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Eines Abends saßen Heinrich von Kehlmark und Guido Govaertz auf einer Bank auf dem Deich, von wo man weithin das Land überschauen konnte. Ihre Hände ruhten in einander; sie setzten eines ihrer unbeschreiblichen Gespräche fort, wo das Schweigen ebenso beredt und glühend war, wie ihre Worte ...
Es war jene bezaubernde Übergangszeit zwischen Sommer und Herbst, so recht geeignet, sich alter Mären zu erinnern; die Haide blühte und am Himmel zogen die Wolken hin. In der Ferne, nach Klaarwatsch zu, jenseits der Wipfel des Parkes, übersahen unsere Freunde eine unermeßliche dunkelrötliche Fläche, auf der die Sonnenstrahlen spielten, und die sie mit noch leuchtenderen Farben verklärten. Verlorene Haidefeuer glühten hie und da; ein brenzlicher Duft durchflutete die feuchte Atmosphäre. Es war außerordentlich mild, fast schwül, und der Abend hauchte ein süßes Schmachten aus; ein leichter Luftzug wie das Seufzen eines tiefaufatmenden Arbeiters oder eines Liebenden, der sein Verlangen unterdrückt, strich über die sehnsuchtsbange Erde.
Beim Anblick einer rötlichen Wolke von phantastischer Gestalt mußten die Freunde des »feurigen Hirten« gedenken einer Legende, die in allen Ebenen des Nordens verbreitet und bekannt war. Kehlmark saß still und in sich versunken da; er schien einem trüben Gedanken nachzuhängen, der mit diesen schauerlichen Mythen in Zusammenhang stand. Seit der junge Govaertz ihn kannte, hatte er noch niemals ein solches gramverzerrtes Aussehen an ihm wahrgenommen.
»Sie leiden, teurer Meister?« fragte er.
»Nein, lieber ... ein Nichts, ein trüber Gedanke; es wird vorüber gehen. Vielleicht ist es auch dieser Abend, der einem so zu Kopfe steigt ... Findest du nicht? ... Kennst du die wirkliche Geschichte von dem »feurigen Hirten«, von dem du eben sprachst? ... Ich habe allen Grund anzunehmen, daß man sie nicht richtig erzählt ... Ich ahne und bilde mir eine Lesart ein, die mir der Wahrheit mehr zu entsprechen scheint ... Ich habe an Abenden wie diesem solchen verwunschenen Gegenden die Beichte abgenommen, mit Vorliebe diesen Haidestrecken, wo die Trauer einem noch tiefer das Herz zerreißt, als anderswo, wo die unermeßliche Fläche und der unabsehbare Horizont die dumpfe Melancholie und die düstre Schlummermüdigkeit verstärken. Gewisse Einzelheiten der Landschaft nehmen dann – das wirst du auch bemerkt haben, wenn du deine Herde hütetest, – einen eigentümlich beängstigenden, beinahe unheilverkündenden Charakter an. Die Natur scheint an Gewissensbeklemmungen zu leiden. Die Wolken stehen still und ballen sich zu Trauerzügen zusammen über einem Pfuhl, der bestimmt erscheint, Leichen in sich aufzunehmen, ein Schauplatz für Verbrechen oder Selbstmord zu werden ...
Mein lieber Kleiner, daß doch alle guten Vorsätze in solcher Stimmung verfliegen! ... Dann beschwört es die eigene Gefahr, an die Tragödien vergangener Zeiten zu denken ... Ich bin jetzt endlich dahin gelangt, mit dem Lose jenes verdammten Bruders von Kain Mitleid zu fühlen. Ich beklage ihn, und nicht seine Opfer. Ich finde ihn stolz und herrlich, anziehend, wenn er gleich unselig ist ... Aber ich erzähle dir da lauter dummes, unverständliches Zeug und flöße dir Grauen ein mit meinen Geschichten, wie die alten Weiber in den Spinnstuben ...«
»Nein, nein, bitte fahren Sie fort! Sie erzählen so wunderbar und können alles so in Worte kleiden, was man sonst nur nebelhaft im Innern empfindet; oft, wenn Sie so sprechen, möchte ich blutige Thränen weinen.«
»Sei es denn. Die Stunde ist günstig ... Und da wir hier so schön beisammen sitzen, drängt es mich, dir zu sagen, wie sehr ich an dem schrecklichen Geschick des ›feurigen Hirten‹ Anteil nehme. Seit langer Zeit spukt er durch mein Gehirn, von ihm besessen ist die purpurdunkle Haide meiner Seele ... Es ist mir oft, als schreite ich an seiner Seite, unter der Schaar seiner höllischen Gefolgschaft; er schwingt den Hirtenstab in seiner Hand, den die Gluten Gehennas dunkelrot beleuchten. Auf meinen Fersen fühl' ich seinen Hund, halb rot, halb schwarz, wie ein halbverkohlter Feuerbrand aus der ewig lodernden Esse; der Hund, er teilt das Schicksal seines Herrn; halb flammt sein Körper auf in Feuergluten, während die andre Hälfte ein schemenhaftes Leben gewinnt ...
Nun sollst du hören, was mir die Phantome anvertraut.
Es war vor langer, langer Zeit. Gerhard war Hirt bei einem alten, geizigen Bauernpaar, allein in einem weltverlornen Landstrich von Brabant, aus Haiden und aus Steppen nur bestehend, wie jene dorten unten in Klaarwatsch. Woher er stammte, hat kein Mensch erfahren. Als man zum ersten Male ihn bemerkte, da mochte er so gegen fünfzehn Jahre zählen. Nur ein paar Lumpen schlangen sich um seinen Körper; ein junger Wilder schien er fast zu sein. Und lesen mußte man ihn lehren wie ein Kind. Aufs Geratewohl hin gab man ihm die Taufe. Die geizigen Alten nahmen ihn in ihren Dienst; er mußte ihre Hammelherden hüten. Das bißchen dürft'ger Lebensunterhalt war alles, was er ihnen kostete; sie glaubten noch, ein christlich Werk gethan zu haben, da sie den Armen bei sich aufgenommen.
Doch mütterlich schien die Natur ob ihrem freigeborenen Sproß zu wachen. Von unbekannten Geschöpfen der Wildnis selbst erzeugt, verstoßen von den Menschen, die ihn flohen, schien er zu altern nicht und ward doch immer mehr von Tag zu Tage stark und schön. Er ward ein großer Bursch mit üppig langen Haaren, und wilde, dunkle Locken fielen ihm beständig in die Stirn und deckten fast die gotterhellten Augen, wo Ewigkeit mit der Unendlichkeit sich zu vermählen schien.
Auf Kirchenprunk und unsre engen Riten gab er gar wenig nur. Natur allein ward ihm zur Richtschnur und Beraterin. Nur der Instinkt, der innere Trieb war's, dem er folgte.
Da plötzlich, spät erst, wurde seiner Herrschaft, die schon bei Jahren war, ein Kind geboren, ein schwächlich Knäblein, das sie Stephan nannten. Da seine Mutter schon zu hochbetagt, um ihren Sprößling selbst zu nähren, so nahm sich Gerhard denn des Kleinen an. Er wählte ihm aus seiner Herde zwei seiner Lieblingsschafe aus, die ihre Milch dem Kinde spendeten. Steffen erholte sich, ward dick und stark, ein reizend Kind mit Rosenwangen wie ein kleiner Cherub. Gerhard versorgte ihn auch ferner mit der besten Milch von seinen Schafen, mit Früchten, reif und aromatisch duftend, mit Eiern von der wilden Taube, dem Fasan. Er betete das Kind an, wie noch nie ein menschlich Wesen je ein anderes; war's doch zum ersten Male, daß sein armes Wildlingsherz die reichen Liebesschätze, die sein Inn'res barg, austeilen durfte. Und Steffen zwitscherte und plapperte den ganzen lieben langen Tag als wie ein Vögelchen; war jener braun, so war er goldig blond; und was das Kleinchen wollte, that mit Lust der große, wilde Bursche. Die Alten, eigensüchtig, wie sie waren, sie störten nicht der beiden fröhlich Treiben.
Als sie zusammen badeten, bewunderte Gerhard diesen jungen Leib, der so geschmeidig und so zierlich war; und es gab für ihn kein größeres Vergnügen, als diesen biegsamen und wonnig warmen Körper zu umschlingen und ihn auf seinen Armen fortzutragen, gar lange und gar weit, bis in des Waldes tiefsten Dämmerschatten, wo sie in Farrenkraut und Moos sich wälzten. Und Gerhard kitzelte den kleinen Steffen, indem er seine Lippen auf der Rosenhaut des Kindes umherwandern ließ. Dann lachte der kleine Schelm, suchte sich loszumachen, strampelte mit den Füßchen und gab dem Großen manchen Klapps auf seine kräftigen Lenden, der für jenen die wonnigste Liebkosung war ...
Doch allzulange sollte dies Idyll nicht dauern. Eines schönen Tages erhielten die Eltern Steffens den Besuch eines Vetternpaares, die ein kleines Mädchen bei sich hatten, ein allerliebstes blondes Ding in Steffens Alter mit Namen Wanna, heiter und reizvoll wie ein taufrischer Morgen, appetitlich wie eine Walderdbeere. Die Alten kamen beiderseits überein, die Kinder später zu vermählen, zumal sie an einander vom ersten Augenblick an Gefallen gefunden hatten.
Seit der Ankunft der kleinen Wanna ging der große Gerhard ganz traurig umher, da er die Zuneigung bemerkte, die sein kleiner Steffen dem reizenden Bäschen entgegenbrachte. Steffen, der verzogene Liebling, liebte Gerhard nicht anders, als wie er einen treuen und gelehrigen Hund geliebt haben würde, einen gefälligen Partner an all seinen Spielen, der bereit war, auch all seine Launen geduldig zu ertragen. Gerhard sah Wanna mit finstren Augen, mit totbringenden Blicken an; aber das blonde Geschöpfchen spottete über den jungen Wilden und schalkhaft und mutwillig, wie sie war, entführte sie, um ihn zu ärgern, ihm oftmals den geliebten Steffen oder versteckte sich, daß dieser sie wiederholen solle, ganz weit weg von dem Eifersüchtigen.
Gerhard, dessen Geduld erschöpft war, beschwor seinen Freund, von Wanna zu lassen und sich niemals zu verheiraten. Aber Steffen lachte ihm ins Gesicht.
›Bist du toll, mein großer Schatz? So will es die Natur! Siehe die Tiere auf unserem Gute, siehe das Wild des Waldes! ...‹
›Oh! habe Mitleid mit mir! Ich weiß nicht, was mir ist; aber ich möchte dich für mich ganz allein, ohne dich mit jemandem zu teilen ... Warum es den Tieren nachmachen, warum wie die anderen thun? Genügen wir einander nicht ganz? Wird dich jemals einer so lieben wie dein Gerhard? Wozu brauchen wir der kindererzeugenden Menge zu folgen? Giebt es nicht schon genug Geschöpfe auf der Welt? Laß uns für uns beide leben, für uns beide allein! Steffen, erbarme dich! Dich will ich haben, ganz für mich, dich ganz allein! Mich kümmert es nicht, ob du ein Mensch bist, wie die anderen; für mich bist du einzig und unvergleichlich ... Oh! was hatte sie nötig, zwischen uns zu treten? Nein, ich drücke mich wohl schlecht aus ... Deine erstaunten Augen, sie töten mich ... Ach, alles thut mir weh, wenn ich dich mit ihr zusammen sehe. Eine sengende Hitze fiebert durch mein Blut. Eure vereinigten Hände, sie bohren sich leise, ganz leise in meine Brust, um mir das Herz mit ihren Nägeln zu zerfleischen. O mein Steffen, ich sterbe bei dem Gedanken, daß sie dich umarmen, sie ihre Lippen auf die deinen pressen wird, daß sie dich weit von hier wegführen wird und ich dich lassen muß, ihr, die mein Leben, mein ganzes Glück mir raubt ...‹
Steffen lächelte; zwar fühlte er sich ein wenig gerührt über die große Liebe Gerhards, doch versuchte er ihn zur Vernunft zu bringen.
›Du großer Kindskopf! Meine Gefühle für dich werden sich nicht ändern. Siehe, bin ich nicht immer derselbe? Wir werden uns nahe bleiben wie früher. Du wirst mir folgen mit ihr ...‹
Aber der arme Hirt wurde nicht wieder vernünftig.
Je mehr der verhängnisvolle Tag sich näherte, um so mehr schwand Gerhard dahin, verlor den Appetit, machte sich aus nichts etwas, das er früher gern hatte, vernachlässigte seine Herde, ja sein Benehmen ward so beängstigend, daß seine Herrschaft ihn zum Pfarrer schickte. Vielleicht hatte man ihm etwas angethan. Die Hirten verstehen sich alle etwas auf Hexerei, und ihresgleichen ist nicht minder ihren üblen Künsten ausgesetzt. Der treuherzige Gerhard erzählte schlicht und offen seine tiefe Pein dem Priester. Beim ersten Worte, das der heilige Mann vernahm, da fuhr er auf und rief ihm grollend zu: ›Weiche, Verruchter! Deine Gegenwart bringt Pest und Unheil. Ich weiß nicht, was mich abhält, dich dem Profoß des gnädigen Herrn Herzogs von Brabant zu übergeben ... damit du brennest auf dem Großen Markt, wie man es allen deinesgleichen thut ... Entferne dich sofort aus dieser Gegend ... denn deine Missethat hat dich getrennt von der Gemeinde der Gläubigen. Niemand kann los dich sprechen, als der Papst in Rom. Wirf dich zu seinen Füßen. Bisher nur hast du in Gedanken erst gesündigt. Das ist's auch nur, weshalb ich auf dein verruchtes Fleisch die Flammen des reinigenden Scheiterhaufens nicht herniederrufe!‹
Gerhard kehrte zu seiner Herrschaft zurück, ohne Gewissensbisse, doch verzweifelter denn je. Er hütete sich wohl, genau zu erzählen, was zwischen dem Diener Gottes und ihm sich abgespielt, und er beschränkte sich darauf, zu erklären, daß er entschlossen sei, eine weite Pilgerfahrt zu unternehmen, um eine Todsünde zu sühnen ... Als letzte Gunst begehrte er von Steffen, daß er ihn eine Strecke Weges noch geleite. Wanna wollte ihren Verlobten zurückhalten, indessen Steffen hatte Mitleid mit dem Treuen, und vor der Trennung, die womöglich ewig währen sollte, gedachte er ihrer langen, unbeschränkten Freundschaft, die sie in alter Zeit verbunden hatte.
›O Bruder, sage mir, was ist die schwere Missethat, die dich von hinnen treibt?‹ so fragte Steffen oftmals auf dem Wege den Vertrauten. Doch dieser senkte still das Haupt und schwieg; bisweilen nur sah er mit langem, heißem Blick ihn an.
So schritten immer weiter sie fürbaß, beklommnen Herzens, ohne ein Wort zu wechseln; doch als sie sich dem Kreuzweg näherten, wo sie zum letzten Male sich umarmen sollten, da drehte plötzlich Gerhard jäh sich um und zeigte Steffen einen roten Schein am Horizonte in der Richtung, von wo sie hergekommen waren.
Dann rief er aus mit grellem, wildem Lachen:
›Sieh dort! Das ist das Haus der Alten, das du flammen siehst, und Wanna, deine Wanna, sie verbrennt mit ihnen! ... Jetzt bist zu mein, ganz mein für alle Zeit!‹
Und er umschlang mit tollem Jauchzen seinen Freund, der sich vergeblich der Umarmung wehrte.
›Gerhard! Du machst mir Angst! Zu Hilfe! Helft mir! Er erdrosselt mich ...‹
›Ganz mein! Ich war's, der dich dem Leben gab. Ich bin dir mehr als eine Mutter, hörst du! Und mehr als irgend je ein ander Weib! Du wolltest wissen, was mich insgeheim von hinnen trieb ... Wohlan, du sollst es jetzt erfahren. Euer Priester – hat mich verflucht! Dem ewigen Feuer hat er mich geweiht! Wohlan, ich will vorzeitig mich in dieses Feuer stürzen. Erst aber will ich kosten jenen Taumelkelch, der aus den Quellen deines Lebens sprudelt, erst will ich pflücken mir von deinen Lippen die saftige Frucht, nach der ich fast verging und die mich ewig laben wird, wenn ich im Höllenfeuer schmachte! ... Zu mir, zu mir!‹
Ein plötzlicher Gewittersturm brach los, als so der Unselige des Himmels Rache herausforderte.
›Ha!‹ jauchzte er in wildem Toben, ›Feuer der Rache, sei ein Freudenfeuer mir! Natur, gewaltige, verbrenne mich, vernichte mich! Ob du von Gott kommst, wie sie sagen, ob du vom Teufel stammst, was gilt es mir? Komm, laß im Tode uns vereinigt sein! ... Erhebe dich, Sturm der Befreiung, der Erlösung! Ich bin am Ende! Deine Feuerflut, wie kühl erquickend Rieselwasser wird sie mein Fleisch umströmen, verglichen mit der Liebesglut, die mich verzehrt und mich so elend machte! ... O komm!‹ ...
Und der Verfluchte preßte Steffen an sein Herz, daß er ihn fast erstickte; und seine Lippen grub er in die des Jünglings und trank, und trank, in langen, durstigen Zügen, und ließ nicht eher ab, als bis des Himmels Feuer alle beide rings umhüllte ...«
Bei dieser Stelle seiner pathetischen Improvisation sank die Stimme Kehlmarks zu einem Murmeln herab, das beinahe wie ein Röcheln klang.
»O mein holder Knabe«, seufzte er, indem er zu den Füßen des kleinen Hirten niederglitt, »ich liebe dich wie ein Verlorener, ich liebe dich, wie Gerhard seinen Steffen liebte.«
»Und ich, ich liebe Sie auch, teurer Meister, aus aller Kraft meiner Seele!« antwortete Guido, indem er seine Arme um Heinrichs Nacken schlang. »Ich gehöre Ihnen, Ihnen ganz und ungeteilt. Machen Sie mit mir, was Sie wollen! ... Doch sagen Sie mir, wissen Sie das erst seit jetzt?«
»Ich brauchte dich nur zu sehen«, seufzte Kehlmark, »um mit deiner verkannten, und doch so stolzen und jungfräulichen Schönheit Mitleid zu empfinden. Meine Liebe entstand aus jenem Mitgefühl.«
»Und ich, mein teurer Meister«, stammelte der junge Govaertz, »ich brauchte Sie bloß zu erblicken, um zu ahnen, daß Sie traurig sein und mir gefährlich werden würden, und meine Verehrung erwuchs aus meiner Herzbeklemmung.«
»Das vermeintliche Schlechte, das dein Vater mir von dir erzählte, entschied über meine Sympathie, und die verächtliche Miene deiner Schwester, das Übelwollende ihres Blicks umgaben dich seitdem in meinen Augen mit einer Gloriole der Verklärung! ... Doch wagte ich nicht, mich zu erklären, bevor ich dich wiedergesehen hatte, und ich heuchelte Gleichgiltigkeit, um die Deinigen und deine allzu gewaltthätigen Kameraden irrezuleiten, die ich am selben Abend hinderte, indem ich nur mich ihrem ausgelassenen Schwarme näherte, an dir ihr Mütchen zu kühlen, du mein geliebtes Kind, Erwählter meines Lebens!« ...
Kein Blitzstrahl traf sie, doch sie hörten einen dumpfen Schrei, ein Aufschluchzen, ein Rauschen in den Büschen hinter sich. Zwei unbestimmte Schatten verschwanden in der Finsternis.
»Man hat uns belauscht!« rief Kehlmark, der aufgesprungen war und das dichte Dunkel zu durchdringen suchte.
»Was thut es! Ich gehöre ganz dir!« stammelte Guido, indem er ihn an sich zog und sich erschauernd an seine Brust schmiegte. »Du bist mein Alles, und ich glaube nicht an das Feuer des Himmels! Vor dir hat niemand nur ein einziges gütiges Wort zu mir gesprochen ... Ich kannte nichts als Schimpfworte und böse, harte Reden ... Du bist mein Herr und Meister, meine Liebe, mein Idol! Jetzt mache mit mir, was du willst ... Komm! Deine Lippen! ...«