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Der Frauensenat

Cornelia · Margareta · Perotta · Julia · Catharina

Cornelia. Segen und Glück mög' es für diese Vereinigung und für die ganze Republik der Frauen bedeuten, daß ihr so zahlreich und eifrig heute euch eingestellt habt. Ich schöpfe daraus die Hoffnung, daß ein gütiger Gott einer jeden das eingeben werde, was zur Würde und zum Nutzen von uns allen dient. Ihr alle wißt, wie ich annehme, welche Einbuße wir dadurch erlitten haben, daß wir, während die Männer in täglichen Zusammenkünften ihre Angelegenheiten behandeln, bei Spinnrocken und Webstuhl sitzend unsere Sache im Stiche lassen. So ist es dahin gekommen, daß zwischen uns kein Band der Disziplin besteht und die Männer uns sozusagen als ihr Amüsement betrachten und uns kaum des Namens Mensch für würdig erachten. Fahren wir so weiter, so erratet ihr wohl selbst, wohin die Sache schließlich führen wird; ich scheue mich, Worte von so schlimmer Vorbedeutung auszusprechen. Lassen wir unsere Ehre beiseite, aber für unsere Erhaltung wenigstens müssen wir Sorge tragen. Jener weiseste aller Könige hat geschrieben: »Wo viele Ratgeber sind, da gehet es wohl zu« In den Sprüchen Salomonis 11, 14.. Die Bischöfe haben ihre Synoden, die Scharen der Mönche haben ihre Kapitel, die Soldaten ihre Versammlungen, auch die Diebe haben ihre Konventikel, und schließlich hält auch das Geschlecht der Ameisen seine Zusammenkünfte ab. Einzig und allein unter allen Lebewesen gehen wir Weiber keine Verbindung ein. Margareta. Mehr als sich schickt Das Verbum coire gestattet diese aristophanische Zweideutigkeit.. Cornelia. Die Zeit zu Einreden ist noch nicht da, laßt mich zunächst zu Ende sprechen; die einzelnen werden dann schon noch zum Wort gelangen. Was wir tun, ist nichts Neues; wir rufen nur ein altes Beispiel wieder ins Leben. Irre ich nicht, so hat vor beiläufig dreizehnhundert Jahren der hochlöbliche Kaiser Heliogabal ... Perotta. Der hochlöblich, von dem feststeht, daß er am Haken geschleppt und in die Kloake geworfen worden ist! Cornelia. Schon wieder werde ich unterbrochen. Wenn wir deswegen einen Menschen loben oder tadeln wollen, so können wir auch Christum schmähen, weil er ans Kreuz geheftet worden ist, dagegen den Domitius einen frommen Mann nennen, weil er zu Hause verstorben ist. Und doch wird dem Heliogabal nichts Ärgeres vorgeworfen, als daß er das von den Vestalinnen behütete Feuer zu Boden warf und daß er in seiner Hauskapelle die Bilder von Moses und Christus aufgestellt hatte. Dieser Heliogabal nun verfügte, daß, wie der Kaiser mit den Seinen einen Senat hatte, worin er über die allgemeinen Angelegenheiten beriet, so auch seine erlauchte kaiserliche Mutter ihren Senat haben sollte, in dem über die Angelegenheiten des weiblichen Geschlechts verhandelt würde; die Männer nannten ihn zum Unterschied vom anderen und zum Spott das Senätlein. Dieses so viele Jahrhundert hindurch unterbrochene Beispiel hätten wir längst schon erneuern sollen. Und keine mag es aufregen, daß der Apostel Paulus der Frau das Sprechen in der Versammlung verboten hat, die er Kirche nennt: er spricht von der Versammlung von Männern; hier dagegen handelt es sich um eine Versammlung von Frauen. Übrigens, wenn die Frauen immer schweigen sollten, wozu hat uns denn die Natur Zungen gegeben, die an Geläufigkeit denen der Männer keineswegs nachstehen, und wozu eine ebenso sonore Stimme? Freilich tönt die Stimme der Männer rauher und erinnert mehr an Esel als unsere. Dafür aber müssen wir alle sorgen, daß wir mit Ernsthaftigkeit unsere Sache behandeln, damit die Männer nicht wieder von einem Senätlein sprechen können oder gar noch einen schimpflicheren Nebennamen aushecken, spottsüchtig wie sie gegen uns nun einmal sind. Dürfte man freilich ihre Versammlungen der Wahrheit nach einschätzen, so würden sie uns noch mehr als weibisch erscheinen. So sehen wir die Monarchen schon seit so vielen Jahren nichts tun als Krieg führen; zwischen den Theologen, den Priestern, den Bischöfen und dem Volk gibt es keine Eintracht: soviel Köpfe, soviel Meinungen. Mehr als weibliche Unbeständigkeit wohnt in ihnen. Stadt steht gegen Stadt, Nachbar gegen Nachbar. Wären uns die Zügel der Regierung anvertraut, die menschlichen Angelegenheiten würden sich – ich müßte mich denn sehr täuschen – weit erträglicher gestalten. Vielleicht schickt es sich für eine Frau nicht, so viele hochstehende Männer der Torheit zu bezichtigen, aber ich meine, es sei gestattet, das zu zitieren, was Salomon im 13. Kapitel schreibt: »Unter den Stolzen ist immer Hader; aber Weisheit ist bei denen, die sich raten lassen.« Aber um euch nicht länger mit meiner Einleitung hinzuhalten, so wird an erster Stelle zu beraten sein, welche Frauen der Versammlung beiwohnen sollen und welche zu entfernen sind. Denn ist die Schar zu groß, so entsteht leichter Verwirrung als Beratung; während andererseits eine Tagung bloß Weniger etwas Tyrannisches an sich hat. Ich für meine Person bin der Meinung, es sei keine Jungfrau aufzunehmen, weil doch vieles vorkommt, was sich für ihre Ohren nicht schickt. Julia. Woran soll man die Jungfrauen erkennen? Sollen einfach die als Jungfrauen angesehen werden, welche einen Kranz tragen? Cornelia. Nein. Aber ich bin der Ansicht, man solle nur verheiratete Frauen zulassen. Julia. Auch unter den Verheirateten gibt es Jungfrauen, wenn sie eunuchenhafte Männer haben. Cornelia. Doch soll der Ehe diese Ehre erwiesen werden, daß die Verheirateten für Frauen angesehen werden. Julia. Wenn wir aber einzig und allein die Jungfrauen ausschließen, so wird die Menge der Aufzunehmenden noch ungeheuer groß und die Zahl nur wenig vermindert sein. Cornelia. Auch diejenigen, welche mehr als dreimal verheiratet sind, sollen ausgeschlossen werden. Julia. Weshalb das? Cornelia. Weil man ihnen als ausgedienten Soldaten den Abschied schuldet. Dasselbe schlage ich vor für die über siebzig Jahre alten. Festzusetzen ist auch, daß keine Frau von ihrem Manne persönlich allzu ungeniert spricht; man mag dies mehr allgemein tun, aber mit der gebotenen Mäßigung und ohne Übertreibung. Catharina. Warum soll uns nicht gestattet sein, hier freimütig über die Männer zu sprechen, da diese doch beständig über uns sprechen? Wenn mein Titius einmal am Tisch lustig zu sein sich bemüht, so erzählt er, was er mit mir des Nachts getrieben hat und was ich gesagt habe, und nicht selten übertreibt er tüchtig. Cornelia. Wenn wir der Wahrheit die Ehre geben wollen, so hängt unsere Würde von den Männern ab; stellen wir sie bloß, was tun wir dann anderes als uns selbst entehren? Wenn wir aber auch nicht geringe Gründe zu gerechter Klage haben, so ist doch, wenn man alles ins Auge faßt, unsere Lage der ihrigen vorzuziehen. Während sie, um ein Vermögen zu gewinnen, durch alle Länder und Meere ziehen, oft mit Lebensgefahr, und bei Krieg, wenn die Trompete mahnt, eisengerüstet in der Schlachtreihe stehen, sitzen wir sicher zu Hause. Vergehen sie sich in etwas gegen die Gesetze, so wird das schwerer an ihnen geahndet; unser Geschlecht schont man. Schließlich liegt es großenteils an uns, ob wir angenehme Ehemänner haben. – Es erübrigt noch, über die Sitzordnung zu beschließen, damit uns nicht begegne, was bei den Gesandten der Könige, Fürsten und Päpste häufig vorkommt, die bei Versammlungen drei volle Monate hin und her streiten, bevor sie Sitzung halten können. Ich bin also der Meinung, der erste Platz gebühre den Adligen, und unter diesen wieder sollen die den Vortritt haben, welche vier Quartiere, dann die drei, die zwei, die eins und schließlich die ein halbes aufzuweisen haben Auf der Ahnentafel.. In den einzelnen Abteilungen würde der Platz nach der Anciennität angewiesen. Bastardinnen sollen auf ihrer jeweiligen Ranglinie den letzten Platz einnehmen. In der zweiten Abteilung der Versammlung würden die bürgerlichen Frauen sitzen. Die ersten Plätze fallen hier denen zu, die die meisten Kinder zur Welt gebracht haben. Bei gleicher Zahl entscheidet das Alter. Endlich die dritte Abteilung würde aus denen bestehen, die noch nicht geboren haben. Catharina. Wohin tust du denn die Witwen? Cornelia. Das hast du richtig bemerkt. Sie werden ihren Platz in der Mitte der Mütter erhalten, vorausgesetzt, daß sie Kinder haben oder gehabt haben; die Unfruchtbaren aber werden den letzten Platz einnehmen. Julia. Welchen Platz weisest du den Frauen der Priester und Mönche an? Cornelia. Darüber wollen wir in der nächsten Sitzung beraten. Julia. Und welchen den Weibern, die ihren Leib zu Markte tragen? Cornelia. Wir werden nicht dulden, daß unser Senat durch die Berührung mit solchen sich verunreinige. Julia. Und wie hältst du's mit den Konkubinen? Cornelia. Da es deren verschiedene Arten gibt, muß über sie mit Muße verhandelt werden. Beizufügen ist noch, wie die Senatsbeschlüsse zustande kommen sollen: ob durch Punkte Die Punkte, die bei den Wahlen in den Komitien jeweilen auf der Wachstafel mit den Namen der Kandidaten gemacht wurden, um zu markieren, wie oft der Name auf den Stimmtäfelchen vorkam. oder durch Steinchen, oder durch laute Stimmabgabe, oder durch aufgehobene Finger, oder durch Abtreten auf die eine oder andere Seite. Catharina. Bei den Steinchen wie beim Punktieren kommt oft Betrug vor; soll man durch Abtreten seine Meinung kundtun, so werden wir, da wir Schleppkleider tragen, zu viel Staub aufwirbeln. Das beste scheint mir daher, wenn jede mit der Stimme ihre Ansicht kundtut. Cornelia. Schwierigkeiten bereitet aber das Zählen der Stimmen. Man muß sich auch davor hüten, daß nicht aus der Stimmabgabe ein Stimmengewirr werde. Catharina. Es soll nichts ohne Schreiber vorgenommen werden, damit jede Auslassung vermieden werde. Cornelia. So wäre denn wegen des Zählens Rat geschafft; wie aber soll man den Stimmentumult fernhalten? Catharina. Es soll keine sprechen, ohne aufgefordert zu sein, und außerhalb der Reihenfolge. Wer es anders halten wird, soll aus dem Senat ausgeschaltet werden. Wenn sodann eine etwas von dem, was hier verhandelt wird, ausschwatzt, soll sie zu dreitägigem Stillschweigen verurteilt werden. Cornelia. Soviel über die Art der Verhandlung. Vernehmet nun, worüber zu beraten sein wird. In erster Linie müssen wir auf die Beobachtung unserer Würde bedacht sein; diese beruht hauptsächlich in der Kleidung. Das wird derart mißachtet, daß heutzutage kein Mensch mehr zwischen einer adligen und einer bürgerlichen Frau unterscheiden kann, oder zwischen einer Verheirateten und einer Jungfrau oder Witwe, zwischen einer ehrbaren und einer unehrbaren Frau. So sehr ist alle Scham geschwunden, daß sich eine jede alles anmaßt, was ihr nur beliebt. Wir sehen mehr als plebejische, ja Frauen von geradezu schmutziger Herkunft in Kleidern aus moirierter, geblümter, gestreifter Seide, aus Battist, aus Gold- und Silberstoffen, mit Zobel- und Hermelinpelzen, während unterdessen der Mann zu Hause Schuhe flickt. Die Finger stecken voll von Smaragden und Diamanten; denn die Perlen werden heutzutage allgemein gering geschätzt. Von dem Bernstein- und Korallenschmuck und den vergoldeten Schuhen will ich gar nicht erst reden. Den weniger Bemittelten genügte es früher, zu Ehren ihres Geschlechts seidene Gürtel zu tragen und die Säume der Kleider mit einer seidenen Bordüre zu schmücken. Jetzt ist das Übel ein doppeltes: einmal wird Hab' und Gut durch diesen Luxus geschwächt, zum anderen wird die gesellschaftliche Ordnung, welche die Wahrerin unserer Würde ist, über den Haufen geworfen. Wenn die Bürgersweiber in Kutschen und in Sänften, die mit Elfenbein eingelegt und mit feinem Tuche ausgeschlagen sind, sich sehen lassen, was bleibt dann noch für die Adligen und Vornehmen übrig? Und wenn eine, die eben erst einem Ritter angetraut wurde, eine Schleppe von fünfzehn Ellen nach sich zieht, was soll dann erst die Frau eines Herzogs oder Grafen machen? Und die Sache wird um so unerträglicher durch die erstaunliche Verwegenheit im beständigen Wechsel der Kleidermode. Einst trugen die vornehmen Frauen zum Unterschied von den bürgerlichen flügelartige weiße Tücher am Kopf. Ferner wählten sie dann, um die Verwechslung zu vermeiden, Hüte, die außen weiße, schwarz getigerte Felle zeigten. Sofort bemächtigte sich ihrer auch das gemeine Volk. Indem sie wiederum die Mode wechselten, trugen sie Hauben aus schwarzer Crepe. Die Frauen aus dem Volk wagten nicht nur dies nachzumachen, sondern sie fügten goldene Fransen und zuletzt noch Edelsteine hinzu. Einst war es das Vorrecht der Adligen, die Härchen an Stirn und Schläfen zu entfernen und die übrigen Haare auf dem Scheitel anzuordnen. Das ging nicht lange; bald ahmte es eine jede nach. Dann ließen sie die Haare auf die Stirn herabfallen; sofort machten auch das die Frauen aus dem Volke nach. Einzig die vornehmen Damen hatten einst Diener zur Seite und als Vorläufer, und unter diesen war ein Page, der der Dame die Hand reichte, wenn sie sich erheben wollte, und der mit seinem rechten Arm die Linke der Gehenden stützte. Diese Ehre war einem Sohn aus guter Familie vorbehalten. Jetzt tun das durch die Bank die Bürgersfrauen und nehmen einen jeden an für dieses Amt, wie auch zum Nachtragen der Schleppe. Ebenso begrüßten sich früher einzig die Adligen mit einem Kuß, und nicht einen jeden Mann ließen sie zum Kuß zu, ja nicht einmal ihre Rechte streckten sie jedem beliebigen entgegen. Jetzt eilen Männer, die nach Leder riechen, herbei, um eine Frau zu küssen, welche von echtestem Adel ist. Auch bei den Ehen wird auf Stand und Würde keinerlei Rücksicht mehr genommen. Patrizier heiraten Bürgerliche und umgekehrt. So entsteht ein Bastardnachwuchs. Keine Frau ist aus so niedrigem Stande, daß sie es nicht wagt, alle Färbmittel der Vornehmen anzuwenden, obschon die bürgerlichen Weiber sich genügen lassen könnten an der Hefe des jungen Biers oder dem frischen Rindensaft oder sonst einem billig zu beschaffenden Mittel, wie die rote Schminke, das Bleiweiß, das Spießglas für das Augenschwärzen; die sonstigen feinen Farben aber hätte man den vornehmen Frauen lassen sollen. Und dann bei Gastmählern und bei Spaziergängen in der Öffentlichkeit, wie hat da alle Ordnung aufgehört! Häufig kommt's vor, daß eine Kaufmannsfrau nicht geruht, einer von beiden Eltern her adligen Frau auszuweichen. Schon längst mahnten daher diese Verhältnisse, daß etwas Bestimmtes in diesen Dingen festgestellt würde. Und das könnte leicht unter uns vereinbart werden, geht es doch einzig und allein das weibliche Geschlecht an. Wir haben freilich auch einige Punkte mit den Männern in Ordnung zu bringen, die uns von jeder Ehrenstelle entfernen und uns nur für Wäscherinnen und Köchinnen halten und alle Angelegenheiten völlig nach ihrem Kopf besorgen. Wir wollen ihnen die Magistratsstellen und die militärischen Dinge überlassen. Soll man aber dulden, daß auf dem Schild das Wappen der Frau immer auf der linken Seite sich befindet, selbst wenn sie um drei Quartiere den Adel ihres Mannes übertrifft? Sodann ist es nur billig, daß bei der Ausstattung der Kinder die Mutter auch ihre Stimme abgebe. Vielleicht werden wir auch dahin gelangen, daß wir abwechselnd öffentliche Ämter versehen, nämlich die, welche innerhalb der Mauern und ohne Waffen besorgt werden können. Das ist in der Hauptsache das, worüber es mir der Mühe wert scheint zu beraten. Bei sich mag nun eine jede diese Dinge überlegen, damit dann aus den einzelnen Materien Senatsbeschlüsse erwachsen. Wenn einer unter euch sonst noch etwas in den Sinn kommt, so mag sie dies morgen vorlegen. Wir kommen nämlich jeden Tag zusammen, bis wir unseren Kongreß zu Ende geführt haben. Vier Schreiberinnen sollen zugezogen werden, die notieren, was gesagt wird. Überdies zwei Quästorinnen, die das Wort erteilen oder entziehen sollen. Damit schließe ich unsere Eröffnungssitzung.


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