Alexander Dumas
Das Halsband der Königin - 1
Alexander Dumas

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XIV.

Meister Fingret.

Das Alles ist es, was die Augen und folglich die Einbildungskraft der wenig Begüterten in den Magazinen des Meisters Fingret auf der Place Royale verführte.

Lauter Waaren, die nicht ganz neu waren, wie es der Schild redlich sagte, die aber vereinigt einander Werth gaben und am Ende eine viel beträchtlichere Gesammtsumme darstellten, als die hochmüthigsten Schacherer verlangt haben würden.

Frau von La Mothe bemerkte erst, als sie zur Betrachtung aller dieser Reichthümer zugelassen war, was ihr in der Rue Saint-Claude fehlte.

Es fehlte ihr ein Salon, um Sophas, Fauteuils und Bergères zu enthalten.

Ein Speisezimmer, um Schränke, Etagèren und Anrichtetisch aufzunehmen.

Ein Boudoir für die Zitzvorhänge, die Nipptische und die Feuerschirme.

Was ihr, wenn sie Salon, Speisezimmer und Boudoir hatte, noch fehlte, das war das Geld, um die Möbel zu bekommen, die sie in diese neue Wohnung stellen sollte.

Doch mit den Tapezierern von Paris ist jederzeit leicht eine Uebereinkunft zu treffen gewesen, und wir haben nie sagen hören, eine hübsche junge Frau sei auf der Schwelle einer Thüre gestorben, die sie sich nicht habe öffnen lassen können.

In Paris miethet man, was man nicht kauft, und die Möbelvermiether sind es, die das Sprüchwort: »Sehen ist haben,« in Umlauf brachten.

In der Hoffnung auf eine mögliche Miethe warf Frau von La Mothe, nachdem sie Maße genommen, ihr Auge auf ein Möbel von goldgelber Seide, das ihr beim ersten Anblick gefiel.

Um Alles zu ordnen, müßte man den dritten Stock, bestehend aus einem Vorzimmer, einem Speisezimmer, einem kleinen Salon und einem Schlafzimmer miethen.

So daß man im dritten Stock die Almosen der Cardinäle und im vierten die der Unterstützungsanstalten in Empfang nehmen würde, das heißt im Luxus die der Leute, welche Wohlthätigkeit aus Prahlerei üben, in der Armuth die Geschenke der mit Vorurtheilen Behafteten, die nicht gerne denjenigen geben, für welche der Empfang kein Bedürfniß ist.

Nachdem die Gräfin so ihren Entschluß gefaßt, wandte sie ihre Augen nach der dunklen Seite der Remise, nämlich nach derjenigen, wo sich die Reichthümer am glänzendsten boten, nach der Seite der Krystalle, der Goldrahmen, der Spiegel.

Sie sah hier, mit ungeduldiger Miene und etwas unverschämtem Lächeln, mit der Mütze in der Hand, einen Pariser Bürgersmann, der auf den an einander gedrückten Nägeln seiner beiden Zeigefinger einen Schlüssel herumschnellen ließ.

Dieser würdige Aufseher der Gelegenheitswaaren war kein Anderer, als Herr Fingret, dem seine Commis den Besuch einer schönen Dame gemeldet hatten.

Man konnte im Hofe dieselben Commis sehen, kurz und eng in Bure und Camelot gekleidet, ihre kleinen Waden in etwas grellen Strümpfen. Sie waren beschäftigt, mit den älteren Möbeln die minder alten zu restauriren, oder besser gesagt, Sophas, Lehnstühle und antike Polster zu plündern und das Roßhaar und die Federn herauszuziehen, die zum Ausstopfen ihrer Nachfolger dienen sollten.

Der Eine krämpelte das Roßhaar, vermengte es großmüthig mit Werg und stopfte ein neues Geräthe damit voll.

Der Andere bauchte gute Fauteuils.

Der Dritte bügelte mit aromatischen Wassern gereinigte Stoffe aus.

Und mit diesen alten Ingredienzien richtete man die so schönen Möbel zurecht, welche Frau von La Mothe in diesem Augenblick bewunderte.

Da Herr Fingret bemerkte, daß seine Kundin die Operationen seiner Commis sehen und die Gelegenheit in einem minder günstigen Lichte anschauen konnte, als es für seine Interessen ersprießlich war, so schloß er eine Glasthüre, die nach dem Hofe ging, aus Furcht, wie er sagte, der Staub könnte blendend sein für Madame...

Bei diesem »Madame« hielt er inne.

Es war dieß eine Frage.

»Die Frau Gräfin von La Mothe Valois,« erwiderte Jeanne nachläßig.

Bei diesem wohlklingenden Titel sah man nun Herrn Fingret seine Finger lösen, den Schlüssel in die Tasche stecken und sich der Gräfin nähern.

»Oh!« sprach er, »es ist nichts hier, was für Madame taugt. Ich habe Neues, Schönes, Prächtiges! Die Frau Gräfin darf nicht denken, weil es auf der Place Royale ist, habe das Haus von Meister Fingret nicht eben so schöne Möbel als der Tapezierer des Königs. Wollen Sie gefälligst dieß Alles lassen, Madame, und sehen wir im andern Magazin nach.«

Jeanne erröthete.

Alles, was sie hier gesehen, kam ihr sehr schön vor, so schön, daß sie nicht einmal hoffen durfte, es kaufen zu können.

Ohne Zweifel geschmeichelt, daß sie von Herrn Fingret so gut beurtheilt wurde, konnte sie sich der Furcht nicht erwehren, er beurtheile sie zu gut.

Sie verwünschte ihren Stolz und bereute, daß sie sich nicht als einfache Bürgersfrau angekündigt hatte.

Doch aus jeder schlimmen Lage zieht sich ein gewandter Geist mit Vortheil heraus.

»Nichts Neues, mein Herr,« sagte sie, »ich will nichts Neues haben.«

»Madame will ohne Zweifel eine Wohnung für Freunde möbliren?«

»Ganz richtig, eine Wohnung für Freunde, und Sie begreifen, daß für eine solche Wohnung...«

»Vortrefflich, Madame wähle,« erwiderte Fingret, schlau wie ein Handelsmann von Paris, welcher seine Eitelkeit nicht darein setzt, daß er eher Altes als Neues verkauft, wenn er aus dem Einen so viel gewinnen kann, als aus dem Andern.

»Dieses kleine goldfarbige Möbel zum Beispiel?« fragte die Gräfin.

»Oh! das ist unbedeutend, es hat nur zehn Stücke.«

»Das Zimmer ist mittelmäßig,« entgegnete die Gräfin.

»Das Möbel ist ganz neu, wie Madame sehen kann.«

»Nun, und eine Gelegenheitswaare?«

»Allerdings,« versetzte Herr Fingret lachend; »doch so wie es ist, ist es achthundert Livres werth.«

Dieser Preis machte die Gräfin beben; wie, sollte sie gestehen, die Erben der Valois begnüge sich mit einem Gelegenheitsmöbel, könne aber die achthundert Livres nicht bezahlen?

Sie entschloß sich zu einer schlechten Laune und rief:

»Es ist nicht vom Kaufen die Rede, mein Herr. Woraus entnehmen Sie, ich wolle dergleichen alten Kram kaufen? Es handelt sich nur um ein Miethen und dabei...«

Fingret machte ein saures Gesicht, denn unmerklich verlor seine Kundin an ihrem Werthe. Es handelte sich nicht mehr um den Verkauf eines neuen Möbels, oder nur eines Gelegenheitsmöbels, sondern bloß um eine Miethe.

»Sie wünschen dieses ganze goldgelbe Möbel zu miethen,« sagte er, »für ein Jahr etwa?«

»Nein, für einen Monat. Ich habe Jemand aus der Provinz zu möbliren.«

»Das macht hundert Livres im Monat,« sagte Meister Fingret.

»Sie scherzen, mein Herr, denn bei dieser Rechnung würde mein Möbel nach Ablauf von acht Monaten mir gehören.«

»Einverstanden, Frau Gräfin.«

»Nun und dann?«

»Wenn es Ihnen gehörte, würde es nicht mehr mir gehören, und folglich hätte ich mich nicht um die Auffrischung und Wiederherstellung zu bekümmern, lauter Dinge, welche Geld kosten.«

Frau von La Mothe dachte nach.

»Hundert Livres,« sagte sie zu sich selbst, »das ist viel; doch man muß die Sache mit Vernunft betrachten: entweder wird das in einem Monat zu theuer sein und dann gebe ich dem Tapezierer die Möbel zurück und lasse ihm eine große Meinung, oder ich kann in einem Monat ein neues Möbel bestellen. Ich gedachte fünf- bis sechshundert Livres aufzuwenden, machen wir die Sache großartig; geben wir hundert Thaler aus.«

»Ich behalte dieses goldfarbige Möbel für einen Salon mit allen ähnlichen Vorhängen,« sprach sie laut.

»Gut, Madame.«

»Und die Teppiche?«

»Hier sind sie.«

»Was werden Sie für ein anderes Zimmer geben?«

»Diese grünen Stühle ohne Lehne, diesen Schrank von Eichenholz, diesen Tisch mit gedrehten Füßen, diese grünen Damastvorhänge.«

»Gut; und für ein Schlafzimmer?«

»Ein breites, schönes Bett, vortreffliches Bettzeug, eine Bettdecke von Sammet, rosa und mit Silber gestickt, blaue Vorhänge, eine etwas gothische, aber reich vergoldete Kamingarnitur.«

»Toilette?«

»Mit Spitzen von Mecheln. Schauen Sie selbst, Madame. Commode von äußerst zarter, eingelegter Arbeit, ein ähnliches Nähtischchen, Sopha mit Stickerei, ebenso die Stühle, eleganter Kamin, kommt aus dem Schlafzimmer der Frau von Pompadour in Choisy.«

»Dieß Alles um welchen Preis?«

»Für einen Monat?«

»Ja.«

»Vierhundert Livres.«

»Ah! Herr Fingret, ich bitte, halten Sie mich nicht für eine Grisette. Man blendet Leute meines Standes nicht mit Lappen. Wollen Sie gefälligst bedenken, daß vierhundert Livres monatlich viertausend achthundert Livres im Jahr ausmachen, und daß ich um diesen Preis ein ganz möblirtes Hotel bekäme.«

Meister Fingret kratzte sich hinter dem Ohr.

»Sie verleiden mir die Place Royale,« fuhr die Gräfin fort.

»Das brächte mich in Verzweiflung.«

»Beweisen Sie es mir. Ich will für dieses ganze Mobiliar nur hundert Thaler geben.«

Jeanne sprach diese letzten Worte mit so viel würdevoller Hoheit, daß der Handelsmann abermals an die Zukunft dachte.

»Es sei, Madame,« sagte er.

»Und zwar unter einer Bedingung.«

»Und welcher, Madame?«

»Daß dieß Alles heute Nachmittag um drei Uhr nach der Wohnung, die ich Ihnen bezeichnen werde, gebracht und in dieser geordnet ist.«

»Es ist zehn Uhr, Madame, bedenken Sie wohl, es schlägt eben zehn Uhr.«

»Ja oder nein.«

»Wohin soll es kommen?«

»Nach der Rue Saint-Claude, im Marais.«

»Gut, gut.«

Der Tapezierer öffnete die Hofthüre und rief: »Sylvain! Lanbry! Rémy!«

Drei von seinen Gehilfen eilten herbei, entzückt, einen Vorwand zu haben, um ihre Arbeit zu unterbrechen, einen Vorwand, um die schöne Dame zu sehen.

»Die Tragbahren, meine Herren, die Handwagen.«

»Rémy, Sie packen das goldgelbe Möbel auf; Sylvain, das Vorzimmer in den Wagen, während Sie, der Sie sehr pünktlich sind, das Schlafzimmer zu besorgen haben.«

»Setzen wir die Rechnung auf und ich unterzeichne den Empfang, Madame, wenn es Ihnen genehm ist.«

»Hier sind sechs Doppellouis und ein einfacher Louisd'or! geben Sie mir heraus.«

»Hier sind zwei Sechs-Livres-Thaler, Madame.«

»Von denen ich einen diesen Herren schenke, wenn das Geschäft beendigt ist.«

Nach diesen Worten reichte sie dem Tapezierer ihre Adresse und kehrte zu dem Schubkarren zurück, auf dem sie gekommen war.

Eine Stunde später hatte sie die Wohnung im dritten Stock gemiethet, und es waren noch nicht zwei Stunden vergangen, als schon der Salon, das Vorzimmer und das Schlafzimmer gleichzeitig möblirt wurden.

Der Sechs-Livres-Thaler war von den Herren Landry, Rémy und Sylvain in zehn Minuten verdient.

Nachdem die Wohnung so verwandelt war, nachdem man die Fensterscheiben gereinigt und die Kamine mit Feuer versehen hatte, begab sich Jeanne an ihre Toilette; sie weidete sich an dem Glück, auf einem guten Teppich zu wandeln, an der warmen Atmosphäre, die von den wattirten Wänden zurückströmte, sie athmete mit Entzücken den Duft einiger Lackviolen ein, welche freudig ihren Stengel in japanesischen Vasen, ihren Kopf in dem lauen Dunst des Zimmers badeten.

Meister Fingret hatte die goldenen Arme nicht vergessen, welche die Kerzen tragen, und auf den beiden Seiten der Spiegel waren die Lichter mit Glasgirandolen angebracht, die unter dem Feuer der Wachslichter in allen Farben des Regenbogens spielen.

Feuer, Blumen, Kerzen, duftende Rosen, Alles wandte Jeanne zur Verschönerung des Paradieses an, das sie für Seine Exzellenz bestimmte.

Sie war sogar dafür besorgt, daß die Thüre des Schlafzimmers, mit absichtlicher Koketterie halb geöffnet, ein schönes, sanftes, rothes Feuer blicken ließ, in dessen Reflexen die Füße des Fauteuils, das Bettgestell und die Feuerböcke der Frau von Pompadour, Köpfe von Chimären, worauf der reizende Fuß der Marquise geruht, glänzten.

Darauf beschränkte sich die Coketterie von Jeanne nicht.

Wenn das Feuer das Innere dieses Zimmers hervorhob, wenn die Wohlgerüche die Frau verriethen, so verrieth die Frau eine Abstammung, eine Schönheit, einen Geist, einen Geschmack, würdig einer Eminenz.

Jeanne behandelte ihre Toilette mit einer Sorgfalt, über die Herr von La Mothe, ihr abwesender Gatte, Rechenschaft von ihr verlangt hätte. Die Frau war würdig der Wohnung und des von Meister Fingret gemietheten Mobiliars.

Nachdem sie ein nur leichtes Mahl eingenommen, um ihre ganze Geistesgegenwart zu besitzen und ihre elegante Blässe zu bewahren, begrub sich Jeanne in einen großen Fauteuil beim Feuer in ihrem Schlafzimmer.

Ein Buch in der Hand, einen Pantoffel auf einem Tabouret, wartete sie, zugleich auf das Picken der Unruhe ihrer Pendeluhr und das entfernte Geräusch der Wagen horchend, welche selten die Ruhe der Einöde des Marais störten.

Sie wartete, die Glocke schlug neun Uhr, zehn Uhr, elf Uhr; Niemand kam, Niemand im Wagen, Niemand zu Fuß.

Elf Uhr! das ist doch die Stunde der galanten Prälaten, die ihren Wohlthätigkeitssinn bei einem Souper im Faubourg geschärft haben und, da sie nur zwanzigmal ihre Räder drehen zu lassen brauchen, sich Beifall spenden, daß sie um einen so wohlfeilen Preis menschenfreundlich und religiös sind.

Es schlug mit düsteren Tönen Mitternacht bei den Filles du Calvaire.

Weder Prälat noch Wagen, die Kerzen fingen an zu erbleichen, einige überströmten in durchsichtigen Lachen ihre Schalen von vergoldetem Kupfer.

Unter Seufzern wieder angefacht, hatte sich das Feuer in Kohlenglut und dann in Asche verwandelt. Es herrschte eine africanische Hitze in den zwei Zimmern.

Die alte Dienerin, die sich aufgeputzt hatte, brummte und beklagte ihre Haube mit den anspruchsvollen Bändern, deren Knoten, die sich mit ihrem Kopfe beugten, wenn sie vor ihrer Kerze im Vorzimmer entschlief, nicht unberührt, sei es von den Beleckungen der Flamme, sei es von den Angriffen des flüssigen Wachses, wieder in die Höhe kamen.

Um halb ein Uhr stand Jeanne ganz wüthend von ihrem Lehnstuhle auf, den sie mehr als hundertmal am Abend verlassen hatte, um das Fenster zu öffnen und ihre Blicke in die Tiefen der Straßen zu tauchen.

Das Quartier war ruhig, wie vor der Erschaffung der Welt.

Sie ließ sich entkleiden, schlug das Abendbrod aus und entließ die Alte, deren Fragen ihr lästig zu werden anfingen.

Und allein, inmitten ihrer seidenen Tapeten, unter ihren schönen Vorhängen, in ihrem vortrefflichen Bett, schlief sie nicht besser, als am Tage vorher, denn am vorhergehenden Tage war ihre Sorglosigkeit glücklicher, sie entsprang aus der Hoffnung.

Doch indem sie sich dem schlimmen Geschick entgegen wandte, indem sie sich gegen dasselbe anstemmte, fand Jeanne eine Entschuldigung für den Cardinal.

Einmal die, daß der Kardinal Großalmosenier sei, daß er tausend Geschäfte habe, welche beunruhigend und folglich viel wichtiger seien als irgend ein Besuch in der Rue Saint-Claude.

Dann eine andere Entschuldigung:

Er kennt die kleine Gräfin von Valois nicht, eine sehr tröstliche Entschuldigung für Jeanne. Oh! gewiß, sie würde sich nicht getröstet haben, hätte Herr von Rohan sein Wort nach einem ersten Besuche gebrochen.

Dieser Grund, den Jeanne sich selbst angab, bedurfte eines Beweises, um ganz gut zu erscheinen.

Jeanne vermochte sich nicht zu bezwingen; sie sprang ganz weiß in ihrem Nachtgewande aus dem Bett, zündete die Kerzen an der Nachtlampe an und betrachtete sich lange im Spiegel.

Nach der Prüfung lächelte sie, blies die Lichter aus und legte sich wieder zu Bette.

Die Entschuldigung war gut.


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