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Vorrede zur XXX. Auflage

In jenen Märchenzeiten, als man in deutschen Landen das Silbergeld in der Hosentasche und die Goldstücke in der Westentasche trug, als diese blanken Silbertaler und Goldkronen lustige Bilderchen von Kaisern und Königen und Herzögen und Fürsten auf der einen und allerlei Wappengetier auf der andern Seite zeigten, als das Land noch durchaus nicht » safe for democracy« war und man trotzdem – oder eben deshalb, wie du willst! – für vier Reichsmark einen Dollar bekam – – in diesen Zeiten bildete sich jeder dritte Deutsche ein, dass nichts so bilde, wie reisen. Das meinte der Handwerksbursch wie der Student, der Künstler wie der Kaufmann.

Um reisen zu können, lief ich bei den Zeitungen rum. Versprach die schönsten Aufsätze der Welt für einen Pappenstiel. Man bot mir – »noch weniger«: mit Reiseartikeln waren alle Blätter stets überreichlich versorgt. Manchmal auch zog ich ganz ohne Aufträge los – dann sandte ich aufs Geratewohl an irgendein Blatt einen Aufsatz und bat gewiss um telegraphische Zusendung des Honorars. Ich bin überzeugt, dass die meisten Zeitungen nur aus übertriebenem Mitleid, aus Gnade und Barmherzigkeit meine Aufsätze brachten. Einmal passierte es mir, dass ein Berliner Blatt hundert Mark mir drahtete – zugleich aber drei Aufsätze zurücksandte mit dem Bemerken, dass man solches Zeug seinen Lesern wirklich nicht gut vorsetzen könne! Und die drei waren wohl meine besten Aufsätze!

Ich habe draussen in der Welt viele reisende Journalisten getroffen. Sie reisten sehr gut und lebten noch besser und ihr Verlag bezahlte alles. Sie wussten, wie man schreiben musste, um den Beifall der Redaktion zu finden. Aber kaum einer von ihnen hat jemals ein Buch schreiben können.

Nirgends hat sich die Presse so sehr abgeschlossen vom freien Schrifttum wie bei uns. Jeder Redakteur bei uns ist im Innersten fest überzeugt, dass kein »freier« Schriftsteller irgend etwas Brauchbares für die eigentliche Zeitung schreiben könne – nur für die Mistgrube der Beilagen wird er gnädigst zugelassen. Umgekehrt blickt der Mann, der Bücher rausgibt, mitleidig auf den Journalisten, der seine Weisheit auf dem Tagesmarkte verkauft. Und beides: sehr zum Schaden der deutschen Presse.

Es ist gar keine Frage, dass das geistige Niveau der erstrangigen deutschen Presse ein unvergleichlich viel höheres ist, als, beispielsweise, das der gleichklassigen amerikanischen. Zu gleicher Zeit aber findet man in allen führenden amerikanischen Blättern gelegentlich Aufsätze von überraschender Qualität.

Jedes Blatt ist stets darauf aus, Schriftsteller von Ruf zu seinen Mitarbeitern zu zählen und öffnet ihnen seine Spalten, die politischen wie die wirtschaftlichen, wie alle anderen. Die Wechselbeziehungen zwischen Redakteur und »freiem« Schriftsteller sind viel engere – zum grossen Nutzen für beide Teile und daneben für das lesende Publikum. Dem Publikum ist es gewiss interessanter, gelegentlich die Ansicht Shaws oder Wells' über eine international wichtige Frage zu lesen, als den täglichen Aufguß auch des besten Leitartiklers. Es ist, als ob die Luft frischer wehe in den Zeitungen drüben – bei uns riechts rechts und links und besonders in der Mitte gleich muffig.

– Diese Aufsätze – wie übrigens auch die meines Indienbuches – sind für die Tagespresse geschrieben; ich hätte nie daran gedacht, sie in Buchform zu sammeln. Das tat, während ich irgendwo fern von Europa mich herumtrieb, ein Verleger, dem sie gefielen: Herr Konrad W. Mechtenburg. Er ermittelte meine Adresse, drahtete mir Honorar – und natürlich war ich zufrieden.

Ich dachte mir, dass er schön reinfallen würde. Aber ich irrte mich, Gott sei Dank.

Nun ich nach so vielen Jahren durch dieses Buch blättere, möchte ich manches ändern. Seither habe ich viele dieser Länder wieder und noch einmal besucht – und manches gesehen, das mich diese Aufsätze oft recht einseitig erscheinen lässt. Ich habe lange Zeit in Spanien gelebt und dieses Land wie kein zweites lieben gelernt; ja, ich bin ein begeisterter Anhänger des Stierkampfes geworden und habe mit manchem Toreador enge Freundschaft geschlossen. Aehnlich ist es mir mit Mexiko gegangen. Beiden Ländern hätte ich viel abzubitten, wenn ich nicht an anderen Stellen weidlich ihr Lob gesungen hätte. Auch Haiti und St. Domingo – heute längst nicht mehr selbständige Länder, sondern wie » Cuba libre« und Portorico, wie Panama und Nicaragua, von den Yankees gründlich eingesklavt, habe ich in ganz anderem Lichte sehen lernen.

Dennoch: ich will alles so stehen lassen, wie es steht. Mit allen Fehlern geben dennoch diese Aufsätze das, was ich sah, als ich zum ersten Male durch die lateinische Welt fuhr.

Dachau bei München, Juli 1922.

Hanns Heinz Ewers.


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