Georg Ebers
Homo sum
Georg Ebers

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Drittes Kapitel.

Hermas war ohne Aufenthalt fortgeeilt.

Schon stand er an der letzten Biegung des Schluchtenwegs, dem er gefolgt war, und sah zu seinen Füßen im langgestreckten Thale das blanke Wasser des Baches, welcher hier den Boden der Wüste befruchtete, und die hochstämmigen Palmen und Tamariskensträucher ohne Zahl, zwischen denen sich die von kleinen Gärten und sorgsam bewässerten Aeckerchen umgebenen Häuser der Oasenbewohner erhoben.

Schon vernahm er den Schrei eines Hahns und gastliches Hundegebell, das für ihn, den Tag und Nacht das tiefe Schweigen der Einsamkeit auf felsiger Höhe zu umgeben pflegte, wie ein Gruß aus der Mitte des Lebens klang, nach dem er sich sehnte.

Er hemmte den Fuß und folgte mit den Augen den dünnen Rauchsäulen, die zitternd im hellen Glanze der höher und höher steigenden Sonne von den zahlreichen Herden unter ihm aufstiegen.

»Da kochen jetzt,« dachte er, »die Weiber für ihre Männer, die Mütter für die Kinder das Frühmahl, und dort, wo der dunkle Rauch sich erhebt, wird vielleicht ein stattlicher Schmaus für Gäste gerüstet; aber ich bin nirgends zu Hause und mich ladet Niemand.«

Der Wettkampf mit Paulus hatte ihn erregt und ermuntert; aber der Anblick der Stadt füllte sein junges Herz mit erneuter Bitterkeit, und seine Lippen zuckten, als er auf den Schafpelz und seine ungesäuberten Glieder sah.

Rasch entschlossen wandte er der Oase den Rücken und eilte den Berg hinan.

Bei einer nur ihm bekannten Quelle warf er sein rauhes Kleid von sich, ließ sich von dem kühlen Wasser überströmen, wusch sich sorgsam und mit Wohlbehagen, strählte mit den Fingern das dichte Haar und jagte dann wiederum zu Thale.

Die Schlucht, der er folgte, mündete bei einem Hügel, der sich aus der Ebene erhob, und an dessen östlichem Abhang sich ein neuerbautes Kirchlein lehnte, während er sonst auf allen Seiten Mauern und Wälle trug, hinter denen die Bürger des Ortes Schutz fanden, wenn räuberische Sarazenen die Oase bedrohten.

Dieser Hügel galt für eine besonders heilige Stätte, denn auf seiner Spitze sollte Moses in der Amalekiterschlacht gebetet haben, während Aaron und Hur seine hoch erhobenen Arme stützten.

Aber es gab noch andere ehrwürdige Plätze in der Nachbarschaft der Oase.

Da war, weiter nach Norden hin, der Felsen, aus dem Moses den Quell erweckt hatte, dort mehr südöstlich und höher aufwärts der Hügel des Zwiegesprächs des Herrn mit dem Gesetzgeber und des brennenden Busches, dort der Brunnen, an dem der Letztere den Töchtern Jethro's, Zippora und Ledja nennt sie die Legende, begegnet war.

Fromme Pilger wanderten in großer Zahl zu diesen heiligen Stätten, und unter ihnen viele Eingeborene der Halbinsel und namentlich Nabatäer, die früher den heiligen Berg besucht hatten, um auf seiner Spitze ihren Göttern: der Sonne, dem Mond und den Planeten, zu opfern.

Am Eingang von Norden her erhob sich ein Kastell, in welchem, seitdem unter Trajan der syrische Präfekt Cornelius Palma das peträische Arabien unterworfen hatte, eine kaiserliche Besatzung lag, welche die blühende Wüstenstadt vor den Einfällen der räuberischen Sarazenen und Blemmyer beschützen sollte.

Aber auch die pharanitischen Bürger selbst hatten für die Sicherung ihres Besitzes Vorkehrungen getroffen.

Auf der obersten Klippe der Zackenkrone des Bergriesen, dem höchsten Luginsland weit und breit, unterhielten sie Wächter, die Tag und Nacht in die Ferne blickten, um bei nahender Gefahr ein Warnungszeichen zu geben.

Jedes Haus in der Oasenstadt glich einer Burg, denn es bestand aus festem Stein, und wohlgeübt im Bogenschießen war ihre junge Mannschaft.

In der Nähe des Kirchenhügels wohnten die vornehmsten Familien und standen die Häuser des Bischofs Agapitus und der Rathsherren von Pharan.

Unter diesen erfreute sich der Senator Petrus des höchsten Ansehens, theils wegen seiner ernsten Tüchtigkeit und seines Besitzes an Steinbrüchen, Gartenland, Dattelpalmen und Vieh, theils in Folge der seltenen Eigenschaften seiner Ehefrau, der Diakonissin Dorothea, der Enkelin des längst verstorbenen würdigen Bischofs Chäremon, welcher mit seiner Gattin während der Christenverfolgungen unter Decius hieher geflohen war und viele Pharaniten zur Lehre des Heilands bekehrt hatte.

Fest und wohlgefügt war das steinerne Haus des Petrus, sorgfältig gepflegt der Palmengarten neben demselben.

Zwanzig Sklaven, viele Kameele und selbst zwei Rosse gehörten zu seinem Anwesen, und als Miethsmann wohnte der die kaiserliche Besatzung kommandirende Centurio, der Gallier Phöbicius mit seinem Weibe Sirona, unter seinem Dache; nicht eben zu des Rathsherrn Freude, denn der Centurio war kein Christ, sondern ein Anbeter des Mithras, bei dessen Mysterien der wilde Gallier den Grad eines »Löwen« erstiegen hatte. Darum pflegten ihn seine Leute und mit ihnen die Pharaniten »den Löwen« zu nennen.

Sein Vorgänger war ein Offizier in weit niedrigerer Stellung, aber ein gläubiger Christ gewesen, den Petrus selbst in sein Haus zu ziehen aufgefordert hatte. Als dann vor einem Jahr der Löwe Phöbicius den frommen Pankratius ablöste, konnte ihm der Senator das freigewordene Quartier nicht weigern.

Scheu und zaghaft näherte sich Hermas dem Gehöft des Petrus, und seine Befangenheit wuchs, als er im Vorsaal des stattlichen Steinhauses, das er ungehindert betreten hatte, nicht wußte, wohin sich wenden.

Niemand war da, der ihn zurecht gewiesen hätte, und er wagte es nicht, die in das obere Stockwerk führende Treppe zu ersteigen, obgleich sich Petrus dort aufzuhalten schien. Kein Zweifel! denn nun hörte er über sich reden und unterschied deutlich die tiefe Stimme des Senators.

Ihr schritt Hermas entgegen und setzte den Fuß auf die erste Stufe der Treppe; doch als er, beschämt über seine Zaghaftigkeit, kaum begonnen hatte, entschlossener aufwärts zu steigen, hörte er dicht über sich eine Thür aufspringen, und aus ihr ergoß sich wie ein gestauter Bach, dem der Müller die Schleusen öffnet, eine Flut von hellen, lachenden Kinderstimmen.

Ueberrascht blickte er aufwärts, aber es blieb ihm zum Ueberlegen keine Zeit, denn schon hatte die losgelassene jubelnde Schaar die Treppe erreicht.

Allen voran eilte eine wunderschöne junge Frau mit goldblonden Haaren, die mit heller Stimme lachte und eine buntgekleidete Puppe hoch in die Höhe hielt.

Sie bewegte sich rückwärts der Treppe entgegen und wandte ihr weißes, jetzt von Lust und Uebermuth strahlendes Antlitz den Kindern zu, die, leidenschaftlich erfüllt von Verlangen, halb fordernd, halb bittend, halb lachend, halb weinend durcheinander riefen: »Laß sie uns, Sirona!« »Nimm sie nicht wieder fort, Sirona!« »Bleibe doch hier, Sirona!« »Sirona!« und wieder »Sirona!«

Ein liebliches sechsjähriges Mädchen strebte zu ihr hinan, um den schneeweißen, vollen Arm, der das Spielzeug hielt, zu erreichen; drei kleinere Kinder, die sich an ihre Kniee zu schmiegen versuchten, wies sie mit der frei gebliebenen linken Hand munter zurück und rief, immer rückwärts schreitend:

»Nein, nein, ihr bekommt sie nicht, bevor sie ihr neues Gewand hat; es soll lang sein und bunt wie die Kleider des Kaisers. Laß mich los, Cäcilie, sonst fällst Du hinunter wie neulich der wilde Nikon.«

Sie hatte bei diesen Worten die Stufen erreicht, wandte sich rasch um und verschloß mit vorgesteckten Armen den Zugang zu der schmalen Treppe, auf der Hermas stand und mit offenem Mund dem heitern Schauspiel zu seinen Häupten folgte.

Als Sirona sich abwärts zu eilen anschickte, bemerkte sie ihn und erschrak. Doch als sie sah, daß der Anachoret vor lauter Verlegenheit kein Wort fand, um auf ihre Frage nach seinem Begehr zu antworten, lachte sie von Neuem lustig auf und rief hinunter:

»Komm nur, wir thun Dir nichts; nicht wahr, ihr Kinder?«

Indessen hatte Hermas den Muth gefunden, seinem Wunsch, den Senator zu sprechen, Ausdruck zu geben, und die Gallierin, welche seine kräftige Jünglingsgestalt mit Wohlgefallen betrachtete, bot ihm an, ihn zu ihm zu führen.

Petrus verhandelte während dieser Vorgänge mit seinen erwachsenen ältesten Söhnen.

Diese waren stattliche Männer; ihr Vater aber war größer als sie und dabei von ungewöhnlicher Schulterbreite.

Während die Jünglinge sprachen, strich er den kurzen grauen Vollbart und blickte zu Boden, finstern Ernstes, wie es dem flüchtigen Beobachter scheinen mochte; aber wer näher hinsah, der bemerkte bald, daß nicht selten ein zufriedenes, ebenso häufig freilich ein herbes Lächeln die Lippen dieses klugen, tüchtigen Mannes umspielte.

Er war einer von Denen, die mit ihren Kindern wie eine junge Mutter zu spielen und sich fremder Leiden wie ihrer eigenen anzunehmen verstehen, und doch so düster dreinschauen und sich so scharfe Reden zu führen gestatten, daß sie nur Diejenigen nicht verkennen und fürchten, welche völlig mit ihnen vertraut sind. Es zehrte etwas an dieses Mannes Seele, der doch Alles besaß, was zum Glück eines Menschen gehört.

Er war dankbaren Sinnes, und doch blieb ihm bewußt, daß er mehr hätte sein können, als ihm das Schicksal zu leisten und zu sein gestattete. Ein Steinmetz war er geblieben, aber seine Söhne hatten beide in guter Schule zu Alexandria ihre Lehrzeit vollendet.

Der ältere, Antonius, welcher längst auf eigene Hand arbeitete und Weib und Kinder besaß, war ein Baumeister und mechanischer Künstler, der jüngere, Polykarp, ein hochbegabter junger Bildhauer.

Unter des ältesten Leitung war die stattliche Kirche der Oasenstadt erbaut worden; der erst seit einem Monat heimgekehrte Polykarp war Willens, in den Steinbrüchen des Vaters Arbeiten von großem Umfang auszuführen und herstellen zu lassen, denn ihm war der Auftrag geworden, den neuen Vorhof des Sebasteion oder Cäsareum genannten Prachtbaus zu Alexandria mit zwanzig Löwen von Granit auszuschmücken. Mehr als dreißig Künstler hatten sich mit ihm um diese Arbeit beworben; seinen Modellen aber war einstimmig von den sachverständigen Richtern der Preis zuerkannt worden.

Der Baumeister, dem es oblag, die Säulengänge und das Pflaster des Hofes herzustellen, war sein Freund und hatte eingewilligt, die Granitblöcke, Platten und Walzen, deren er bedurfte, aus den Brüchen des Petrus und nicht wie sonst gewöhnlich aus denen von Syene am ersten Katarakt zu beziehen.

Antonius und Polykarp standen jetzt mit ihrem Vater vor einem großen Tisch und erläuterten ihm den Plan, den sie gemeinsam in den dünnen Wachsüberzug einer Holztafel geritzt hatten.

Des jungen Baumeisters Vorschlag ging dahin, eine tiefe, aber schmale Schlucht, die auf einem weiten Umweg von den Lastthieren umgangen werden mußte, zu überbrücken und dadurch den Weg von den Brüchen zum Meer durch eine neu herzustellende Straße um ein Drittel abzukürzen.

Die Kosten dieses Baues ließen sich durch die zu ersparende Arbeitskraft bald einbringen, und das mit voller Sicherheit, wenn man die Transportschiffe nicht, wie dieß bisher geschehen war, leer zurückkommen ließ, sondern in Klysma mit Gewinn bringender Rückfracht aus alexandrinischen Fabriken belastete.

Petrus, der in der Rathsversammlung als Redner zu glänzen verstand, sprach im gewöhnlichen Leben nur wenig.

Bei jedem neuen Vorschlag seines Sohnes erhob er die Augen, als gält' es zu prüfen, ob der junge Mann nicht den Verstand verloren, während die von dem grauen Bart nur halb verborgenen Lippen beifällig schmunzelten. Als Antonius seinen Plan, die den Weg verlegende Schlucht unschädlich zu machen, darzulegen begann, brummte der Senator: »Laß nur den Sklaven Federn wachsen und mach' die schwarzen zu Raben und die weißen zu Möven, dann können sie hinüberfliegen. Was man nicht Alles in der Hauptstadt lernt!«

Sobald das Wort »Brücke« gefallen war, starrte er die jungen Künstler an und sagte: »Es fragt sich nur, ob uns der Himmel einen Regenbogen leiht.«

Als ihm dann aber Polykarp vorschlug, durch seine alexandrinischen Freunde einige Cedernbalken aus Syrien kommen zu lassen, und sein ältester Sohn ihm die Zeichnung des Bogens erklärte, mit dem er die Schlucht fest und sicher zu überwölben versprach, folgte er seinen Worten mit gespannter Aufmerksamkeit. Dabei zog er die Augenbrauen so düster zusammen und schaute so finster drein, als vernähme er den Bericht einer Unthat; doch er ließ ihn völlig ausreden und murmelte anfänglich nur »Kunststücke« oder »ja, wär' ich der Kaiser.«

Endlich stellte er klare und bestimmte Fragen und erhielt sichere und durchdachte Antworten. Antonius belegte durch Zahlen, daß der Verdienst an der einen Lieferung für das Cäsareum mehr als drei Viertel der gesammten Ausgaben decken würde. Dann ergriff Polykarp das Wort und versicherte, daß der Granit des heiligen Berges schöner sei an Masse und Farbe, als der von Syene.

»Wir arbeiten hier billiger als am Katarakt,« unterbrach ihn Antonius. »Der Transport der Blöcke wird, wenn wir die Brücke und den Weg an die See haben, und wir den in wenigen Monaten wiederum schiffbaren Trajansfluß, der das rothe Meer mit dem Nil verbindet, benützen, nicht zu theuer zu stehen kommen.«

»Und wenn meine Löwen gelingen,« sagte Polykarp, »und Zenodot mit unserem Stein und unserer Arbeit zufrieden ist, so kann es leicht kommen, daß wir Syene überflügeln und man uns einen Theil der ungeheuren Bestellungen zuwendet, die jetzt von der neuen Residenz des Konstantin aus den Brüchen am Katarakt zufließen.«

»Polykarp hofft nicht zu viel,« fügte Antonius hinzu, »denn mit fieberhaftem Eifer sucht der Kaiser Byzanz zu vergrößern und zu verschönern. Wer ein neues Haus errichtet, dem wird jährlich Getreide geliefert, und um Leute von unserem Schlage, von denen er nicht genug haben kann, anzuziehen, verspricht er den Bildhauern und Baumeistern, ja auch den geschulten Arbeitern gänzliche Steuerfreiheit. Wenn wir hier schon die Blöcke und Säulen genau nach den Zeichnungen fertig stellen, so nehmen sie keinen überflüssigen Raum in den Schiffen ein, und es wird Niemand so billig zu liefern vermögen wie wir.«

»Und auch nicht so gut!« rief Polykarp, »denn Du bist selbst ein Künstler, Vater, und kennst das Gestein wie kein Anderer. Niemals sah ich einen schönern, gleichmäßiger gefärbten Granit als an dem Block, den Du mir für den ersten Löwen aussuchtest. Ich mache ihn hier an Ort und Stelle fertig und ich denke, er wird sich sehen lassen können. Freilich wird er es schwer haben, sich unter den edlen Werken aus der Glanzzeit der Künste, von denen das Cäsareum voll ist, zu behaupten; aber ich werde mein Bestes thun.«

»Die Löwen werden wundervoll,« sagte Antonius und blickte mit Stolz auf den Bruder. »Etwas Aehnliches hat Niemand in den letzten Jahrzehnten geschaffen, und ich kenne meine Alexandriner. Wenn das Meisterwerk aus Stein vom heiligen Berg gelobt wird, so will alle Welt Granit von dort und nur von dorther haben. Es kommt nur darauf an, daß der Transport der Steine zum Meer weniger beschwerlich und kostspielig wird.«

»Versuchen wir es denn,« sagte Petrus, der während dieser Reden seiner Söhne schweigend vor ihnen her auf und nieder gegangen war. »Versuchen wir es denn in Gottes Namen mit dem Brückenbau. Die Straße wollen wir herstellen, wenn die Bürgerschaft sich bereit erklärt, die Hälfte der Kosten zu tragen, sonst nicht; und damit ihr's nur wißt: ihr seid Beide tüchtige Männer geworden!«

Der jüngere Sohn ergriff seine Hand und führte sie in warmer Herzlichkeit an die Lippen.

Petrus strich ihm schnell über die braunen Locken, reichte dann seinem Erstgeborenen die starke Rechte und sagte: »Wir werden die Zahl unserer Sklaven vermehren müssen. Rufe die Mutter, Polykarp.«

Der also Gerufene leistete mit freudiger Eile diesem Auftrag Folge, und als Frau Dorothea, die mit ihrer Tochter Marthana und einigen Sklavinnen am Webstuhle saß, ihn mit glühenden Wangen in das Frauengemach einbrechen sah, erhob sie sich trotz ihrer stattlichen Leibesfülle mit jugendlicher Schnelligkeit und rief Polykarp entgegen:

»Er hat eure Pläne gut geheißen?«

»Den Brückenbau, Mutter, und Alles, Alles!« rief der Jüngling. »Schönern Granit für meine Löwen als den, den der Vater mir aussucht, kann ich nirgends finden, und wie mich das für Antonius freut! Nur mit der Straße werden mir Geduld haben müssen. Er will sogleich mit Dir reden.«

Frau Dorothea wies den Sohn, der ihre Hand ergriffen hatte und sie mit sich fortzuziehen versuchte, mit einer besänftigenden Handbewegung zur Ruhe; aber wie sehr sie die freudige Erregung ihres Lieblings theilte, das zeigten die Thränen, welche in ihre guten Augen gestiegen waren.

»Geduld, Geduld, ich komme ja schon,« sagte sie, indem sie Polykarp die Hand entzog, um ihr Gewand und das graue Haar, das voll und wohlgepflegt ihr immer noch anmuthiges und faltenloses Antlitz umrahmte, zu ordnen. »Ich hab' es vorausgesagt! Wenn ihr dem Vater verständige Dinge vorzuschlagen habt, so wird er euch hören und zu Willen sein, auch ohne meine Vermittlung. In Männerwerk soll sich die Frau nicht mischen. Die Jugend führt straffe Bogen und schießt oft über das Ziel hinaus. Das wäre mir schön, wenn ich aus närrischer Liebe für euch versuchen wollte, die Sirene zu spielen, die dem Steuermann dieses Hauses, dem Vater, den weisen Sinn mit Schmeichelworten bestrickt. Ihr lacht über die graue Sirene? Aber die Liebe übersieht, was die Jahre verderben, und hat ein gutes Gedächtniß für Alles, was einst anmuthig an uns gewesen. Die Männer haben ohnehin nicht immer, wenn es noth thut, Wachs in den Ohren. Kommt nun zum Vater!«

Dorothea ging Polykarp und ihrer Tochter voraus.

Der Erstere hielt seine Schwester an der Hand zurück und fragte sie: »War Sirona nicht bei euch?«

Der Bildhauer wollte ganz unbefangen erscheinen, und dennoch erröthete er bei seiner Frage.

Marthana bemerkte dieß wohl und entgegnete nicht ohne Schelmerei: »Sie hat uns ihr schönes Antlitz gezeigt; aber wichtige Geschäfte riefen sie ab.«

»Sirona?« fragte Polykarp ungläubig.

»Doch, doch!« gab Marthana lachend zurück. »Sie muß für die Puppe der Kinder ein neues Gewand nähen.«

»Warum spottest Du über ihre Güte?« entgegnete Polykarp im Tone des Vorwurfs.

»Wie empfindlich Du bist!« sagte Marthana leise. »Sirona ist freundlich und gut wie ein Engel; aber schau' Du sie lieber etwas weniger an, denn sie gehört nicht zu uns, und so widerwärtig mir auch der gallige Centurio ist, so . . .«

Sie sprach nicht weiter, denn Frau Dorothea war bei der Thür des Wohnzimmers angelangt und schaute sich nach ihren Kindern um.

Petrus empfing seine Gattin nicht weniger ernst wie gewöhnlich, aber aus seinem linken, halb geschlossenen Auge blitzte es schalkhaft, als er sie fragte:

»Du weißt wohl kaum, um was es sich handelt?«

»Wagehälse, Himmelsstürmer seid ihr,« gab sie munter zurück.

»Wenn das Werk mißlingt,« entgegnete Petrus, auf seine Söhne zeigend, »so werden Die da den Schaden länger zu fühlen haben als wir.«

»Aber es wird euch glücken!« rief Dorothea. »Mit einem alten Feldherrn und jungen Soldaten gewinnt man die Schlachten.«

Frisch und freimüthig hielt sie ihrem Gatten die kleine, fleischige Hand hin. Dieser schlug freudig ein und sagte:

»Ich denke, ich bringe die Anlage der Straße im Senate durch. Für unsern Brückenbau gilt es noch Hülfsvölker zu werben, und dazu brauchen wir Dich, Dorothea. Unsere Sklaven werden nicht reichen.«

»Warte,« unterbrach ihn lebhaft die Hausfrau, trat an das Fenster und rief: »Jethro, Jethro!«

Der also Gerufene, der alte Schaffner des Hauses, erschien, und Dorothea begann mit ihm zu besprechen, wer von den Oasenbewohnern geneigt sein würde, ihnen tüchtige Leute abzulassen, und ob es nicht thunlich sei, den einen oder andern von den Haussklaven bei dem Bau zu beschäftigen.

Was sie sagte, war klug und bestimmt und zeigte, daß sie ihren Hausstand bis in's Einzelne überblicke und hier völlig unbeschränkt zu gebieten gewohnt sei.

»Der lange Anubis,« schloß sie, »ist doch wohl im Stalle entbehrlich?«

Der Hausverwalter, welcher bis dahin kurz und verständig geredet hatte, zauderte jetzt mit der Antwort. Dabei schaute er auf Petrus, der, in den Bauplan vertieft, ihm den Rücken wandte, mit einem Blick und einer Handbewegung, welche deutlich zu erkennen gaben, daß er etwas zu sagen habe, sich aber in Gegenwart des Herrn zu reden scheue.

Frau Dorothea begriff schnell und verstand auch jetzt Jethro's Meinung; aber gerade deßwegen sagte sie mehr erstaunt als unwillig: »Was soll das Blinzeln? Was ich wissen darf, kann auch Petrus hören.«

Der Senator wandte sich und maß den Verwalter von unten nach oben mit einem so finstern Blicke, daß er zurücktrat und schnell zu reden begann.

Aber er ward durch das Kindergeschrei auf der Stiege und die Gallierin Sirona unterbrochen, welche Hermas dem Senator zuführte und lachend sagte: »Diesen großen Burschen habe ich von der Treppe gelesen, wo er Dich suchte.«

Petrus maß den Jüngling nicht eben freundlich und fragte: »Wer bist Du? Was bringst Du?«

Hermas rang vergeblich nach Worten, denn die Gegenwart so vieler Menschen, unter denen sich drei Frauen befanden, erfüllte ihn mit großer Verlegenheit.

Seine Finger drehten die wolligen Locken an seinem Schaffelle und seine Lippen bewegten sich lautlos. Endlich gelang es ihm, stammelnd zusagen: »Ich bin des alten Stephanus Sohn, der bei dem letzten Ueberfall der Sarazenen die Wunde davontrug. Mein Vater hat schon fünf Nächte lang wenig geschlafen, und nun schickt mich Paulus zu Dir, der fromme Paulus von Alexandria, Du weißt doch, – damit ich . . .«

»So, so,« unterbrach ihn Petrus mit ermuthigender Freundlichkeit. »Du willst eine Arznei für den Alten. Sieh nur, Dorothea, was aus dem kleinen Burschen, den der Antiochener mit auf den Berg schleppte, für ein stattlicher Gesell geworden.«

Hermas erröthete und richtete sich gerade auf.

Dabei bemerkte er mit großer Befriedigung, daß er größer sei als die Söhne des Senators, welche ungefähr gleichaltrig mit ihm waren, und gegen die er doch ein der Abneigung verwandtes Gefühl und mehr Scheu empfand, als selbst vor ihrem strengen Vater.

Polykarp maß ihn mit den Blicken und sagte laut zu der Gallierin, mit welcher er eben einen Gruß gewechselt und von der er seit ihrem Eintritt in das Gemach kein Auge verwandt hatte: »Wenn wir zwanzig Sklaven mit solchen Schultern bekommen könnten, dann kämen wir vorwärts. Es gibt hier zu thun, großer Bursch . . .«

»Ich heiße nicht ›Bursch‹, sondern Hermas,« sagte der Anachoret, und die Adern an der Stirn begannen ihm zu schwellen.

Polykarp, der wohl einige alte Anachoreten gesehen hatte, die auf dem heiligen Berge ein beschauliches Büßerleben führten, dem es aber nicht in den Sinn gekommen war, daß auch ein kräftiger Jüngling zu den Einsiedlern gehöre, fühlte, daß der Gast seines Vaters mehr sei, als seine ärmliche Kleidung vermuthen ließ, und daß er ihn gekränkt habe. Darum sagte er begütigend:

»Also Hermas heißt Du? Wir rühren hier Alle die Hände, und Arbeit ist keine Schande. Was ist denn Dein Handwerk?«

Diese Frage erregte den jungen Anachoreten auf's Tiefste, und Frau Dorothea, die wohl bemerkte, was in ihm vorging, sagte schnell gefaßt: »Er pflegt seinen kranken Vater. Nicht wahr, mein Sohn, das thust Du? Petrus wird euch seine Hülfe nicht versagen.«

»Gewiß nicht,« fiel der Senator ein. »Ich begleite Dich später zu ihm. Daß ihr's wißt, Kinder, dieses Jünglings Vater war ein großer Herr, der reichem Besitz entsagte, um die Welt, in der er viel Bitteres erfahren, zu vergessen und Gott in seiner Weise zu dienen, die wir achten sollen, wenn sie auch nicht die unsere ist. Laß Dich dort nieder, mein Sohn. Erst haben wir ein wichtiges Geschäft zu beenden, dann will ich Dir folgen.«

»Wir wohnen hoch oben auf dem Berge,« stammelte Hermas.

»Um so reiner wird dort die Luft sein,« entgegnete der Senator. »Aber halt! Vielleicht ist der Alte allein . . . Nicht? Der fromme Paulus, sagst Du, sei bei ihm? Dann ist er in guten Händen, und Du magst warten.«

Einen Augenblick blieb Petrus sinnend stehen; dann winkte er seinen Söhnen und sagte: »Antonius, geh' nun sogleich und sieh' Dich nach Sklaven um; Du, Polykarp, nach tüchtigen Lastthieren. Du nimmst es sonst leicht mit dem Geld, aber hier gilt es, nach den äußersten Preisen zu fragen. Je eher ihr mit Auskunft zurückkehrt, desto besser. Dem Entschluß soll die That nicht nachhinken, sondern rüstig und schnell folgen wie dem Hammerschlage der Schall. Du, Marthana, mische den braunen Fiebertrank und lege mir Binden zurecht. Da hast Du den Schlüssel.«

»Ich will ihr helfen,« rief Sirona, die sich gerne nützlich erwies. Der kranke Einsiedler that ihr aufrichtig leid, und Hermas erschien ihr außerdem wie ein von ihr entdecktes Etwas, dem sie doch unwillkürlich mehr Beachtung zollte, seitdem sie wußte, daß er eines vornehmen Mannes Sohn sei.

Während die junge Frau und das Mädchen bei dem Arzneischrank thätig waren, verließen Antonius und Polykarp das Gemach.

Der Letztere hatte schon die Schwelle betreten, als er sich noch einmal umwandte und einen langen Blick aus Sirona warf. Dann trat er mit einer raschen Bewegung zurück, schloß die Thür und stieg mit einem schweren Seufzer die Treppe hinunter.

Sobald sich seine Söhne entfernt hatten, wandte sich Petrus wieder dem Hausverwalter zu und fragte:

»Was ist's mit dem Sklaven Anubis?«

»Er ist . . .« entgegnete Jethro. »Er ist verwundet worden und wird in den nächsten Tagen nicht brauchbar sein. Die Ziegenhirtin Mirjam, die wilde Katze, hat ihm mit der Sichel die Stirn zerschlagen.«

»Das erfahr' ich jetzt erst?« rief Frau Dorothea vorwurfsvoll. »Was geschah mit der Dirne?«

»Wir haben sie in die Heukammer gesperrt,« antwortete Jethro, »und da tobt und rast sie.«

Die Hausfrau schüttelte mißbilligend den Kopf und sagte: »So wird man das Mädchen nicht bessern. Geh' jetzt und führe sie zu mir.«

Sobald der Schaffner das Gemach verlassen hatte, wandte sie sich an den Gatten und rief:

»Man könnte irre werden an diesen Armen, wenn man sieht, wie sie gegen einander verfahren. Tausend mal hab' ich's gesehen! Kein Urtheil fällt so hart aus, als wenn der Sklav' den Sklaven richtet!«

Jethro und eine Magd führten Mirjam in das Gemach.

Die Hände des Mädchens waren mit groben Stricken gebunden, und in dem schwarzen, wirren Haar und an ihrem Kleide hing getrocknetes Gras.

Eine düstere Glut brannte ihr in den Augen, und wie im Veitstanze zuckten die Muskeln in ihrem Antlitz.

Als Dorothea sie ansah, richtete sie sich trotzig in die Höhe und schaute sich im Gemach um, als mustere sie ihre Feinde.

Da bemerkte sie Hermas.

Das Blut wich ihr aus den Lippen; mit einem heftigen Ruck riß sie die kleinen Hände aus der sie fesselnden Schlinge, schlug sie vor das Antlitz und wandte sich fliehend der Thüre zu. Aber Jethro stellte sich ihr in den Weg und faßte mit hartem Griff ihre Schulter.

Mirjam schrie laut auf, und die Tochter des Senators, welche die Arzneiflaschen aus der Hand gestellt hatte und jeder ihrer Bewegungen mit Theilnahme gefolgt war, eilte jetzt auf die Hirtin zu, stieß die Hand des Alten, der sie noch immer festhielt, zurück und sagte: »Fürchte Dich nicht, Mirjam. Was Du auch gethan hast, der Vater kann Alles vergeben.«

Diese Worte klangen liebreich und schwesterlich-innig, und die Hirtin folgte Marthana widerstandslos zu dem Tische, auf dem die Baupläne lagen, und blieb dort neben ihr stehen.

Minutenlang schwiegen Alle.

Endlich trat Frau Dorothea der Hirtin näher und fragte: »Was ist Dir geschehen, armes Kind, daß Du Dich so vergessen mochtest?«

Mirjam wußte nicht, wie ihr geschah.

Auf harte Scheltreden und Schläge, ja auf Ketten und Bande war sie gefaßt gewesen, und nun diese milden Worte, diese freundlichen Blicke! Gelähmt war ihr Trotz, ihre Augen begegneten dem gütigen Blick ihrer Herrin, und leise sagte sie:

»Er hat mich schon lange verfolgt und wollte mich von euch zum Weibe erbitten; aber widrig ist er mir und verhaßt wie all' euere Sklaven.«

Bei den letzten Worten gewannen ihre Augen den wilden Glanz zurück, und mit dem ihr eigenen Feuer fuhr sie fort:

»Ich möchte wohl, ich hätte mit einem Stock statt mit der Sichel geschlagen; aber ich nahm, was mir gerade zur Hand war, um mich zu wehren. Ich kann's nicht ertragen, wenn ein Mann mich berührt; es ist mir abscheulich und gräßlich. Gestern nun kam ich später als sonst wohl heim mit den Thieren, und als ich die Ziegen gemolken und mein Lager aufsuchte, schlief schon Alles im Hause. Da vertrat mir Anubis den Weg und schwatzte von Liebe. Ich wies ihn zurück; er aber faßte mich an und griff mir mit der Hand hieher an den Kopf und wollte mich küssen. Da schoß mir das Blut in die Augen, ich griff nach der Sichel, die neben mir hing, und erst als er brüllend am Boden lag, sah ich, daß ich ein Unrecht begangen. Wie das gekommen, kann ich nicht sagen. Es steckt etwas in mir, etwas, – wie soll ich es nennen? – das mich treibt, wie der Wind die Blätter, und ich kann es nicht hindern! Das Beste wär', ihr ließet mich sterben, dann wäret ihr auf einmal sicher vor meiner Bosheit, und Alles würde vorbei sein.«

»Wie magst Du so reden?« unterbrach sie Marthana. »Du bist wild und unbändig, aber nicht böse.«

»Frage nur Den da!« rief die Hirtin und zeigte mit flammenden Augen auf Hermas, der seinerseits verlegen zu Boden schaute.

Der Senator wechselte mit seinem Weibe einen raschen Blick. Sie waren gewohnt, einander auch ohne Worte zu verstehen, und Frau Dorothea sagte:

»Wer da fühlt, daß er nicht ist, wie er sein soll, der ist schon auf dem Wege zum Guten. Wir ließen Dich bei den Ziegen, weil Du immer den Heerden nachliefst und keine Ruhe im Hause fandest. Vor dem Frühdienst ziehst Du auf den Berg und erst nach dem Abendmahl kehrst Du heim. Für Dein besseres Theil sorgt Niemand. Die Hälfte Deiner Schuld fällt auf uns zurück, und wir haben kein Recht, Dich zu strafen. Du brauchst nicht zu staunen. Jeder kann fehlen, und Petrus und ich sind Menschen wie Du, nichts mehr und nichts minder; aber Christen sind wir und haben die Pflicht, die Seelen Derer zu hüten, die Gott uns anvertraute, sei es als Kinder, sei es als Sklaven. Du ziehst nicht mehr auf den Berg, Du bleibst bei uns im Hause. Deine schnelle That will ich gern vergeben, wenn Petrus Dich nicht zu strafen begehrt.«

Der Senator bewegte ernst verneinend das Haupt, und Dorothea richtete an Jethro die Frage:

»Ist Anubis schwer verwundet, und bedarf er der Pflege?«

»Er liegt im Fieber und redet irre,« lautete die Antwort. »Die alte Praxinoa kühlt seine Wunde mit Wasser.«

»So wird Mirjam,« befahl Dorothea, »ihre Stelle einnehmen und den Schaden gut zu machen suchen, den sie angerichtet hat. Die Hälfte Deiner Schuld ist getilgt, Mädchen, wenn Anubis unter Deinen Händen gesund wird. Ich komme nachher mit Marthana und zeige Dir, wie man Umschläge macht.«

Die Hirtin schaute zu Boden und ließ sich willenlos zu dem Kranken führen.

Indessen hatte Marthana den braunen Trank bereitet.

Petrus ließ sich Stab und Filzhut reichen, übergab Hermas die Arznei und forderte ihn auf, ihm zu folgen.

Sirona blickte den Beiden nach und rief: »Schade um den stattlichen Burschen! Dem stünde ein Purpurrock auch besser als das elende Schaffell.«

Die Hausfrau zuckte die Achseln, winkte ihrer Tochter und sagte: »Komm' an die Arbeit, Marthana, die Sonne steht schon hoch. Wie die Tage verfliegen! Je älter man wird, desto schneller entrinnen die Stunden!«

»Dann muß ich sehr jung sein,« unterbrach sie die Gallierin, »denn mir schleicht die Zeit in dieser Einöde entsetzlich langsam dahin. Ein Tag ist wie der andere, und oft ist es mir, als stünde das Leben völlig still und mit ihm mein Herzschlag. Was wär' ich ohne Dein Haus und die Kinder! Immer derselbe Berg und dieselben Palmen und dieselben Gesichter.«

»Aber der Berg ist erhaben, und die Bäume sind schön, und wenn man die Menschen liebt, die uns täglich begegnen,« antwortete Dorothea, »so kann man auch hier zufrieden sein. Wir wenigstens sind es, soweit es die Noth des Lebens zuläßt. Ich sagt' es Dir oft: es fehlt Dir an Arbeit!«

»Arbeit? Für wen denn?« fragte Sirona. »Ja, wenn ich Kinder hätte wie Du! In Rom war ich auch nicht glücklich, gewiß nicht; aber es gab doch zu thun und zu denken. Hier ein Aufzug, da ein Schauspiel; aber hier! Für wen soll man sich putzen? Mein Goldschmuck wird blind im Kasten, und meine guten Kleider fressen die Motten. Aus dem bunten Mantel nähe ich jetzt Puppenröcke für eure Kleinen. Wenn mich ein Dämon in einen Igel oder eine graue Eule verwandelte, es könnte mir gleich sein!«

»Versündige Dich nicht,« sagte Dorothea ernst und blickte mit Wohlgefallen auf das Goldhaar und in das wunderschöne, freundliche Gesicht der jungen Frau. »Es sollte Dich freuen, Dich für Deinen Gatten zu schmücken!«

»Für ihn?« fragte Sirona wegwerfend. »Er sieht mich nicht an, und wenn er es thut, so geschieht es, um mich zu kränken. Mich wundert immer, daß ich noch fröhlich sein kann. Ich bin es auch nur in Deinem Hause, und auch dort bloß, wenn ich nicht an ihn denke.«

»Ich mag solche Worte nicht hören, durchaus nicht,« unterbrach Dorothea sie streng. »Nimm das Linnen und Kühlwasser, Marthana, wir wollen dem Anubis die Wunde verbinden.«


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