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Zum Geleit

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Es ist ein eigen Ding um Reiseberichte. Ich war einmal mit einem Herrn Regierungsassessor in Gesellschaft, der erzählte von Sevilla. Aber das Sevilla, von dem er sprach, kannte ich nicht, mein Sevilla sah ganz, ganz anders aus, nur die Namen waren dieselben geblieben. Wenn ich noch ein dutzendmal nach Andalusien fahre, nie werde ich die Stadt finden, von der der Herr Regierungsassessor sprach.

Ein andermal traf ich in Rom einen Herrn Gymnasialprofessor. Der reiste durch Italien an der Hand von Goethe, »er folgte seinen Spuren«. Der Mann wußte genau: hier hat Goethe gesessen, hier hat er gestanden und da gelegen – aber wie eine Römerin küssen kann, das wusste er gewiss nicht. Und er begriff gar nicht, dass ich das für viel wichtiger hielt – – – zum Verständnis Goethes in Italien.

Ich habe gewiss in manchen Ländern manches nicht gesehen, was viele andere sahen. Aber ich glaube auch manches gesehen zu haben, was andere nicht beachteten, und ich glaube, dass einiges wohl darunter ist, was der Achtung wert ist. So erheben diese Blätter beileibe nicht den Anspruch, ein abgeschlossenes Bild dieses oder jenes Landes zu geben, sie sollen durchaus nicht irgendeinem »Führer« irgendeine Konkurrenz machen, durchaus nichts Uebersichtliches und nichts Erschöpfendes bieten. Aber ich glaube, dass sie in manchen vergessenen Winkel hell genug hineinleuchten, dass sie manches kleine Momentbild bringen, das wohl wert erscheint, ein wenig betrachtet zu werden.

Es gibt Leute, die reisen, um sich zu erholen. Andere reisen, um Geschäfte zu machen, andere weil es nun einmal Mode ist. – Ich reise, weil ich muss. Weil es mich forttreibt, wo ich auch bin, weil ich überall fremd bin und doch zuhause – überall. Ich muss reisen, wie ich essen und trinken muss.

Und deshalb, vielleicht, sehe ich manches anders. Ich will nicht sagen: besser, nicht: richtiger; nur eben anders. Sehe eben: – mit meinen Augen.

Venedig, Ostern 1909.

Hanns Heinz Ewers.


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