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Der Wert und die Bedeutung großer Menschen

Der Glaube an große Menschen ist uns angeboren. Wenn die Gespielen unserer Kindheit sich plötzlich als Helden und ihr Stand sich als königlich offenbaren würden, es würde uns nicht überraschen. Alle Mythologie beginnt mit Halbgöttern, alles was sie umgiebt ist von Hoheit und Poesie erfüllt; weil alles von ihrem Genius beherrscht wird. In den Legenden der Gautama aßen die ersten Menschen die Erde und fanden sie von köstlicher Süße.

Die Natur scheint für die Vorzüglichen da zu sein. Die Welt wird durch die Wahrhaftigkeit guter Menschen erhalten: sie sind es, die die Erde gesund und heilsam machen. Alle, die mit ihnen lebten, fanden das Leben froh und nahrhaft. Nur durch unseren Glauben an die Gemeinschaft mit solchen Menschen wird das Leben süß und durch sie erträglich; und wir richten es stets so ein, daß wir wirklich oder im Geiste mit denen leben, die größer sind als wir. Wir nennen unsere Kinder und Länder nach ihren Namen. Ihre Namen sind in die Worte der Sprache verwoben, ihre Werke und Abbilder sind in unseren Häusern, und jedes Ereignis des Tages ruft eine Anekdote aus ihrem Leben ins Gedächtnis.

Die Suche nach großen Menschen ist der Traum der Jugend und die ernsteste Aufgabe des Mannesalters. Wir reisen nach fernen Landen, um ihre Werke zu finden, wenn möglich einen Blick auf sie zu erhaschen. Aber statt dessen werden wir mit gewöhnlichen Glücksgütern abgespeist. Man sagt, die Engländer seien praktisch, die Deutschen gastfreundlich; in Valencia sei das Klima zum Entzücken, und in den Bergen von Sacramento gäbe es Gold für den, der es sucht. Ja, aber ich reise nicht, um bequeme, reiche und gastfreundliche Leute, oder einen klaren Himmel, oder Barren, die mehr kosten, als sie wert sind, zu finden. Doch wenn es einen Magnet gäbe, der nach den Ländern und Häusern wiese, in denen die Menschen leben, die innerlich reich und mächtig sind, ja dann würde ich alles, was ich habe, verkaufen und mich heute noch auf den Weg machen.

Die ganze Rasse lebt vom Kredit dieser einzelnen. Der Umstand, daß der Mann in der Stadt lebt, der die Eisenbahn erfunden, hebt das Ansehen aller Bürger. Und die bevölkertsten Länder, denen solcher Reichtum fehlt, sind ekel wie belebter Käse, wie Ameisenhaufen oder Flöhe, – je mehr, desto ärger.

Unsere Religion ist nichts als die Liebe und der Kultus dieser Schutzheiligen. Die Götter der Fabel sind die leuchtenden Augenblicke aus dem Leben großer Menschen. Wir alle gießen unsere Gefäße nach einer Form. Unsere ungeheueren Gotteslehren, unser Judaismus, Christismus, Buddhismus, Mahometismus, sie sind die notwendigen Resultate der architektonischen Arbeit des Menschengeistes. Der Geschichtsforscher gleicht einem Mann, der in ein Warenhaus eintritt, um Tücher oder Fußteppiche zu kaufen. Er bildet sich ein, er habe einen neuen Artikel bekommen. Wenn er in die Werkstätte blicken würde, würde er entdecken, daß sein neuer Stoff dieselben Schnörkel und Rosetten trägt, die sich schon auf den Innenwänden der Pyramiden von Theben finden. Unser Deismus ist nur die geläuterte Idee des menschlichen Geistes selbst. Der Mensch kann nichts anderes malen, schaffen, denken, als den Menschen. Er muß glauben, daß alle die großen, materiellen Elemente aus seinem Geiste den Ursprung nehmen. Und unsere Philosophie findet stets nur ein Grundwesen, sei es geeint oder verteilt.

Wenn wir nun daran gehen, die Dienste zu untersuchen, welche wir von anderen überhaupt empfangen können, so müssen wir uns vor allem vor den Gefahren der modernen Philosophie hüten und ganz unten anfangen. Wir dürfen nicht gegen die Liebe ankämpfen und nicht die substantielle Existenz der anderen Menschen überhaupt leugnen. Ich weiß nicht, was uns sonst zustoßen könnte. Ein guter Teil unserer Stärke ist eine sociale. Unsere Neigung für andere schafft eine Art von Vorteil oder Erwerb, den nichts ersetzen kann. Ich kann manches durch einen anderen thun, was ich nicht selbst thun kann. Ich kann einem anderen Dinge sagen, die ich vorher mir selbst nicht hätte sagen können. Andere Menschen sind die Linsen, durch welche wir in unserem eigenen Geiste lesen. Jeder Mensch sucht diejenigen auf, die in der Qualität von ihm verschieden und die besten ihrer Art sind; das heißt: er sucht andere Menschen, und zwar gerade die andersten. Je stärker die Natur eines Menschen ist, desto stärker ist ihre Reaktion. Wir wollen die Qualität rein haben. Die kleinen Talente wollen wir lassen. Ein Hauptunterschied zwischen den Menschen liegt darin, ob sie ihre eigenen Aufgaben erfüllen oder nicht. Der Mensch ist die edle endogenetische Pflanze, die gleich der Palme von innen nach außen wächst. Seine eigensten Aufgaben, die allen anderen unmöglich sein mögen, löst er schnell und spielend. Es ist dem Zucker leicht, süß zu sein, und dem Salpeter leicht, salzig zu schmecken. Wir geben uns oft eine unglaubliche Mühe, mit Fallen und Gruben und Hinterhalten das zu erjagen, was ganz von selbst in unsere Hände fallen muß. Ich halte den für einen großen Mann, der eine höhere Gedankensphäre bewohnt, zu welcher andere sich nur mühsam und mit Schwierigkeiten emporheben können; er braucht nur die Augen zu öffnen, um die Dinge in ihrem wahren Lichte und in bedeutenden Beziehungen zu sehen, während sie beständig ärgerliche Korrekturen vorzunehmen und auf zahlreiche Fehlerquellen ein wachsames Auge zu halten genötigt sind. Der Dienst, den er uns erweist, ist von gleicher Natur. Einem schön gestalteten Menschen kostet es keine Mühe, sein Bild unserem Auge einzuprägen – und was für eine herrliche Wohlthat erweist er uns damit; und keine größere Mühe kostet es der weisen Seele, andere ihre Weisheit mitgenießen zu lassen. Jeder kann sein Bestes leicht thun. » Peu de moyens, beaucoup d'effet.« Der ist groß, der das, was er ist, von Natur aus ist und uns nie an andere erinnert.

Aber er muß eine uns verwandte Natur sein und unserem Leben irgend eine Aussicht auf Aufklärung eröffnen. Ich kann nicht immer sagen, was ich gerade wissen möchte; aber ich habe bemerkt, daß es Menschen giebt, die durch ihren Charakter und ihre Handlungen Fragen beantworten, die zu stellen ich nicht genug Geschick besitze. Mancher beantwortet Fragen, die keiner seiner Zeitgenossen stellte, und die Folge für ihn ist Isolierung. Die vergangenen und vergehenden Religionen und Philosophien beantworten manche andere Frage. Gewisse Leute berühren uns wie reiche Möglichkeiten, die dennoch unfähig sind, sich selbst oder ihrer Zeit zu helfen – das Spiel irgend eines Triebs vielleicht, der die Luft bewegt, entsprechen sie unserem Bedürfen nicht. Aber die Großen sind nah; und wir erkennen sie, wenn wir sie sehen. Was gut ist, ist wirksam und zeugungskräftig und schafft sich Raum, Nahrung und Bundesgenossen. Ein guter Apfel giebt Samen, ein Bastard nicht. Wenn ein Mann auf seinem Platze ist, wirkt er aufbauend, fruchtbar und magnetisch; Heere erfüllt und schwellt er mit seinen Absichten, und so werden sie vollstreckt. Der Strom schafft sich seine eigenen Ufer, und jede berechtigte Idee schafft sich ihre eigenen Kanäle, ihre Begrüßung – ihre Ernten zur Nahrung, Institutionen zu ihrem Ausdruck, Waffen zum Kämpfen und Jünger, sie zu erklären. Der wahre Künstler hat den Planeten zum Piedestal, der Abenteurer hat nach Jahren des Ringens keinen Boden, der breiter wäre als seine Schuhe.

Unser gewöhnliches Reden kennt zwei Arten des Nutzens oder der Dienste, welche höherstehende Menschen uns erweisen. Unmittelbares Geben ist dem frühen Glauben der Menschen erwünscht; unmittelbares Geben materieller oder metaphysischer Hilfe, wie Gesundheit, ewige Jugend, scharfe Sinne, Heilkunst, Zauberkünste und die Gabe der Prophezeiung. Der Knabe glaubt, es gäbe Lehrer, die ihm Weisheit verkaufen können. Kirchen glauben an solche wundersame Verdienste, die dem und jenem zugeschrieben werden. Aber bei strenger Prüfung können wir nicht viel direktes Nützen entdecken. Der Mensch ist endogenetisch, und die Erziehung ist seine Entfaltung. Alle Hilfe, die wir von anderen haben können, ist eine mechanische im Vergleich zu den Entdeckungen der Natur in uns selbst. Was wir so lernen, das ist ein Entzücken beim Thun, und seine Wirkung bleibend. Alle wahre Ethik ist central und geht von der Seele nach außen. Alles Geben ist den Weltgesetzen zuwider. Anderen dienen heißt uns dienen. Ich muß mich selbst absolvieren können. »Kümmere dich um deine eigenen Sachen« sagt der Geist; »Thor, willst du dich in die Sache der Himmel mengen oder in die anderer Leute?« – So bleibt uns denn nur ein indirekter Nutzen übrig. Die Menschen haben eine bildliche oder repräsentative Natur und nützen uns auf geistigem Wege. Behmen und Swedenborg sahen, daß alle Dinge Symbole und Repräsentanten seien. Auch die Menschen sind Repräsentanten, erstens von Dingen und zweitens von Ideen.

Gleichwie Pflanzen die Mineralien in Nahrungsstoffe für Tiere umwandeln, so verwandelt jeder Mensch die Rohmaterialien der Natur zu menschlichen Zwecken. Die Entdecker des Feuers, der Elektrizität, des Magnetismus, des Eisens, des Bleies, des Glases, der Leinwand, Wolle und Seide, die Erfinder der Werkzeuge, die Schöpfer des Dezimal-Systems, der Geometer, der Ingenieur, der Musiker – bereiten jeder nach seiner Weise einen bequemen Pfad für alle durch unbekannte und unmögliche Wirrnisse. Jeder Mensch ist durch eine geheime Sympathie mit irgend einem Gebiete der Natur verwandt und wird der Agent und Dolmetsch derselben: so Linnaeus der des Pflanzenreiches, Huber der der Bienen, Fries derjenige der Flechten, Van-Mons der Birnen, Dalton der Atomgesetze, Euklides der Linien, Newton der unendlichen und veränderlichen Größen.

Jeder Mensch ist gleichsam ein Centrum für die Natur, von dem aus verbindende Fäden durch alles Feste und Flüssige, Materielle und Elementare laufen. Die Erde dreht sich, und jede Scholle und jeder Stein passiert den Meridian: so hat jedes Organ, jede Funktion, jede Säure, Krystall und Staubkorn seine Beziehung zum Menschenhirn. Oft wartet es lange, aber es kommt an die Reihe. Jede Pflanze hat ihren Parasiten, und jedes erschaffene Ding seinen Liebhaber und Dichter. Schon ist dem Dampf, dem Eisen, dem Holz, der Kohle, dem Magnet, dem Jod, dem Korn und der Wolle ihr Recht zu teil geworden; und doch wie wenig Materialien hat unsere Kraft und Kunst bisher zu verwerten gewußt! Die Mehrzahl der Geschöpfe und Eigenschaften liegen noch im Verborgenen und warten. Es ist, als ob ein jedes wie die bezauberte Prinzessin im Märchen des bestimmten menschlichen Befreiers harren würde. Jedes muß entzaubert werden und in menschlicher Gestalt ans Tageslicht treten. In der Geschichte der Entdeckungen scheint jede reife und verborgene Wahrheit sich selbst ein Hirn gemodelt zu haben. Es muß ein Magnet in einem Gilbert, Swedenborg oder Oersted Mensch geworden sein, ehe der Geist der Menschheit seine Kräfte kennen und würdigen lernt.

Wenn wir uns auf die nächstliegenden Vorteile beschränken, so finden wir eine ernste Anmut in den mineralischen und botanischen Reichen, die sich in den höchsten Augenblicken als der Reiz der Natur offenbart, – das Glitzern des Speeres, die Sicherheit der chemischen Affinität, die unfehlbare Gewißheit der Winkel. Licht und Dunkel, Hitze und Kälte, Hunger und Nahrung, Süßes und Bitteres, Festes, Flüssiges und Gase kreisen um uns in einem Kranze von Wonnen und täuschen uns in ihrem gefälligen Kampfe über den Tag hinweg. Jeden Tag wiederholt das Auge das erste Lob, das den Dingen gespendet ward: »Und Er sah, daß sie gut waren.« Wir wissen, wo sie zu finden sind, und wir schätzen ihr Spiel nur noch höher, sobald wir einige Erfahrungen mit den anspruchsvolleren Rassen gemacht haben. Aber wir haben auch ein Anrecht auf höhere Vorteile. Der Wissenschaft fehlt etwas, so lange sie nicht vermenschlicht ist. Die Logarithmentafel ist eine Errungenschaft, aber das lebendige Spiel der Logarithmen in der Botanik, Musik, Optik und Architektur ist noch ganz etwas anderes. Und es giebt Fortschritte für die Kunst der Zahlen, für Anatomie, Architektur und Astronomie, die wir uns nicht hätten träumen lassen, sobald sie zum Leben emporsteigen und uns im Gespräch, in Persönlichkeiten und Politik wieder begegnen.

Aber das kommt später. Wir sprechen vorläufig nur von dem, was wir von ihnen in ihrer eigenen Sphäre erkennen, und von der Weise, in der sie ein Genie auszusuchen, zu fascinieren und anzuziehen scheinen, sodaß es sich sein ganzes Leben lang mit einem einzigen Gegenstande beschäftigt. Die Möglichkeit einer Erklärung liegt in der Identität des Beobachters mit dem Beobachteten. Jeder materielle Gegenstand hat seine himmlische Seite; jeder wird, indem er den Weg durch die Menschheit nimmt, in die geistige und unvergängliche Sphäre emporgehoben, wo er eine ebenso unzerstörbare Rolle spielt wie alles andere. Und zu diesen ihren Endzielen steigen alle Dinge unaufhörlich empor. Die Gase verdichten sich zum festen Gewölbe, das chemische Gemenge wird zur Pflanze und wächst, wird zum Quadruped und schreitet, wird zum Menschen und denkt. Aber die Wählerschaft bestimmt auch das Votum des Repräsentanten. Er ist nicht nur ihr Repräsentant, er hat selbst teil an ihr. Nur vom Gleichen kann das Gleiche erkannt werden. Der Grund, daß er von ihnen etwas weiß, liegt darin, daß er von ihnen ist: er ist ja eben erst aus der Natur herausgetreten, er war eben erst noch ein Teil des Dinges, das er heute erforscht. Belebtes Chlor weiß vom Chlor, und Fleisch gewordenes Zink vom Zink. Ihre Qualitäten bestimmen seinen Lebenslauf; und er kann ihre Kräfte mannigfach enthüllen, weil er aus ihnen zusammengesetzt ist. Der Mensch, aus dem Staube der Welt geschaffen, vergißt seinen Ursprung nicht; und alles was heute noch leblos liegt, wird eines Tages sprechen und denken. Die unoffenbarte Natur wird noch all ihre Geheimnisse enthüllen müssen. Können wir nicht sagen, daß die Quarzfelsen zu Molekülen ungezählter Werners, von Buchs und Beaumonts zerstäuben werden; und daß das Laboratorium der Atmosphäre, ich weiß nicht was für einen Berzelius und Davys aufgelöst enthält?

So sitzen wir am Feuer und legen unsere Hand an die Pole der Erde. Diese Quasi-Allgegenwart leistet für die Schwäche unseres Zustandes Ersatz. An einem jener himmlischen Tage, an welchen Erde und Himmel einander begegnen und schmücken, scheint es Armut zu sein, daß wir nur ein Leben zu genießen haben, wir wünschten uns tausend Häupter und tausend Körper, um seine unendliche Schönheit an vielen Orten zugleich und in zahllosen Weisen feiern zu können. Ist dies nur ein Spiel der Phantasie? Wahrlich, in allem Ernste, unser Dasein wird vervielfacht durch diejenigen, die für uns geschafft haben. Und wie leicht wir ihre Arbeiten uns aneignen! Jedes Schiff, das nach Amerika kommt, hat seine Karte von Kolumbus erhalten. Jeder Roman ist ein Schuldner Homers. Jeder Zimmermann, der den Hobel zum Glätten benutzt, borgt vom Geiste des vergessenen Erfinders. Das Leben ist ringsumher mit einem Zodiakus von Kenntnissen umgürtet, den Beiträgen von Menschen, die gestorben, um ihren Lichtfunken an unseren Himmel zu fügen. Der Ingenieur, der Händler, der Jurist, der Arzt, der Moralphilosoph und der Theologe, und jeder, der irgend ein Maß von Kenntnissen erwirbt, wird einer von denen, welche die Längen und Breiten auf der Karte unseres Lebenszustandes ergründen und einzeichnen. Diese Pfadfinder sind es, die uns auf allen Seiten bereichern. Wir müssen das Areal des Lebens erweitern und unsere Beziehungen vermehren. Und wir gewinnen mindestens ebensoviel, wenn wir eine neue Eigenschaft der alten Erde, wie wenn wir einen neuen Planeten entdecken.

Wir verhalten uns zu passiv beim Hinnehmen dieser materiellen und halb-materiellen Dienste. Wir sollen nicht bloß Säcke und Magen sein. Wir brauchen nur eine Stufe emporzusteigen: – unsere Sympathie leistet uns größere Dienste. Thätigkeit wirkt ansteckend. Wenn wir dorthin schauen, wo andere hinschauen, uns mit den Dingen beschäftigen, die sie interessieren, entdecken wir den Reiz, der sie anlockte. Napoleon sagte: »Man darf nicht zu oft mit einem und demselben Feinde kämpfen, sonst lehren wir ihn unsere Kriegskunst.« Wir brauchen nur viel mit einem Manne von kraftvollem Geiste zu sprechen, und wir werden uns sehr rasch gewöhnen, die Dinge in demselben Lichte wie er zu betrachten, und werden bei jedem Ereignis seine Gedanken anticipieren.

Die Menschen erweisen sich einander hilfreich durch ihren Geist und ihre Neigungen. Alle andere Hilfe ist falscher Schein. Wenn mir einer Brot und Feuer schenken will, bemerk' ich bald, daß ich es voll bezahlen muß und nachher nicht besser, noch schlimmer daran bin als vorher: aber alle geistige und sittliche Kraft ist ein positives Gut. Sie geht von dir aus, du magst wollen oder nicht, und nützt mir, an den du noch nie gedacht hast. Ich kann gar nicht von persönlicher Kraft irgendwelcher Art, von großer Leistungsfähigkeit hören, ohne von frischer Entschlossenheit durchdrungen zu werden. Wir sind eifersüchtig auf alles, was Menschen imstande sind. Cecils Worte über Sir Walter Raleigh: »Ich weiß, daß er eine geradezu fürchterliche Arbeitskraft hat« wirken wie ein elektrischer schlag, so auch Clarendons Portraits, z. B. das Hampdens: »der von einer Thätigkeit und Wachsamkeit war, welche die Emsigsten nicht ermüden oder einschläfern konnten, von Fähigkeiten, welchen die Schärfsten und Schlauesten nicht überlegen waren, und einem persönlichen Mute, der seinen besten Fähigkeiten gleichkam« – oder das Falklands, »der ein so strenger Verehrer der Wahrheit war, daß er sich ebenso leicht das Stehlen hätte gestatten können wie das Heucheln.« Wir können Plutarch nicht lesen, ohne daß unsere Pulse schlagen, und ich schließe mich den Worten des Chinesen Mencius an: »Ein Weiser ist der Lehrer vieler Generationen. Wo vom Betragen Loos gehört wird, da werden die Blöden verständig und die Schwankenden entschlossen.«

Dies ist die Moral aller Biographik: doch es ist für längst Verstorbene schwer, uns so zu erregen wie unsere eigenen Gefährten, deren Namen vielleicht nicht so lange leben werden. Wer ist der, an den ich nie denke, während doch in jeder Einsamkeit uns diejenigen nahe sind, die unserm Genius Hilfe bieten und uns in wunderbarer Weise anfeuern? Die Liebe besitzt eine Kraft, das Schicksal des anderen besser vorauszuahnen, als der andere selbst es vermag, und ihn durch heroische Ermutigung bei seinen Aufgaben festzuhalten. Was besitzt die Freundschaft so Ausgezeichnetes als diese herrliche Anziehung für alles Treffliche, was in uns liegt? Nun werden wir nie wieder gering von uns selbst oder vom Leben denken. Wir sind gereizt, einem Ziel zuzustreben, und die Thätigkeit der Erdarbeiter am Bahndamm wird uns nie wieder beschämen.

Hierher gehört auch der huldigende Beifall, den ich für einen durchaus reinen halte, den alle Stände dem Helden des Tages zollen, von Coriolanus und Gracchus bis zu Pitt, Lafayette, Wellington, Webster und Lamartine. Hört das Jubeln in den Straßen! Die Leute können ihn gar nicht genug sehen. Ein Mann ist ihr Entzücken. Das ist ein Kopf und ein Rumpf! Welch eine Stirn! und was für Augen! Schultern gleich denen des Atlas, und die ganze Haltung heroisch, und innere Kraft genug, die große Maschine zu leiten! Diese Freude am vollen Ausdruck dessen, was sie in ihrer eigenen Erfahrung meist nur verkrüppelt und verstopft gefunden, kehrt auch in höheren Geisteskreisen wieder und ist das Geheimnis der Freude des Lesers an den Werken des schriftstellerischen Genies. Hier strömt alles ungehemmt aus, hier ist Feuer genug, um einen Berg von Erz zu schmelzen. Shakespeares Hauptverdienst läßt sich damit ausdrücken, daß er unter allen Menschen am besten die englische Sprache versteht und alles sagen kann, was er will. Und doch sind diese unverstopften Kanäle und Schleusen des Ausdrucks nichts anderes als Gesundheit und eine glückliche Konstitution. Der Name Shakespeares ruft uns andere, rein geistige Wohlthaten ins Gedächtnis.

Die Senate und Souveräne der Erde verfügen mit all ihren Orden, Medaillen, Ehrendegen und Wappenschildern über kein Kompliment, das dem gleich käme, einem menschlichen Wesen Gedanken mitzuteilen, die eine gewisse Höhe erfordern und sein Verständnis voraussetzen. Und diese Ehre, die im privaten Verkehr oft kaum zweimal im Leben möglich wird: das Genie erweist sie uns unaufhörlich, zufrieden wenn dann und wann einmal in einem Jahrhundert sein Anerbieten angenommen wird. Die Menschen, die uns sachliche Werte weisen, werden gleichsam zu Köchen und Schneidern degradiert, sobald diejenigen, die uns Ideen zeigen, erscheinen. Das Genie ist der Naturforscher und Geograph der übersinnlichen Regionen und zeichnet die Karte derselben; und indem es uns neue Felder für unsere Thätigkeit kennen lehrt, kühlt es unsere Liebe für die alten ab. Jene werden nun als die Wahrheit betrachtet, von der die Welt, in der wir uns bewegten, nur der Wiederschein war.

Wir gehen zum Ringplatz und zur Schwimmschule, um die Kraft und Schönheit des Körpers zu schauen; wir empfinden das gleiche Vergnügen und haben mehr Vorteil von der Wahrnehmung geistiger Leistungen jeder Art: Leistungen des Gedächtnisses, der mathematischen Kombination, großer Abstraktionsfähigkeiten, der wechselnden Bilder der Phantasie, von gewandtem Witz wie tiefer Konzentration, denn all diese Akte zeigen die unsichtbaren Glieder des Geistes, die, Glied für Glied, den Fähigkeiten des Leibes entsprechen. Denn nun betreten wir ein neues Gymnasion und lernen die Menschen nach ihren wahrhaftesten Kennzeichen zu wählen, belehrt von Plato, »jene zu wählen, die ohne Hilfe der Augen oder eines anderen Sinnes zur Wahrheit und zum Sein vordringen.« Zuvörderst unter diesen Thätigkeiten kommen die Purzelbäume, die Zaubereien, die Verwandlungen und Wiederauferstehungen der Phantasie. Sobald sie erwacht, scheint die Kraft eines Menschen zehnfach und tausendfach vervielfältigt. Sie entfesselt den entzückenden Sinn für unbestimmte Größen und flößt eine verwegene Haltung des Geistes ein. Wir werden elastisch und dehnbar wie die Gase im Schießpulver, und eine Sentenz in einem Buch, ein Wort, das im Gespräche fällt, entfesselt unsere Phantasie, und im nächsten Augenblick baden wir das Haupt in der Milchstraße, und unsere Füße treten den Boden des Höllenabgrunds. Und gerade dieser Vorteil ist ein wirklicher, und eine reale Wohlthat, denn wir haben ein Recht auf diese weiten Gebiete, und nie wieder können wir, wenn wir die Schranken einmal überschritten, dieselben elenden Pedanten werden, die wir vorher waren.

Die hohen Funktionen des Geistes sind so eng verbündet, daß ein gewisses Maß von Einbildungskraft fast allen hervorragenden Geistern eigen ist, sogar den Arithmetikern ersten Ranges, ganz besonders aber allen spekulativen Köpfen, deren Gedankenkraft eine intuitive ist. Diese Menschen dienen uns dadurch, daß ihnen gegeben ist, sowohl die Identität zu erkennen, als auch die Reaktion wahrzunehmen. Den Augen eines Plato, eines Shakespeare, Swedenborg oder Goethe entgingen diese Gesetze nie und nirgends. Die Wahrnehmung dieser Gesetze bildet eine Art von Maßstab für die Geister. Kleine Geister sind klein, weil sie dieselben nicht sehen können.

Aber auch solch ein Festschmaus kann zur Übersättigung führen. Unser Entzücken am Geiste entartet zum Götzendienst vor seinem Herold. Besonders wenn ein Geist die Menschen belehrt hat, der in der Methode gewaltig war, begegnen wir den Zeichen der Erdrückung. Die tyrannische Herrschaft des Aristoteles, der Ptolemäischen Astronomie, das Übergewicht Luthers, Bacons, Lockes, die Geschichte der Hierarchien jeder Religion, der Heiligen, der Sekten, die sich jede nach ihrem Gründer nannten, gehören alle hierher. Ach! jeder Mensch ist solch ein Opfer. Die Schwäche der Menschen wird immer verführerisch für den Übermut der Kraft. Es ist das Entzücken gemeinen Talents, den Blick des Zuschauers zu blenden und zu täuschen. Aber das wahre Genie sucht uns vor seiner eigenen Macht zu verteidigen. Das wahre Genie will keinen arm machen, es will befreien und neue Empfindungskräfte wecken. Wenn ein weiser Mann in unserem Dorfe erschiene, würde er in denen, mit denen er spräche, das Bewußtsein neuer Reichtümer erwecken, indem er ihre Augen für Schätze öffnet, die sie bisher unbeachtet ließen; er würde in uns das Gefühl eines unerschütterlichen Gleichgewichts befestigen, uns durch die Versicherung beruhigen, daß wir nicht betrogen werden können; denn jeder würde die Garantien seiner Lage erkennen. Die Reichen würden ihre Fehler und ihre Armut, die Armen ihre Hilfsmittel und Zuflüchte erkennen.

Aber die Natur bringt in gebührender Zeit all dies ins Gleiche. Die kreisende Bewegung ist ihr Heilmittel. Der Geist duldet keine Herren und lechzt nach Wechsel. Hausfrauen sagen von einem Dienstboten, der tüchtig gewesen ist: »Sie war schon zu lange bei mir.« Wir sind alle nur Tendenzen oder besser Symptome, keiner von uns ist vollständig. Wir rühren nur aneinander und an die Dinge und schlürfen den Schaum vieler Leben. Rotation ist das Gesetz der Natur. Wenn sie einen großen Mann hinwegnimmt, späht die Menge über den Horizont nach einem Nachfolger für ihn aus, aber keiner zeigt sich, und es wird auch keiner kommen. Seine Gattung ist mit ihm erloschen. Auf einem anderen ganz verschiedenen Gebiete wird der nächste Mann erscheinen; kein Jefferson, kein Franklin, sondern jetzt ein großer Händler, dann ein Bauunternehmer, dann ein Zoolog, ein büffeljagender Forschungsreisender, oder ein halbwilder General des Westens. So bieten wir unseren rauheren Meistern die Spitze; aber gegen die besten haben wir ein feineres Mittel. Die Kraft, die sie uns mitteilen, ist nicht die ihre. Wenn sie von Ideen begeistert sind, verdanken wir das nicht Plato, sondern der Idee, deren Schuldner Plato selbst war.

Ich darf nicht zu erwähnen vergessen, daß wir einer Klasse von Menschen ganz besonders verpflichtet sind. Das Leben ist eine Stufenleiter. Zwischen Rang und Rang unserer großen Männer giebt es weite Zwischenräume. Die Menschheit hat sich zu allen Zeiten um einige Personen gesammelt, die entweder durch die Großartigkeit der Idee, welche sie verkörperten, oder durch ihre weite Receptivität zur Stellung von Führern und Gesetzgebern befähigt und berechtigt waren. Solche lehren uns die Qualitäten der ursprünglichsten Natur kennen – sie gewähren uns einen Einblick in den Bau der Welt und das Wesen der Dinge. Wir schwimmen Tag für Tag auf einem Strome von Illusionen dahin, wir ergötzen uns thatsächlich an Luftschlössern und schwebenden Städten, von denen die Menschen um uns her genarrt werden. Aber das Leben selbst ist wahrhaftig. In lichten Zwischenzeiten sagen wir: »Ich will mir ein Eingangsthor zu den Wirklichkeiten öffnen, schon zu lange trag' ich die Narrenkappe.« Wir wollen einmal den wahren Sinn der Ökonomie und Politik begreifen. Gebt uns den Schlüssel zu diesen Chiffern, und wenn Personen und Sachen Partituren einer himmlischen Musik sind, laßt uns die Melodien ablesen. Wir sind um unsere Vernunft betrogen worden; aber es hat doch Menschen gegeben, die sich eines reichen Lebens, das mit dem innersten Geist der Dinge in Fühlung stand, erfreuten. Was sie wissen, das wissen sie für uns. Mit jedem neuen Haupte wird ein neues Geheimnis der Natur ruchbar; und die Bibel kann nicht abgeschlossen werden, solange nicht der letzte große Mensch geboren ist. Das sind die Menschen, die das Delirium des animalischen Geistes in uns korrigieren, die uns überlegt machen und uns zu neuen Zielen und Kräften lenken. Die Ehrfurcht der Menschheit wählt sie für die höchste Stelle aus. Das wird', durch die Menge der Statuen, Bilder und Gedenkzeichen bezeugt, die ihren Genius in jeder Stadt, in jedem Dorf, jedem Haus und Schiff ins Gedächtnis rufen:

»Ihre Geister steigen empor uns –
Unsere herrlicher'n Brüder, doch eins im Blut –
Bei Tisch und Bett stehn sie herrschend vor uns,
In den Blicken strahlende Schönheit,
In den Worten das höchste Gut.«

Wie soll ich nur die von allem andern so ganz verschiedene Wohlthat derer erläutern, welche uns Ideen gewähren, wie den Dienst, den uns jene erweisen, welche sittliche Wahrheit dem Geiste der Allgemeinheit zuführen? – Mein ganzes Leben hindurch quält mich ein beständiger Preistarif. Wenn ich in meinem Garten arbeite und einen Apfelbaum beschneide, hab' ich meine Freude daran und fühle, daß ich eine ganz unbestimmbare Zeit mit der gleichen Beschäftigung fortfahren könnte. Aber auf einmal muß ich denken, daß der Tag vorüber ist, und ich habe nichts als dieses behagliche Nichts zustande gebracht. Ich fahre nach Boston oder New-York, renne auf und ab in meinen Angelegenheiten: sie werden herabgehetzt, aber der Tag desgleichen. Und mich quält der Gedanke, welchen Preis ich für einen so geringen Vorteil gezahlt. Ich muß an die » peau d'âne« denken, die jedem, der auf ihr saß, seinen Wunsch erfüllt; aber ein Stück der Haut ging mit jedem Wunsche verloren. Ich gehe in einen Philanthropen-Verein. Ich mag thun, was ich kann: ich kann meine Augen nicht von der Uhr abwenden. Aber wenn in der Gesellschaft eine feine Seele erschiene, die nichts wüßte von Personen und Parteien, von Carolina und Cuba, die aber ein Gesetz verkündigt, unter das all diese Einzelfragen fallen, und mich der großen Gerechtigkeit vergewissert, die jeden Falschspieler matt setzt, jeden Selbstsüchtigen bankrott macht, und mich meine Unabhängigkeit von Vaterland und Zeiten und von meinem menschlichen Leibe erkennen lehrt – solch ein Mann befreit mich; ich vergesse die Uhr, ich trete aus all den kranken Beziehungen zu den Personen um mich her heraus; alle meine Schäden heilen; und ich fühle mich unsterblich, indem ich meinen Schatz von unverderblichen Gütern erkenne. – In dieser Welt herrscht ein großer Wettkampf zwischen Arm und Reich. Wir leben in einem Markte, auf dem es nur ein bestimmtes Quantum Weizen oder Wolle oder Grundbesitz giebt; und wenn ich um so viel mehr davon habe, muß jeder andere um so viel weniger haben. Ja, es ist, als könnt' ich nichts an Gut erwerben, ohne die gute Sitte zu brechen. Niemand freut sich an der Freude des anderen, unser System ist ein System des Krieges, ein System verletzender Superiorität. Jedes Kind der sächsischen Rasse wird zu dem Wunsche erzogen, obenan zu sein. Es ist unser System, und es kommt so weit, daß jeder seine Größe nach dem Ärger, dem Neid und Haß seiner Mitstrebenden mißt. Aber in jenen neuen Gefilden ist Raum: da giebt es keine Selbstüberhebung, keine Exklusivität.

Ich bewundere die großen Männer jeder Art, die der That wie die der Gedanken, ich liebe die Rauhen und die Sanften, die »Gottesgeißeln« und die »Lieblinge des Menschengeschlechts.« Ich liebe den ersten Cäsar, und Karl den Fünften von Spanien, und Karl XII. von Schweden, Richard Plautagenet und Bonaparte in Frankreich. Ich applaudiere dem tüchtigen Mann, dem Beamten, der seinem Amte gewachsen ist, sei er Feldherr, Minister oder Senator. Ich liebe den Meister, der fest auf ehernen Füßen steht, wohlgeboren, reich, schön, beredt, mit glücklichen Gaben überhäuft, der alle Menschen durch einen Zauber zu Tributären und Stützen seiner Macht heranzieht. Schwert und Stab, oder vielmehr Talente des Schwertes oder des Stabes, sind es, die die Welt vorwärts bewegen. Aber ich finde den noch größer, der sich selbst und alle Helden abschaffen kann, indem er das Element der All-Vernunft einströmen läßt, die nach keiner Person fragt; der jene verfeinertste, unwiderstehlich aufwärts treibende Kraft in unser Denken führt, die allen Individualismus zerstört, jene Macht, die so groß ist, daß der Mächtige selbst in ihr zu Nichte wird. Er ist der Monarch, der seinem Volke eine Verfassung giebt, ein Hoherpriester, der die Gleichheit der Seelen predigt und seine Diener ihres barbarischen Dienstes entläßt, ein Kaiser, der sein Reich entbehren kann.

Aber meine Absicht war, zwei oder drei Punkte dieser wohlthätigen Wirkung eingehender zu specifizieren. Die Natur läßt es nie an Opium und schmerzstillenden Mitteln fehlen; sondern so oft sie eines ihrer Geschöpfe durch irgend eine Verunstaltung oder ein Gebrechen entstellt, legt sie ihren Mohnsamen reichlich auf die Wunde, und der Patient geht fröhlich durch die Welt, ohne den Schaden zu kennen und unfähig, ihn zu sehen, obgleich alle Welt tagtäglich mit dem Finger darauf weist. Die wertlosen und schädlichen Mitglieder der menschlichen Gesellschaft, deren Existenz eine sociale Pest ist, halten sich stets und immer für die gekränktesten Leute der Welt und können ihrer Verwunderung über die Undankbarkeit und Selbstsucht ihrer Zeitgenossen gar nicht genug Worte leihen. Unsere Erde offenbart ihre verborgenen Vorzüge nicht nur in Helden oder Erzengeln, sondern auch in Klatschbasen und Wärterinnen. Ist es nicht eine ganz außerordentliche Einrichtung, durch die in jede Kreatur eine gehöriges Maß von Trägheit gelegt wurde, die konservative Energie des Widerstands, der Ärger über alles Wecken und Wechseln? Fast völlig unabhängig von der geistigen Höhe eines jeden ist der Stolz der eigenen Meinung, die Sicherheit, daß wir recht haben. Kein noch so gebrechliches Großmütterchen, kein schiefmäuliger Idiot, die nicht die wenigen Funken von Verständnis und Geisteskraft, die ihnen übrig sind, dazu verwenden würden, über die Absurditäten aller übrigen zu kichern und sich des Triumphs ihrer Meinung zu erfreuen. »Verschiedenheit von mir,« das ist der Maßstab der Absurdität. Nicht einer hat auch nur die geringste Besorgnis, daß er am Ende unrecht haben könnte. War das nicht ein glänzender Gedanke, der die Menschenwelt durch dieses Erdpech, dieses festeste aller Cemente, zusammenkittete? Aber inmitten dieses allgemeinen Kicherns der geheimen Überlegenheit und Selbstbeglückwünschung geht plötzlich eine Gestalt vorüber, die selbst Thersites lieben und bewundern kann. Der ist es, der uns den Weg führen muß, den wir zu geben haben. Seine Hilfe ist eine unendliche. Ohne Plato würden wir beinahe unseren Glauben an die Möglichkeit eines vernünftigen Buches verlieren. Wir brauchen vielleicht nur eines, aber dieses eine brauchen wir um so notwendiger. Wir lieben es, uns den Großen und Heroischen anzuschließen, denn unsere Aufnahmsfähigkeit ist eine unbegrenzte, und leben wir einmal mit den Großen, dann werden ohne Mühe auch unsere Gedanken und Sitten groß. Wir sind alle weise in Potenzialität, obgleich nur so wenige es in lebendiger Energie sind. Aber es bedarf nur eines weisen Mannes in einer Gesellschaft, und alle werden weise, so schnell wirkt die Ansteckung.

So werden große Männer zu einer Art Augensalbe, die uns von der Verblendung der Ichsucht befreit und uns andere Menschen und ihre Werke sehen lehrt. Aber es giebt Laster und Thorheiten, die ganze Völker und Zeitalter befallen. Die Menschen gleichen ihren Zeitgenossen weit mehr noch als ihren Erzeugern. Man hat an alten Ehepaaren oder an Personen, die lange Jahre Hausgenossen waren, die Beobachtung gemacht, daß sie einander ähnlich werden; und wenn sie nur lange genug lebten, würden wir sie gar nicht mehr voneinander kennen. Die Natur verabscheut diese äffischen Gefälligkeiten, die die Welt zu einem Klumpen umzuschmelzen drohen, und sie beeilt sich, solche unklaren Verleimungen aufzubrechen. Die gleiche Assimilation vollzieht sich zwischen den Bewohnern einer Stadt, den Anhängern einer Sekte, einer politischen Partei; die Ideen der Zeit liegen in der Luft und infizieren jeden, der diese Luft atmet. Von irgend einem hohen Standpunkt betrachtet, würde hier die Stadt New-York, dort die Stadt London, die ganze Civilisation des Westens als ein Haufen wahnsinniger Thorheiten erscheinen. Und dabei behalten wir einer den andern im Gesicht und treiben durch unseren Wetteifer die Raserei der Zeit auf die äußerste Spitze. Ein Schild gegen alle Gewissensbisse ist die allgemeine Praxis, – die Zeitgenossen. Wiederum: es ist nichts so leicht, als so weise und gut wie unsere Kameraden zu sein. Wir lernen von unseren Zeitgenossen was sie wissen, ohne Mühe, beinahe durch die Poren der Haut. Wir erfassen es durch Sympathie, oder wie ein Weib die geistige und moralische Höhe ihres Mannes erreicht. Aber wir halten auch inne, wo sie inne halten. Schwerlich gelingt es uns, einen Schritt darüber hinaus zu machen. Die Großen, das sind jene, die mit der Natur im Zusammenhang stehen und aus allen Moden herausschreiten, sie sind die Erlöser aus diesen Föderativ-Irrtümern, sie schützen uns vor unseren Zeitgenossen. Sie sind die Ausnahmen, deren wir bedürfen, wo alles gleich wird. Eine fremdartige Größe ist das Antidot gegen diese verderbliche Geheimbündelei.

So bietet das Genie uns neue Nahrung und Erholung von allzuvielem Verkehr mit unseresgleichen, und in der Richtung schreitend, die es uns führt, lernen wir wiederum mit jubelnder Freude die wahrhaftige Natur genießen. Welche Entschädigung ist ein großer Mann für ganze Generationen von Pygmäen: Jede Mutter wünscht, daß doch einer ihrer Söhne ein Genie werde, wenn auch alle übrigen mittelmäßig bleiben sollten. Aber eine neue Gefahr erwächst im Übermaß des Einflusses, den der große Mann ausübt. Seine Anziehungskraft bugsiert uns aus unserer natürlichen Stellung heraus. Wir sind Dienstleute und geistige Selbstmörder geworden. Aber – schon zeigt sich dort am Horizonte der Retter! – andere große Männer, neue Eigenschaften, einer für den andern Gegenwicht und Hemmung. Wir übersättigen uns an dem Honig jeder eigenartigen Größe. Jeder Held wird uns zuletzt langweilig. Vielleicht war Voltaire kein schlechter Mensch, und doch sagte er sogar von dem guten Jesus: »Ich bitt' euch laßt mich den Namen dieses Menschen nie wieder hören.« Sie schreien die Tugenden George Washingtons aus: »Hol der Teufel George Washington!« ist des armen Jacobiners ganze Antwort und Widerlegung. Aber das ist die unvermeidliche Schutzwehr der menschlichen Natur. Die Centripetalität vermehrt zugleich die Centrifugalität. Wir setzen dem einen Mann, um des Gleichgewichtes willen, sein Gegenteil entgegen; und das Heil des Staates hängt an der Schaukel.

Übrigens erreicht die Verwertung großer Männer schnell ihre Grenze. Die Annäherung an jedes Genie wird durch Massen von Unbrauchbarkeit gehindert. Sie sind äußerst anziehend und scheinen aus der Entfernung uns ganz zu gehören; aber die Annäherung wird uns von allen Seiten verwehrt. Je mehr wir uns angezogen fühlen, desto mehr werden wir auch abgestoßen. Es liegt etwas Ungreifbares in dem Guten, das sie für uns vollbringen. Die beste Entdeckung macht der Entdecker für sich selbst. Für seinen Gefährten hat sie etwas Unreelles, so lange er sie nicht selbst substantiiert hat. Es ist, als ob die Gottheit jede Seele, die sie in die Welt sendet, mit gewissen Vorzügen und Kräften bekleidet hätte, die sich anderen nicht mitteilen lassen, und auf diese Gewande der Seele die Worte »Unübertragbar« oder »Nur für diese eine Strecke giltig« geschrieben hätte, als sie sie zu einem neuen Rundgang durch den Kreis der Wesen aussendete. Es liegt etwas Täuschendes in dem Verkehr der Geister. Die Grenzen sind unsichtbar, aber sie werden niemals überschritten. Es ist so viel guter Wille, mitzuteilen, vorhanden, und so viel guter Wille, zu empfangen, daß jeder ganz und gar Zum andern zu werden droht, aber das Gesetz der Individualität sammelt seine geheime Kraft und du bist du, und ich bin ich, und so bleiben wir auch.

Denn die Natur heischt, daß jedes Geschöpf und Ding bleibe, was es ist; und während jedes Individuum danach ringt, zu wachsen und auszuschließen, auszuschließen und zu wachsen, bis an die äußersten Grenzen des Weltalls, und das Gesetz seines Wesens jeder anderen Kreatur aufzuzwingen, ist die Natur stetig bestrebt, jedes gegen jedes andere zu schützen. Jedes ist bereits durch sich selbst geschützt. Nichts ist so auffällig wie die Macht, mit der Individuen sich gegen Individuen wehren in einer Welt, in der jeder Wohlthäter so leicht zum Schädiger wird, und zwar bereits dadurch, daß er seine Thätigkeit auf Gebiete ausdehnt, die ihm nicht zukommen; wo Kinder so sehr der Gnade und Ungnade ihrer thörichten Eltern »ausgeliefert scheinen, und wo fast alle Menschen an einem Übermaß des Geselligkeitstriebes und Interventionsdranges leiden. Wir sprechen mit Recht von einem Schutzengel der Kinder. Wie überlegen sind sie uns in ihrer Sicherheit vor den Einflüssen bösartiger Personen, vor Plattheit und Reflexion! Sie schütten ihren eigenen Überfluß an Schönheit auf die Gegenstände aus, welche sie erblicken. Und darum sind sie auch nicht so armseligen Erziehern preisgegeben, wie wir Erwachsenen es sind. Wenn wir mit ihnen poltern und schelten, kommen sie bald dahin, es nicht zu beachten, und lernen Selbständigkeit: und wenn wir sie zu Thorheiten verziehen, lernen sie die Schranken, die sie nicht überschreiten dürfen, auf anderem Wege kennen.

Wir brauchen eine excessive Beeinflussung nicht zu fürchten. Es ist uns gestattet, uns mit so viel edlerem Vertrauen hinzugeben. Diene den Großen! Schrecke vor keiner Demütigung zurück. Geize mit keinem Dienst, den du ihnen erweisen kannst. Sei das Glied ihres Leibes, der Hauch ihres Mundes. Gieb deinen Egoismus preis! Wer wird danach fragen, wenn du weit Besseres und Edleres gewinnst. Kümmere dich nicht um den Vorwurf des Boswellismus: die Hingebung kann leicht größer sein als der elende Stolz, der ängstlich seine eigenen Grenzen wahrt. Werde ein anderer: sei nicht du selbst, sondern ein Platoniker; kein selbständiger Geist, sondern ein Christ; kein Naturforscher, sondern ein Cartesianer; kein Dichter, sondern ein Shakespeareverehrer: Es wird alles vergebens sein; die Räder der Entwicklung halten nicht inne; und alle Kräfte der Trägheit, der Furcht, ja der Liebe selbst, werden dich nicht dabei festhalten können. Weiterund immer weiter! – Das Mikroskop beobachtet eine Monade oder ein Rädertierchen unter den Infusorien, die im Wasser kreisen. Da zeigt sich ein Pünktchen auf dem Tiere, das sich zu einem Spalt erweitert, und zwei vollständige Tiere bilden sich aus dem einen. Dieser unaufhörliche Spaltungs- und Ablösungsprozeß zeigt sich nicht weniger in allen Gedankensphären und in der Gesellschaft. Kinder glauben, daß sie ohne ihre Eltern nicht leben können. Aber lange, ehe sie es merken, ist das schwarze Pünktchen da, und die Ablösung hat stattgefunden. Jeder Zufall kann ihnen ihre Unabhängigkeit enthüllen.

 

Aber »Große Männer« – das Wort ist beleidigend. Giebt es also Kasten? Ist es das Fatum? Was wird aus dem Lohn, der der Tugend versprochen ist? Der nachdenkende Jüngling beklagt die Überfruchtung der Natur. »Euer Held ist freilich hochherzig und schön,« sagt er, »aber seht jenen armen Paddy, dessen Heimat sein Karren ist. Seht jene ganze Nation von Paddys.« Warum sind die Massen seit dem Dämmern der Geschichte nur Säbel- und Kanonenfutter? Die Idee ehrt einige wenige Führer, die Gefühl, eine selbstständige Meinung, Liebe und Selbstaufopferung besitzen, diese heiligen Krieg und Tod – aber was ist's mit den Elenden, welche sie mieten und töten? Die Wohlfeilheit des Menschen ist die Tragödie des Alltags. Es ist für uns ein so wirklicher Verlust, daß andere niedrig stehen, als wenn wir selbst niedrig stünden, denn wir können die Gesellschaft nicht entbehren.

Als Antwort auf diese Bemerkungen können wir sagen, daß die Gesellschaft einer Schule nach dem System Pestalozzi gleicht: alle sind der Reihe nach Lehrer und Schüler. Wir gewinnen in gleicher Weise, ob wir empfangen oder ob wir geben. Menschen, die dasselbe Wissen besitzen, sind nicht lange die beste Gesellschaft für einander. Aber bringt zu jedem intelligenten Menschen einen von ungleichartiger Erfahrung, und es ist, als würdet ihr Wasser von einem See ablassen durch Ausgrabung eines niederer gelegenen Bassins. Es scheint fast ein mechanischer Vorteil und für jeden Sprecher eine große Wohlthat: jeder kann sich jetzt über seine eigenen Gedanken klar werden und ihre Konturen mit Farben füllen. Wir gehen in unseren persönlichen Stimmungen sehr rasch von Würde zu Abhängigkeit über. Und wenn wir einen sehen, der nie den Vorsitz zu übernehmen, sondern stets zu stehen und zu dienen scheint, so ist das nur deshalb, weil wir die Gesellschaft nicht durch eine hinreichend lange Periode beobachten, sodaß der ganze Rollenkreis zur Geltung kommen könnte. Und was die sogenannten Massen und gemeinen Leute betrifft: es giebt keine gemeinen Leute. Alle Menschen sind zuletzt »von einer Größe, und wahre Kunst ist nur auf Basis der Überzeugung möglich, daß jedes Talent irgendwo seine Apotheose findet. Freien Spielraum und offenes Feld und den frischesten Lorbeer für alle, die ihn gewonnen! Aber der Himmel wahrt den gleichen Spielraum für jedes seiner Geschöpfe. Jedes ist unruhig, so lange es nicht seinen eigenen Strahl auf die Spiegelfläche der Hohlkugel geworfen und auch sein Talent in seiner letzten Veredlung und Verklärung erblickt hat.

Die Helden des Tages haben eine relative Größe, einen rascheren Wuchs; oder es sind solche Leute, in welchen im Augenblick ihres Erfolges eine Eigenschaft reif war, die damals begehrt wurde. Andere Tage werden andere Eigenschaften verlangen. Es giebt Strahlen, die dem gewöhnlichen Beobachter entgehen und ein Auge von feiner Übung verlangen. Fragt den großen Mann, ob er keinen Größeren kennt. Seine Gefährten sind es, und deshalb nicht weniger groß, weil die Gesellschaft sie nicht sehen kann. Die Natur sendet niemals einen großen Mann auf den Planeten, ohne das Geheimnis einer anderen Seele anzuvertrauen. Eine erfreuliche Thatsache ergiebt sich aus diesen Untersuchungen: daß ein wahres Emporsteigen in unserer Liebe möglich ist. Die Berühmtheiten des neunzehnten Jahrhunderts werden eines Tages aufgezählt werden, um die Barbarei desselben zu beweisen. Der wirkliche Gegenstand der Geschichte ist der Genius der Menschheit, und seine Biographie wird in unseren Annalen geschrieben. Viel in dem Bericht können wir vermuten und viele Lücken müssen wir ausfüllen. Die Geschichte des Weltalls ist eine symptomatische, und das Leben beruht auf dem Gedächtnis. Kein Mensch in dem ganzen Zuge berühmter Männer ist Vernunft oder Erleuchtung, keiner ist das Elixir, nach dem wir aussehen: jeder ist nur eine Schaustellung neuer Möglichkeiten auf irgend einem Gebiete. Ja, könnten wir eines Tages die ungeheuere Gestalt vervollständigen, welche diese flammenden Punkte zusammensetzten! Die Erforschung des Wesens vieler Individuen führt uns in eine elementare Sphäre, in der das Individuum schwindet, oder in der alle mit ihren äußersten Spitzen einander berühren. Die Gedanken und Gefühle, die sich dort ergießen, lassen sich nicht mehr in die Schranken einer Persönlichkeit sperren. Dies ist der Schlüssel zur Machtfülle der größten Menschen – ihr Geist ergießt sich von selbst durch jene Ströme ins Weite. Eine neue geistige Qualität strömt bei Tag und bei Nacht in konzentrischen Kreisen von ihrem Ursprung aus und veröffentlicht sich selbst durch unbekannte Methoden: es offenbart sich, in welch inniger Verbindung alle Geister stehen: was zu dem einen Zutritt gefunden, kann von keinem anderen ausgeschlossen werden; die kleinste Errungenschaft an Wahrheit oder Energie auf irgend einem Gebiete ist ein Erwerb für die Gemeinschaft aller Seelen. Wenn die Ungleichheiten von Begabung und Stellung schon schwinden, sobald die Individuen in jener Dauer betrachtet werden, die zur Vollendung der Laufbahn eines jeden nötig ist, so verschwindet die scheinbare Ungerechtigkeit noch viel schneller, wenn wir uns zur centralen Identität aller Individuen erheben und wissen, daß sie aus der einen Substanz geschaffen sind, die da lenket und wirket.

Der Genius der Menschheit – das ist der einzige richtige Standpunkt für die Weltgeschichte. Die Qualitäten verweilen; die Menschen, an denen sie sich zeigen, haben jetzt mehr davon, jetzt weniger, und gehen vorüber: die Qualitäten bleiben auf einer neuen Stirn. Keine Erfahrung ist uns so vertraut wie diese. Einst saht ihr Phönixe: sie sind dahin – die Welt ist darum noch lange nicht entzaubert. Die Gefäße, auf denen ihr einst heilige Sinnbilder gelesen, die haben sich freilich als gemeine Töpferware herausgestellt: aber der Sinn der Bilder ist heilig geblieben, und ihr könnt sie noch heute auf die Mauern der Welt überschrieben lesen. Eine Zeitlang leisten unsere Lehrer uns einen persönlichen Dienst als Maßstäbe oder Meilensteine des Fortschritts. Einst waren sie Engel der Erkenntnis, und ihre Gestalten berührten den Himmel. Dann aber kamen wir immer näher, sahen ihre Mittel, ihren Entwicklungsgang, ihre Grenzen, und da machten sie anderen Genien Platz. Glücklich, wenn einige wenige Namen in solcher Höhe bleiben, daß wir nicht fähig wurden, sie aus der Nähe zu lesen, und Alter und Vergleichung ihnen keinen Strahl geraubt. Aber zuletzt werden wir ganz aufhören, bei den Menschen Vollständigkeit zu suchen, sondern uns mit ihrer socialen und delegierten Qualität begnügen. Alles was das Individuum angeht, ist zeitlich und nur im Hinblick auf die Zukunft gegeben und zu betrachten, sowie das Individuum selbst, das aus seiner Beschränkung empor zu einer katholischen Existenz zu steigen berufen ist. Wir haben die letzte und wahre Bedeutung eines Genies nicht erkannt, so lange wir ihm eine originale und selbständige Bedeutung zuschreiben. In dem Augenblick, wo er aufhört, uns als eine Ursache zu nützen, nützt er uns noch weit mehr als eine Folgeerscheinung. Denn nun erscheint er als ein Exponent eines gewaltigeren Geistes und Willens. Das dunkle Ich wird transparent, vom Licht des Ur-Grundes durchleuchtet.

Aber innerhalb der Schranken menschlichen Treibens und menschlicher Entwicklung können wir sagen: es giebt große Männer, damit noch größere werden mögen. Die Bestimmung der organischen Natur ist Veredlung – wer kann die Grenze der Veredlung sagen? Des Menschen Aufgabe ist, das Chaos zu zähmen, und, so lange er lebt, auf allen Seiten die Saat des Wissens und des Gesanges auszustreuen, auf daß Klima, Frucht und Getier milder werden und der Same der Liebe und des Wohlthuns sich mehre.


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