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Geschäftlicher Verkehr

Unter Geschäft versteht man eine gewisse Wechselleistung zwischen zwei oder mehreren Menschen; der Gläubiger leistet den Dienst, der Schuldner zahlt, und die Sache ist ausgeglichen. Auch der geschäftliche Verkehr muß durch Höflichkeit und Zuvorkommenheit geregelt werden, damit er sich für beide Teile nicht zu einer Quelle der Unannehmlichkeit gestaltet.

Wenn man bei Geistlichen, Ärzten, Rechtsanwälten und Lehrern eine Forderung berichtigen will, so fragt man nicht: »Was kostet die Messe, die Konsulation, der Unterricht?« sondern: »Was ist meine Schuldigkeit?« Das erste würde beleidigend klingen. Eine ähnliche Rücksicht haben alle höhergestellten Beamten und sonstige angesehene Personen zu erwarten.

Das Geld gibt man den Betreffenden nicht in die Hand, sondern legt es abseits auf einen Tisch, doch so, daß es leicht zu bemerken ist. Kannte man die Höhe der Forderung im voraus, so ist es am feinsten und diskretesten, das Geld in einem verschlossenen Couvert zu überreichen. Auch freiwillige Geldgeschenke an Personen, denen wir verpflichtet sind, werden in ein Couvert eingeschlossen.

Wenn man das Geld durch einen Boten schickt, so hat man, ebenfalls im Couvert, einige Worte des Dankes hinzuzufügen, namentlich solchen gegenüber, deren Dienste von einer besonderen Tragweite und mit bedeutender Geistesanstrengung verbunden sind. So dürfen wir beispielsweise niemals denken, beim Geistlichen, Lehrer oder Arzt durch Erledigung der Honorarfrage auch unsere Dankesschuld abgetragen zu haben. Was sie für uns getan haben, ist für unser geistiges und körperliches Wohl so wichtig, daß die Bezahlung nur einen Teil unserer Erkenntlichkeit ausmachen darf.

Einige Leute fügen dem Honorar in besonderen Fällen noch ein Geschenk hinzu. Das ist nur eine Aufmerksamkeit und wird als solche hingenommen; eine Gegenverpflichtung entsteht dadurch für den Empfänger nicht.

Auch Angehörigen und Bekannten werden häufig kleine Gaben angeboten; es sind bei der heranwachsenden Jugend in den meisten Fällen Pflichtgeschenke, deren Ausbleiben peinlich empfunden wird. Deshalb soll sie darauf bedacht sein, den Eltern und nächsten Angehörigen bei allen festlichen Gelegenheiten kleine Überraschungen zu bereiten. – Freunden und Bekannten gegenüber sind wir zu einem Geschenk verpflichtet, wenn wir auf diese Weise einen uns geleisteten Dienst anerkennen wollen. Unter Gleichgestellten erfordert der gute Ton, daß die Aufmerksamkeit, die im Überreichen eines Geschenkes liegt, durch eine kleine Gegengabe bei schicklicher Gelegenheit erwidert wird, nicht aber bei Untergebenen gegenüber ihren Vorgesetzten. – Wenn man längere Zeit bei einer verwandten oder bekannten Familie zu Besuch war, so pflegt man ihr ebenfalls kurz nach der Abreise ein Geschenk zu machen, dem man ein anerkennendes Dankschreiben hinzufügt.

Das Geschenk muß den Verhältnissen des Gebers entsprechen; denn wenn es zu groß ist, so wird es dem Empfänger peinlich sein, es anzunehmen. Da der heranwachsenden Jugend noch kein Vermögen zur Verfügung steht, so kommen bei ihr nur Kleinigkeiten in Betracht, beispielsweise eine selbstgefertigte Arbeit oder ein geschmackvoller Blumenstrauß.

Das Geschenk muß auf jeden Fall in zarter und taktvoller Weise überreicht werden. Der Empfänger muß merken, daß es dem Geber wirklich eine Ehre und eine Freude ist, sich erkenntlich zu zeigen, daß eine Zurückweisung ihn betrüben würde und er auf Dank durchaus keinen Anspruch macht. Die Angabe des Preises oder eine Bemerkung über die Mühen, welche die Fertigstellung des Geschenkes erfordert hat, ist durchaus unfein.

Wenn uns ein Geschenk angeboten wird, so müssen wir es dankbar und freudig annehmen; selbst wenn es uns mißfällt, dürfen wir unsere Enttäuschung nicht zeigen und niemals in absprechender Weise darüber urteilen. Wir bedanken uns in kürzester Frist, entweder mündlich durch einen Besuch oder schriftlich durch einen Dankesbrief.

Junge Leute sollten niemals ohne die Erlaubnis ihrer Eltern größere Geschenke machen oder annehmen. Denn es können hierbei Umstände eintreten, die den Rat der Erwachsenen nützlich und notwendig werden lassen.

Es liegt in der Natur der Sache, daß der Verkehr mit Kaufleuten formeller und sachlicher ist. Eine strenge Höflichkeit auf beiden Seiten wird das Geschäft ungemein erleichtern. Der Kaufmann dankt beim Bezahlen der Rechnung, nicht der Käufer; doch ist auch seitens des letzteren eine gewisse Anerkennung am Platze, wenn er durch langes Wählen und Prüfen dem Verkäufer eine besondere Mühe gemacht hat. Sich vielerlei vorlegen zu lassen und sich dann doch ohne Kauf zu entfernen, gilt mit Recht als unpassend.

Sind wir in einem Geschäft schlecht bedient worden, so brauchen wir nicht darüber zu schweigen; wir sollen uns aber nicht hinreißen lassen, heftige Briefe zu schreiben und gewöhnliche Ausdrücke zu gebrauchen. Denn wir können dem Kaufmann unsere Meinung sagen und nachdrücklich auf unserm Recht bestehen, ohne unhöflich oder wohl gar grob zu werden. Ein Irrtum kann ja in den besten und solidesten Geschäftshäusern vorkommen.

Gebildete Leute werden sich niemals in ein leidenschaftliches Handeln und Feilschen einlassen. In größeren Geschäften ist diese Methode auch meistens unmöglich, da sie feste Preise führen.

Wir können im Laden nach dem Preise aller ausgestellten Sachen fragen, was – nebenbei bemerkt – bei Privatleuten niemals gestattet ist. – Im Bezahlen der Rechnungen sollen wir möglichst prompt sein; namentlich die heranwachsende Jugend ist davor zu warnen, ihr Konto ungebührlich anwachsen zu lassen oder große Einkäufe ohne Einwilligung der Eltern zu machen.

Dienstleuten und Arbeitern, überhaupt allen, die auf einer niedrigeren Bildungsstufe stehen, sind wir nicht dieselben Rücksichten schuldig, wie Höhergestellten. Doch sollen wir ihnen gegenüber stets höflich bleiben und uns vor allem niemals zu einem Schimpfwort hinreißen lassen. Als Grundregel gilt, daß für besondere Dienste auch eine besondere Vergütung geleistet wird.

Niedere Angestellte erhalten einen Lohn, höhere ein Gehalt oder Salär. Geschäftliche Lieferungen und körperliche Leistungen werden bezahlt, Arbeiten des Geistes aber honoriert. Aus der Verschiedenheit der Bezeichnungen ergibt sich schon, wie man die einzelnen Forderungen zu behandeln hat.

Geschäfte werden vielfach durch den Geschäftsbrief vermittelt und erledigt. Dieser ist kürzer und einfacher als der Freundschaftsbrief und enthält nur unsern Auftrag und die Bedingungen desselben in genauer und gemeinverständlicher Form. Am Kopfe steht deutlich Ort und Datum, bei Dörfern und kleinen Städten auch Kreis oder Provinz. Als Überschrift dient die volle Adresse des Empfängers; nur bei persönlicher Bekanntschaft könnte man noch eine besondere Anrede hinzufügen, die unmittelbar über dem Briefe ihren Platz findet. Einzelne höfliche Wendungen sind auch jetzt noch im Geschäftsstil gebräuchlich, beispielsweise »Senden Sie mir gefälligst« oder »Ich ersuche ergebenst«. Eine Häufung dieser Ausdrücke aber könnte leicht lächerlich werden und dem Geschäftsbrief den Charakter einer Bittschrift geben.

Die Unterschrift enthält die genaue Adresse des Absenders in deutlicher Schrift; sie wird nicht durch Grüße, Wünsche und Freundschaftsversicherungen eingeleitet, sondern durch ein kurzes »Hochachtungsvoll« oder »Ergebenst«. – Wenn persönliche Beziehungen bestehen, so kann der Geschäftsbrief natürlich danach gehalten sein. Doch wird der Empfänger, namentlich wenn er vielbeschäftigt ist, dem Grundsatz huldigen: Je formeller, desto besser.

Eine Rechnung oder Mahnung wird stets im geschlossenen Couvert abgesandt, niemals also auf offener Postkarte.

Wünschen wir eine Antwort, so ist dem Geschäftsbrief eine Freimarke beizulegen. Diese Rücksicht fällt fort, wenn es sich um bleibende Verbindungen oder um Gegenleistungen handelt.

Aus kaufmännischen Kreisen ist auch in den Privatverkehr die Unsitte eingedrungen, in Briefen das persönliche Fürwort der ersten Person fortzulassen. Man setzt beispielsweise: »Soeben habe erfahren,« oder »Mit Vergnügen werde Ihren Auftrag erledigen.« Das ist eine Verzerrung des Stils und eine Umgehung der Sprachgesetze. Wollen wir das »Ich« nicht an den Anfang des Satzes bringen, so wird eine grammatisch richtige Umschreibung leicht möglich sein.

Von heranwachsenden jungen Leuten werden für gewöhnlich noch keine Trinkgelder verlangt, namentlich dann nicht, wenn sie sich in Gesellschaft Erwachsener befinden. Doch kann in einigen Fällen auch für sie die Pflicht eintreten, andern ein Geldgeschenk anzubieten, das aber niemals mit demjenigen erwachsener und angesehener Personen zu wetteifern braucht. Befinden sie sich zum Besuch in Familien, weilen sie vorübergehend in Anstalten oder Hotels, nehmen sie an einer größeren Festlichkeit in einem Privathause teil, so müssen sie, falls sie allein sind, sich dem allgemeinen Gebrauch anschließen und den Dienstboten ein ihren Verhältnissen entsprechendes Trinkgeld geben.


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