Arthur Conan Doyle
Micha Clarke
Arthur Conan Doyle

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XI.

Der einsame Mann und die Goldkiste.

Der helle, gelbe Lichtschein, der uns durch die Heide geleitet hatte, quoll aus einem einzigen schmalen Mauerspalt quer über der Thür, der die Stelle eines Fensters vertrat. Als wir näher kamen, wurde das Licht plötzlich rot, dann grün und übergoß unsre Gesichter mit einer geisterhaften Blässe, die Saxons herben, strengen Zügen geradezu etwas Leichenhaftes verlieh. Gleichzeitig verspürten wir einen scharfen, widerlichen Geruch, der die Luft ringsum verpestete.

Eine solche Verbindung schlimmer Anzeichen an einem so einsamen Orte erregte die abergläubische Phantasie des alten Haudegens in außerordentlichem Grade, Er blieb stehen und sah uns fragend an. Ruben und ich waren aber so darauf erpicht, das Abenteuer zu bestehen, daß er sich darauf beschränkte, uns den Vortritt zu lassen und einige, der Gelegenheit angemessene Teufelsbeschwörungen vor sich hin zu murmeln. Ich ging auf die Thüre los, klopfte mit dem Schwertgriff an und bat um Einlaß: wir wären müde Reisende, die ein Obdach für die Nacht suchten.

Meine Bitte hatte zunächst zur Folge, daß drinnen jemand geschäftig hin- und herlief, mit Metall klapperte, Schlüssel umdrehte und Riegel vorschob. Dann wurde es still; und ich wollte eben noch einmal klopfen, als sich eine rauhe Stimme von innen vernehmen ließ:

»Ihr findet hier nur eine sehr dürftige Unterkunft, ihr Herren, und eine noch schlechtere Verpflegung. Es sind nur sechs Meilen von hier bis Amesbury, und im Wirtshaus zum ›Cecil-Wappen‹ erhaltet ihr alles, was Mann und Roß bedarf.«

»Geht nicht, mein unsichtbarer Freund,« entgegnete Saxon, dem der Ton einer menschlichen Stimme das Gleichgewicht vollständig wiedergegeben hatte; »Euer Empfang ist gar zu schäbig. Eins unsrer Pferde ist ganz zu Schanden geritten, und die beiden andern sind auch nicht gerade in bester Verfassung. So könnten wir uns genau so leicht nach dem ›Grünen Mann‹ in Lübeck aufmachen, wie nach dem ›Cecil-Wappen‹ in Amesbury. Ich ersuche Euch daher, uns für den Rest der Nacht Herberge unter Eurem Dache zu gewähren.«

Nun erfolgte ein endloses Rumoren mit Schlössern und Riegeln. Endlich drehte sich die Thür langsam in ihren Angeln, und vor uns, stand die Person, die mit uns geredet hatte.

Vom hellen Hintergrunde hob sich scharf die ehrwürdige Gestalt eines weißhaarigen Mannes ab, dessen Züge den Denker und zugleich den Feuerkopf verrieten. Die hohe Stirn und der herabwallende Bart verkündeten den Philosophen, aber das kühne, funkelnde Auge, die edel geschwungene Adlernase, die geschmeidige, von der Last der Jahre ungebeugte Gestalt sprachen mehr für den Soldaten. Seine vornehme Haltung, seine kostbare, wenn auch schmucklose Kleidung aus schwarzem Sammet standen in seltsamem Widerspruch mit der bescheidenen Hütte, worin er seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte.

»Oho!« sagte er, nachdem er uns scharf gemustert. »Zwei von euch noch nicht im Felde gewesen und der dritte ein erfahrener Soldat, Ihr wurdet verfolgt, wie ich sehe.«

»Woran wollt Ihr das erkennen!« sagte Decimus Saxon.

»Ach, mein Freund, ich habe auch einmal gedient. Meine Augen sind noch nicht blöde, und ich merke sehr wohl, wenn Rosse aufs äußerste abgetrieben sind; auch ist es unschwer zu erraten, daß der junge Riese da sein Schwert nicht eben zum Speckbraten gebraucht hat. Eure Geschichte sollt ihr mir indessen später erzählen. Jeder tüchtige Soldat versorgt zuerst sein Pferd, daher ersuche ich euch, die Gäule hier draußen anzubinden, denn ich habe weder Knecht noch Stallungen, dem ich sie anvertrauen könnte.«

Die seltsame Behausung, die wir jetzt betraten, war tief in den kleinen Hügel hineingebaut und bestand aus einem einzigen, sehr langen und schmalen Raum. Das Ende dieses großen Gemaches lag im Schatten, aber in der Mitte strahlte eine helle Glut aus einem Kohlenbecken, über dem ein kleiner Messingkessel hing. Neben dem Feuer stand ein langer hölzerner Tisch, ganz beladen mit geschliffenen und gebogenen Flaschen und Gläsern, Schalen, Retorten, Röhren, Vergrößerungsgläsern und andern Instrumenten, die ich nicht einmal dem Namen nach kannte. Auf einem Wandbrett stand eine lange Reihe Flaschen mit den verschiedenfarbigsten Flüssigkeiten und Pulvern gefüllt. Ein zweites Brett eben darüber trug eine stattliche Auswahl brauneingebundener Bücher. Außerdem enthielt das Zimmer noch einen unbehobelten Tisch, ein paar Schränke, einige hölzerne Sessel und mehrere große Schirme, die an den Wänden befestigt und mit allerlei unverständlichen Figuren und Symbolen bemalt waren. Der abscheuliche Geruch, der uns schon draußen bewillkommnet hatte, war hier im Zimmer noch viel ärger, und entstieg offenbar dem brodelnden, siedenden Inhalt des Messingtopfes.

»Ihr seht in mir,« sagte unser Wirt mit einer höflichen Verbeugung, »den letzten Sproß einer alten Familie. Ich bin Sir Jakob Clancing von Snellaby Hall. Nehmt Platz, legt Harnisch und Sturmhaube ab und entledigt euch der Stiefel. Thut ganz, als ob ihr zu Hause wäret. Entschuldigt mich nur noch einen Augenblick. Das Experiment, mit dem ich beschäftigt war, duldet keinen Aufschub.«

Saxon begann sofort es sich bequem zu machen. Er nestelte an seinen Schnallen und legte die Rüstung ab. Ruben warf sich auf einen Sessel, zu erschöpft, um mehr loszumachen als seine Degenkoppel. Ich meinesteils war sehr froh, mein schweres Zeug abthun zu können, beobachtete aber nichtsdestoweniger jede Bewegung unsres Wirtes, dessen vornehme Manieren und Anstrich von Gelehrsamkeit meine Neugier und Bewunderung erregt hatten.

Der alte Herr stand an dem übelriechenden Topfe und rührte darin herum. Dabei machte er ein so ängstliches Gesicht, daß es augenscheinlich war, er hatte durch seine Höflichkeit ein wichtiges Experiment gefährdet. Nun tauchte er einen langen Löffel in das Gebräu, schöpfte davon und goß langsam die gelbe, trübe Flüssigkeit wieder zurück. Das Aussehen derselben beruhigte ihn offenbar, denn seine Mienen erhellten sich, und er atmete erleichtert auf. Dann nahm er eine Handvoll weißlichen Pulvers von einem Teller, der neben ihm stand und warf es in den Kessel. Sofort fing die Masse an zu brodeln und zu zischen, kochte über und lief ins Feuer, dessen Flammen davon den seltsamen grünen Schein annahmen, der uns vorhin aufgefallen war. Jetzt war die Mischung abgeklärt, denn der Chemiker goß eine wasserhelle Flüssigkeit in eine Flasche, während ein brauner Satz im Gefäß zurückblieb und auf ein Blatt Papier gethan wurde. Hierauf räumte Sir Jakob Clancing all seine Flaschen beiseite und wendete sich lächelnd und verbindlich mit sichtbar erleichtertem Herzen nach uns um.

»Nun wollen wir einmal sehen, was meine dürftige Speisekammer zu bieten vermag,« sagte er. »Zunächst wollen wir aber den Geruch vertreiben, der euren empfindlichen Nasen kaum behagen dürfte.« Damit warf er ein paar Körnchen wohlriechenden Harzes auf die Kohlen, die das Zimmer sofort mit lieblichem Dufte erfüllten. Dann deckte er ein weißes Tuch über den Tisch, holte aus einem Schrank eine Schüssel kalter Forellen und eine gewaltige Fleischpastete und forderte uns auf, heranzurücken und zuzulangen.

»Gern böte ich euch leckerere Kost,« sagte er. »In Snellaby Hall wäret ihr nicht so kärglich abgespeist worden, das kann ich euch versichern. Doch Hunger ist der beste Koch, und ich muß noch einen Rest alten Alicante haben.«

Damit holte er ein paar Flaschen aus einer Mauernische herbei, legte uns vor, füllte unsre Gläser, nahm dann in einem hochlehnigen eichenen Stuhle Platz und präsidierte mit altmodischer Höflichkeit unserm Abendbrot.

Während des Essens erzählte ich ihm von unsrer Reise und unserm nächtlichen Abenteuer, ohne indes unsern Bestimmungsort zu nennen.

»Ihr seid auf dem Wege zu Monmouth,« sagte er gelassen, nachdem ich geendet, und sah mir mit seinen scharfen dunklen Augen gerade ins Gesicht. »Ich weiß es. Doch fürchtet nichts. Ich würde euch nie verraten, selbst wenn es in meiner Macht stünde. Was für Aussichten hat wohl der Herzog gegen die Truppen des Königs?«

»Ebensoviel wie ein Huhn aus dem Hühnerhof gegen einen gespornten Kampfhahn, wenn er sich nur auf die Macht verließe, die er eben bei sich hat,« antwortete Saxon. »Er hält indessen, mit gutem Grunde, ganz England für ein Pulvermagazin, und hofft, er werde der zündende Funke sein, der es aufflammen läßt.«

Der Greis schüttelte wehmütig den Kopf. »Der König hat die Armee. Wo bekommt Monmouth geübte Soldaten her?« bemerkte er trübe.

»Die Miliz haben wir doch,« wandte ich schüchtern ein.

»Es gibt auch noch viele, die früher in den Parlamentsheeren gedient haben und immer noch rüstig genug sind, um für ihren Glauben das Schwert zu ziehen,« meinte Saxon. »Man braucht nur ein halbes Dutzend näselnde Prädikanten mit Schlapphüten im Lager aufzustellen, und die ganze presbyterianische Sippschaft schwärmt herbei, wie Bienen um den Honigtupf. Kein Werber wird je wieder eine solche Armee zusammentrommeln, wie dazumal Nolls Prediger in den östlichen Grafschaften. Die Verheißung eines Sitzes neben dem Gnadenstuhl galt damals mehr als eine Zehnpfundnote. Könnt' ich doch meine Schulden auch mit solchen Verheißungen bezahlen!«

»Nach Euern Reden zu urteilen, gehört Ihr nicht zu den Sektierern,« sagte unser Wirt. »Wie kommt es denn, das Ihr das Gewicht Eures Schwertes und Eurer Erfahrung in die schwächere Schale werft?«

»Eben darum, weil es die schwächere ist,« sagte der Glücksritter. »Ich wäre lieber mit meinen Brüdern nach der Goldküste gesegelt, und hätte weiter nichts mit dieser Sache zu thun gehabt, als etwa ein paar Briefe zu bestellen und dergleichen Kleinigkeiten. Da ich aber nun doch etwas unternehmen muß und sich das andre zerschlagen hat, will ich für den Protestantismus und Monmouth kämpfen. Mir ist's ganz gleich, ob Jakob Stuart oder Jakob Walters auf dem Throne sitzt. Aber Hof und Heer des Königs sind versorgt – Monmouth dagegen muß sich erst Höflinge und Soldaten suchen. Da werden ihm möglicherweise meine Dienste sehr zu statten kommen und mir ein ehrenvolles Avancement verschaffen.«

»Eure Logik ist unanfechtbar,« sagte unser Wirt. »Ihr habt nur zu erwähnen vergessen, daß Ihr in Gefahr steht, den Kopf zu verlieren, wenn die Partei des Herzogs der Übermacht erliegen sollte.«

»Niemand kann einen Wurf thun, ohne einen Einsatz zu wagen,« erwiderte Saxon.

»Und Ihr, junger Herr,« fragte der Greis, »was treibt Euch, an einem so gefährlichen Spiele teilzunehmen?«

»Ich bin aus protestantischem Geschlecht,« antwortete ich, »und meine Angehörigen haben immer für die Freiheit des Volkes und den Sturz der Tyrannen gestritten. Ich rücke an meines Vaters Stelle ins Feld.«

»Und Ihr, mein junger Herr?« fuhr der Fragesteller, zu Ruben gewendet, fort.

»Ich möchte gern die Welt sehen, und vor allem mich nicht von meinem lieben Freunde und Kameraden trennen,« gab er zur Antwort.

»Ich hätte gewichtigere Gründe, als ihr alle drei,« hob Sir Jakob an, »um das Schwert zu ziehen gegen alles, was den Namen Stuart trägt. Hielte mich hier nicht eine große Aufgabe, die keine Unterbrechung duldet, fest, ich zöge wohl auch mit euch gen Westen und drückte mir noch einmal den rauhen Eisenhelm auf das graue Haupt. Denn wo ist das alte Schloß Snellaby hin, wo seine Wiesen und Wälder, darinnen die Clancings aufwuchsen, lebten und starben, noch ehe der Normann Wilhelm, der Eroberer, seinen Fuß auf Englands Boden gesetzt? Ein bloßer Geschäftsmann, ein Mann, der durch den blutigen Schweiß seiner halbverhungerten Arbeiter ungerechten Reichtum erworben hat, ist nun der Eigentümer des ganzen herrlichen Besitzes! Ließe ich, der letzte Clancing, es mir einfallen, mich auf dem Erbe meiner Väter blicken zu lassen, ich käme in Gefahr, vom Büttel als Landstreicher aufgegriffen und vielleicht gar von frechen Jägerburschen mit ihren Bogensehnen ausgepeitscht zu werden.«

»Und was war denn der Grund eines so jähen Glückswechsels?« fragte ich.

»Füllt eure Gläser!« rief der alte Herr. »Und hört meinen Trinkspruch: Verderben allen wortbrüchigen Fürsten! Wie es kam, wollt Ihr wissen? Ganz einfach so. Als die Unruhen gegen den ersten Karl ausbrachen, hielt ich treu zu ihm, wie zu meinem leiblichen Bruder. Bei Edgehill, bei Naseby, in zahlreichen Scharmützeln und Schlachten kämpfte ich tapfer für ihn, und unterhielt auf eigne Kosten eine aus meinen Gärtnern, Reitknechten und sonstigen Bediensteten gebildete, berittene Schar. Bald herrschte tiefe Ebbe in der Kriegskasse, und doch mußte Geld geschafft werden, um den Krieg fortzuführen. Mein silbernes Tafelgeschirr, meine Leuchter wanderten mit denen vieler andrer Kavaliere in den Schmelztiegel. Das Metall verwandelte sich in Reiter und Pikenträger. Ein paar Monate drückte man sich durch, bis der Beutel wieder leer war. Wir füllten ihn von neuem. Diesmal kam das Vorwerk und der Eichwald an die Reihe. Nach der großen Niederlage von Marston Moor wurde der letzte Mann und der letzte Pfennig verlangt, um die Verluste auszugleichen. Ich gab mein Alles hin, ohne nur mit der Wimper zu zucken. Dem schlauen, feisten Seifensieder gelüstete es schon lange nach meinem Schloß. Er hatte sich immer vorsichtig den Verwicklungen des Bürgerkrieges fern gehalten. Den armen Erdenwurm stach der Kitzel, ein Edelmann zu werden; als ob ein Dach mit Zinnen und eine baufällige Burg ihn dazu machen konnten! Ich that ihm den Gefallen, und die königliche Kasse verschlang jeden Schilling des Kaufpreises. Ich aber hielt aus bis zu dem letzten Mißgeschick bei Worcester, wo ich den Rückzug des jungen Prinzen deckte, und mich wohl rühmen darf, daß ich der letzte Royalist in England war, der das Recht der Krone vertrat. Cromwells Regierung erklärte mich für einen gefährlichen Malignant und setzte einen Preis auf meinen Kopf. Es gelang mir in dieser Bedrängnis, nach den Niederlanden zu entkommen, mein Schwert und wenige Goldstücke waren meine ganze Habe.«

»Ein cavaliero kann selbst in solchem Falle sein Glück machen,« warf Saxon ein. »In Deutschland gibt's immer Krieg, und der Arbeiter ist seines Lohnes wert. Wenn sich die Norddeutschen nicht mit den Schweden oder Franzosen schlagen, so thun's sicher die Süddeutschen mit den Janitscharen.«

»Ich trat allerdings eine Zeitlang in den Dienst der Generalstaaten,« fuhr Sir Jakob fort, »und sah wieder einmal meine alten Feinde, die Rundköpfe, von Angesicht zu Angesicht. Oliver hatte den Franzosen Reynolds Brigade zu Hilfe gesandt, und König Ludwig war hocherfreut über diese erprobten Truppen. Wahrhaftig, als ich auf der Contreskarpe von Dünkirchen stand, ertappte ich mich darauf, daß ich statt bei der Verteidigung zu helfen, dem Angriff zujubelte! Das Herz hüpfte mir, als die Bursche wie die Bulldoggen, Gewehr im Arm, die Bresche stürmten; keine Stimme bebte bei ihrem Psalmliede, trotzdem ihnen die Kugeln um die Ohren summten, wie Bienen beim Schwärmen. Und dann, als es zum Handgemenge mit den Flamändern kam, erhoben sie ein so gewaltiges Triumphgeschrei, daß mein Haß gegen die politischen Widersacher dem Stolz auf die Landsleute weichen mußte. Meine Soldatenlaufbahn war nur kurz. Der Friede wurde geschlossen, und ich widmete mich dem Studium der Chemie, für das ich von jeher eine große Vorliebe gehabt hatte. Zuerst arbeitete ich bei Vorhaager in Leyden, sodann bei De Huy in Straßburg; aber ich fürchte, diese berühmten Namen sind euch leerer Schall.«

»Wahrlich,« meinte Saxon, »es scheint ein böser Zauber in dieser besagten Chemie zu stecken. Wir trafen in Salisbury zwei Offiziere von den blauen Dragonern, die auch ein faible dafür hatten, obschon sie sonst stattliche Soldaten waren.«

»Was Ihr sagt!« rief Sir Jakob lebhaft, »Welcher Schule gehörten sie an?«

»Davon weiß ich nichts,« entgegnete Saxon, »sie stritten mir nur ab, daß weder Gervinus von Nürnberg, den ich einmal im Gefängnis zu bewachen hatte, noch überhaupt jemand die Metalle verwandeln könne.«

»Für Gervinus kann ich nicht einstehen,« versetzte unser Wirt, »für die Möglichkeit der Umwandlung aber kann ich mein Ritterwort verpfänden. Doch davon ein andermal mehr. Endlich kam der Tag, der Karl II. auf den Thron zurückrief, und der in uns allen – von Jeffrey Hudson, dem Hofzwerg, bis auf Lord Clarendon – die freudige Hoffnung erweckte, nun unser Eigentum wieder zu erlangen. Ich zauderte einige Zeit, meinen Anspruch geltend zu machen, in der Meinung, es stünde einem Könige besser an, ohne vorhergehende Bittgesuche einem armen Kavalier zu helfen, der sich für die königliche Sache ruiniert hatte. Ich wartete und wartete; als aber immer noch nichts erfolgte, begab ich mich zum Lever und wurde geziemend vorgestellt.«

»Der König begrüßte mich mit der herzgewinnenden Liebenswürdigkeit, die ihm zu Gebote stand.«

»Ihr seid Sir Jaspar Killigrew?« fragte er dann.

»Nicht doch, Ew. Majestät,« entgegnete ich, »ich bin Sir Jakob Clancing von Snellaby Hall in Staffordshire,« und dann erinnerte ich ihn an die Schlacht von Worcester und manches Abenteuer, das wir zusammen bestanden hatten.

»Potz Fisch!« rief er aus, »wie konnte ich das vergessen! Und wie geht's Euch nun in Snellaby Hall?«

»Ich erzählte ihm, wie der Besitz in andre Hände übergegangen sei, und setzte ihm kurz meine Notlage auseinander. Seine Stirn umwölkte sich, und sein Wesen wurde eisig. ›Jeder plagt mich um Geld und Ämter‹, murrte er, ›und das Unterhaus erweist sich so knickerig, daß ich nicht freigebig sein kann. Wir wollen jedoch sehen, was Wir für dich thun können, Sir Jakob.‹ Damit war ich entlassen.«

»Noch am selben Abend kam der Sekretär Lord Clarendons zu mir, und eröffnete mir unter vielen Formalitäten und Floskeln, daß in Anbetracht meiner treuen Dienste und großen Verluste Seine Majestät in Gnade geruhe, mich zum Lotterie-Kavalier zu ernennen.«

»Um Verzeihung, Sir Jakob, was ist ein Lotterie-Kavalier?« unterbrach ich den Erzähler.

»Nichts andres, als der konzessionierte Halter einer Spielbank. Das war sein Dank! Ich hatte die Erlaubnis, mir an der Piazza von Covent Garden eine solche Diebshöhle einzurichten, junge Stutzer aus der Stadt hinein zu locken und sie beim l'Hombre kahl zu rupfen! Um selbst wieder auf einen grünen Zweig zu kommen, sollte ich andre ruinieren! Meine Ehre, mein Name, mein Ruf sollten mir nichts gelten, wenn ich nur das Recht hatte, ein paar Narren um ihr Geld zu beschwindeln!«

»Ich habe gehört, daß einige dieser Lotterie-Kavaliere gute Geschäfte gemacht haben,« sagte Saxon nachdenklich.

»Gute oder schlechte, gleichviel, für mich war das nichts! Ich machte dem Könige nochmals meine Aufwartung und bat inständig, seine Gnade möchte mir in andrer Gestalt zu teil werden. Er erwiderte mir kurz, ich wäre ja merkwürdig wählerisch für einen armen Mann. Ich trieb mich nun mehrere Wochen bei Hofe herum – nebst vielen andern Kavalieren, die sich in gleicher Lage befanden. Wir beobachteten, wie die königlichen Brüder beim Kartenspiel und mit ihren Dirnen Summen verschwendeten, die ausgereicht hätten, uns insgesamt das verlorene Erbe unsrer Ahnen zurückzukaufen. Ich sah einmal Karl beim Trumpfmachen auf eine einzige Karte eine so hohe Summe setzen, daß sie auch die Wünsche des Anspruchsvollsten unter uns befriedigt hätte. Ich bemühte mich, ihm im Park von St. James oder in Whitehall vor die Augen und ins Gedächtnis zu kommen, in der Hoffnung, schließlich doch irgend eine Versorgung zu erhalten. Endlich schickte er mir wieder eine Botschaft: Wenn ich mich nicht modischer kleidete, würde er meine Aufwartung gern entbehren! Das war sein Bescheid für den alten invaliden Soldaten, der ihm und seinem Vater Gesundheit, Wohlstand, Rang und Stellung, alles geopfert hatte!«

»Schändlich!« riefen wir alle drei wie aus einem Munde.

»Wundert es euch noch, daß ich dem ganzen falschen zuchtlosen und grausamen Geschlecht der Stuarts fluchte? Zwar jetzt könnte ich Snellaby Hall morgen wieder erwerben, wenn ich wollte, aber was nützte es mir, da ich keinen Erben habe!«

»Hoho, Ihr seid also reich geworden!« sagte Decimus Saxon und sah ihn pfiffig von der Seite an. »Vielleicht habt Ihr selbst die Kunst erfunden, Töpfe und Tiegel in Gold zu verwandeln? Doch nein, das kann nicht sein, denn ich sehe in diesem Zimmer Eisen- und Messinggeräte, die wohl kaum vorhanden waren, könntet Ihr sie wirklich zu Golde machen.«

»Gold hat seinen Nutzen, und Eisen hat seinen Nutzen,« meinte Sir Jakob etwas orakelhaft. »Eins kann das andre nie ersetzen.«

»Die Offiziere haben uns aber doch erklärt,« wandte ich ein, »daß dies nur ein Aberglaube der ungebildeten Menge wäre.«

»Dann haben die Offiziere nur bewiesen, daß ihre Kenntnisse geringer sind, als ihre Vorurteile. Der Schotte Alexander Setonius war der erste Mann der Neuzeit, dem es gelang. Im März des Jahres 1602 verwandelte er ein Stück Blei in Gold, und zwar im Hause eines gewissen Hansen in Rotterdam, der es beschworen hat. Er wiederholte denselben Prozeß nicht nur vor drei Sachverständigen, die ihm Kaiser Rudolf zuschickte, sondern er lehrte ihn auch Johann Wolfgang Dienheim aus Freiburg und Gustenhofer aus Straßburg, welch letzterer ihn meinem eignen berühmten Lehrer beibrachte, der –«

»Der ihn wieder Euch lehrte,« rief Saxon strahlend aus. »Ich habe leider nur wenig Metall bei mir, guter Sir Jakob, aber da ist meine Sturmhaube, mein Rücken- und Brustpanzer, meine Arm- und Beinschienen, mein Schwert, meine Sporen und die Schnallen am Pferdegeschirr. Ich bitte Euch, übt Eure höchst vortreffliche und rühmliche Kunst daran aus, und ich verspreche, Euch binnen wenigen Tagen einen Haufen Metall zu schaffen, der Eurer würdiger sein soll!«

»Sachte, sachte,« lächelte der Alchimist kopfschüttelnd. »Ich vermag in der That die Umwandlung herzustellen, aber nur sehr langsam, und nach einander, immer nur kleine Stücke auf einmal, mit Aufbietung großer Mühe und Geduld. Will jemand reich werden, so kostet es lange und schwere Arbeit. Schließlich wird es ihm allerdings gelingen. Doch genug! Die Flaschen sind leer, und Euer jüngster Kamerad nickt schon auf seinem Stuhl ein. Ihr thut besser daran, noch einige Stunden der Ruhe zu pflegen.«

Sir Jakob zog nun ein Bündel Decken und Teppiche aus einem Winkel und warf es auf den Boden.

»Nur ein Soldatenlager,« bemerkte er dazu, »aber euch wird vielleicht schlechter gebettet werden, ehe ihr Monmouth auf den Thron gesetzt habt! Ich schlafe in einem Raum, der noch tiefer in den Hügel hinein gebaut ist.«

Mit noch einigen Winken für unsre Bequemlichkeit, und einem kurzen »Gute Nacht« nahm er die Lampe und entfernte sich durch eine von uns bisher noch nicht bemerkte Thür am äußersten Ende des Gemachs.

Ruben, der, seit er Havant verlassen, im Sattel gewesen war, lag bereits in tiefem Schlaf, mit dem Kopf auf seinem Sattel und in einen Teppich gewickelt, Saxon und ich blieben noch ein paar Minuten an dem hellen Kohlenfeuer sitzen.

»Es wäre gar nicht so übel, wenn man auch solch ein chemisches Geschäft anfinge,« begann mein Gefährte und klopfte die Asche aus seiner Pfeife. »Seht Ihr den eisenbeschlagenen Kasten dort in der Ecke?«

»Weshalb?«

»Er ist über halbvoll. Lauter Goldstücke, die dieser würdige Edelmann verfertigt hat.«

»Woher wißt Ihr das?« fragte ich ungläubig.

»Als Ihr mit Eurem Schwertgriff an die Thür pochtet, als wolltet Ihr sie gleich einschlagen, da hörtet Ihr vielleicht drinnen ein Rumrennen und Schlüsselklappern. Dank meiner langen Statur konnte ich durch jene Mauerritze lugen, und ich sah unsern Freund etwas Klingendes in den Kasten werfen und dann zuschließen. Ich konnte zwar nur einen flüchtigen Blick hinein thun, möchte aber darauf schwören, daß der matte gelbe Glanz darin nur von Gold herrühren kann. Wollen doch mal gleich nachsehn, ob er wirklich zugeschlossen ist.« Damit trat er zu der Truhe und rüttelte kräftig am Deckel.

»Hört auf, Saxon, hört auf!« rief ich zornig. »Was müßte unser Wirt denken, wenn er Euch dabei beträfe!«

»Ei, daß er so etwas nicht unter seinem Dache hätte aufbewahren sollen! Mit einem Meißel oder z. B. auch mit einem Dolch ließe sich das Ding schon aufsprengen!«

»Bei Gott dem Allerhöchsten,« flüsterte ich, »untersteht es Euch nicht, oder ich schlage Euch zu Boden!«

»Immer kalt Blut, junger Enakssohn! Es war ja nur so ein vorübergehendes Gelüst, mir den Schatz zu besehn! Schade, daß er nicht zum König hält. Das wäre eine schöne Kriegsbeute. Habt Ihr wohl gemerkt, wie er prahlte, der letzte Royalist gewesen zu sein, der in England das Schwert gezogen? Er gestand, daß man ihn als Malignant geächtet hatte. Euer Vater würde bei all seiner Gottseligkeit diesem Amalekiter seinen ungerechten Mammon abgenommen haben. Ja, und dann bedenkt nur, er kann ihn sich eben so leicht wieder herstellen, wie Eure Mutter Preißelbeerklöße macht!«

»Ich will nichts weiter hören,« antwortete ich barsch. »Verliert kein Wort mehr darüber. Legt Euch aufs Ohr, sonst rufe ich unsern Wirt und erzähle ihm, was für einem Kerl er Gastfreundschaft gewährt hat.«

Mit vielem Gebrumm verstand sich Saxon endlich dazu, seine langen Gliedmaßen auf einer Matte auszustrecken. Ich legte mich neben ihn und wachte, bis das Morgengrauen durch die schadhaften Dachsparren schimmerte. Ich fürchtete nämlich, die Plünderungslust des alten Freibeuters möchte erwachen, wenn ich einschliefe, so daß er uns bei unserm gütigen Wirt in Schimpf und Schande brächte. Endlich verriet sein lautes Schnarchen, daß er entschlummert war, und ich fand nun auch auf ein paar Stunden die erwünschte Ruhe.


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