinen schicklichen Platz. Sie erwiderte ihm, daß sie sich dann nach Regensburg an eine Zubringerin wenden wolle. Während dieser und ähnlicher Reden entfernte sich, wie Bichel selbst erzählt, seine Frau und ging auf ein anderes Dorf zur Arbeit, von wo sie den ganzen Tag nicht nach Hause kam. So blieb er mit Barbara Reisinger allein. Da kam ihm der Gedanke, sich ihre Kleider anzueignen und darum sie selbst zu ermorden. Zwar hatte sie nichts bei sich, als was sie eben am Leibe trug. Aber ihre übrigen guten Kleider hatte ihr Vater in Verwahrung. Da er die Bekanntschaft seiner Kinder mit Bichel wußte, da er auch wußte, daß seine Tochter zu Bichel gegangen, um sich durch ihn einen Dienst zu verschaffen, so war nichts leichter, als sich nach ihrem Tode dieser Kleider unter schicklichem Vorwand zu bemächtigen. Bichel lenkte daher das Gespräch mit der Reisinger auf die Wahrsagerei und besonders auf einen Erdspiegel, den er zu besitzen vorgab, worin jedes Mädchen seine Zukunft sehen könne. Den Geliebten, den künftigen Mann, die Treue oder Untreue des Geliebten und anderes, was das weibliche Herz so gern zu wissen verlangt. Die Neugier kam also seinem Plane willig und schnell entgegen. Das Mädchen wollte gar zu gern in den wahrsagenden Spiegel sehen. Bichel ging von ihr hinaus, wickelte ein Brett in ein weißes Tuch und kam mit diesem angeblich verdeckten, Erdspiegel und einem kleinen, schlechten Krämerperspektiv, mit einer sogenannten »Gucke« in die Stube zurück. Beides legte er auf den Tisch mit der Bemerkung, sie dürfe ja nichts von diesen Heiligtümern berühren. Um außer aller Versuchung zu sein, darnach zu greifen, müsse sie sich die Augen verbinden und die Hände auf den Rücken schnüren lassen. Die Betörte war zu allem bereit. Bichel band ihr ein Tuch um die Augen und schnürte ihr Hände zusammen. Kaum war so das Schlachtopfer bereitet, stach er ihr mit einem starken Messer in den Hals, worauf sie, wie er wenigstens sagt, nur noch einen Seufzer tat und niedersank. Sogleich öffnete er ihr den Leib, zerhackte ihn, um ihn leichter verbergen zu können und vergrub ihn dann in die Gruben um und neben seinem Schuppen, wo man die Leichname fand. Die mit Blut überschwemmte Stube reinigte er mit Wasser und streute Sand und Staub darauf, um die Flecken zu verbergen. Seine Frau, die abends nach ihrer Rückkehr die große Nässe wahrnahm, wurde mit der Bemerkung abgefertigt, daß er Wasser verschüttet habe.

Weder seine innere Ruhe noch sein äußeres Betragen ward durch diese Tat im mindesten gestört oder verändert. Er verrichtete seine Geschäfte nach wie vor und überlegte kaltblütig, wie er nun zum Gewinn seiner Mühe kommen könne. In den Weihnachtsfeiertagen machte er sich nach Loisenried auf, um von dort die Kleider der Ermordeten abzuholen. Auf dem Weg dahin begegnete ihm der Vater der Ermordeten, der nach Regendorf gehen wollte, um sich nach seiner Tochter zu erkundigen.

»Nun! Wie ist's? Auch wieder keine Kleider?« rief sogleich Bichel dem Vater der Ermordeten zu. »Ich habe dir schon so viele Boten gesandt, mir die Kleider deiner Tochter zu schicken. Sie ist mit einem Gesandten fort, ist verheiratet und hat mit ihrem Manne etwas zu verwalten. Sie gab mir den Auftrag, ihre Kleider in Empfang zu nehmen und sie ihr nachzuschicken.« Vater Reisinger behauptete, keine Botschaft erhalten zu haben. »Nun denn! Da ich einmal auf dem Wege bin, so gehe ich gleich selbst mit dir und hole sie ab.« Dies geschieht. Die Mutter packt alle zurückgelassenen Kleider ihrer Tochter sorgfältig zusammen und übergibt sie dem Bichel. Der Vater selbst begleitet noch den Mörder seines Kindes eine lange Strecke bis zu einem gewissen Wirtshaus und trägt für ihn bis dahin gutmütig und arglos die Beute. Später erfährt der Vater, daß Bichel Kleidungsstücke seiner Tochter verkaufe. Dreimal geht er nach Regensburg, um sich nach seiner Tochter zu erkundigen, ohne jedoch das mindeste über sie zu erfahren. Endlich geht er zu Bichel nach Regendorf. Er stellt ihn zur Rede, schilt ihn einen schlechten Mann. Aber dieser weist ihn unter Drohungen von sich hinweg und erklärt ihm, er habe sich um seine Tochter, die ein gutes Brot gefunden, weiter nicht mehr zu bekümmern.

Nur aus der Unwissenheit und grenzenlosen Einfalt der Eltern sowie anderer Personen, denen so viele verdächtige Umstände bekannt waren, läßt sich erklären, warum der ganze Vorfall so lange Zeit dem Gericht ein Geheimnis geblieben ist.

Bichel suchte indessen neue Quellen für ähnlichen Gewinn. Die erste Tat war so leicht vollbracht, so sicher belohnt, daß der Gedanke, sich ein Gewerbe daraus zu schaffen, ganz natürlich in einem solchen Gemüt entstehen mußte. Wer einmal mit überdachter Absicht das Unmenschliche begangen hat, bleibt, wenn der Endzweck fortdauert oder die Veranlassung wiederkehrt, gewiß bei dem erstenmal nicht stehen. Er hat die gräßliche Gestalt der ungeheuern Tat in der Nähe schon betrachtet. Er ist damit bekannt und vertraut geworden. Hat diese Gorgone ihn beim erstenmal nicht versteinert, so wird sie gewiß beim zweitenmal kaum noch einen leichten Schauder in ihm erregen.

Bichel schlich jetzt weiter umher, um noch andere Mädchen, durch Aberglauben betört, unter sein Messer zu bringen. An wie vielen er seine List versucht, ist nicht ganz ausgemittelt. Von mehreren ist es aktenmäßig. So wendete er sich um Weihnachten 1807 an ein 21jähriges Mädchen, namens Graber, und lenkte sogleich das Gespräch auf ihren abwesenden Geliebten und ob sie lange nichts von ihm gehört, keinen Brief von ihm erhalten habe? Als sie nein sagte, antwortete er: »Nun, wenn du niemand etwas sagst, so komm zu mir. Ich will dich sodann in einen Spiegel sehen lassen. Darin wirst du sehen, ob dein Liebhaber noch lebt oder gestorben ist. Um das aber zu sehen, muß man an einem Schnürchen ziehen, das so heilig ist, daß man es nur mit einem Tuch berühren darf.« Er fügte hinzu, sie müsse ihr schönstes Kleid mitbringen und ein besonders gutes Hemd. Sie versprach zu kommen, hielt aber nicht Wort. Bichel schickte noch wenige Tage vor seiner Gefangennehmung eine Weibsperson zu ihr, um ihr Kommen zu beschleunigen.

Unter gleichem Vorwand suchte er eine gewisse Juliana Daweck mit Kleidern in sein Haus zu locken und wiederholte an ihr mehrmals seine Versuche und sein eindringliches Zureden.

Auch Margaretha Heimberger hatte er sich zu gleichen Zwecken als Schlachtopfer auserlesen.

Aber alle diese Mädchen wurden teils durch ihren Unglauben an die Gaben des Wunderspiegels, teils durch eine heimliche Furcht vor Bichel, teils durch glücklichen Zufall gerettet. Doch nichts von diesem allen rettete die unglückliche Katharina Seidel, deren Mord zwar nicht seinem Willen und seinen Versuchen, doch seinen Taten ein Ziel gesetzt hat.

Schon dreiviertel Jahr vorher, als er einst mit der Seidel zusammen aus Regensburg kam, waren ihm ihre schönen Kleider in die Augen gefallen. Sogleich faßte er den Entschluß zu ihrem Mord und leitete die Ausführung ein. Er fing ein Gespräch mit ihr an, rühmte die Tugenden seines Erdspiegels und bestellte sie zu sich. Warum sie nicht sogleich, sondern erst dreiviertel Jahr später zu ihm gekommen ist, darüber schweigen die Akten.

Jetzt aber sei es mir erlaubt, den Inquisiten selbst redend einzuführen. Seine eigenen Worte und Wendungen sind zu bedeutend und bezeichnend, als daß sie verlorengehen dürften.

»Am Tage der Ermordung«, so spricht er, »habe ich die Katharina zu mir rufen lassen und ihr, als sie zu mir gekommen, gesagt: ›weil ich allein bin, so will ich dich in den Erdspiegel sehen lassen. Geh also nach Haus und bringe deine Kleider mit. Die besten und schönsten, damit du dich mehrmals umziehen kannst.‹ Wie sie späterhin zu mir kam in ihren Alltagsfetzen und in dem Fürtuch ihre Kleider brachte, so habe ich ein Stückchen Brett in ein weißes Tüchelchen getan und ein Perspektiv auf den Tisch hingelegt und ihr verboten, den Spiegel anzurühren. Ich habe ihr nachher mit einem Bindfaden, womit man das Papier zusammenzubinden pflegt, die Hände zusammengeschnürt. Es war derselbe, den ich früher bei der Reisinger gebrauchte. Ich habe ihr auch die Augen mit einem Tuch verbunden. Dann habe ich ihr mit dem Messer, das ich schon in Bereitschaft hatte, in den Hals gestochen, daß das Blut herausgeflossen ist. Da habe ich nun auch sehen wollen, wie sie inwendig aussieht und habe daher einen Spanschnitzer genommen, ihn auf das Brustblatt gesetzt und mit einem Schuhflickerhammer daraufgeklopft. Und so habe ich ihr die Brust geöffnet und mit einem Messer die fleischigen Teile des Leibes durchschnitten. Gleich nach dem Stich in den Hals schritt ich zu der Öffnung. Wenn einer noch so geschwind beten kann, so kann er doch nicht in so kurzer Zeit ein Rosenkranzgesetzel oder zehn Ave Maria beten, als ich die Brust und den übrigen Körper geöffnet habe. Dann habe ich mir diese Person zugerichtet, wie der Metzger das Vieh. Den Körper habe ich mit einem Beil voneinander gehackt, so wie ich ihn für das Loch brauchen konnte, das ich vorbereitet. Ich kann sagen, daß ich während des Öffnens so begierig war, daß ich zitterte und mir ein Stück herausgeschnitten und gegessen habe. Nachdem die Seidel den ersten Stich empfangen, hat sie noch einen Schrei und sechs bis sieben Seufzer getan und wollte sich wehren und schlug mit den Händen. Da ich sie gleich nach dem Stich so schnell geöffnet, so wäre es möglich, daß sie noch gelebt, als ich sie aufschnitt. Den zerhackten Leib räumte ich bei gut versperrten Türen auf die Seite und vergrub ihn. Die Gedärme tat ich in einen großen Topf, worin man den Schweinen das Futter einsiedet und verdeckte sie in der Dunggrube. Das blutige Hemd und das Gewand der Seidel habe ich zweimal ausgewaschen und vor meiner Frau zu verbergen gesucht. Wie eine Katze ihre Jungen habe ich diese Sachen von einem Platz auf den andern versteckt. Die übrigen blutigen Sachen habe ich in einen Ofen getan und verbrannt.

Die einzige Ursache der Ermordung der Reisinger und der Seidel waren ihre Kleider. Ich muß selbst sagen, daß ich es eigentlich nicht notwendig gehabt habe. Mir war aber gerade so, als wenn jemand neben mir stünde und mir sagte: ›tue es und kaufe dafür Getreide‹ und mir die Gedanken eingäbe: ›du kriegst was. Du kannst dir was machen lassen. Und es kommt auch nicht auf.‹«

Daß Bichel auch wollüstige Absichten auf die unglücklichen Mädchen gehabt oder an ihnen befriedigt habe, wurde zwar auf wiederholtes Befragen stets von ihm geleugnet. Aber seine Neugier nach der inneren Beschaffenheit eines weiblichen Körpers, seine Gierigkeit nach dem Genusse des noch rauchenden Fleisches der Ermordeten, jene bis zum Zittern gesteigerte Lust, endlich die allgemeine Erfahrung, wie genau Wollust und Blutdurst miteinander verbunden sind, all dies macht es im höchsten Grade wahrscheinlich, daß die Geschlechtslust, wenigstens verborgen, auf den Entschluß des Mordes und auf die Art seiner Ausführung mitgewirkt habe.

Eine juridische Entwicklung über die Gewißheit der Tat und des Täters wäre hier am unrechten Orte. Zwei Justizhöfe haben einstimmig hierüber entschieden. Daß das Gesetz einem solchen Verbrecher die geschärfte Todesstrafe androhe, ist bekannt. Und was zur psychologischen Beurteilung dieses Falles gehört, ist in der Erzählung selbst enthalten, die zugleich die Beantwortung der Frage, ob dieser Inquisit aus Gnade mit der Todesstrafe verschont werden dürfe völlig überflüssig macht. Wenn dieser Bösewicht den Tod der Gerechtigkeit nicht stirbt, wer sollte dann noch den Tod verdienen können!

Gleichwohl finde ich mich bestimmt, auf Milderung der wider Andreas Bichel richterlich erkannten Strafe des Rades von unten, in die einfache Strafe der Enthauptung zu verwandeln. Nicht aus Schonung des Verbrechers, dessen schweres Verschulden das äußerste Maß aller Strafbarkeit erreichte, aber auf die sittliche Würde des Staates, welcher es nicht gemäß ist, durch Grausamkeit der Strafen mit der Grausamkeit und Abscheulichkeit eines Missetäters gleichsam wetteifern zu wollen.


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