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Die späteren Realisten und die Epigonen

Viele neuere russische Dichter schlossen sich der Dekadentenschule nicht an und blieben beim alten Realismus, beteiligten sich jedoch an den sprachlichen und stilistischen Errungenschaften der neuen Schule, ohne dabei in den Pseudo-Symbolismus eines Leonid Andrejew zu verfallen. Bei den bedeutenderen dieser späten Realisten ist von einer Anlehnung an die Dekadenten nicht die Rede: ihr Stil hatte sich ganz selbständig entwickelt, und es ist einfach durch die Zeit bedingt, daß diese Entwicklung in einer der dekadenten parallelen Richtung verlief.

Der Klassiker unter diesen Dichtern ist Iwan Alexejewitsch Bunin (1870–1953), der um 1903 mit je einem Band Novellen und Gedichte auftrat. Die ersten Novellen sind noch ganz im Geiste Tschechows, grau in grau, unterscheiden sich aber von den Werken der vielen Tschechow-Imitatoren durch eine wirklich selbständige, wohltuend reine Sprache. Sie handeln meist von der Melancholie alter, verlassener Herrensitze, derselben Adelsnester, die zu Turgenjews Zeiten noch voll jungen Lebens waren: Bunin stammt auch selbst aus einer verarmten Landadelsfamilie. Weit bedeutender sind die ersten Gedichte; sie verraten zwar noch fremde Einflüsse (Feth und Fofanow), unterscheiden sich aber von den auffallend lebensfreudigen Versen des ersteren durch ihre ausgesprochen graue Stimmung. Das Lieblingsthema Bunins in seinen Gedichten ist der Herbst, bald trüb und regnerisch, bald von kaltem Sonnenlicht erhellt. Hier eines der schönsten Gedichte Bunins aus seiner ersten Zeit:

Der Greis

Des alten Mannes dunkle Silhouette
seh' ich am Fenster. – Draußen Eis und Schnee.
Der Rauch der weggelegten Zigarette
schwebt in der Luft wie eine blaue Kette,
und längst erkaltet ist die Tasse Tee.

Die Sonne sinkt und sendet ihre Strahlen
durch Fensterglas und Zigarettenrauch,
der sich erhebt in bläulichen Spiralen.
Viel gold'ne Flecken sich im Zimmer malen,
und golden wird des Greises Antlitz auch.

Die alte Wanduhr mißt mit dumpfen Schlägen
die kurzen Stunden, die dem Tag bestimmt.
Der Greis hört ihren Pendel sich bewegen,
er starrt dem letzten Sonnenstrahl entgegen,
indes die Zigarette still verglimmt.

Bunin ließ zwar seine meisten Werke in künstlerisch-konservativen Zeitschriften und Verlagen erscheinen, wurde aber auch von den Dekadenten ob seiner hohen Meisterschaft zu den Ihren gerechnet, und ein Gedichtband von ihm – November – erschien sogar 1905 im Verlage der Moskauer Waage. Mit den Jahren trat der Lyriker in ihm immer mehr in den Hintergrund, und sein Schaffen erreichte den Höhepunkt im Roman Das Dorf (1910). Mit wunderbarer epischer Ruhe wird hier das russische Dorf geschildert, ohne Tendenz und ohne Beschönigung der negativen Seiten des russischen Bauernvolkes. Das Dorf, wie es in Wirklichkeit ist. Das Werk ist kein richtiger Roman, sondern ein großer impressionistischer Ausschnitt aus der Wirklichkeit. Es handelt von zwei Brüdern, typischen russischen Bauern, von denen der eine, von einem dunklen Drange nach der ›Kultur‹ beseelt, in die Stadt zieht, Verse schreibt und sogar ein Buch herausgibt, während der andere auf dem Lande, bei seiner Wirtschaft bleibt. Der erste kehrt enttäuscht ins Dorf zurück und geht langsam im ewigen Einerlei des Bauernlebens zugrunde. Das ist alles; erzählt ist es aber mit einer Meisterschaft, die selbst einem Tschechow und sogar Tolstoi Ehre machen würde. Es wurde Bunin von verschiedenen Seiten vorgeworfen, daß er das russische Bauernvolk in zu düsteren Farben schildere und dessen berühmtes ›Gottträgertum‹ nicht anerkenne; ja, daß er seine Heimat nicht liebe. In der Vorrede zu der 1921 erschienen Sammlung Der Schrei, die zehn in den Jahren 1910/11 im Orient und auf Capri entstandene, doch vom russischen Leben handelnde Erzählungen enthält, kommt er auf diese Vorwürfe zu sprechen und sagt: »Leider brauche ich mich jetzt nicht mehr zu rechtfertigen!« Er war eben einer der wenigen, die die ersten Symptome der Zersetzung des ›Gottträgervolkes‹ noch vor dem Krieg und vor der Revolution wahrgenommen haben. Inmitten der Hysterie und Besessenheit der ganzen neueren russischen Literatur bedeutet Bunin für den russischen Leser eine wohltuende Erholung, wie etwa Gottfried Keller neben Sternheim. Er produzierte immer sorgfältiger und daher langsamer, ohne sich viel um die Mode der Kritik zu kümmern, und seine 1917 erschienene Novellensammlung Der Herr aus San Franzisko zeigte ihn wieder von einer ganz neuen Seite, namentlich in der Wahl der Sujets. Die Titelnovelle behandelt den plötzlichen Tod eines amerikanischen Nabobs auf Capri und seine letzte Heimfahrt nach Amerika; in einer anderen wird ein Abschnitt aus der überflüssigen, schmierigen Existenz eines zweifelhaften Kasimir Stanislawowitsch erzählt; am schönsten ist die kurze erotische Novelle Leichter Atem, duftig und zart wie Turgenjews Assja und dabei wieder ganz modern. Heute ist Bunin, der jetzt gleich vielen andern im Exil (in Paris) lebt, wohl der einzige ruhige, wirklich nationale Pol in der von der Heimat losgerissenen und in der Diaspora erstickenden russischen Literatur.

Große Ähnlichkeit mit Bunin hat Iwan Sergejewitsch Schmeljow, dessen kleiner Roman Der Mensch aus dem Restaurant die Lebensgeschichte eines Kellners zum Gegenstand hat und sprachlich (das Werk ist in Ichform geschrieben) und inhaltlich ein viel zu wenig beachtetes Meisterwerk ist.

Eine eigenartige Erscheinung ist Ssergej Nikolajewitsch Ssergejev-Zenskij (1875–1958): er ist zwar ein Schüler Leonid Andrejews, überragt aber seinen Meister in jeder Beziehung. Seine erste Novelle erschien 1903 in dem von der Hippius redigierten Neuen Weg, die erste Sammlung 1907. In seinen frühen Werken ist er der Dichter des Absolut-Bösen; das Leben, das er schildert, ist eine schier unerträgliche Anhäufung von Schrecken jeder Art, und doch liebt er dabei das Leben mit einer zärtlichen Liebe. Einen großen Fortschritt bedeutet der Roman Babajew (1907), der das Leben eines in einer kleinen Garnison versumpften kleinen Leutnants, eines unglücklichen Epigonen des Lermontowschen Petschorin, schildert. Babajew will ›dämonisch‹ sein, verübt zahlreiche sinnlose Scheußlichkeiten, tötet während eines Pogroms einen verrückten Juden, schießt im Spiel einen Regimentskameraden an und fällt, von der Kugel einer jungen Revolutionärin getroffen. In dieser Erzählung ist der Einfluß Dostojewskijs viel stärker als der Andrejews. Babajew ist ein klassisches Beispiel dafür, wie die Dichter dieser Richtung krassesten Realismus mit den neuesten sprachlichen und stilistischen Errungenschaften vereinen. Man lese nur, wie er z. B, den Regen beschreibt: »Als Babajew aus der Rotunde herauslief, hörte er nur, wie der Regen in großer Hast den Himmel mit tausend kleinen Hämmerchen an die Erde nietete ... Die Laterne warf gelbe Flecken, die sich im Regen weich brachen, anschwollen und auseinanderflossen; der Regen wollte sie auslöschen, sie aber brannten; er wollte sie aufrütteln, zerrte an ihnen und durchdrang sie mit feinen Nadeln, sie aber lagen unbeweglich da ...« Diese Manieriertheit ist nicht nur für Ssergejew-Zenskij, sondern für alle Neo-Realisten (mit Ausnahme des viel schlichteren Bunin) charakteristisch. Ssergejew-Zenskijs ausgesprochen pessimistische Weltanschauung hat in seinen neueren Werken eine merkliche Wandlung erfahren: das Leben ist nicht mehr eine sinnlose Anhäufung von Grausamkeiten, der Mensch kann seinen Nächsten auch lieben, es gibt Liebe, es gibt ein Licht und einen Ausweg aus all dem Jammer. Zugleich befreit sich Ssergejew-Zenskij von der Manieriertheit der Sprache und den anderen von Leonid Andrejew übernommenen Untugenden und findet allmählich seinen eigenen Stil. Sein neuester Roman Ingenieur Matijez läßt schon eine ganz neue Entwicklung ahnen.

Michail Michailowitsch Prischwin (1873–1954) war ursprünglich kein Dichter, sondern Ethnograph. Von verschiedenen gelehrten Körperschaften zwecks folkloristischer Studien zu den Lappen und Kirgisen gesandt, schrieb er Berichte, die weit mehr Dichtungen als wissenschaftlichen Abhandlungen glichen. So gelangte er bald zur reinen Kunst, wenn auch seine Dichtungen einen ethnographischen Hintergrund beibehielten. Prischwins erstes, eigentlich für die reifere Jugend bestimmtes Buch Auf den Spuren des Zauberbrotes (1908), das den äußersten Norden Rußlands und Norwegens schildert, zeigt ihn schon als einen Dichter eigener Prägung. Einen großen Fortschritt bedeutet sein zweites Buch Von der unsichtbaren Stadt, das von den Sektierern östlich der Wolga handelt, und im Schwarzen Araber (1911) steht Prischwin schon als ein höchst eigenartiger und vollendeter Dichter da. Ein russischer Kritiker verglich ihn mit Knut Hamsun, und dieser Vergleich hat manches für sich: Der Dichter ist stets auf der Suche nach dem Großen Pan und findet ihn im Lande der Mitternachtssonne, bei den merkwürdigen Sektierern, die um ihre Kirche auf den Knien herum rutschen, und in den Steppen Mittelasiens. Er versteht sich in die Seele des Walfischjägers, des Kirgisen, des Raskolniks, selbst in die der stummen Kreatur zu versenken; es ist etwas vom Onkel Jeroschka, dem großen Heiden Tolstois, in ihm, das Christentum aber ist ein ihm feindseliges Element, denn er hat die Seele eines Urmenschen, der nichts von Gut und Böse weiß und das Rebhuhn tötet, ohne an die hilflosen Jungen im Nest zu denken. »Ich bin ein Tier und habe alle Gewohnheiten eines Tieres. Ich bin gelenkig, springe von Erdhügel zu Erdhügel, blicke gespannt auf das trockene Reisig zu meinen Füßen. Jetzt, wenn ich daran denke, spüre ich im Munde den Geschmack von Tannennadeln, den Geruch von Fichtenrinde; in den Ellenbogen habe ich ein eigentümliches, unbehagliches Gefühl. Wieso kommt es? Nun, weil ich ein Tier bin. Ich gehe nicht mehr, sondern krieche auf allen vieren über stechende und spitze Hindernisse zu einem bestimmten Baum. Wenn ich ihn erreiche, spanne ich den Hahn der Büchse, lege an und hebe langsam den Kopf ...« Als Heide und Urmensch steht Prischwin in der russischen Literatur einzig da; aber auch abgesehen davon ist er ein so bedeutender Dichter, daß der Vergleich mit Hamsun durchaus keine Blasphemie ist.

W. Ropschin ist das literarische Pseudonym des einstigen Terroristen und Sozialrevolutionärs Boris Ssawinkow (1879–1925), der dann einen erbitterten Kampf gegen die Bolschewisten führte. Er schrieb zwei Romane, die mehr als bloß stofflich interessieren und auch gewisse künstlerische Qualitäten haben. Im ersten Das fahle Pferd (1909), den wir für den bedeutenderen halten, zeichnet er mit großer psychologischer Schärfe einen Terroristen, dem das Morden zu einer Passion geworden ist und der, als er seine Nächsten auch ganz ohne politische Motive niederzuknallen beginnt, aus dem Gleichgewicht kommt. Der zweite Roman Als war es nie gewesen (1912) demonstriert an den Schicksalen dreier Brüder, die sämtlich ihr Leben im Dienste des Terrorismus lassen, die Ursachen des Mißlingens der ersten russischen Revolution von 1905. Stilistisch und sprachlich sind beide Romane ungemein sorgfältig durchgearbeitet und unterscheiden sich in dieser Hinsicht sehr wohltuend von den vielen Tendenzromanen der Revolutionsjahre. Auffallend ist der stilistische Unterschied zwischen den beiden Romanen: während das Fahle Pferd mit seinem leichten, pikanten Stil am ehesten an die Prosa der Zinaïda Hippius erinnert, zeigt Als wär es nie gewesen unverkennbare Einflüsse Leo Tolstois.

Ein außergewöhnliches Erzählertalent hat Graf Alexej Nikolajewitsch Tolstoi (1883-1945, nicht zu verwechseln mit Alexej Konstantinowitsch Tolstoi, 1817-1875). Krasser Realismus, namentlich in erotischen Dingen, verbindet sich bei ihm mit homerischer oder gogolscher Übertreibungssucht. Selbst eine ›breite Natur‹, schildert er mit Vorliebe breite Naturen, an denen Rußland auch in den letzten Jahren noch sehr reich war. Die Helden seiner Novellen und Romane sind die letzten, geistig, doch nicht körperlich degenerierten Sprosse alter Landadelsfamilien; der Schauplatz – Ruinen der Turgenjewschen Adelsnester (nicht umsonst heißt eine seiner Geschichten: Eine Woche auf dem Gute Turenjewo). Die ganze Lebenskraft der Großväter, die unumschränkte Herren über Tausende von Leibeigenen waren, tobt sich in den Nachkommen noch ein letztes Mal in wüsten erotischen und alkoholischen Exzessen aus. Neben solcherlei Männern treten auch Frauen auf, teils unschuldige Turgenjewsche Mädchenblumen, teils grauenhafte Messalinen. Eine Galerie von Gewaltmenschen und Wollüstlingen beiderlei Geschlechts, manchmal erschreckend, manchmal gar zu unglaubwürdig. In anderen Erzählungen zeigt Tolstoi einen an Gogol gemahnenden grotesken Humor; so in der höchst phantastischen Geschichte vom Schuster Terentij Generalow, der lebendige Fische frißt und mit einer ›ausweislosen Nixe‹ zusammenlebt. Es sind weniger Humoresken als ›Lügengeschichten‹ im edleren Sinne dieses Wortes, einer unheimlichen Lust am Fabulieren entsprungen. In den letzten Jahren schrieb Tolstoi auch einige Theaterstücke.

Nun kommen wir zu den Schriftstellern zweiten Ranges, die, ohne große dichterische Begabung, sich geschickt alle technischen Errungenschaften der Moderne zunutze machen. Pjotr Andrejewitsch Koshewnikow schreibt kurze Geschichten ganz im Geiste Andrejews, hat manchmal graziöse Einfälle und fast immer mehr Geschmack als Andrejew. – Boris Konstantinowitsch Saizew (geb. 1881) ist ihm sehr ähnlich: die gleichen sprachlichen Eigentümlichkeiten, die gleiche Sucht nach neuen, wenn auch gewaltsamen Vergleichen und Bildern. Ein schwacher Abglanz Turgenjewscher Poesie, vielleicht auch ein Einfluß Bunins verklärt immer noch Saizews an zarte Aquarelle gemahnende Erzählungen. – Zu den Zweitrangigen wollen wir allenfalls noch den auch im Auslande bekannten Alexander Iwanowitsch Kuprin (1870–1938) zählen. Kuprin war viele Jahre Berufsoffizier und wurde durch die Erzählung Zweikampf berühmt, die ihm den Ehrentitel ›der russische Bilse‹ einbrachte. In dieser Erzählung wie in vielen späteren erscheint der Autor als der ehemalige Offizier, der die Verirrungen seines früheren Daseins bereut, den Stand, dem er einst angehörte, anklagt und durch seine literarische Betätigung zu einem höheren Dasein emporgestiegen zu sein glaubt; diese unterstrichene Tendenz wirkt oft noch unangenehmer als die allen seinen Werken anhaftende ›Kultur‹ der russischen kleinen Garnisonen mit ihren Spelunken, ihrem Schnaps und dem ewigen Billard- und Kartenspiel. Stofflich sind einige der Geschichten recht interessant, so die anschauliche Schilderung eines Bordells in der Grube; aber auch diese Erzählung ist durch tendenziöse Beigaben verdorben. Der große Erfolg stieg Kuprin dermaßen zu Kopfe, daß er sich berufen fühlte, Salomos Hohelied für die Zeitgenossen umzudichten; das Produkt, Sulamith genannt, ist eines der traurigsten Machwerke der neueren russischen Literatur. Wenn er auf die Tendenz verzichtet, versteht er zuweilen recht amüsant zu erzählen, ganz wie mancher andere russische Offizier, mit dem man im Coupé, auf den endlosen Eisenbahnfahrten durch Rußland ins Gespräch kommt. Zu seinem Lob sei erwähnt, daß er sich im allgemeinen recht natürlich gibt und der russischen Sprache wenig Gewalt antut.

Während man Kuprin neben Gorkij immer noch gelten lassen kann (neben einem Tschechow und sogar A. N. Tolstoi ist er allerdings nicht mehr genießbar), steht der in Rußland wie im Ausland früher maßlos überschätzte Michail Petrowitsch Arzybaschew (1878 bis 1927) unseres Dafürhaltens außerhalb jeder Literatur, obwohl er zahlreiche vielgelesene Erzählungen und Romane und sogar den berühmten Ssanin geschrieben hat. Im Gegensatz zu vielen seinesgleichen, die Leonid Andrejew imitieren, geht er von keinem Geringeren als Leo Tolstoi aus. Tolstois schonungsloser Realismus, namentlich in der Kreutzer-Sonate, hat es ihm angetan; er sucht das Geschlechtliche mit der gleichen grausamen Schärfe zu behandeln und die Nichtigkeit des irdischen Geschehens angesichts des Todes darzustellen. Ihm ist aber kein Talent, nicht einmal ein bescheidenes gegeben, und was er auch anrührt – Tod oder Liebe – wird zu einer matten und langweiligen Karikatur. Berühmt wurde er durch seinen Ssanin (1907), der, von den vielen Übersetzern dem deutschen Publikum als das ›Evangelium des neuen Rußland‹ präsentiert, in seiner Heimat aber höchstens von unreifen Schuljungen ernst genommen wurde: das in der Jugend plötzlich erwachte Interesse für erotische Probleme hängt mit den Nachwehen der mißlungenen Revolution innig zusammen. Dieselbe Erscheinung haben wir ja auch anderswo beobachten können. Auf den angeblich erotischen, in Wirklichkeit höchst langweiligen Ssanin wollen wir gar nicht näher eingehen. Wäre Arzybaschew im Ausland nicht so berühmt, hätten wir ihn überhaupt nicht erwähnt.

Ohne Erwähnung lassen wir eine Reihe von Schriftstellern dritten bis siebenten Ranges, die in gewissen Kreisen viel gelesen wurden und von denen der eine oder andere vielleicht auch seinen deutschen Übersetzer gefunden hat. Der Leser möge uns selbst die Aufzählung der Namen erlassen.


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