Georg Ebers
Die Schwestern
Georg Ebers

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58 Fünftes Kapitel.

Der Aufzug war zu Ende.

Bei dem Dienste, welcher ihm im griechischen Serapeum vorangegangen war, hatte Ptolemäus Philometor der Priesterschaft desselben keineswegs die ganze, sondern nur einen mäßigen Bruchtheil der Ackerschenkung, um die sie mit vielen Bittschriften eingekommen war, bewilligt.

Nachdem der Hof wieder nach Memphis aufgebrochen war und die Prozession sich aufgelöst hatte, kehrten auch die Schwestern in ihr Gemach zurück, Irene mit gerötheten Wangen und lachendem Munde, Klea mit einem finsteren, fast bedrohlichen Glanz in den Augen.

Während Beide sich, ohne zu reden, ihrer Kammer näherten, rief ein Tempeldiener die ältere Schwester an und forderte sie auf, ihm zum Oberpriester zu folgen, der sie zu sprechen begehre.

Schweigend übergab nun Klea Irenen ihren Krug 59 und wurde in ein Gemach des Tempels geführt, welches zur Aufbewahrung des heiligen Geräthes diente. Dort ließ sie sich, um zu warten, auf einem Sessel nieder.

Auch die Männer, welche am Morgen das Pastophorium besucht hatten, waren mit der königlichen Familie dem Aufzuge gefolgt.

Nachdem die Feierlichkeit ihr Ende erreicht hatte, trennte sich der Römer Publius von seinen Begleitern und ging schnell, ohne Abschied zu nehmen und nach rechts oder links zu schauen, auf das Pastophorium und die Zelle des Klausners Serapion zu.

Der Alte vernahm schon von fern den Schritt des jungen Mannes, der auf starken Sohlen den Boden selbstbewußter und kräftiger trat, als die leise schreitenden Priester des Serapis, und begrüßte ihn freundlich mit Hand und Mund.

Publius dankte ihm kühl und ernst und sagte dann herb und mit schneidiger Kürze:

»Meine Zeit ist gemessen. Ich denke Memphis bald zu verlassen, aber ich versprach Dir, Deine Bitte anzuhören, und um Wort zu halten, such' ich Dich auf; heute schon, aber, wie gesagt, nur um Wort zu halten. Die Krugträgerinnen, von denen Du mir erzählen willst, gehen mich nichts an. Ich frage nach ihnen so wenig, wie nach den Schwalben, die dort über das Haus fliegen.«

»Und doch unternahmst Du heute morgen um Klea's willen einen weiten Spaziergang,« entgegnete Serapion.

60 »Ich bin oft viel weiter gegangen, um einen Hasen zu schießen,« gab der Römer zurück. »Wir Männer verfolgen das Wild nicht, weil sein Besitz uns lockt, sondern weil das Jagen uns freut, aber es gibt auch Jägernaturen unter den Frauen. Statt des Speers und Bogens versenden sie feurige Blicke, und wenn sie dann meinen, sie hätten ihr Wild mit ihnen getroffen, so kehren sie ihm den Rücken. Zu dieser Art gehört Deine Klea, und die hübsche Kleine von heute morgen sieht aus, als ließe sie sich gern jagen; mich lüstet es indessen ebensowenig, das Wild als der Jäger eines Mädchens zu sein. Drei Tage hab' ich noch unten in Memphis zu thun, dann kehr' ich diesem närrischen Lande auf immer den Rücken.«

»Heute morgen,« sagte Serapion, der zu ahnen begann, was den Groll, der deutlich aus den Worten des Römers herausklang, erweckt habe, »heute morgen schienst Du es mit der Abreise weniger eilig zu haben, als jetzt, darum willst Du mir selbst einem fliehenden Wild gleichen, die Klea aber kenn' ich besser als Du. Das Pürschen ist nicht ihre Sache, noch weniger aber läßt sie sich jagen, denn eine Eigenschaft, die Du, mein Publius Scipio, ja vor allen Anderen kennen und achten wirst, ist ihr eigen: sie ist stolz, sehr stolz, und darf es auch sein, wie verächtlich Du auch drein schaust, als wolltest Du sagen: Wie kommt eine Krugträgerin des Serapis, ein armes Ding, das schlecht genährt wird und immerhin Dienste verrichtet, zum Stolz, der ja sonst bei Denen nur mit einigem Rechte einkehrt, die die Menge, die sie umgibt, um irgend 61eines Vorzugs willen hoch überragen? Dieß Mädchen nun, das darfst Du mir glauben, hat viele Gründe, ihr Haupt zu erheben, nicht nur weil sie freien und edlen Eltern entstammt, weil seltene Schönheit sie schmückt, weil sie, als sie noch ein junges Kind war, selbstlos und treu wie die beste Mutter sich eines anderen Kindes, ihrer jüngeren Schwester, annahm, sondern besonders, und das wirst Du, wenn ich Dich recht beurtheile, besser als andere Jünglinge zu begreifen vermögen, weil sie stolz bleiben muß, damit sie bei den niederen Diensten, die sie ja leider zu verrichten gezwungen ist, niemals vergesse, daß sie ein freies und edles Weib ist. Du kannst Deinen Stolz beiseite setzen und wirst doch bleiben, was Du bist, thäte sie's aber und lernte sie wie eine Dienerin fühlen, so würde sie zuletzt in der That zu dem werden, was sie nicht ist und doch sein muß. Ein edles Roß, das man zwingt, Lasten zu ziehen, wird zum Karrengaule, sobald es verlernt, den Kopf zu heben und die Füße frei zu bewegen. Klea ist stolz, weil sie's sein muß, und wenn Du gerecht bist, so wirst Du der Jungfrau nicht zürnen, die Dich vielleicht freundlich anschaute, weil Dich die Götter so gebildet, daß Du sicher sein darfst, jedem Weibe zu gefallen, die aber Deine Werbung abweisen muß, weil sie sich für zu gut hält, um selbst von einem Cornelier mit sich spielen zu lassen, und doch für so gering, daß sie niemals hoffen darf, ein Mann von Deiner Art werde von seiner Höhe herabsteigen, um sie zum Weib zu begehren. Daß sie Dich verletzt hat, unterliegt keinem 62 Zweifel; wodurch, vermag ich nur zu vermuthen. Geschah es durch abweisenden Stolz, so sollte Dich das nicht kränken, denn ein Weib ist wie ein Krieger, der den Harnisch nur anlegt, wenn er von einem Gegner bedroht wird, dessen Waffen er fürchtet.«

Der Klausner hatte diese Worte mit Rücksicht auf seine Nachbarn mehr geflüstert als gesprochen und wischte sich, als er schwieg, den Schweiß von der Stirn, denn wenn irgend etwas sein Gemüth bewegte, so war er gewöhnt, seine gewaltige Stimme laut ertönen zu lassen, und es kostete ihm keine geringe Anstrengung, sie so lange zu dämpfen.

Publius hatte ihm zuerst frei in's Antlitz, dann aber zu Boden geschaut und Serapion bis an's Ende und ohne ihn zu unterbrechen angehört. Dabei war ihm Schamröthe wie einem Schulknaben in die Wangen gestiegen, und doch war er ein selbstbewußter, thatkräftiger Jüngling, der sich in schwierigen Lagen so sicher zu führen verstand, wie ein Mann auf der Höhe des Lebens.

Bei all' seinen Handlungen pflegte er genau zu wissen, was er wollte, und ohne Schwärmerei nur das zu thun, was ihm recht und nützlich erschien.

Bei des Klausners Rede drängte sich ihm nun die Frage auf, was er denn eigentlich von der Krugträgerin begehre, und weil es ihm an einer Antwort fehlte, so fühlte er sich unsicher, und diese Unsicherheit und Unzufriedenheit mit sich selbst steigerte sich, je zutreffender ihm das, was er hörte, zu sein schien und je weniger er im Grunde seines Herzens geneigt war, 63 von dem Mädchen zu lassen, an das er seit mehreren Tagen fortwährend und auch gegen seinen Willen hatte denken müssen, von dessen Bild er sich gern frei gemacht hätte, und das ihm doch durch des Klausners Worte begehrenswerther vorkam denn je.

»Vielleicht bist Du im Rechte,« entgegnete er nun nach kurzem Schweigen und dämpfte gleichfalls seine Stimme, denn eine leise Anrede pflegt eine nicht minder leise Entgegnung zur Folge zu haben. »Du kennst dieses Mädchen besser als ich, aber wenn Du sie richtig geschildert, so wird es gut sein, wenn ich auf meinem Willen bestehe und Aegypten, oder, sag' ich's nur gerade heraus, Deine Schützlinge fliehe, da mir durch sie doch nichts bevorsteht, als eine Niederlage oder ein Sieg, der mir nichts eintragen würde als Reue. Klea hat heute meinen Blick gemieden, als flöße aus meinen Augen Gift wie aus dem Zahn einer Viper, und ich habe also nichts mehr mit ihr zu theilen; aber wissen möcht' ich doch, wie sie in diesen Tempel gekommen ist, und wenn ich ihr nützen kann, so will ich es thun, – um Deinetwillen. Erzähle mir jetzt, was Du weißt, und sage mir, was Du von mir begehrst.«

Der Klausner nickte Publius beifällig zu, winkte ihm, näher zu treten, und indem er sich zu dem nach ihm hingewandten Ohr des Römers tief herniederbeugte, fragte er leise:

»Will Dir die Königin wohl?«

Als Publius dieß bejaht hatte, begann Serapion mit einem Ausruf der Befriedigung also seinen Bericht:

64 »Heute morgen hast Du erfahren, wie ich selbst in diesen Käfig gekommen und daß mein Vater der Vorsteher der Tempelspeicher gewesen. Während ich mich in der Fremde herumtrieb, ward er seines Amtes entsetzt und wäre vielleicht im Gefängniß gestorben, wenn ihm nicht ein braver Mann geholfen hätte, seine Ehre und Freiheit zu retten. Das Alles würde Dich nichts angehen und könnte ich darum für mich behalten, aber dieser Mann ist Klea's und der kleinen Irene Vater gewesen; der Feind, durch den der meine unschuldig leiden mußte, ist der Strauchdieb Euläus. Du weißt, oder wahrscheinlich weißt Du's auch nicht, daß die Priesterschaft bestimmte Lieferungen dem Hofe des Königs zu steuern hat; Du weißt es? Nun freilich, ihr Römer kümmert euch mehr um Rechts- und Verwaltungssachen, als um Gebilde der Kunst und Gedankengespinnste. Meinem Vater also lag es ob, diese Abgaben auszuzahlen, dem Eunuchen, sie in Empfang zu nehmen, aber der gemästete bartlose Hamster, der Vielfraß, dem jeder Pfirsich, den er gegessen hat und in Zukunft vielleicht noch verzehren wird, zu Gift werden möge, unterschlug die Hälfte des Gelieferten, und als die Rechnungsführer bemerkten, daß im Schatze des Königs da, wo sie Korn und Gewebe zu finden hofften, nichts als eitle Luft sei, machten sie Lärm, der natürlich eher zu des am Hofe mächtigen Diebes Ohr, als zu dem meines armen Vaters gelangte. Du hast Aegypten wunderlich genannt oder so ähnlich, und das ist es auch wirklich, nicht nur wegen der steinernen Waizenkuchen da drüben, die ihr 65 Pyramiden nennt und dergleichen, sondern weil hier Dinge geschehen können, die bei euch in Rom so unmöglich sein würden, wie Mondschein um Mittag oder ein Roß mit dem Schwanz an der Nase! Ehe es zu einer Klage über Euläus kam, beschuldigte er meinen Vater der Unterschlagung, und ehe der Epistates des Gaues und seine Beisitzer einen Blick in die Akten gethan, stand ihr Urtheil gegen den fälschlich Angeklagten schon fest, denn der Eunuch hatte einen Spruch von ihnen gekauft, wie man einen Fisch oder Kohlkopf auf dem Markte einhandelt. In alter Zeit ward hier zu Lande die Göttin der Gerechtigkeit mit geschlossenen Augen abgebildet, jetzt blickt sie in die Welt wie ein schielendes Weib, das mit einem Auge nach dem Könige blinzelt, mit dem andern aber nach dem Gold in den Händen der Kläger oder Verklagten. Mein armer Vater ward natürlich verurtheilt, und schon verzweifelte er im Gefängniß an der Gerechtigkeit der Götter, als um seinetwillen das größte Wunder geschah, das in diesem Lande der Wunder jemals geschehen ist, seitdem Griechen in Alexandrien herrschen. Ein ehrlicher Mann nahm sich ohne Menschenfurcht der verlorenen Sache des armen Verurtheilten an und ruhte nicht, bis er ihm Ehre und Freiheit zurückgegeben. Aber die Haft, die Schande, der Ingrimm hatten die Kräfte des Gemißhandelten nach und nach zerfressen, wie der Holzwurm einen Cedernstamm, und hinsiechend starb er. Seinem Retter, Klea's Vater, erging es zum Lohn für seine muthige That noch schlimmer als ihm, denn hier am Nil wird 66 die Tugend auf Erden bestraft, wie bei euch das Laster. Wo Ungerechtigkeit herrscht, da geschieht eben das Furchtbare, daß die Götter auf Seiten der Bösen zu stehen scheinen. Wer nicht auf eine Vergeltung im Jenseits hofft, der hütet sich hier, wenn er kein Thor ist oder ein Philosoph, – und das kommt ja häufig auf Eins heraus –, vor reinem Wandel.

»Der Krugträgerinnen Vater, Philotas, dessen Eltern aus Syrakus stammten, gehörte zu den Anhängern der Lehre des Zeno, die ja auch bei euch in Rom viele Freunde besitzt, und hatte es als Beamter weit gebracht, denn er war der Vorsteher der Chrematisten, das ist ein Richterkollegium, das außerhalb Aegyptens wohl kaum seinesgleichen besitzt und sich besser bewährt hat, als irgend ein anderes. Von Gau zu Gau zieht es umher und läßt sich, um Recht zu sprechen, in den Hauptstädten nieder. Wenn gegen ein Urtheil des an dem betreffenden Orte befindlichen Gerichtshofes, dem der Epistates des Gaues vorsteht, Einsprache erhoben wird, so wird dieser Fall vor den Chrematisten, welche dem Kläger und dem Beklagten fremd zu sein pflegen, noch einmal verhandelt, und so bleibt den Bewohnern der Provinz die Reise nach Alexandria, oder, seitdem das Reich getheilt ward, nach Memphis zu dem ohnehin schwer überbürdeten Obergerichtshofe erspart.

»Unter allen Vorstehern der Chrematisten hat keiner jemals eines höheren Rufes genossen, als Klea's und Irenens Vater Philotas. An ihn wagte sich die Bestechung so wenig heran, wie der Sperling an den 67 Falken, und er war so klug wie gerecht, denn mit dem alten Gesetz der Aegypter war er nicht weniger tief vertraut, als mit dem der Griechen, und mancher käufliche Richter hat sich, sobald es bekannt ward, daß er sich mit seinen Chrematisten auf Reisen begebe, vorgesehen und statt des falschen ein gerechtes Urtheil gefällt.

»Kleopatra, des Epiphanes Wittwe, hielt, als sie noch lebte und für ihre Söhne Philometor und Euergetes, die jetzt in Memphis und Alexandria regieren, die Vormundschaft führte, Philotas gar hoch und nahm ihn in den Rang der Verwandten des Königs auf, aber sie war eben gestorben, als der brave Mann meines Vaters Sache von Neuem in die Hand nahm und ihn aus seinem Kerker befreite.

»Der Räuber Euläus und sein Spießgeselle Lenäus standen jetzt auf dem Gipfel ihrer Macht, denn der junge, unmündige König ließ sich von ihnen wie ein Kind von seiner Wärterin leiten.

»Wenn mein Vater ein ehrlicher Mann war, so konnte nur der Eunuch der Spitzbube sein, und als jetzt die Chrematisten drohten, Euläus vor ihre Schranken zu rufen, da zettelte der Elende den Krieg um Coelesyrien gegen den Oheim des Königs, Antiochus Epiphanes, an.

»Du weißt, wie schmachvoll für uns dieß Unternehmen ablaufen sollte, wie Philometor bei Pelusium geschlagen wurde und sich mit seinen Schätzen auf Rath des Euläus nach Samothrace rettete, wie Philometor's Bruder Euergetes in Alexandria zum Könige 68eingesetzt ward, Antiochus Memphis einnahm und seinen älteren Neffen sodann allhier, als wär' er sein Vasall und Mündel, fortherrschen ließ.

»In dieser Zeit der Demüthigung nun wußte sich der Eunuch des Philotas zu entledigen, vor dem er sich gefürchtet haben mag, als wandle in der Person des Chrematisten sein eigenes Gewissen mit dem Richtschwert in der Hand auf zwei Beinen unter den Menschen umher und erzähle ihnen, was er für ein Spitzbube sei.

»Memphis hatte, ohne großen Widerstand zu leisten, Antiochus die Thore der weißen Mauer geöffnet, und der syrische König, der ein seltsamer Herr war und es manchmal liebte, mit dem Volke zu verkehren, als wäre er selbst ein gemeiner Mann, den Philotas, der mit den ägyptischen Gebräuchen und Gesetzen ebenso vertraut war, wie mit den hellenischen, zu sich entboten, sich von ihm in die Gerichtsstuben und auf den Markt führen lassen und ihn in seiner Weise bald mit nichtigem Lumpenzeug, bald mit fürstlichen Gaben beschenkt.

»Nachdem dann Philometor wieder durch euch Römer von der Vormundschaft des Syrers befreit worden war und in Memphis als selbstständiger Herrscher regieren durfte, beschuldigte Euläus den Vater der Krugträgerinnen, Memphis dem Antiochus in die Hand gespielt zu haben, und ruhte nicht eher, als bis der schuldlose Mann seiner reichen Güter beraubt und mitsammt seinem Weibe zur Zwangsarbeit in die äthiopischen Goldbergwerke geschleppt worden war. Ich saß, als dieß Alles geschah, schon in diesem Käfig, 69 aber ich hörte durch meinen Bruder Glaukus, der die Sicherheitswache im Palast befehligt und Vieles früher erfährt als andere Leute, was dort unten vorging, und es gelang mir, des Philotas Töchter heimlich in diesen Tempel führen zu lassen und vor dem Geschick ihrer Eltern zu retten. Fünf Jahre ist das nun her, und nun weißt Du, wie es gekommen, daß eines edlen Mannes Töchter Wasser für den Altar des Serapis tragen und ich eher mir selbst als ihnen ein Leid zufügen lasse, dem Euläus aber viel eher giftige Wurzeln als süße Pfirsiche gönne.«

»Und Philotas ist heute noch Zwangsarbeiter?« fragte der Römer und biß ingrimmig die Zähne zusammen.

»Ja, Publius,« entgegnete der Klausner. »Und dieses Ja spricht sich leicht aus und es ballen sich dabei nicht weniger leicht die Hände zu Fäusten, aber schwer, sehr schwer ist es, an die Qualen zu denken, die ein Mann wie Philotas und ein edles, schuldloses Weib, das schön war, schön wie Hera und Aphrodite in einer Person, – bei harter, ungewohnter Arbeit unter einer brennenden Sonne und der Geißel der Vögte zu leiden haben. Vielleicht sind sie zu ihrem Glück schon ihren Qualen erlegen und ihre Töchter Waisen! Die Armen! Es weiß hier außer dem Oberpriester Keiner so recht, wer sie sind, erführ' es aber der Eunuch, so würd' er sie ihren Eltern nachschicken, so wahr ich Serapion heiße.«

»Er soll es versuchen!« rief Publius und erhob drohend die Rechte.

70 »Leise, leise, mein Freund,« bat der Klausner, »nicht nur jetzt, sondern bei Allem, was Du etwa für die Schwestern zu thun geneigt bist, denn ein Euläus hört nicht nur mit den eigenen, sondern mit tausend fremden Ohren, und fast Alles, was am Hofe geschieht, hat durch seine, des Epistolographen Hände zu gehen. Du sagtest, die Königin sei Dir gnädig gesinnt. Das ist viel werth, denn ihr Gatte soll thun, was sie will, und ein Euläus kann, wenn die Fürstinnen sind wie die anderen Weiber, welche ich kenne, der Kleopatra nicht sonderlich schätzenswerth erscheinen.«

»Und wenn auch,« unterbrach Publius den Klausner mit glühenden Wangen, »ich würde ihn dennoch zu Falle bringen, denn ein Mann wie Philotas darf nicht untergehen und seine Sache soll fortan meine eigene werden. Hier hast Du meine Hand, und wenn es mich freut, von edlen Ahnen zu stammen, so ist es sonderlich deßwegen, weil eines Corneliers Versprechen nicht weniger gilt, als eines andern Menschen vollbrachte That.«

Der Klausner schüttelte dem Jüngling die Rechte, nickte ihm liebreich zu und dabei strahlten seine Augen vor freudiger Rührung in feuchtem Glanz.

Hastig wandte er dann dem Römer den Rücken und erschien bald wieder mit einer umfangreichen Papyrusrolle in der Hand.

»Nimm das,« sagte er, indem er sie dem Römer reichte. »Ich habe Alles, was ich Dir vorhin erzählte, der Wahrheit gemäß mit eigener Hand aufgezeichnet, und zwar in Form einer Bittschrift. 71Dergleichen Dinge, das weiß ich, werden bei Hof nur ordnungsmäßig zu Ende geführt, wenn man sie schriftlich behandelt. Ist die Königin geneigt, Dir den Wunsch zu erfüllen, so übergib ihr diese Rolle und bitte sie um einen Begnadigungsbrief. Kannst Du das erwirken, dann ist Alles gewonnen.«

Publius nahm die Rolle, reichte dem Klausner noch einmal die Hand und dieser rief, sich selbst vergessend, mit lauter Stimme:

»Die Götter mögen Dich segnen und durch Dich den edelsten Mann von seinen Leiden erlösen. Schon hatt' ich zu hoffen aufgehört, aber wenn Du uns beistehst, so ist noch nicht Alles verloren.«

 

 


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