Arthur Conan Doyle
Micha Clarke
Arthur Conan Doyle

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XX.

Das Heer des Westens passiert Mevus.

Monmouth stand um diese Zeit in seinem sechsunddreißigsten Lebensjahre. Alle die rein äußerlichen Vorzüge, die der Menge gefallen, und die einen Mann so beliebt machen, daß er in einer volkstümlichen Sache auf den Schild gehoben wird, waren ihm eigen. Er war jung, beredt, witzig und in allen kriegerischen und männlichen Übungen geschickt. Auf seinem Zuge durch den Westen hatte er nicht verschmäht, die Dorfschönen zu küssen, bei ländlichen Festen Preise auszusetzen, und in Stiefeln mit den flinksten der barfüßigen Landleute um die Wette zu laufen. Von Natur eitel und verschwenderisch, verstand er es gut, jene augenverblendende Pracht und sorglose Großmut zu entfalten, die das Herz des gemeinen Mannes gewinnt. Auf dem Kontinent und bei Bothwell Bridge in Schottland hatte er siegreiche Armeen befehligt, und seine Güte, seine Milde gegen die Covenanters nach seinem Siege hatte ihn unter den Whigs ebenso beliebt gemacht, wie Dalzell und Claverhouse gehaßt wurden. Als er am Stadtthor seinen wunderschönen Rappen zügelte und das federgeschmückte Barett vor der jauchzenden Menge lüftete, geschah das mit der Anmut und Würde eines irrenden romantischen Ritters, der gegen erdrückende Übermacht um die Krone kämpft, die ein Tyrann ihm entrissen hat.

Monmouth galt für einen schönen Mann. Ich konnte das nicht finden. Mir war sein Gesicht zu lang und zu weiß, um schön zu sein. Freilich waren seine Züge scharf und edel geschnitten, seine Nase charakteristisch, seine Augen klar und durchdringend. Nur um seinen Mund, obgleich der Ausdruck liebenswürdig und freundlich war, lauerten die Spuren jener verhängnisvollen Charakterschwäche, die sein geistiges Bild verunzierte.

Er trug einen dunkelvioletten roquelaureartigen Reiserock, mit Aufschlägen und Verzierungen von Schnüren und Goldspitzen, der, vorn offen, einen silbernen Brustharnisch durchschimmern ließ. Ein Sammetmantel von etwas hellerer Farbe als der Rock, ein Paar Stiefel von gelbem Korduanleder, ein Rapier mit Goldgefäß an der einen, ein Stilet an der andern Seite, beide in einem zierlichen Wehrgehenk von marokkanischem Leder, vervollständigten seinen Anzug. Ein breiter Kragen von Brabanter Spitzen floß über seine Schultern, während über seine Hände derselbe kostbare Stoff in Krausen herabhing.

Wieder und wieder nahm er den Hut ab und verbeugte sich bis auf den Sattelbogen, um für die stürmisch jubelnden Zurufe zu danken.

»Ein Monmouth, ein Monmouth!« erscholl es ringsum. »Heil dem Führer der Protestanten! Lang lebe der edle König Monmouth!«

Aus allen Fenstern, von Dächern und Ballonen belebten flatternde Tücher und geschwenkte Hüte noch die freudig bewegte Scene. Der Vortrab des Heeres aber wurde bei dem Anblick der allgemeinen Begeisterung mit von ihr ergriffen und brach in einen langhallenden Heilruf aus, der sich fortpflanzte von einem Truppenkörper zum andern, bis die ganze Umgegend davon widerhallte.

Inzwischen waren die Ältesten der Stadt, angeführt von unserm Freunde, dem Bürgermeister, durch das Thor geschritten, um in dem vollen Staat ihrer amtlichen, pelzverbrämten Roben von schwerer Seide dem Könige ihre Huldigung darzubringen. Meister Stephan beugte das Knie neben Monmouths Steigbügel und küßte die Hand, die sich ihm gnädig entgegenstreckte.

»Nicht doch, mein lieber Herr Bürgermeister,« sagte der König mit klarer, kräftiger Stimme. »Laßt meine Feinde vor mir knien, aber nicht meine Freunde. Was ist denn das für eine Rolle, die Ihr da entfaltet?«

»Es ist eine Willkomms- und Ergebenheitsadresse, Majestät, von Eurer treuen Stadt Taunton.«

»Es bedarf einer solcher Adresse nicht,« sagte König Monmouth und warf einen raschen Blick in die Runde. »Sie ist mit schöneren Buchstaben rings um mich her geschrieben, als es je auf Papier möglich sein würde. Meine lieben Getreuen haben es verstanden, mich ohne Beihilfe von Feder und Tinte empfinden zu lassen, daß ich willkommen bin. Euer Name, bester Herr Bürgermeister, ist Stephan Timewell, nicht wahr?«

»Stephan Timewell, Ew. Majestät zu dienen.«

»Ein gar kurzer Name für einen so treufesten Mann,« sagte der König, zog das Schwert und berührte damit seine Schulter. »Ich will ihn um drei Buchstaben länger machen. Steht auf, Sir Stephan, und möchte es mehr Ritter in meinem Reiche geben, die ebenso loyal und so standhaft sind, wie Ihr.«

Unter dem Hurrageschrei, das bei dieser der Stadt angethanen Ehre von neuem losbrach, zog sich der Bürgermeister mit seinen Räten an die linke Seite des Thores zurück, während Monmouth mit seinem Stabe auf der rechten Seite Stellung nahm. Auf ein gegebenes Zeichen blies ein Trompeter eine Fanfare, die Trommeln wirbelten einen Kriegsmarsch, und in gedrängten Gliedern, mit wehenden Fahnen marschierte die Insurgentenarmee in die Stadt. Bei ihrer Annäherung zeigte Saxon uns die verschiedenen Anführer und bemerkenswerten Männer, die den König umgaben, nannte ihre Namen und schilderte mit kurzen Worten ihren Charakter.

»Das ist Lord Grey von Wark,« sagte er, »der kleine, magere ältliche Mann zur Linken des Königs. Er war schon einmal wegen Hochverrats im Tower. Es ist derselbe Lord Grey, der einst mit Lady Henrietta Berkeley, der Schwester seiner Frau, durchbrannte. Wahrhaftig ein schöner Anführer in einer heiligen Sache! – Der Mann da links mit dem roten aufgedunsenen Gesicht und der weißen Feder am Barett ist Oberst Holmes. Der dort auf dem großen braunen Hengst ist ein Advokat. Trotzdem versteht er besser ein Bataillon zu kommandieren, als einen Kostenanschlag zu machen. Das ist Wade, der Republikaner, der beim Gefecht von Bridport das Fußvolk führte und alles gerettet hat. Der große Mann mit den breiten Zügen in der Stahlhaube ist Anton Buyse, der Brandenburger, ein Soldado der Fortuna und ein beherzter Mann, wie fast alle seine Landsleute. Ich habe meiner Zeit sowohl neben als gegen ihn gefochten.«

»Seht Ihr den langen Dürren hinter ihm!« rief Ruben, »Er schwingt das blanke Schwert über seinem Kopf. Das ist doch hier nicht der Ort zu Fechterkünsten! Er ist wohl verrückt!«

»Da habt Ihr nicht gar weit vorbeigeschossen,« erwiderte Saxon. »Und doch, bei meinem Schwertknauf, wenn der Mann nicht gewesen wäre, so sähen wir heute kein protestantisches Heer hier einmarschieren. Er war's, der Monmouth aus seinem behaglichen Winkel in Brabant hinausgelockt hat durch das Bild der Krone, das er ihm fortwährend vor die Augen hielt. Unter den Männern da ist auch nicht einer, den er nicht durch irgend einen ähnlichen Köder geangelt hätte. Grey zeigte er ein Herzogtum, Wade den Wollsack, Buyse die Plünderung Cheapsides. Jeder hat seinen besondern Beweggrund, über die Fäden der Maschine sind in den Händen jenes tollen Fanatikers, der die Puppen tanzen läßt, wie er will. Er hat mehr komplottiert, mehr gelogen und weniger gelitten, als irgend ein Whig der ganzen Partei.«

»Ihr redet gewiß von Dr. Robert Ferguson, von dem mein Vater oft gesprochen hat?« sagte ich.

»Ihr habt recht. Er ist es. Ich habe ihn nur einmal in Amsterdam gesehn, aber ich erkenne ihn an seiner wilden Mähne und an den gekrümmten Schultern wieder. Man flüsterte sich zu, daß in letzter Zeit der Hochmutsteufel ihn um den Verstand gebracht habe. Seht, der Deutsche legt ihm eben die Hand auf die Schulter und überredet ihn, die Waffe einzustecken. Und König Monmouth blickt lächelnd nach ihm um, als ob er der Hofnarr wäre im Genfer Talar statt im buntscheckigen Wams. Aber da kommt schon die Vorhut. Zurück zu euern Kompanien, und denkt daran, daß ihr die Fahne jeder Truppe mit gezogenem Degen grüßt, wenn sie an euch vorüber kommt.«

Während wir sprachen, hatte sich das ganze protestantische Heer der Stadt genähert, und die ersten Reiter langten bereits vor der großen Ehrenpforte an. Den Vortrab bildeten vier Schwadronen, schlecht gerüstet, schlecht beritten, Stricke statt der Zügel und häufig nur ein viereckiges Stück Sackleinwand an Stelle des Sattels. Die Leute waren größtenteils mit Schwertern und Pistolen bewaffnet, einige hatten bei Axminster erbeutete Lederwämser, Harnische und Helme, die noch hie und da die Spuren vom Blute ihrer früheren Eigentümer an sich trugen. In ihrer Mitte ritt ein Bannerträger, der ein großes viereckiges Feldzeichen auf einer Stange trug, die in eine lederne Hülse auf einer Seite des Sattels hineingesteckt war. In goldenen Buchstaben stand darauf zu lesen: ›Pro libertate et religione nostra.‹ Diese berittene Schar bestand aus Freisassen- und Gutspächterssöhnen, die an Disziplin nicht gewöhnt und stolz auf ihre freiwilligen Dienste jeden Befehl bestritten und bekrittelten. Obwohl es ihnen an persönlichem Mut nicht gebrach, waren sie doch aus diesem Grunde von geringem Nutzen während des Feldzuges und im allgemeinen dem Heere mehr hinderlich als förderlich.

Hinter den Rossen kam das Fußvolk, sechse breit und in Kompanien von ungleicher Größe geteilt. Jede Kompanie trug ihre Fahne mit dem Namen der Stadt oder des Dorfes, wo sie ausgehoben worden war. Man hatte diese Einrichtung getroffen, weil es sich als unmöglich herausgestellt hatte, die Verwandten und Nachbarn voneinander zu trennen. Sie wollten Seite an Seite fechten, sagten sie, oder gar nicht. Ich für mein Teil halte das auch für durchaus vernünftig. Wenn es zum Handgemenge kommt, steht doch ein Mann um so fester, wenn er rechts und links alte erprobte Freunde zur Seite hat. Von vielen dieser Ortschaften habe ich später oft reden gehört, manche andre habe ich selbst gesehn, so daß die Namen auf den Bannern mir einen bekannten Klang haben. Homer widmet der Aufzählung der griechischen Heerführer und ihrer Scharen ein ganzes Kapitel. Schade, daß nicht auch ein Homer des englischen Westens die Namen dieser braven Bauern und Handwerker verewigt und uns die Erzählung von ihren Thaten und Leiden für eine edle aber unglückselige Sache aufbehalten hat. Soweit mein eignes schwaches Gedächtnis reicht, sollen aber ihre Geburtsstätten wenigstens nicht verloren gehn.

Das erste Regiment Fußvolk, wenn man eine so unmilitärisch formierte Bande so nennen darf, bestand aus Küstenbewohnern, Fischern und Schiffern in dicken blauen Jacken, der einfachen Tracht ihres Standes. Sie hatten wetterharte, mahagonibraune Gesichter und kräftige Gestalten. Sie trugen Vogelflinten, kurze Schwerter und Pistolen bunt durcheinander. Vermutlich wurden diese Waffen nicht zum erstenmal gegen König Jakobs Diener gebraucht, denn die Küsten von Somerset und Devon waren berüchtigte Brutstätten des Schmuggels, und ohne Zweifel lag so mancher lecke Lugger wohlverborgen in irgend einer geschützten Felsenbucht, während seine Mannschaft den Zug nach Taunton mitmachte. Von Disziplin hatten sie selbstverständlich keine Ahnung, sondern trollten im echten »Blauwasser-Stil« dahin mit manchem lustigen Hallo, das entweder an einen Kameraden, oder an die Zuschauer gerichtet ward. Von Starpoint an bis Portland Roads mochte jetzt so manche Woche kein Netz gestellt werden, und die Fische, die in Lyme Cobb angehäuft oder nach Plymouth zu Markt hätten gebracht werden sollen, schwammen munter durch ihr krystallenes Reich. Jede Gruppe dieser Meeressöhne trug ihr eignes Banner. Das von Lyme zog an der Spitze, dann folgten Topsham, Colyford, Bridport, Sidmouth, Otterton, Abbotsbury und Charmouth, alles Städte an der Südküste.

So marschierten sie an uns vorüber, ungeschlacht und sorglos, die Mütze schief auf einem Ohr, während ein Tabaksqualm von ihnen aufstieg, wie der Dampf von einem müden Pferde. Sie zählten wohl gegen vierhundert Mann.

Die Bauern von Rockbere mit Dreschflegeln und Sensen marschierten an der Spitze der nächsten Kolonne. Ihnen folgte das Banner von Honiton, zu dem vierhundert kräftige Spitzenklöppler aus den Thälern der Otter gehörten. Zwar sah man es den Gesichtern dieser Männer an, daß sie eine sitzende Lebensweise zwischen ihren vier Wanden führten, dennoch übertrafen sie ihre bäurischen Gefährten durch ihre behende soldatische Haltung. Wir beobachteten dies übrigens bei allen Truppen: wenn auch die Landleute kräftiger und gesünder aussahen, so fanden sich die Handwerker stets mit größerer Leichtigkeit in den Geist und das Wesen des Lagerlebens.

Hinter den Männern von Honiton kamen die puritanischen Wollenweber von Wellington, ihr Bürgermeister auf weißem Roß neben dem Bannerträger, vor ihnen ein Musikchor von zwanzig Instrumenten, Es waren grimm dreinschauende, nachdenklich nüchterne Männer, die meistenteils graue Anzüge und breitrandige Hüte trugen. »Für Gott und den Glauben« war das Motto der Fahne, die über ihnen wehte. Die Tuchweber bildeten drei starke Kompanien, und das ganze Regiment mag wohl an sechshundert Mann stark gewesen sein.

Das dritte Regiment rückte an. Zuvörderst kamen fünfhundert Tauntoner; Männer, die ein friedliches, fleißiges Leben geführt hatten, aber tief durchdrungen waren von den großen Prinzipien der religiösen und bürgerlichen Freiheit, welche sich drei Jahre später in ganz England Bahn brechen sollten. Als sie das Thor passierten, begrüßten ihre Mitbürger sie von Fenstern und Mauern her mit donnerndem Freudenruf. Aus ihren festgegliederten Reihen und breiten, ehrlichen Bürgergesichtern mutete es mich an, wie gute Mannszucht und redlich erfüllte Pflicht. Hinter ihnen kamen die Aufgebote von Winterbourne, Ilminster, Chard, Yeovit und Collumpton zu je hundert Pikenträgern, die das Regiment etwa auf tausend Mann brachten.

Jetzt trabte langsam eine Schwadron Reiter vorbei, der das vierte Regiment auf dem Fuße folgte. Im Vortrab führte es die Standarten von Beauminster, Crewkerne, Langport und Chidiok, alles kleine Somersetshirer Dörfer, die ihre ganze Mannschaft gesandt hatten, um einen Schlag für die alte gute Sache zu thun. Puritanische Geistliche mit spitzen Hüten und Genfer Talaren, die ursprünglich schwarz, jetzt aber vom Staube ganz weiß aussahen, marschierten standhaft neben ihren Pfarrkindern daher.

Dann kam eine starke Abteilung wild aussehender, sehr unvollkommen bewaffneter Hirten aus den großen Heiden, die sich zwischen den Blackdowns im Süden bis zu den Mendips im Norden hinziehen – ganz andre Kerle allerdings, das kann ich euch versichern, als die Corydons und Strephons in Wallers und Drydens Theaterstücken, die immer in Thränen sanfter Liebe schwimmenden und melancholisch die Flöte blasenden Schäfer! Chloë und Phillis wären von diesen Wilden des Westens nicht gerade zart umworben wurden. – Unmittelbar hinter ihnen kamen Schützen aus Dorchester, Pikenmänner aus Newton Poppleford und ein ansehnliches Infanteriecorps, das sich aus den Sergearbeitern von Otervy St. Mary zusammensetzte. Dies vierte Regiment war über 800 Mann stark und stand dem vorhergehenden in Disziplin und Bewaffnung weit nach.

Das fünfte Regiment marschierte vorbei. An der Spitze eine Kolonne von Männern aus dem öden Marsch- und Moorlande, das sich um Athelnay ausdehnt. In ihren trübseligen, kümmerlichen Wohnstätten hatten sich diese Männer denselben freien kühnen Geist bewahrt, der sie einst zur letzten Zuflucht des guten Königs Alfred und zum Hort der Landschaften des Westens gegen die Einfälle der Dänen gemacht hatte, die niemals den Weg durch ihre sumpfigen Festungen erzwingen konnten. In zwei Kompanien, mit wirrem, mähnenartigem Haupthaar und bloßen Beinen, aber laut ihre Psalmen betend und singend, waren sie aus ihren unzugänglichen morastischen Gründen hervorgekommen, um der protestantischen Sache beizustehn.

Hinter ihnen zogen die Holzfäller und Flößer von Bishops Lidiard einher, hochgewachsene, stämmige Männer in grünen Jacken, vereint mit den Weißkitteln der Dörfler von Huish Champflower. Die Nachhut des Regiments bildeten vierhundert Mann in scharlachroten Röcken und weißen Gürteln, mit blank geputzten Gewehren. Das waren Deserteure der Devonshirer Miliz, die unter Albemarle von Exeter ausmarschiert und auf dem Schlachtfelde von Axminster zu Monmouth übergegangen waren. Diese hielten sich als Corps zusammen, aber unter den verschiedenen andern Truppenkörpern, die ich vorhin aufzählte, befanden sich noch manche vereinzelte Milizen in roten wie auch in gelben Röcken. Dies Regiment zählte etwa 700 Mann.

Die sechste und letzte Kolonne Fußvolk begann mit einer Bauernschar, die auf ihrem Banner das Wort »Minehead« trug, dazu das Zeichen der drei Wollenballen und das Schiff mit vollen Segeln, die das Wahrzeichen des alten Marktfleckens vorstellen. Sie waren zum größten Teile aus dem wildzerklüfteten Lande gekommen, das nordwärts von Dunster Castle liegt und den Kanal von Bristol umsäumt.

Dann kamen Wildschützen und Jäger aus Porlock Quay, die das Rotwild von Exmoor friedlich grasen ließen, um andrer, edlerer Beute nachzujagen. Ihnen folgten Männer von Dulverton und Milverton, Männer von Wiveliscombe und den sonnigen Höhen der Quantocks, rußige, wilde Gestalten von den kahlen Heidemooren von Dunkerry Beakon und schlanke, nervige Ponyzüchter und Viehhändler aus Brampton. Dann flatterten die Banner von Bridgewater, Shepton Maltet und Nieder-Stowey an uns vorüber und gleich darauf die der Fischer von Clovelly und die der Steinbrucharbeiter aus den Blackdowns.

Den Beschluß machten drei merkwürdige Scharen, Riesengestalten, wenn auch etwas gebeugt von der Arbeit, mit langen, zerzausten Bärten und ungekämmtem Haar, das bis auf die Augen herabhing. Es waren das die Grubenarbeiter von den Mendip-Bergen und aus dem Oare- und Bagworthythal, rohe, halbwilde Menschen. Sie rollten die dunkeln Augen, bis nur noch das Weiße von ihnen zu sehen war, beim Anblick der jauchzenden Bürger in ihren sammetnen und brokatenen Gewändern oder der lächelnden Angesichter ihrer Damen, so daß sie diesen ordentlich einen Schrecken einjagten.

So wälzte sich der lange Zug dahin. Drei Schwadronen Berittene und vier kleine Geschütze bildeten die Nachhut. Die letztern, von blauuniformierten holländischen Kanonieren bedient, die so steif aussahen, als hätten sie ihre Ladestöcke verschluckt. Ein langer Zug Karren und Lastwagen, der dem Heer gefolgt war, wurde in die Grasgärten außerhalb der Stadt gebracht und kampierte dort.

Als der letzte Soldat das Schutternthor passiert hatte, ritten Monmouth und sein Gefolge langsam hinein. Der Bürgermeister schritt neben dem Streitroß des Königs. Als wir salutierten, wandten sich alle nach uns um, und ich sah, wie ein flüchtiges Rot der Überraschung und Freude Monmouths bleiches Gesicht überflog, als er unsre geordneten Reihen und unsre soldatische Haltung bemerkte.

»Meiner Treu, ihr Herren,« sagte er, nach seinem Stabe umblickend, »unser werter Freund der Bürgermeister muß die Drachenzähne des Cadmus geerbt haben! Woher kommt Euch dies stattliche Ährenfeld, Sir Stephan, und wie habt Ihr es zu solcher Vollkommenheit bringen können? Bei meinem Leben, die Grenadiere sind ja sogar gepudert!«

»Ich habe fünfzehnhundert Mann in der Stadt«, entgegnete der alte Wollenweber stolz, »obgleich nicht alle so gut diszipliniert sind. Diese hier kommen aus Wiltshire, und die Offiziere aus Hampshire. Ihre Zucht und Ordnung ist aber nicht mein Verdienst, sondern das eines erfahrenen Soldaten, des Obersten Decimus Saxon, den sie zum Anführer gewählt haben, und das der Hauptleute, die unter ihm dienen.«

»Nehmt meinen Dank, Herr Oberst,« sagte der König, zu Saxon gewandt, der sich verbeugte und die Spitze seines Degens zu Boden senkte, »und auch ihr, meine Herren. Ich werde den loyalen Eifer nicht vergessen, der euch in so kurzer Zeit von Hampshire bis hierher getrieben hat. Ich wünsche wohl, ich fände dieselbe Tugend auch an höherer Stelle! Ihr seid in ausländischen Kriegsdiensten gewesen, nicht wahr, Oberst Saxon? Was haltet Ihr von dem Heer, das soeben vorbeimarschiert ist?«

»Majestät halten zu Gnaden,« erwiderte Saxon, »es gleicht ungekrempelter Wolle, die an sich rauh, mit der Zeit wohl zu einem prächtigen Gewande verwebt werden mag.«

»Hm! Wir haben nur leider nicht viel Muße zum Weben,« meinte Monmouth. »Aber sie fechten gut. Ihr hättet sehn sollen, wie sie bei Axminster dreinschlugen! Wir sehn Eurer Anwesenheit am Beratungstisch und Euren Vorschlägen entgegen. Wie ist mir denn aber? Sollte ich diesen Herrn nicht schon früher gesehn haben?«

»Es ist der ehrenwerte Sir Gervas Jerome aus der Grafschaft Surrey,« versetzte Saxon.

»Euer Majestät mögen mich im St. James-Palast gesehen haben,« sagte der Baronet, den Hut lüftend, »oder im Balkon von Whitehall. Ich war während der letzten Jahre des höchstseligen Königs viel bei Hofe.«

»Ja, ja. Ich erinnere mich jetzt des Namens und des Gesichts,« rief Monmouth. »Ihr seht, meine Herren,« wandte er sich an seinen Stab, »auch der Hofadel kommt endlich! Hattet Ihr nicht das Duell mit Sir Thomas Killigrew hinter Dunkirk House? Dacht' ich's doch! Wollt Ihr Euch nicht meinem unmittelbaren Gefolge anschließen?«

»Majestät halten zu Gnaden,« entgegnete Sir Gervas, »ich meine, Eurer königlichen Sache an der Spitze meiner Musketiere besser dienen zu können.«

»Wohlan, so sei es!« sagte König Monmouth. Er gab seinem Pferde die Sporen, lüftete dankend den Hut, als die Truppen in ein lautes »Hoch« ausbrachen und sprengte die Highstreet entlang unter einem Blumenregen, der sich von den Dächern und aus den Fenstern über ihn, seinen Stab und seine Eskorte ergoß. Wir hatten uns, wie befohlen, dem Gefolge angeschlossen, so daß auch wir unser Teil von dem lustigen Kreuzfeuer abbekamen.

Eine der herabflatternden Rosen wurde von Ruben aufgefangen. Ich sah, wie er sie an die Lippen drückte und dann in seinen Brustharnisch schob. Aufblickend gewahrte ich das lächelnde Antlitz der Tochter unsers Wirtes, das vom Fenster auf uns hinabschaute.

»Geschickt aufgefangen, Ruben!« flüsterte ich. »Du warst immer unser bester Spieler beim Tricktrack und Ballschlagen.«

»O Micha,« sagte er, »ich segne den Tag, da ich dir nach in den Krieg zog. Ich möchte heut mit niemand, auch mit Monmouth nicht tauschen.«

»Ist es schon so weit!« rief ich aus. »Ei, Junge, ich bildete mir ein, du hättest kaum die Laufgräben eröffnet, und du redest, als hättest du die Feste schon eingenommen!«

»Vielleicht bin ich zu vorschnell,« rief er und wurde abwechselnd rot und blaß, wie es Verliebten und Fieberkranken zu gehen pflegt. »Gott weiß, ich bin ihrer nicht wert, aber doch –«

»Hänge dein Herz nicht zu fest an etwas, das dir vielleicht unerreichbar bleibt,« warnte ich, »der Alte ist reich und wird höher hinaus wollen.«

»Ach, wäre er doch arm!« seufzte Ruben mit der ganzen Selbstsucht eines jugendlichen Verliebten. »Wenn der Krieg lange dauert, gewinn' ich mir vielleicht Ehren und Titel! Wer weiß? Andre haben's gethan – warum nicht ich?«

»Von uns dreien, die von Havant ausritten,« bemerkte ich, »treibt den einen der Ehrgeiz, den andern die Liebe. Was aber bleibt mir, der weder nach hohen Ämtern strebt, noch nach eines Mädchens Huld? Um was fechte ich eigentlich?«

»Ei, bei uns andern wechseln die Motive, aber ist nicht das deine das beständigste, Micha?« sagte Ruben. »Sind nicht Pflicht und Ehre die beiden Leitsterne, nach denen du dein Steuer lenkst?«

»Wahrhaftig, du scheinst von Jungfer Ruth gelernt zu haben, schöne Worte zu machen,« sagte ich. »Aber mich dünkt, sie sollte hier sein unter den Schönen von Taunton.«

Während ich so sprach, ritten wir auf den Marktplatz, der jetzt dicht von unsern Truppen besetzt war. Um das Kreuz stand eine Gruppe von etwa zwanzig weißgekleideten jungen Mädchen mit blauen Schärpen. Als der König nahte, traten die Mägdlein ihm mit anmutiger Schüchternheit entgegen und überreichten ihm ein Banner, das sie für ihn gestickt hatten, und eine zierlich gebundene Bibel mit goldenem Schloß. Monmouth reichte die Fahne einem seiner Begleiter, das Buch aber erhob er hoch über sein Haupt und rief mit lauter Stimme, er sei gekommen, um die darin enthaltene Wahrheit zu verteidigen, worauf ein neuer Jubelsturm mit verdoppelter Kraft losbrach.

Man hatte erwartet, er würde das Volk vom Kreuz aus anreden, aber er begnügte sich damit, während die Herolde seinen Rechtsanspruch an die Krone proklamierten, zuzuhören. Darauf gab er den Befehl zum Abmarsch und die Truppen zogen nach den verschiedenen Punkten, wo ihnen ein Mahl bereitet war. Der König und sein Stab stiegen im Schloß ab, während der Bürgermeister und die reichen Bürger die übrigen Offiziere bei sich aufnahmen. Von den gemeinen Soldaten wurde ein Teil bei den Einwohnern der Stadt einquartiert, ein andrer kampierte auf den Straßen und im Schloßpark, der Rest schlug draußen vor der Stadt zwischen den Proviantwagen ein Lager auf. Da wurden große Feuer angezündet, ganze Hammel gebraten, das Bier floß in Strömen, und die Gesellschaft war lustig und guter Dinge, als sei ein Marsch auf London nur so ein Feiertagsausflug.


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