Georg Ebers
Die Schwestern
Georg Ebers

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150 Elftes Kapitel.

Lysias war einer von Denen, in deren Munde nichts klingen will, als wäre es ernstlich gemeint.

Seine Mittheilung, daß er eine Dienerin des Serapis für passend halte, die Hebe darzustellen, klang so munter und harmlos, als erzähle er Kindern ein Märchen, aber seine Worte wirkten auf seine Hörer wie das Geräusch des Wassers, das in ein geborstenes Schiff dringt.

Publius hatte sich völlig entfärbt und erst nachdem sein Freund den Namen Irene ausgesprochen, seine Ruhe einigermaßen zurückgewonnen, Philometor seinen Becher auf den Tisch gestoßen und lebhaft ausgerufen:

»Eine Dienerin des Serapis als Hebe bei einem lustigen Festspiel! Hältst Du das für möglich, Kleopatra?«

»Unthunlich, völlig unthunlich ist es,« gab die Königin entschieden zurück.

Euergetes, der freilich gleichfalls bei des Korinthers 151Rede die Augen weit geöffnet hatte, schaute, während seine Geschwister auch ferner ihrer Ueberraschung und Mißbilligung Ausdruck gaben und von der Verehrung und Rücksichtnahme sprachen, die auch Könige den Priestern und Dienern des Serapis schuldeten, lange Zeit schweigend in den Becher.

Endlich nahm er den Kranz und Stirnreifen ab, lockerte wieder mit beiden Händen sein Haar auf und sagte dann völlig ruhig und entschieden:

»Wir brauchen eine Hebe und nehmen sie her, wo wir sie finden. Wenn ihr euch scheut, das Mädchen holen zu lassen, so soll es auf meinen Befehl geschehen. Die Priesterschaft des Serapis besteht zum größten Theil aus Griechen und ihr Vorsteher ist ein Hellene. Seinesgleichen fragt nach einem halb erwachsenen Kinde nicht viel, wenn er euch oder mir gefällig sein kann. Er weiß so gut wie wir Alle, daß eine Hand die andere wäscht. Es fragt sich nur, – denn Weibergeschrei möcht' ich vermeiden, – ob das Mädchen gern oder ungern kommt, wenn wir es rufen. Was meinst Du, Korinther?«

»Ich glaube, daß sie lieber heute als morgen aus ihrem Gefängniß befreit sein möchte,« entgegnete Lysias. »Irene ist heitern Sinnes, lacht rein und hell wie ein spielendes Kind, und man läßt sie noch dazu in ihrem Käfige hungern.«

»So hol' ich sie morgen!« rief Euergetes.

»Aber,« unterbrach Kleopatra ihren Bruder, »Asklepiodor hat uns und nicht Dir zu gehorchen, und wir, ich und mein Gatte . . .«

152 »Ihr wollt es mit dem Priestervolk nicht verderben!« lachte Euergetes. »Wenn es noch Aegypter wären! Denen greift man nicht ungebissen in ihre Tempelnester, aber hier handelt es sich, wie gesagt, nur um Griechen. Was habt ihr von denen zu fürchten? Meinetwegen laßt denn unsere Hebe, wo sie ist, aber ich habe mich einmal auf diese Bilder gefreut und reise morgen, sobald ich ausgeschlafen, nach Alexandria zurück, wenn ihr sie nicht zu Stande bringt und mir, dem Herakles, die ihm von den Göttern erwählte Braut vorenthaltet. Was ich sage, hab' ich gesagt, und das Nachgeben war nie meine Sache. Uebrigens ist es Zeit, daß wir uns den hier neben uns schmausenden Freunden zeigen. Sie werden schon munter und es kann nicht mehr früh sein.«

Euergetes erhob sich bei diesen Worten von seinem Lager und winkte Hierax und einem Kämmerer, der ihm die Falten seines durchsichtigen Gewandes zurecht zog, während Philometor und Kleopatra mit einander achselzuckend und kopfschüttelnd flüsterten, und Publius, indem er seine Rechte fest um das Handgelenk des Korinthers preßte, diesem zuraunte:

»Du wirst ihnen nicht helfen, wenn unsere Freundschaft Dir lieb ist. Sobald es angeht, brechen wir auf.«

Euergetes wartete nicht gern.

Schon wandte er sich der Thür zu, als Kleopatra ihn zurückrief und freundlich, aber mit leisem Vorwurf sagte:

»Du weißt, daß wir gern der ägyptischen Sitte folgen, Alles zu erfüllen, was ein Freund und Bruder 153 für seinen Geburtstag zu haben wünscht, aber gerade darum ist es nicht recht von Dir, daß Du etwas zu ertrotzen versuchst, was wir schwer versagen und doch nicht, ohne uns schlimmen Widerwärtigkeiten auszusetzen, erfüllen können. Fordere, wir bitten Dich, etwas Anderes, und wir gewähren es Dir gewiß, wenn wir können.«

Der junge Riese beantwortete diese Bitte seiner Schwester mit einem lauten Gelächter, schwenkte den Arm, schüttelte die Hand abweisend hin und her und rief dann:

»Das Einzige, das ich gern haben möchte von dem, was ihr besitzet, gebt ihr doch nicht freiwillig heraus, und so muß es denn bei dem Gesagten bleiben. Ihr schafft mir meine Hebe oder ich zieh' meiner Wege.«

Von Neuem wechselte Kleopatra mit ihrem Gatten kurze Worte und schnelle Blicke, und Euergetes schaute sie dabei mit vollem Gesichte an, indem er die Beine auseinander spreizte, seinen gewaltigen Oberkörper vorbeugte und seine Fäuste auf die Hüften stemmte.

In dieser Stellung lag so viel Uebermuth und kecke, knabenhafte, unbändige Herausforderung, daß Kleopatra nur mit Mühe einen Ausruf des Unwillens zurückhielt, ehe sie sagte:

»Wir sind nun einmal Geschwister und um des mühsam wiederhergestellten und erhaltenen Friedens willen geben wir nach. Das Beste wird sein, wir bitten Asklepiodor . . .«

Hier unterbrach Euergetes laut in die Hände klatschend die Königin und lachte:

»So ist es recht, Schwester! Schafft mir nur meine Hebe! Wie ihr das zu Stande bringt, kann mir gleich sein und ist eure Sache. Morgen Abend wird Probe gehalten und übermorgen gibt es eine Darstellung, von der sich die Enkel erzählen werden. An einer glänzenden Zuschauerschaft soll es auch nicht fehlen, denn meine Gratulanten mit der Priesterbinde und im Waffenschmuck treffen hoffentlich rechtzeitig ein. Kommt, ihr Herren, wir wollen sehen, was es da drinnen an der Tafel Gutes zu hören und zu trinken gibt.«

Die Thore öffneten sich, Musik, lautes Gespräch, Bechergeklirr und Gelächter scholl durch dieselben in das Speisezimmer der Fürsten und sämmtliche Gäste des Königspaares mit Ausnahme des Eunuchen folgten dem Euergetes.

Kleopatra ließ sie schweigend ziehen; nur Publius rief sie ein »Auf Wiedersehen!« zu, den Korinther aber hielt sie zurück und sagte:

»Du, Lysias, hast diese schlimmen Dinge veranlaßt. Suche sie nun gut zu machen, indem Du das Mädchen zu uns führst. Weigere Dich nicht! Ich werde sie hüten, sorgfältig hüten, verlaß Dich darauf!«

»Sie ist eine sittsame Jungfrau,« entgegnete Lysias, »und würde mir sicher nicht gutwillig folgen. Als ich sie für die Rolle der Hebe vorschlug, dacht' ich gewiß, ein Wort aus eurem, der Könige, Munde würde genügen, die Vorsteher des Tempels zu bestimmen, sie euch auf einige Stunden zu einem harmlosen Spiele anzuvertrauen. Verzeihe, wenn auch ich 155 Dich verlasse. Ich habe den Schlüssel zur Lade meines Freundes noch bei mir und muß ihn ihm bringen.«

»Sollte man sie heimlich entführen?« fragte Kleopatra, nachdem auch der Korinther den anderen Gästen gefolgt war, ihren Gatten.

»Nur keine Uebergriffe, nur nichts Gewaltsames!« rief der König Philometor besorgt. »Das Beste wäre, wenn ich Asklepiodor schriebe und ihn freundlich bäte, diese Ismene oder Irene oder wie das Unglückskind sonst heißt, Dir, Kleopatra, der sie gefallen, auf einige Tage anzuvertrauen. Ich kann ihm ja eine Vergrößerung der Ackerschenkung von heute, deren Umfang weit hinter seiner Forderung zurückblieb, in Aussicht stellen.«

»Laß Dich bitten, erhabener Herr,« sagte Euläus, der nun mit dem Königspaar allein war, unterwürfig, »laß Dich bitten, bei dieser Gelegenheit nichts Großes zu versprechen, denn sobald dieß geschieht, wird Asklepiodor Deinem Wunsche eine Wichtigkeit beilegen . . .«

»Die er nicht hat und nicht haben soll,« fiel die Königin ein. »Schmählich ist es, um ein hungriges Geschöpf, eine wassertragende Dirne, so viele Worte zu verlieren, so viel Unruhe zu erdulden, aber wie machen wir dem Allen ein Ende? Was räthst Du. Euläus?«

»Dank für diese Frage, hohe Fürstin,« gab der Eunuch zurück. »Mein Herr, der König, sollte, so denke ich, das Mädchen entführen lassen, aber nicht mit Gewalt von einem Manne, dem sie kaum so schnell, 156 wie es noth thut, folgen würde, sondern von einem Weibe.

»Ich denke an das alte ägyptische Märchen von den beiden Brüdern, das euch ja bekannt ist.

»Der Pharao wünschte die Frau des jüngeren von ihnen zu besitzen, die auf dem Cedernberg wohnte, und sandte bewaffnete Leute aus, um sie zu holen; aber von ihnen kam nur Einer zurück, denn Batan hatte alle anderen erschlagen. Darauf ward eine Frau ausgeschickt mit reichem Schmuck, wie die Weiber ihn lieben, und der ist dann die Schöne ohne Widerstand in den Palast gefolgt.

»Sparen wir die Boten und fangen wir gleich mit dem Weibe an. Deine Gespielin Zoë wird diesen Auftrag vortrefflich ausrichten. Wer kann uns etwas vorwerfen, wenn eine putzsüchtige Dirne ihren Wächtern entläuft?«

»Aber alle Welt wird sie als Hebe sehen,« seufzte Philometor, »und uns, die Schutzherren des Serapisdienstes, wenn Asklepiodor es ihnen vorspricht, für Tempelschänder erklären. Nein, nein, erst muß der Oberpriester gütlich gebeten werden. Im Fall er Schwierigkeiten bereitet, aber nicht früher, mag Zoë ihr Heil versuchen.«

»So soll es denn sein,« sagte die Königin, als käme es ihr zu, dem Vorschlag ihres Gatten die Bestätigung zu ertheilen.

»Laß mich Deine Gespielin begleiten,« bat Euläus, »und Asklepiodor eure Bitte vortragen. Während ich mit dem Oberpriester rede, soll Zoë das Mädchen auf 157 alle Fälle gewinnen, und was wir thun wollen, muß schon morgen geschehen, sonst kommt uns der Römer zuvor. Ich weiß, daß er ein Auge auf Irene geworfen, die in der That sehr schön ist. Er beschenkt sie mit Blumen, füttert sein Vögelchen mit Fasanen und Pfirsichen und anderen süßen Dingen, läßt sich von dem Schätzchen, so oft es nur geht, in's Serapeum locken, bleibt dort ganze Stunden, macht fromm die Aufzüge mit, um die Veilchen, die Du ihm in Deiner Gnade verehrst, seiner Schönen, die königliche Blumen wohl lieber trägt als andere, zu schenken . . .^

»Lügner!« schrie die Königin, den Höfling unterbrechend, in so heftiger Erregung, so maßlos empört und außer sich, daß ihr Gatte erschrocken von ihr zurücktrat.

»Ein Verleumder bist Du und schnöder Ehrabschneider! Der Römer tritt Dir mit offenen Waffen entgegen, Du aber schleichst im Dunklen wie der Skorpion und suchst Deinen Feind in die Sohle zu stechen. Apelles der Maler hat uns Enkel des Lagus in seinem Gemälde gegen Antiphilus vor Leuten von Deinem Gelichter gewarnt. Seh' ich Dich an, so denke ich an seinen Dämon der Verleumdung. Der Ingrimm, die Bosheit, die aus den listigen Augen funkelt, und die Wuth, die, ihr Opfer begehrend, von dem gerötheten Antlitz leuchtet, ist euch Beiden gemein. Du möchtest wohl, daß der Jüngling, den des Apelles Verleumdung an den Haaren vor sich her zerrt, unser Publius wäre und Dir wie ihr die sieche, hohläugige Gestalt des Neides und die hassenswerthen Weiber 158 List und Betrug Beistand leisteten? Aber ich erinnere mich der hoch zum Himmel erhobenen, den Schutz der Göttin und des Königs anrufenden Arme und des treuen, wahrhaftigen Blickes des zu Boden gerissenen Knaben, und wenn Publius Scipio auch Manns genug ist, sich gegen offene Angriffe zu vertheidigen, so werde ich ihn vor Ueberfall aus dem Hinterhalt schützen! Fort aus diesem Gemach! Fort, sage ich Dir, und Du wirst sehen, wie wir Verleumder bestrafen!«

Euläus warf sich bei diesen Worten vor der Königin nieder, sie aber blickte tiefathmend mit fliegenden Nüstern über ihn fort, als sähe sie ihn nicht, bis ihr Gatte zu ihr herantrat und mit einer Stimme von herzgewinnender Weichheit sagte:

»Verdamme ihn nicht ungehört und hebe ihn auf. Jedenfalls gib ihm Gelegenheit, Deinen Groll zu besänftigen, indem er uns die Krugträgerin, ohne Asklepiodor zu erzürnen, herbeischafft. Mach' Deine Sache gut, Euläus, und Du wirst in uns einen Fürsprecher bei Kleopatra finden.«

Der König wies mit dem Finger auf die Thür. Euläus entfernte sich tiefgebeugt, indem er rückwärts schreitend den Ausgang suchte; Philometor aber, der nun mit seiner Gattin allein war, sagte mit sanftem Vorwurf:

»Wie konntest Du Dich nur Deinem Groll so maßlos hingeben? Einen so treuen und klugen Diener, der ja zu den wenigen Lebenden gehört, die unserer Mutter lieb waren, jagt man doch nicht fort wie einen ungeschickten Aufwärter. Und was hat er denn Großes 159verbrochen? Ist das eine Verleumdung, über die man in Zorn geräth, wenn ein nachsichtiger Alter von einem jungen Manne, dem die Welt gehört, und der nichts von der finsteren Heiligkeit des Serapis weiß, harmlos erzählt, daß ihm ein Mädchen, welches doch Jeder, der es gesehen, bewundert, gefallen habe, daß er es aufsuche und seine Schönheit mit Blumen ehre . . .«

»Mit Blumen ehrt?« fragte Kleopatra, von Neuem aufbrausend. »Nein, man bezichtigt ihn, daß er eine Jungfrau, die dem Serapis angehört, dem Serapis, sag' ich, verfolge. Aber das ist einfach nicht wahr, das ist erlogen, und Du würdest wie ich empört sein, wenn es Dir überhaupt gegeben wäre, männlichen Grimm zu empfinden, und wenn Du Euläus nicht brauchtest zu vielen Dingen, von denen ich weiß und anderen noch, die es Dir mir zu verschweigen beliebt. Laß ihn das Mädchen nur holen; aber haben wir es hier und finde ich des Römers Klage gegen Euläus, die ich morgen anhören will, begründet, so wirst Du sehen, daß in mir männliche Strenge genug für uns Beide wohnt. Komm' jetzt, denn die da drinnen warten auf uns.«

Die Königin rief, Kämmerer und Diener eilten herbei, ihre muschelförmige Sänfte erschien wieder und bald zog sie neben ihrem Gatten hoch in der Luft schwebend in den großen Peristyl ein, woselbst auf langen Lagerreihen die Großen des Hofes, die Befehlshaber der Truppen, die hochgestelltesten der aus der Provinz gekommenen ägyptischen Beamten, viele 160 Künstler und Gelehrte, sowie die Gesandten fremder Mächte lagen und – denn die eigentliche Mahlzeit war bereits beendet – dem Weine zusprachen.

Die Griechen und die dunkler gefärbten Aegypter waren etwa gleich zahlreich vertreten in dieser bunten Gesellschaft, aber es befanden sich unter ihr und namentlich unter den Gelehrten und Soldaten auch viele Israeliten und Syrer.

Das königliche Paar wurde von den Schmausenden mit Jubel und Ehrfurchtsbezeugungen empfangen; Kleopatra lächelte so süß wie je und winkte auch noch, nachdem sie ihrer Sänfte entstiegen, mit dem Fächer, doch schenkte sie keinem unter den Anwesenden auch nur die geringste Aufmerksamkeit, denn sie suchte Publius zuerst in der Nähe des für sie bereit gehaltenen Lagers, dann unter den anderen Hellenen, den Aegyptern, Juden und Gesandten, doch fand sie ihn nicht, und als sie endlich den obersten Kämmerer an ihrer Seite fragte, wo sich der Römer befinde, wurde sogleich der Gesandtenpfleger gerufen. Dieser war ein sehr hoher Beamter, dem es oblag, für die Vertreter der fremden Mächte zu sorgen, und er war nahe zur Hand, denn er harrte längst auf die Gelegenheit, Kleopatra des Publius Cornelius Scipio Gruß zu entbieten und ihr in seinem Namen mitzutheilen, daß er sich in sein Zelt zurückgezogen habe, weil Briefe aus Rom für ihn angekommen wären.

»Ist das wahr?« fragte die Königin, indem sie ihren Wedel sinken ließ und den Gesandtenpfleger streng anschaute.

161 »Der Dreiruderer Proteus, der von Brundisium kommt,« gab der Gefragte zurück, »ist gestern im Hafen des Eunostus eingelaufen, und vor einer Stunde brachte ein reitender Bote den Brief, und zwar keinen gewöhnlichen, sondern ein Schreiben des Senats; ich kenne die Form und das Siegel.«

»Und der Korinther Lysias?«

»Er begleitete den Römer.«

»Hat der Senat auch an ihn geschrieben?« fragte Kleopatra gereizt und spöttisch, und fuhr dann, indem sie dem Gesandtenpfleger ohne Gruß den Rücken kehrte und sich wieder dem Kämmerer zuwandte, schneidig, als habe sie eine Gerichtssitzung zu leiten, also fort:

»König Euergetes sitzt dort mitten unter den Aegyptern neben den Gesandten der Tempel vom oberen Lande. Es sieht aus, als hielte er ihnen eine Rede und sie hängen an seinem Munde. Was spricht er und was hat dieß wieder zu bedeuten?«

»Ehe Du kamst, saß er bei den Syrern und Juden und theilte ihnen mit, was die Kaufleute und Schreiber, die er in den Süden gesandt, von den Ländern berichtet, die unfern der Seen liegen, durch welche der Nilstrom fließen soll. Er meint, es hätten sich unweit des Ursprungs des heiligen Flusses, der kaum, wie die Aelteren meinten, dem Ozean entströmen kann, neue Quellen des Reichthums gezeigt.«

»Und jetzt?« fragte Kleopatra, »was macht er dort den Aegyptern weis?«

Der Kämmerer eilte auf das Lager des Euergetes zu und kehrte bald darauf zu der Königin zurück, 162 welche indessen freundliche Worte mit dem jüdischen General Onias gewechselt hatte, um ihr mit gedämpfter Stimme mitzutheilen, daß der König eine Stelle aus dem Timäus des Plato interpretire, in der Solon der hohen Weisheit der Priester von Saïs rühmend gedenkt; er rede sehr schwungvoll und die Aegypter zollten ihm lauten Beifall.

Kleopatra's Züge verfinsterten sich mehr und mehr, aber sie verbarg sie hinter ihrem Wedel, winkte Philometor, näher an sie heranzutreten, und flüsterte ihm zu:

»Bleibe in Euergetes' Nähe, er macht sich bedenklich viel mit den Aegyptern zu schaffen. Er legt es darauf an, ihnen zu gefallen, und wem er ernstlich zu gefallen wünscht, den bestrickt dieser liebenswürdige Unhold. Mir hat er den Abend verleidet und ich laß euch allein.

»Auf Wiedersehen morgen!

»Ich werde die Klage des Römers auf meinem Dache mit anhören, denn da weht immer ein kühleres Lüftchen.

»Willst Du dabei sein, so laß ich Dich rufen, aber erst möcht' ich ihn allein sprechen, denn er hat Briefe vom Senat bekommen, die Wichtiges enthalten können. Also auf morgen!«

 

 


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