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Als ich im Erzähler Luisens Gedicht: das Veilchen gelesen hatte.
1
Du Holde; gingst, von Mutterlieb umfloßen,
Durch grüngeschmückte Frühlingsblumengänge,
Und junger Veilchen stillbescheidne Sprossen
Ersah das Mutteraug im Blattgedränge.
Die Blümchen waren herrlich aufgeschossen
Zu deiner Zier; o daß ich die? besänge!
Du pflücktest sie, obgleich dein Aug geschlossen,
Und dem Gefühl verhauchte Liederklänge.
Dank dir, Luise, für die frische Gabe!
Ich gebe dir dagegen, was ich habe:
Ich weihe dir des Rosenmonats Rosen
Sie sollen freundlich dich, Geliebte, kosen;
Laß mich mit diesen deine Stirn dir krönen,
O Freundin alles Guten, alles Schönen!
2.
Es paaret zwar die Freude mit den Schmerzen
Sonst keine andre Blume, als die Rose.
Drum trägst du es auch sinnig auf dem Herzen
Das Sinnbild unsrer wunderbaren Loose.
Dein Rosenleben wirst du nie verscherzen!
Denn es sind zugedeckt mit weichem Moose
Die Dornen dir; sie nahn nicht deinem Herzen;
Die Blühten streust du in der Freundschaft Schoose,
Du schöne Seele! auch die Rosenseelen
Sie wollen zärtlich sich mit dir vermählen,
Denn dir gehört ihr süßes Wonneleben
Und ihre Düfte sollen dich umschweben,
Und röthen dir noch lange deine Wangen,
Bis dir die schönern Rosen aufgegangen.
3.
Und wenn wir vor dem Schöpferauge stehen,
Wird dich der Vater sanft zum Lichte ziehen;
Ein nie gefühltes, nie empfundnes Wehen
Wird dich durchbeben, wenn die Nebel fliehen.
Die Schwäche muß den Götterkräften weichen!
Die Blumenkönigin, die schöne Rose,
Wird er dir über deine Augen streichen,
Und+– es entsteht die Metamorphose!
O wohl uns dann auf jenen Rosenhöhen,
Wo du und ich, und ich und du uns sehen!
Dort wirst die Himmelsrosen du erblicken!
Dort werden sie dein freies Aug entzücken!+–
Wo ewig Rosen uns entgegen blühen,
Dort werd' ich, Theure, neu für dich erglühen!
Ich kenne dich
Aus deinem frommen Worte:
Es öffnet mir auch meines Tempels Pforte,
Drum kenn' ich dich!
Ich grüße dich
Aus unbekannter Weite:
Mein Bild steht dir im Geistesflug zur Seite
Und grüßet dich!
Ich liebt dich
Und will dich Schwester nennen!
Bei diesem Namen lerne mich erkennen
Und liebe mich!
Dann leit' ich dich,
Wenn hell die Sonne scheinet;
Doch wenn der Ruf der Muse uns vereinet,
Dann leite mich!
Heil dir, daß du gefunden
Der Leier holden Klang?
Er heilet alle Wunden
Mit tröstendem Gesang.
Heil dir, daß hoher Glaube
Dein heller Leitstern ist?
Im Duft der Blüthenlaube
Fühlst du, was jenseits ist.
Der Hoffnung Engel lächelt
Dich süß und freundlich an,
Und führt dich sanft und fächelt
Ruh deiner Erdenbahn.
Einst sinkt der dunkle Schleier,
Und Licht umfängt dich ganz,
Und du in sel'ger Feier
Gewinnst der Engel Kranz.
Dann ruft dich Gott: Luise?
Und reicht die Harfe dir,
Und hohe Seraphsweise
Beginnst du für und für.
Heil dir, daß du gefunden
Der Leier holden Klang!
Er heilet alle Wunden
Mit tröstendem Gesang
Du fromme Sängerin! auf Andachtsflügeln
Entschwebst du unsern nebeldüstern Hügeln,
Und weilst auf lenzumrauschten Höhn;
Wo, Kühne! die in wunderbarer Klarheit
Erstrahlt der Weihekranz der ew'gen Wahrheit,
Und was dem Edlen heilig ist und schön
Dein irdisch Auge wandelt nicht auf Fluren,
Ihm prangen nicht der Schöpfung Zauberspuren,
Getaucht in Farbenduft und bildend Licht;
Der Himmel lacht aus wonnetrunknen Augen,
Die Liebeweh'n aus allen Wesen saugen,
In dein von Nacht umfloßnes Auge nicht.
Ist deinem Blick die, Schöpfung auch verschleiert,
Das innere Schaffen, das der Geist nur feiert
Durch frischen Lebenshauch im ew'gen All,
Weht glühend in dein geistig Wesen nieder
Und lodert auf in mildverklärte Lieder,
Vom blum'gen Weltgedicht ein Liebehall.
So schwebt dein Wesen über alle Schranken
Erscheinender Natur und im Gedanken
Lebt frei drin Geist im freien Liedesschwung;
Das Licht von jenseits, brechend durch die Nächte
Des Schicksals, knüpft dich an des Himmels Mächte,
Und überirrdisch klar ist deine Dämmerung!
Dr.+Werber, Professor in Freiburg.